Dr. Christian Bochmann, LL.M. (Cambridge)*
A. Einführung
„Welche Änderungen und Ergänzungen sind im Recht der BGB-Gesellschaft geboten?“ – So lautete der Untertitel des Beitrags von Karsten Schmidt in den vom Bundesminister der Justiz Anfang der Achtzigerjahre herausgegebenen „Gutachten und Vorschläge[n] zur Überarbeitung des Schuldrechts“.1 Es sollte jedoch nahezu vier Jahrzehnte dauern, ehe der Gesetzgeber sich jener Frage und den seinerzeit herausgearbeiteten Antworten mit einer Entschlossenheit angenommen hat,2 die eine tatsächliche Reform des Personengesellschaftsrechts erwarten lässt. Impulse3 dafür waren insbesondere die höchstrichterliche Grundsatzentscheidung „ARGE Weißes Ross“ aus dem Jahr 20014, eine – im Hinblick auf die zwischenzeitlichen Entwicklungen freilich stark variierte – Reprise der Überlegungen Karsten Schmidts aus dem Jahre 1983 genau 30 Jahre später unter dem Titel „Neuregelung des Rechts der Personengesellschaften? – Vorüberlegungen für eine konsistente Reform“5 sowie die Befassung des 71. Deutschen Juristentags in Essen im Jahr 2016 mit der Frage: „Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts?“6
An diese und viele weitere Vorarbeiten7 konnte die Große Koalition anknüpfen, als sie sich in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 die Reform des Personengesellschaftsrechts und seine Anpassung an die Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens auf die Fahnen geschrieben hat.8
Eine in eben jenem Koalitionsvertrag angelegte, vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzte Expertenkommission hat hierzu im Frühjahr 2020 mit dem Mauracher Entwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts („ME MoPeG“)9 einen ausformulierten Gesetzesentwurf für eine umfassende Reform des Personengesellschaftsrechts10 nebst Begründung11 vorgelegt, die seither intensiv diskutiert wurde12 und im Sommer 2020 Gegenstand eines ZGR-Sondersymposions13 war.
In der Fachöffentlichkeit hat der Mauracher Entwurf breite Zustimmung erfahren,14 weshalb es nicht überrascht,
* Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Flick Gocke Schaumburg, geschäftsführender Direktor des Notarrechtlichen Zentrums Familienunternehmen der Bucerius Law School und Lehrbeauftragter an der Juristenfakultät der Universität Leipzig.
1 Karsten Schmidt, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. III, 1983, S. 413.
2 S. hierzu Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, Zeilen 6162 ff.: „Wir werden das Personengesellschaftsrecht reformieren und an die Anforderungen eines modernen, vielfältigen Wirtschaftslebens anpassen; wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die gesetzliche Vorschläge für eine grundlegende Reform erarbeitet.“ (abrufbar unter www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf; zuletzt abgerufen am 26.11.2020).
3 Zur (Vor‑)Geschichte des Mauracher Entwurfs Schollmeyer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 29 ff.
4 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341; dazu statt vieler Karsten Schmidt, NJW 2001, 993 ff.; ders., JuS 2001, 509; Wedemann, in: Fleischer/Thiessen (Hrsg.), Gesellschaftsrechts-Geschichten, 2018, S. 491 ff.
5 Karsten Schmidt, ZHR 177 (2013), 712 ff.
6 So der Titel des von Schäfer erstatteten Gutachtens in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentags, Bd. I, 2016, S. E1 ff.
7 Unter Ziffer 1 des Berichts über die Tätigkeit und den Gesetzentwurf der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzten Expertenkommission für die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts („Kommissionsbericht“) – abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Abschlussbericht_Maurach.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 26.11.2020) – werden neben dem Beitrag Karsten Schmidts, ZHR 177 (2013), 712 ff., Beiträge von H. P. Westermann, NJW 2016, 2625 ff., sowie von Röder, AcP 215 (2015), 451 ff., hervorgehoben.
8 Vgl. Zeilen 6162 ff. des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode (Fn. 2).
9 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, April 2020 (abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf?__blob=publicationFile&v=3; zuletzt abgerufen am 26.11.2020).
10 Wenngleich diese keine „Totalrevision“, sondern eine „Modernisierung im bestehenden System“ darstellt; vgl. Ziffer 3 (1. Sitzung) des Kommissionsberichts (Fn. 7); vgl. ferner Fleischer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 1, 5 ff.; Schollmeyer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 29, 32 f.
11 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Mauracher Entwurf für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, April 2020; abrufbar unter www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Entwurf_Mopeg.pdf (zuletzt abgerufen am 26.11.2020).
12 S. hierzu etwa Altmeppen, NZG 2020, 822; Bachmann, NZG 2020, 612; Bergmann, DB 2020, 994; Fleischer, DB 2020, 1107; Geibel, ZRP 2020, 137; Habersack, ZGR 2020, 539; Heckschen, NZG 2020, 761; M. Noack, NZG 2020, 581; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295; Punte/Klemens/Sambulkski, ZIP 2020, 1230; Schäfer, ZIP 2020, 1149; Scholz, NZG 2020, 1044; Storz, GWR 2020, 257; Wertenbruch, GmbHR 2020, R196.
13 Das im ZGR-Sonderheft 23 (2020) mit dem Titel „Modernisierung des Personengesellschaftsrechts – Der Mauracher Entwurf in der Fachdiskussion“ dokumentiert ist.
14 Der Entwurf wird in der bisherigen Diskussion überwiegend positiv rezipiert und nur im Detail kritisiert, s. etwa Bachmann, NZG 2020, 612, 619; Heckschen, NZG 2020, 761, 767; M. Noack, NZG 2020, 581, 584; Punte/Klemens/Sambulkski, ZIP 2020, 1230, 1234; Scholz, NZG 2020, 1044. (Punktuell) kritischer dagegen Geibel, ZRP 2020, 137, 138 ff.; Habersack, ZGR 2020, 539, 546 ff.; Wilhelm, NZG 2020, 1041 ff.
dass sich seine Regelungsvorschläge im Kern in dem am 18. November 2020 zur Stellungnahme an die Verbände zirkulierten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz („RefE MoPeG“)15 wiederfinden.16 Der Referentenentwurf ist im Vergleich zum Mauracher Entwurf von 39 Artikeln auf 150 Artikel und von 210 Seiten auf 351 Seiten angeschwollen und reflektiert auch Folgeanpassungen in (aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive) randständigen Gesetzen wie dem Düngegesetz (Art. 105 RefE MoPeG) sowie dem Bundeswaldgesetz (Art. 120 RefE MoPeG). Nicht zuletzt hieran wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber ernst mit dem Plan ist, das Vorhaben vor Ende der Legislaturperiode im nächsten Jahr ins Bundesgesetzblatt zu bringen.
Der nachfolgende Beitrag vermittelt einen Überblick über zentrale Aspekte des Referentenentwurfs und nimmt eine erste Bewertung insbesondere der Abweichungen vom Mauracher Entwurf vor.
B. Ziel der geplanten Reform
In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz anlässlich der Vorlage des Mauracher Entwurfs wurde das damit verfolgte Anliegen wie folgt zusammengefasst:
„Wesentliches Ziel der Reform ist es, den Systemwechsel im Gesetz kohärent nachzuvollziehen und dadurch die Diskrepanzen zwischen dem geschriebenen Recht und der von der Rechtsprechung und der Kautelarpraxis geprägten Rechtsanwendung und -gestaltung im Interesse der Rechtssicherheit zu beseitigen.“17
Mit „Systemwechsel“ ist die in der Literatur insbesondere durch Flume, Ulmer und Karsten Schmidt vorbereitete18 Grundsatzentscheidung „ARGE Weißes Ross“ aus dem Jahr 200119 zur Rechtsfähigkeit am Rechtsverkehr teilnehmender Gesellschaften bürgerlichen Rechts gemeint. Denn anders als der Bundesgerichtshof in „ARGE Weißes Ross“ insinuierte,20 entspricht die Rechtsfähigkeit der GbR gerade nicht der Vorstellung des historischen Gesetzgebers. Für diesen war die Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine nicht rechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft, wobei das „Wesen der gesammten Hand“21 ausdrücklich offen blieb.22 Zwischen dem geschriebenen Recht in den seit Inkrafttreten des BGB weitgehend unveränderten23 §§ 705 ff. BGB und dem geltenden Recht bestehen infolgedessen erhebliche Diskrepanzen, die es dem unbefangenen Leser praktisch unmöglich machen, sich das Recht der GbR als Ausgangspunkt des gesamten Personengesellschaftsrechts zu erschließen.24 Charakteristisch für den „Systemwechsel“ ist etwa der Umstand, dass die Reform des Personengesellschaftsrechts Anfang der Achtzigerjahre noch als Element einer Schuldrechtsreform begriffen wurde, heute aber ganz selbstverständlich unter der Ägide des Referats, welches das Personengesellschaftsrecht verantwortet,25 steht.
Unabhängig von jenem Auseinanderfallen von lex scripta und geltendem Recht hat der mit der Grundlagenentscheidung aus dem Jahr 2001 verbundene Fortschritt seinerseits Probleme aufgeworfen, die letztlich allesamt in einem notorischen Publizitätsdefizit der (rechtsfähigen) GbR wurzeln.26 Anschaulich wird das an folgendem Leitsatz einer BGH-Entscheidung zur Eintragungsfähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in das Grundbuch: „Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann unter der Bezeichnung in das Grundbuch eingetragen werden, die ihre Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag für sie vorgesehen haben“27. Von einer solchen Eintragung gehen jedoch erhebliche Risiken für den Rechtsverkehr aus, da eine GbR als Rechtssubjekt nach geltendem Recht keiner Registerpublizität unterliegt und damit unklar bleibt, welche Gesellschafter hinter der Gesellschaft stehen und – damit zusammenhängend (vgl. §§ 714, 709 BGB) – wie diese im Rechtsverkehr vertreten wird, da es auch an einem Anknüpfungspunkt für die Anwendung von Rechtsscheinvorschriften fehlt.28
Die damit verbundenen Probleme waren keinesfalls eine böse Überraschung im Gefolge der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR, sondern waren frühzeitig bedacht worden und durch das Petitum Karsten Schmidts auf den Punkt gebracht, „dass es keine Publizität des Objekts ohne Publizität des Subjekts geben sollte“29. Subjektpublizität in diesem Sinne kann die Rechtsprechung aber ohne gesetzliche Grundlage nicht herstellen, und die punktuellen legislativen Reaktionen in dieser Richtung in Form von § 47 Abs. 2 GBO für das Grundbuch, § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB für das Handelsregister sowie § 40 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GmbHG für die
15 Abrufbar unter www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Personengesellschaftsrecht.pdf (zuletzt abgerufen am 26.11.2020).
16 Vgl. auch Begr. RefE MoPeG, S. 114.
17 Vom 20. April 2020; abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/042020_Mopeg_Presseinfo.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am 26.11.2020).
18 Zur Gedankengeschichte Habersack, ZGR 2020, 539, 544.
19 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341; dazu statt vieler Karsten Schmidt, NJW 2001, 993 ff.; ders., JuS 2001, 509; sowie Wedemann, in: Fleischer/Thiessen (Hrsg.), Gesellschaftsrechts-Geschichten, 2018, S. 491 ff.
20 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, juris-Rn. 12.
21 Protokolle, in: Mugdan II, 1899, S. 990.
22 S. Protokolle, in: Mugdan II, 1899, S. 990: „Die Kom. war der Ansicht, daß eine Stellungnahme zu der wissenschaftlichen Streitfrage über das Wesen der gesammten Hand zu vermeiden sei“; vgl. hierzu Fleischer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 1, 7 ff.
23 Zu den punktuellen Eingriffen seit 1994 Schäfer, in: Münch. Komm. BGB, 8. Aufl. 2020, Vor § 705 Rn. 31 ff.
24 Vgl. Fleischer, ZGR 2014, 107, 108; ders., DB 2020, 1107; Karsten Schmidt, ZHR 213 (2013), 712, 713; Schäfer, in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentags (Fn. 6), S. E1.
25 Referat III A 1 unter der Leitung von Ministerialrat Dr. Eberhard Schollmeyer.
26 Karsten Schmidt, NJW 2001, 993, 1002; Röder, AcP 215 (2015), 450, 460 ff.; Herrler, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 39, 41 ff.; Wicke, DNotZ 2017, 261, 263; Otte-Gräbener, BB 2020, 1295.
27 BGH v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, BGHZ 179, 102.
28 Karsten Schmidt, NJW 2001, 993, 1002.
29 Karsten Schmidt, NJW 2001, 993, 1002; vgl. auch bereits dens., BB 1983, 1697 (zur Beteiligung von GbRs an GmbHs), sowie dens., NJW 1984, 2249, 2250 (zur Partei- und Grundbuchfähigkeit nichtrechtsfähiger Vereine).
GmbH-Gesellschafterliste haben nach einhelliger Ansicht nicht zu einem adäquaten Maß an Rechtssicherheit geführt.30 Reetz, in: BeckOK GBO, 40. Ed., Stand 01.10.2020, § 47 Rn. 83 ff.
C. Generalüberholung des GbR-Rechts
Der Referentenentwurf sieht – wie zuvor schon der Mauracher Entwurf – eine komplette redaktionelle Neufassung der §§ 705 ff. BGB in insgesamt 56 Vorschriften – anstelle der gegenwärtig 36 Paragrafen – sowie eine Reihe inhaltlicher Neuerungen vor. Schwerpunkte31 sind die Erhebung der rechtsfähigen Gesellschaft zum zentralen Regelungsgegenstand der §§ 705 ff. BGB (dazu unter C.I.), die Aufgabe des Gesamthandsprinzips (dazu unter C.II.) sowie Vorgaben zur Subjektpublizität rechtsfähiger Gesellschaften, die in qualifizierter Weise am Rechtsverkehr teilnehmen (dazu unter C.III.). Größere Abweichungen vom Mauracher Entwurf haben sich hinsichtlich der Vorschriften zu Beschlüssen in Gesellschaften bürgerlichen Rechts ergeben (dazu unter C.IV.); insbesondere sind die vom Mauracher Entwurf vorgesehenen Vorschriften zum Anfechtungsmodell im Zusammenhang mit der Austragung von Beschlussmängelstreitigkeiten in das Handelsgesetzbuch, angereichert um Vorgaben zu den Modalitäten der Beschlussfassung, gewandert (dazu unter D.II.).
I. Rechtsfähige Gesellschaft als neues Leitbild der §§ 705 ff. BGB-RefE
Der Referentenentwurf definiert die „rechtsfähige Gesellschaft“ in § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB-RefE als Gesellschaft, die nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll und deshalb Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann. Was genau hierfür erforderlich ist, lässt der Entwurf mit Rücksicht auf die Bedeutung des individuellen Parteiwillens der Beteiligten ausdrücklich offen und sieht zudem von der Einführung einer Vermutungsregelung32 ab.33
Dem gegenübergestellt wird in § 705 Abs. 2 Var. 2 BGB-RefE die „nicht rechtsfähige Gesellschaft“, die – und auch insofern enthält der Referentenentwurf, anders als noch der Mauracher Entwurf 34, nunmehr eine ausdrückliche Umschreibung – den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dient. Womöglich erschien den Verfassern des Referentenentwurfs die Behandlung der nicht rechtsfähigen Gesellschaft im Mauracher Entwurf mit Rücksicht auf ihre rechtstatsächliche Verbreitung35 gar zu stiefmütterlich,36 tauchte sie dort – noch als „Innengesellschaft“ bezeichnet – doch erst ganz zum Ende der Vorschriften zur Gesellschaft auf und wurde lediglich negativ zur rechtsfähigen Gesellschaft abgegrenzt (§ 740 Abs. 1 BGB-ME).
Auch wenn die nicht rechtsfähige Gesellschaft damit einen Platz in der Eingangsnorm zu den §§ 705 ff. BGB-RefE erhalten hat, lässt der Referentenentwurf doch keinen Zweifel an der Weiterverfolgung des vom Mauracher Entwurf angestoßenen Leitbildwandels: Die Vorschriften zur Gesellschaft werden in Umkehrung des Status quo konsequent an der auf gewisse Dauer angelegten, rechtsfähigen Gesellschaft ausgerichtet,37 da bei eben dieser die gesetzlichen Regelungsnotwendigkeiten schlicht vordringlicher als bei den Innengesellschaften sind.38 Zu Letzteren enthält der Referentenentwurf, wie schon der Mauracher Entwurf, lediglich vier (von 56) spezifische Vorschriften (§§ 740 ff. BGB-RefE), worin die Offenheit für praktische Gestaltungen – nach Karsten Schmidt handelt es sich bei der Innengesellschaft nicht um eine „Rechtsform, sondern ein vielgestaltiges Angebot des Rechts an die Praxis“39 – zum Ausdruck kommt.
Der Übergang zum gesetzlichen Leitbild der rechtsfähigen Gesellschaft führt zu umfangreichen Folgeanpassungen in den §§ 705 ff. BGB. So wird etwa die gegenwärtig in Verkehrung des § 105 Abs. 3 HGB aus §§ 128 ff. HGB hergeleitete akzessorische Gesellschafterhaftung40 in §§ 721 ff. BGB-RefE eigens – und nach Vorbild der akzessorischen Gesellschafterhaftung in den Personenhandelsgesellschaften – positiviert. Nennenswerte inhaltliche Änderungen im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage sind damit allerdings ebenso wenig verbunden wie mit der Ausdifferenzierung der Regelungen zur Geschäftsführung (§ 715 BGB-RefE) einerseits und zur Vertretung (§ 720 BGB-RefE)41 andererseits.
Anders stellen sich die Neuerungen bei den Vorschriften zum Gesellschafterwechsel und zur Auflösung von Gesellschaften dar.42 Nach geltendem Recht führen Diskontinuitäten auf Ebene der Gesellschafter – das heißt Tod, Kündigung durch den Gesellschafter oder einen Privatgläubiger sowie die Gesellschafterinsolvenz43 – vorbehaltlich anderslautender gesellschaftsvertraglicher Regelungen zur Auflösung der Gesellschaft und ist eine GbR jederzeit fristlos ordentlich kündbar; beides ist Ausfluss des schuldvertraglichen Charakters der nicht rechtsfähigen Gesellschaft.44 Angesichts des mit der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft verbundenen Grades ihrer Verselbstständigung von ihren Gesellschaftern erscheinen die gegenwärtigen Auflösungs- und Kündigungs-
30 Vgl. zu § 40 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 i.V.m. § 16 Abs. 3 GmbH Heidinger, in: Münch. Komm. GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 40 Rn. 44; zu § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB Oetker, in: Oetker, HGB, 6. Aufl. 2019, § 162 Rn. 7; zu § 47 Abs. 2 GBO
31 Zu den großen Linien insbesondere Fleischer, DB 2020, 1107 (und daran anknüpfend RefE MoPeG, S. 121 ff.); ders., ZGR-Sonderheft 23 (2020), 1 ff.; Schollmeyer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 29 ff.; Bachmann, NZG 2020, 612, 613 ff.; Bergmann, DB 2020, 994 ff.; M. Noack, NZG 2020, 581 ff.; Schäfer, ZIP 2020, 1149 ff.
32 Vgl. aber die österreichische Rechtslage in § 1176 Abs. 1 Satz 2 ABGB.
33 Begr. RefE MoPeG, S. 140 f.; vgl. zuvor bereits Begr. ME MoPeG, S. 70.
34 Eingehend zum Außengesellschaft und Innengesellschaft im Mauracher Entwurf Armbrüster, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 143 ff.
35 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 721.
36 Vgl. den Änderungsvorschlag von Armbrüster, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 143, 146 f.
37 Einl. RefE MoPeG, S. 2, 121, 140; vgl. auch bereits Begr. ME MoPeG, S. 70, und dazu hierzu Fleischer, DB 2020, 1107, 1110 ff.; Schäfer, ZIP 2020, 1149, 1150 f.
38 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 721.
39 Karsten Schmidt, ZHR 177 (2013), 712, 721.; vgl. zum Mauracher Entwurf auch Armbrüster, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 143, 158 ff.
40 Vgl. BGH v. 24.2.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88, und dazu Karsten Schmidt, JuS 2003, 708; BGH v. 7.4.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, und dazu Karsten Schmidt, JuS 2003, 815.
41 Hierzu eingehend Lieder, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 169 ff.
42 Vgl. hierzu eingehend Bochmann, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 221 ff.
43 §§ 723 bis 725, 727, 728 Abs. 2 BGB.
44 Vgl. Begr. RefE MoPeG, S. 122 f., und zuvor bereits Fleischer, DB 2020, 1107, 1111 f.; M. Noack, NZG 2020, 581, 584.
gründe jedoch nicht mehr sachgerecht. Das zeigt sich sowohl in der Rechtsprechung, die bereits nach geltendem Recht die von den §§ 723 bis 725, 727, 728 Abs. 2 BGB ausgehenden Fliehkräfte durch großzügige Annahme stillschweigender Abweichungen abmildert,45 sowie in der Gestaltungspraxis, welche die gesetzlichen Auflösungsgründe in Gesellschaftsverträgen standardmäßig zu Ausscheidensgründen des betreffenden Gesellschafters umformt.
Dementsprechend ersetzt der Gesetzgeber die gegenwärtigen Auflösungsgründe durch Ausscheidenstatbestände (§ 723 Abs. 1 BGB-RefE) und macht die ordentliche Kündigung von der Einhaltung einer Kündigungsfrist abhängig (§ 725 Abs. 1 BGB-RefE),46 womit der Verbandskontinuität der Vorrang vor der Personenkontinuität auf Gesellschafterebene eingeräumt wird.47 Hervorhebung verdient in diesem Zusammenhang die schon vom Mauracher Entwurf unter Rückgriff auf einen Vorschlag Karsten Schmidts aus dem Jahr 198348 vorgesehene Streichung des § 723 Abs. 3 BGB im Hinblick auf Vereinbarungen, welche die ordentliche Kündigung beschränken.49 Schutz vor übermäßigen Bindungen soll nach der Vorstellung der Entwürfe künftig (allein) über die bewegliche Schranke der Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 BGB gewährleistet werden, wobei allerdings die Wertung des § 725 Abs. 6 BGB-RefE – und damit letztlich der Entfall des ausdrücklichen gesellschaftsrechtlichen Schutzes vor exzessiven Beschneidungen des ordentlichen Kündigungsrechts – zu berücksichtigen sei.50 Die Gestaltungspraxis wird dies vermutlich als Legitimation weitaus längerfristiger gesellschaftsvertraglicher Bindungen, als sie heute anerkannt sind, interpretieren51 – ob zu Recht oder nicht, werden die Gerichte entscheiden.
II. Aufgabe des Gesamthandsprinzips
Ausweislich des Referentenentwurfs soll, wie es der Mauracher Entwurf bereits vorgezeichnet hat,52 mit der gesetzlichen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR kein Platz mehr für das Gesamthandsprinzip sein.53 Damit ist ausschließlich die Gesellschaft selbst – nicht (auch) die Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit (vgl. § 718 BGB) – Trägerin des Gesellschaftsvermögens.54 Obgleich diese Konsequenz auf den ersten Blick folgerichtig erscheint, wurde sie mit Blick auf den Mauracher Entwurf doch mit ganz unterschiedlicher Zielrichtung kritisiert,55 wobei diese Kritik sich in erster Linie auf die dogmatischen Ableitungen aus § 705 Abs. 2, § 713 BGB-ME in der Entwurfsbegründung bezieht, nicht auf die vorgeschlagenen Neuregelungen selbst.
Mit Blick auf den Mauracher Entwurf wurden allerdings auch unmittelbar praxisrelevante Zweifel an der weiteren Anwendbarkeit zentraler steuerrechtlicher Vorschriften geäußert,56 die an das Gesamthandsvermögen von Personengesellschaften anknüpfen.57 Diese Bedenken räumt der Referentenentwurf ebenso wenig wie der Umstand aus, dass das Gesamthandsprinzip bereits mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an Überzeugungskraft eingebüßt hat,58 da die Aufhebung von § 718 BGB und die ausdrückliche Abkehr vom Gesamthandsprinzip in der Entwurfsbegründung unmissverständlich klarmachen, dass eine Veränderung des Status quo intendiert ist.59
Aufgrund der hohen praktischen Relevanz der Anknüpfung der steuerlichen Vorschriften an die Gesamthand empfiehlt sich eine Klarstellung im weiteren Gesetzgebungsverfahren, etwa durch eine schlichte „Gelenknorm“, wonach die steuerliche Qualifikation von Personengesellschaften durch die gesellschaftsrechtliche Aufgabe des Gesamthandsprinzips unberührt bleibt, alternativ durch eine Umformulierung der in Rede stehenden steuerlichen Vorschriften.60
III. Subjektpublizität als Voraussetzung der qualifizierten Teilnahme am Rechtsverkehr
subsec:Subjektpublizität Eine der auch praktisch einschneidendsten Neuerungen61 der §§ 705 ff. BGB-RefE besteht in der Einführung eines Gesellschaftsregisters nach Vorbild des Handelsregisters (vgl. § 707b BGB-Ref). Aus dem Gesellschaftsregister sollen die fundamentalen Identifikationsmerkmale der Gesellschaft – Name, Sitz und Anschrift –, die Zusammensetzung und Identität ihres Gesellschafterkreises sowie die Vertretungsbefugnisse hervorgehen (§ 707 Abs. 2 BGB-RefE), wobei dieser Inhalt gleich dem Handelsregister öffentlichen Glauben genießen soll (§ 707a Abs. 3 BGB-RefE).62
45 Zu konkludenten Kündigungsbeschränkungen etwa BGH v. 17.6.1953 – II ZR 205/52, BGHZ 10, 91, 97 f.; BGH v. 11.7.1968 – II ZR 179/66, BGHZ 50, 316, 321; OLG Naumburg v. 26.5.2015 – 12 U 1/15, NZG 2016, 346, 347; zu konkludenten Fortsetzungsvereinbarungen in der GbR etwa OLG Celle v. 20.8.2014 – 7 U 38/14, BeckRS 2014, 21702; OLG Hamm v. 9.2.2012 – I-4 U 132711, BeckRS 2012, 10094.
46 Zum Ganzen Bochmann, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 221, 228 f.
47 Vgl. Begr. RefE MoPeG, S. 122 f., und zuvor bereits Fleischer, DB 2020, 1107, 1111 f.
48 Karsten Schmidt, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts (Fn. 1), S. 540.
49 Vgl. Begr. RefE MoPeG, S. 199 f.; zuvor bereits Begr. ME MoPeG, S. 122, und dazu Bochmann, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 221, 236 ff.; vgl. auch die Diskussionsbeiträge bei Leclerc, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 251 ff.
50 Begr. RefE MoPeG, S.198 ff.; vgl. zuvor bereits Begr. ME MoPeG, S. 121 f.
51 Bochmann, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 221, 238 ff.
52 Begr. ME MoPeG, S. 70, 87 f.; dazu Fleischer, DB 2020, 1107, 1110 f.
53 Begr. RefE MoPeG, S. 118.
54 Begr. RefE MoPeG, S. 122; vgl. zuvor bereits Begr. ME MoPeG, S. 70, 87 f., und dazu Bachmann, NZG 2020, 612, 615 f., sowie Fleischer, DB 2020, 1107, 1110 f.; ders., ZGR-Sonderheft 23 (2020), 1, 21 ff.; Armbrüster, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 143, 151 f.; vgl. aber den gegenteiligen Beschluss I.6 des 71. Deutschen Juristentags, in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Bd. II/1, 2017, S. O102, im Anschluss an Schäfer, in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages (Fn. 6), S. E87; dagegen Bachmann, FS Karsten Schmidt II, Band I, 2019, S. 49, 52 ff.; vgl. auch bereits Röder, AcP 215 (2015), 450, 494 ff.
55 Vgl. Altmeppen, NZG 2020, 822, 822 f.; Geibel, ZRP 2020, 137, 138; Habersack, ZGR 2020, 539, 547 ff.; Wilhelm, NZG 2020, 1041 ff.
56 Vgl. Heinze, DStR 2020, 2107 ff.
57 §§ 5, 6 GrEStG, § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2 EStG, § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG sowie § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.
58 Vgl. Bachmann, in: FS Karsten Schmidt II, Band I, 2019, S. 49, 52 ff.; Karsten Schmidt, ZHR 180 (2016), 411, 416 f.
59 Vgl. Heinze, DStR 2020, 2107, 2110.
60 Heinze, DStR 2020, 2107, 2110.
61 Vgl. Begr. RefE BGB, S. 124 ff., 142 ff.; vgl. zuvor bereits Kommissionsbericht (Fn. 7) unter Ziffer 4.a.
62 Überblick bei Herrler, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 39, 44 f.
1. Indirekter Zwang in die Subjektpublizität
§ 707 Abs. 1 BGB-RefE lautet: „Die Gesellschafter können die Gesellschaft bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Gesellschaftsregister anmelden.“ Unter Hinweis auf die Kann-Formulierung hatten das BMJV63, die Kommission64 und die Entwurfsbegründung65 mit Blick auf den Mauracher Entwurf noch die Freiwilligkeit der Eintragung betont – was allerdings nur die halbe Wahrheit war. Die Begründung zum Referentenentwurf verhehlt dies nicht, wenn es darin heißt, man setze „im Interesse einer möglichst niedrigschwelligen Regulierung auf ein System der positiven Anreizwirkung mit teils faktischem Zwang zur Registrierung“66.
Zwar haben sowohl der Mauracher wie der Referentenentwurf denjenigen Vorschlägen eine Absage erteilt, wonach überhaupt nur registrierte Gesellschaften bürgerlichen Rechts die Rechtsfähigkeit erlangen und damit am Rechtsverkehr teilnehmen können sollten;67 die Registrierung im Gesellschaftsregister ist dementsprechend kein notwendiges Element der rechtsfähigen Gesellschaft gemäß § 705 Abs. 2 Var. 1 BGB-RefE. Leitend war die Überlegung, dass ein konstitutives Eintragungserfordernis die Rechtsentwicklung gegenüber dem mit „ARGE Weißes Ross“ erreichten Zustand zurückwerfen würde und vor allem der Umgang mit den bereits existenten – nach Stand „ARGE Weißes Ross“ rechtsfähigen – Gesellschaften kaum praxisgerecht gelingen würde.68
Freiwilligkeit nach der Konzeption des Referentenentwurfs bedeutet jedoch nicht, dass es im freien Ermessen rechtsfähiger Gesellschaften stünde, ob sie ihre gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse bei der Teilnahme am Rechtsverkehr publik machen oder nicht. Der Referentenentwurf macht vielmehr, wie zuvor bereits der Mauracher Entwurf, die Eintragung zur Voraussetzung der qualifizierten Teilnahme am Rechtsverkehr, wobei sich die Begründung und damit auch die Bestimmung der Reichweite des Voreintragungserfordernisses in den Entwürfen unterscheidet: Wurde die Etablierung von Vorschriften, die eine Voreintragung erfordern, im Mauracher Entwurf mit der „intensive[n] Teilnahme am Rechtsverkehr“69 in typisierten Fällen begründet, lassen sich nach dem Referentenentwurf „die Belastungen einer Registrierung nicht allein wegen eines praktischen, sondern nur wegen eines normativ begründeten und überwiegenden Interesses des Rechtsverkehrs an Subjektpublizität rechtfertigen“70.
Unter dieser Prämisse identifiziert der Referentenentwurf zwei Grundkategorien, in denen das Voreintragungserfordernis Geltung beanspruchen muss:71 Das Gesetz knüpft an die Eintragung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in einem Objektregister (i) die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs des im jeweiligen Register ausgewiesenen Objekts oder (ii) eine vergleichbare Legitimationswirkung hinsichtlich der Inhaberschaft an dem jeweiligen Objekt. Für den ersten Fall werden als Beispiele der Gutglaubenserwerb von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (§§ 892 f. BGB) aufgrund der Eintragung einer GbR im Grundbuch (§ 47 Abs. 2 GBO) sowie von GmbH-Geschäftsanteilen (§ 16 Abs. 3 GmbHG) aufgrund der Eintragung einer GbR in der Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1 GmbHG) genannt, für den zweiten Fall die Legitimationswirkung der Eintragung in der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1 Satz 1, § 40 Abs. 1 GmbHG) oder im Aktienregister (§ 67 Abs. 2 Satz 1 AktG). Das gegenwärtige System, in dem Objektpublizitätsträger wie das Grundbuch und die Gesellschafterliste Angaben zu den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Inhaberin des jeweiligen registrierten Objekts verlangen,72 wird damit sukzessive obsolet werden, da jedwede rechtsgeschäftliche Veränderung bei diesen Rechten künftig die Eintragung der betreffenden GbR im Gesellschaftsregister zur Voraussetzung hat.73 Die geltende Objektpublizität wird durch Subjektpublizität ersetzt,74 womit insbesondere § 899a BGB als Menetekel der gegenwärtigen Publizitätsdefizite der rechtsfähigen GbR entfällt.75
Im Ergebnis überzeugt dieser Ansatz. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Begründungsansätze „Gutglaubenserwerb“ und „vergleichbare Legitimationswirkung hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft“ tatsächlich andere Fälle als die vom Referentenentwurf beispielhaft angeführten tragen. So soll nach dem Referentenentwurf etwa § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB gestrichen werden,76 der gegenwärtig bestimmt, dass im Falle einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Kommanditistin auch Angaben zu den Gesellschaftern der GbR im Handelsregisterblatt der Kommanditgesellschaft einzutragen sind. Künftig hingegen würde über § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 2 HGB-RefE, § 707a Abs. 1 Satz 2 BGB-RefE zur Anwendung gelangen,77 sodass die Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Kommanditistin an einer KG die Voreintragung im Gesellschaftsregister erfordert. Das überzeugt im Ergebnis, kann aber nicht mit den Aspekten des Gutglaubenserwerbs oder vergleichbarer Wirkungen erklärt werden, da die Handelsregistereintragung weder einen gutgläubigen Erwerb der Kommanditbeteiligung ermöglicht noch eine besondere Legitimation gegenüber der Kommanditgesellschaft vermittelt.
63 Pressemitteilung vom 20. April 2020 (Fn. 17), S. 2.
64 Vgl. Kommissionsbericht (Fn. 7) unter Ziffer 4.a.aa);
vgl. aber auch Wertenbruch, GmbHR 2020, R196.
65 Begr. ME MoPeG, S. 72 f.
66 Begr. RefE MoPeG, S. 124.
67 Begr. RefE MoPeG, S. 143 f.; vgl. auch Herrler, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 39, 43 ff.; Bergmann, DB 2020, 994, 995 ff.; Registrierung als konstitutive Voraussetzung der Erlangung der Rechtsfähigkeit befürwortend Röder, AcP 215 (2015), 450, 466 ff.; Wicke, in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages (Fn. 54), S. O31, O41 f.; ders., DNotZ 2017, 261, 263; Heckschen, NZG 2020, 761, 762 f.; vgl. auch Fleischer/Pendl, WM 2019, 2137, 2140 f.; Weber, in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentags, 2017, Bd. II/2, S. O124 f.; vgl. auch die diesbezüglichen Stellungnahmen in der Diskussion zum Referat von Herrler, abgedruckt im Diskussionsbericht von Knaier, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 79 ff.
68 Begr. RefE MoPeG, S. 143; vgl. zuvor bereits Begr. ME MoPeG, S. 73.
69 Begr. ME MoPeG, S. 73.
70 Begr. RefE MoPeG, S. 124.
71 Begr. RefE MoPeG, S. 124.
72 Vgl. etwa § 21 EGBGB-RefE i.V.m. § 47 Abs. 2 GBO;
vgl. ferner § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB-RefE,
§ 40 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GmbHG-RefE.
73 Vgl. etwa § 47 Abs. 2 GBO-E und Begr. ME MoPeG, S. 148 f.
74 Vgl. dazu Begr. ME MoPeG, S. 142; M. Noack, NZG 2020, 581, 582.
75 Art. 1 Nr. 4 RefE MoPeG; hierzu M. Noack, NZG 2020, 581, 582.
76 Art. 51 Nr. 5 lit. a) aa) RefE MoPeG.
77 Begr. RefE MoPeG, S. 294.
Da die fehlende Subjektpublizität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach geltendem Recht der Hauptgrund für den weitgehenden (vgl. aber § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG) Ausschluss der GbR von Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz ist,78 soll sich die Umwandlungsfähigkeit der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft künftig konsequenterweise nicht mehr von der einer Personenhandelsgesellschaft unterscheiden, was durch einen minimalinvasiven Eingriff in das Umwandlungsgesetz in Gestalt von § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG-RefE erreicht wird.79
Bei Lichte betrachtet wird es damit künftig nicht lediglich die beiden Kategorien der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 Abs. 2 BGB-RefE) geben, sondern die erstgenannte Kategorie in die zwei Untergruppen der nicht eingetragenen und der eingetragenen Gesellschaften zerfallen, was am obligatorischen Namenszusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ für die letztgenannte Kategorie augenfällig wird (§ 707a Abs. 2 Satz 1 BGB-RefE).80
Die Eintragung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Gesellschaftsregister ist hinsichtlich des damit erreichten Publizitätsniveaus eine Einbahnstraße. Insbesondere die Vorschriften zum sogenannten Statuswechsel in § 707c BGB-RefE betreffen lediglich den Wechsel von der eingetragenen GbR in eine Personenhandelsgesellschaft oder eine Partnerschaftsgesellschaft und umgekehrt, sehen also keine Möglichkeit vor, in den Status der nicht eingetragenen rechtsfähigen Gesellschaft zurückzukehren.81 Die Löschung ist lediglich nach den „allgemeinen Vorschriften“ vorgesehen, also insbesondere im Falle der Vollbeendigung (§ 707a Abs. 4 BGB-RefE).82 Konsequenterweise wird auch freiwillig im Handelsregister eingetragenen offenen Handelsgesellschaften die Möglichkeit abgeschnitten, auf eigenen Antrag eine Löschung zu erreichen, wie es gegenwärtig auf Grundlage von § 105 Abs. 2 Satz 2, § 2 Satz 3 HGB möglich ist. § 107 Abs. 2 Satz 2 HGB-RefE bestimmt vielmehr, dass die Fortsetzung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur im Wege eines Statuswechsels zulässig ist, was nach § 707c BGB-RefE zwingend den Weg ins Gesellschaftsregister weist.
2. Nebeneffekt: Transparenzregisterpublizität
Ein Nebeneffekt der Eintragung von GbR im Gesellschaftsregister ist ihre Einbeziehung in das Regime der Transparenzregisterpublizität (§§ 18 ff. GwG). Da § 20 Abs. 1 Satz 1 GwG bestimmt, dass lediglich „eingetragene Personengesellschaften“ die Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten einzuholen und an das Transparenzregister zu übermitteln haben, unterliegt die GbR gegenwärtig keinerlei Transparenzregisterpublizität,83 und zwar auch dann nicht, wenn etwa für eine GbR im Grundbuch ein Recht auf Grundlage von § 47 Abs. 2 GBO eingetragen ist.84
Für eingetragene Gesellschaften im Sinne von § 705 Abs. 2 Var. 2 BGB-RefE wird sich dies künftig ändern, was der Referentenentwurf adressiert85 und worauf er mit der Erweiterung der Tatbestände der Mitteilungsfiktion um das Gesellschaftsregister in § 20 Abs. 2 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Satz 1 GwG86 zutreffend reagiert. Die Mitteilungsfiktion greift aber dann nicht ein, wenn die wirtschaftlich Berechtigten einer eingetragenen GbR und ihre im Gesellschaftsregister ausgewiesenen Gesellschafter auseinanderfallen, was etwa bei Grundbesitz-GbRs, an denen Treuhänder-Gesellschafter beteiligt sind, praktische Auswirkungen hat. Bleiben die wirtschaftlichen Beteiligungsverhältnisse – das heißt der Treugeber hinter dem im Grundbuch als Treuhänder-Gesellschafter eingetragenen Treuhänder – in solchen Fällen nach jetzigem Rechtsstand verborgen, werden sie künftig im Transparenzregister offenzulegen sein, wenn die für wirtschaftliche Berechtigungen im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 2 GwG maßgebliche Schwelle von 25 Prozent überschritten wird.
Über diese Konsequenzen de lege lata hinaus wird die Transparenzregisterpublizität der eingetragenen Gesellschaft der Frage Nachdruck verleihen, weshalb ausgerechnet die wirtschaftlich Berechtigten nicht im Gesellschaftsregister eingetragener GbRs, die mitunter ebenfalls über erhebliches Vermögen verfügen – die Inhaberschaft etwa von Bankkonten oder Depots setzt nach der Konzeption der §§ 707 ff. BGB-RefE keine Voreintragung voraus87 –, im Verborgenen bleiben können. Dass der Nutzen der gesamten Transparenzregisterpublizität fragwürdig erscheint,88 wird in diesem Zusammenhang kaum als Argument akzeptiert werden. Gegen eine allgemeine Transparenzregisterpublizität aller rechtfähigen Gesellschaften sprechen jedoch Gründe, die auch gegen die (konstitutive) Registrierungspflicht aller rechtsfähigen Gesellschaften angeführt werden:89 Die Vielgestaltigkeit und häufig auch Flüchtigkeit rechtsfähiger Gesellschaften erfordern eine klare positive Eingrenzung der Publizitätspflichten.
3. Weitere Folgewirkungen?
Die mit dem Gesellschaftsregister geschaffene Subjektpublizität ist im Sinne des Verkehrsschutzes dringend erforderlich und begrüßenswert, tangiert aber zugleich legitime Interessen insbesondere von Familienunternehmen an der
78 Vgl. Begr. RefE MoPeG, S. 144, 309; vgl. aber § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG.
79 Begr. RefE MoPeG, S. 309; vgl. bereits zuvor Begr. ME MoPeG, S. 189 ff., und dazu Bergmann, DB 2020, 994, 997.
80 Vgl. noch § 707a Abs. 3 BGB-ME, der das Recht – aber keine Pflicht – zur Führung eines entsprechenden Zusatzes vorsah, sowie Begr. RefE MoPeG, S. 148 f., zu den Gründen der nunmehr vorgesehenen Pflicht zur Kenntlichmachung der Eintragung.
81 Begr. RefE MoPeG, S. 150.
82 Begr. RefE MoPeG, S. 150; zuvor bereits Begr. ME MoPeG, S. 76 f.
83 Bochmann, DB 2017, 1310, 1312 f.; Habersack, ZGR 2020, 539, 550; Rieg, BB 2017, 2310; Schiffer/Schürmann, BB 2017, 2626; Seibert/Bochmann/Cziupka, GmbHR 2017, 1128.
84 Bochmann, DB 2017, 1310, 1312 f.; im Zusammenhang mit § 40 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GmbHG: Wachter, GmbHR 2017, 1177, 1183.
85 Begr. RefE MoPeG, S. 349 f.
86 Art. 101 Nr. 4 lit. b) und Nr. 5 lit. a) bb) RefE MoPeG.
87 Möglicherweise werden aber z.B. Banken zur Erfüllung ihrer geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten die Voreintragung zur Voraussetzung für die Eröffnung von Bankkonten und Depots machen; vgl. in dieser Richtung Begr. RefE MoPeG, S. 124.
88 Vgl. Bochmann, GmbHR 2019, 640, 641.
89 Hierzu Begr. RefE MoPeG, S. 143.
Vermeidung von Publizität.90 Hervorhebung verdient daher der Umstand, dass das Gesellschaftsregister die Möglichkeit unberührt lässt, durch Poolvereinbarungen, Stimmbindungsvereinbarungen, Konsortialbindungen etc. bei der GmbH und der Aktiengesellschaft die Feinjustierung der Governance von Familienunternehmen außerhalb der Satzung – und damit weitgehend ohne Publizität – vorzunehmen. Zwar handelt es sich bei derartigen Vereinbarungen regelmäßig um Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Solange die Pool‑/Konsortial-/Stimmbindungs-GbR jedoch nicht selbst Gesellschafter des Verbands, dessen Verhältnisse sie konkretisieren soll, wird – in der Diktion des § 705 Abs. 2 BGB-E also nicht „nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll“ –, handelt es sich um nicht rechtsfähige Gesellschaften, auf welche die Vorschriften zum Gesellschaftsregister zu Recht von vornherein keine Anwendung finden (vgl. § 740 Abs. 2 BGB-RefE).
IV. Beschlüsse
Anders als das gegenwärtige Recht (vgl. §§ 709 bis 711 BGB) unterscheidet der Referentenentwurf, wie zuvor bereits der Mauracher Entwurf,91 klar zwischen Geschäftsführungsmaßnahmen (§§ 715 f. BGB-RefE) einerseits und Gesellschafterbeschlüssen (§ 714 BGB-RefE) andererseits92 und verortet das personengesellschaftsrechtliche Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB)93 folgerichtig bei der Beschlussfassung (§ 714 BGB-RefE).
Der Mauracher Entwurf sah bei § 714 BGB-ME noch einen zweiten Satz vor, mit dem die Rechtsprechung zu allgemeinen Mehrheitsklauseln94 zu einem Zweifelssatz, demzufolge eine allgemeine Stimmenmehrheitsklausel im Gesellschaftsvertrag im Zweifel auch für Beschlüsse gilt, die auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags gerichtet sind, verdichtet werden sollte, und zwar insbesondere um den Gesellschaftern die Bedeutung einer Mehrheitsklausel vor Augen zu führen und sie gegebenenfalls zu einer abweichenden Regelung anzuhalten.95 Dies wurde mit dem Argument beanstandet, dass jene Appellfunktion des § 714 Satz 2 BGB-ME die Gründer einer GbR typischerweise nicht erreichen dürfte.96 Der Referentenentwurf hat diese Kritik aufgegriffen und enthält keine Regelung nach Vorbild des § 714 Satz 2 BGB-ME, sodass es für die Bestimmung der Reichweite von Mehrheitsklauseln bei den geltenden Rechtsprechungsgrundsätzen97 bleibt.
D. Zentrale Änderungen im Recht der Personenhandelsgesellschaften
Die Veränderungen im Recht der Personenhandelsgesellschaften sind redaktionell deutlich moderater als bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, enthalten aber fundamentale Neuerungen.
I. Öffnung für freie Berufe
Die „wohl spektakulärste und in der [Mauracher] Kommission umstrittenste Neuerung“98 im Recht der Personenhandelsgesellschaften, die der Referentenentwurf aus dem Mauracher Entwurf übernommen hat, ist die Öffnung der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft für die Ausübung freier Berufe (§ 107 Abs. 1 Satz 2 HGB-RefE). Nach geltendem Recht ist Freiberuflern insbesondere die im Vergleich zur GbR und zur Partnerschaftsgesellschaft mit Haftungsprivilegien verbundene Rechtsform der (GmbH & Co.) Kommanditgesellschaft verschlossen, da die Ausübung eines freien Berufs kein Gewerbe (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 1 HGB) darstellt.99 Wenn gegenwärtig gleichwohl etwa Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die zweifelsohne einen freien Beruf ausüben (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG), in Personenhandelsgesellschaften zusammengeschlossen sind, ist dies allein ihrer als gewerblich anerkannten Treuhandtätigkeit100 geschuldet.101 Diese Verrenkung soll aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive künftig obsolet werden, indem § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB-RefE die Errichtung einer oHG – in Verbindung mit § 161 Abs. 2 HGB-RefE einer Kommanditgesellschaft – zur gemeinsamen Ausübung freier Berufe gestattet, soweit das Berufsrecht dies zulässt.102 Damit wird lediglich die gesellschaftsrechtliche Schranke des § 105 Abs. 2 HGB abgebaut, die Entscheidung über die Zulässigkeit im Übrigen aber an das Berufsrecht delegiert.103
II. Gesellschafterversammlung und Beschlussmängelrecht
Wie bei den Gesellschaften bürgerlichen Rechts unterscheidet der Referentenentwurf auch bei den Personenhandelsgesellschaften klarer als das geltende Recht zwischen Beschlussfassung (§§ 109 ff. HGB-RefE) und Geschäftsführung (§ 116 HGB-RefE). § 109 Abs. 3 HGB-RefE enthält als Parallelnorm zu § 714 BGB-RefE104 das dispositive Einstimmigkeitserfordernis für Beschlussfassungen in der Personenhandelsgesellschaft.
90 Hierzu Bochmann, in: Röthel/Karsten Schmidt (Hrsg.), Grundfragen der Organisation von Familienunternehmen, 2021, S. 147 ff. (erscheint demnächst).
91 Begr. ME MoPeG, S. 88 f.; hierzu eingehend Lieder, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 169 ff.
92 Begr. RefE MoPeG, S. 168 f.
93 Dazu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 453; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 300.
94 BGH v. 13.10.2020 – II ZR 359/18, ZIP 2020, 2281; BGH v. 11.9.2018 – II ZR 307/16, NJW 2019, 157; BGH v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283; BGH v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77.
95 Begr. ME MoPeG, S. 89; vgl. dazu Bergmann, DB 2020, 994, 997 f.; Habersack, ZGR 2020, 539, 559; M. Noack, NZG 2020, 581, 583.
96 Vgl. Schäfer, ZIP 2020, 1149, 1152; Heckschen, NZG 2020, 761, 764; vgl. auch die Kritik bei Geibel, ZRP 2020, 137, 140.
97 Vgl. Nachw. in Fn. 94.
98 Schäfer, ZIP 2020, 1149, 1149; aus berufsrechtlicher Perspektive relativierend Uwer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 87, 91.
99 Statt vieler Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl. 2020, § 1 Rn. 19.
100 Vgl. § 49 Abs. 2 StBerG und § 27 Abs. 2 WPO.
101 Vgl. BGH v. 18.7.2011 – AnwZ (Brfg) 18/10, NZG 2011, 1063, 1064.
102 Begr. RefE MoPeG, S. 259 ff.; vgl. zuvor bereits Begr. ME MoPeG, S. 165 ff.; vgl. zum Ganzen eingehend Uwer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 87 ff.
103 Begr. RefE MoPeG, S. 260 f.; M. Noack, NZG 2020, 581, 584; Uwer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 87, 90.
104 Dazu bereits unter C.IV.
Der Referentenentwurf weicht in einem zentralen Aspekt – der Verortung des Anfechtungsmodells – vom Mauracher Entwurf ab und ergänzt ihn mit Vorschriften zum Beschlussverfahren um einen ganz neuen, und zwar unter Hinweis auf die wechselseitige Abhängigkeit beider Aspekte:
Eine fundamentale Neuerung des Mauracher Entwurfs gegenüber dem geltenden Recht bestand in der Übertragung des kapitalgesellschaftsrechtlichen Anfechtungsmodells (vgl. §§ 241 ff. AktG) mit der Unterscheidung zwischen nichtigen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen, deren Mängel sich durch Zeitablauf erledigen können, auf die rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 714a ff. BGB-ME) und damit mittelbar (vgl. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB-ME) auf die Personenhandelsgesellschaften.105 Hierzu wurde kritisch angemerkt, dass das Anfechtungsmodell ohne einen gewissen Grad an Formalisierung des Beschlussverfahrens leerlaufe, da es bei (vermeintlichen) Beschlüssen, deren Zustandekommen und Ergebnis mangels Feststellung oder vergleichbaren verbindlichkeitsbegründenden Aktes ungewiss ist – nicht anders als bei der GmbH106 –, doch bei der nicht fristgebundenen Feststellungsklage bleibt.107
Der Referentenentwurf hat diese berechtigten Einwände aufgegriffen und in § 109 HGB-RefE für Personenhandelsgesellschaften rudimentäre Vorgaben zur Beschlussfassung „in Versammlungen“ bzw. in der „Gesellschafterversammlung“ – bereits die Terminologie ist ein Novum im Personengesellschaftsrecht – formuliert. Überzeugend führt die Begründung zum Referentenentwurf aus, dass derartige Anforderungen bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts überzogen wären,108 und liegt insofern auf einer Linie mit dem Mauracher Entwurf, der aus eben diesem Grund von der Statuierung von Beschlussfassungsmodalitäten bei der GbR ausdrücklich abgesehen hatte.109
Das in der Diskussion zum Mauracher Entwurf geschärfte Bewusstsein dafür, dass das Anfechtungsmodell nur in Kombination mit Vorschriften zu Beschlussfassungsmodalitäten zweckmäßig ist, hat im Referentenentwurf konsequenterweise dazu geführt, dass das Anfechtungsmodell als dispositiver Standard für GbRs, bei denen gesetzliche Beschlussformalitäten gerade nicht angemessen erscheinen, aufgegeben wurde. Der Referentenentwurf bestimmt das Anfechtungsmodell vielmehr allein für Personenhandelsgesellschaften als dispositiven Standard (§§ 110 ff. HGB-RefE), wobei es diesen ebenso möglich ist, aus dem Anfechtungsmodell heraus zu optieren, wie Gesellschaften bürgerlichen Rechts – nicht anders als heute – hineinoptieren können.110
Die Verortung des Anfechtungsmodells überzeugt ebenso wie das Anliegen, das Verfahren der Beschlussherbeiführung in Personenhandelsgesellschaften in einem gewissen Maße zu formalisieren. In letzterem Punkt erscheint der Referentenentwurf mit der Beschränkung auf die Beschlussfassung „in Versammlungen“ jedoch zu starr. Zwar ist die Vorschrift dispositiver Natur (vgl. § 108 HGB-RefE), sodass es den Gesellschaftern jederzeit freisteht, von § 109 HGB-RefE abweichende Regelungen zur Art und Weise der Beschlussfassung insbesondere zu (präsenzlosen) Beschlussfassungen außerhalb von Versammlungen – zu treffen. Wie dies zu geschehen hat, bleibt aber unklar. Soll eine Abweichung von den in § 109 HGB-RefE angelegten Beschlussmodalitäten
(i) mit der für die jeweiligen Sachentscheidung erforderlichen Mehrheit,111
(ii) durch Gesellschaftsvertragsänderung, die aber ihrerseits an die Vorgaben des § 109 HGB-RefE und zudem an die dafür erforderlichen Mehrheiten gebunden ist, oder
(iii) mit Blick auf § 48 Abs. 2 GmbHG in seiner nicht durch § 2 COVMG112 modifizierten Reinform gar nur einstimmig
möglich sein? Um das mit diesen Verfahrensfragen verbundene erhebliche Streitpotenzial zu vermeiden, empfehlen sich ergänzende Regelungen zur präsenzlosen Beschlussfassung sowie möglichst auch zu virtuellen Formen113 der Gesellschafterversammlung.
E. Fazit
Schon der Mauracher Entwurf war bemerkenswert, ist es ihm doch gelungen, eine jahrzehntewährende Reformdiskussion zu einem im Kern über hundertjährigen und in weiten Teilen durch die Rechtsprechung überholten Normenbestand zu systematisieren und in Gesetzesform zu konzentrieren. Für den nun vorliegenden Referentenentwurf gilt das nicht minder, denn innerhalb kürzester Zeit wurde die intensive Diskussion zum Mauracher Entwurf nicht nur umfassend ausgewertet, sondern auch in konkrete – und überzeugende – Anpassungen und Ergänzungen des Gesetzesentwurfs überführt.
Das weitere Arbeitsprogramm und der sich aus dem nahenden Ende der Wahlperiode ergebende Zeitplan
105 Begr. ME MoPeG, S. 90 ff.; eingehend hierzu Drescher, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 116, 123 ff.
106 BGH v. 11.2.2008 – II ZR 187/06, NZG 2008, 317, 318; Bochmann/Cziupka, in: GmbH-Handbuch, 168. Erg.-Lfg. 2019, Rn. I-1711; Wertenbruch, in: Münch. Komm. GmbHG, 3. Aufl. 2019, Anh. § 47 Rn. 227; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, Anh. § 47 Rn. 12; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, Anh. § 47 Rn. 19.
107 Drescher, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 116, 124; vgl. auch Otte, ZIP 2020, 1743, 1746 f.; vgl. bereits vor dem Mauracher Entwurf Lieder, NZG 2018, 1321, 1329; Schäfer, in: FS Karsten Schmidt II, Band II, 2019, S. 323, 329; vgl. zum in jedem Falle verbleibenden Anwendungsbereich der allgemeinen Feststellungsklage im Anfechtungsmodell Begr. RefE MoPeG, S. 128, sowie Begr. ME MoPeG, S. 91.
108 Begr. RefE MoPeG, S. 127, 129.
109 Begr. ME MoPeG, S. 89: „Ein bestimmtes Beschlussverfahren ist wie überhaupt eine Regelung zum Zustandekommen eines Beschlusses im Kommissionsentwurf nicht vorgesehen.“; vgl. hierzu Drescher, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 115, 118; Fleischer, ZGR-Sonderheft 23 (2020), 1, 18.
110 Vgl. Begr. RefE MoPeG, S. 123, 127.
111 Mit § 109 Abs. 4 HGB-RefE lässt sich dies jedenfalls nicht begründen, da dieser nach seinem Wortlaut nur für die „Gesellschafterversammlung“ – also Präsenzbeschlussfassungen – gilt.
112 Hierzu Bochmann/Bron/Staake, BB 2020, 1367, 1369 f.; Reichert/Bochmann, GmbHR 2020, R132 ff.; dies., GmbHR 2020, R340 ff.; Reichert/Knoche, GmbHR w2020, 461 ff.; Otte/Dietlein, BB 2020, 1163 ff.; Wicke, NZG 2020, 501 ff.
113 Entsprechendes Petitum zum Recht der GmbH-Gesellschafterversammlung bei Reichert/Bochmann, GmbHR 2020, R340, R342.
sind ambitioniert: Bis zum 16. Dezember 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Verbänden Gelegenheit zur Einreichung schriftlicher Stellungnahmen gegeben, die absehbar weiteren erheblichen Auswertungsaufwand nach sich ziehen werden, ehe im neuen Jahr mit einem Regierungsentwurf das parlamentarische Verfahren initiiert werden kann.
Wenngleich der Regierungsentwurf schon aufgrund dieses engen Zeitplans nicht mehr in dem Maße für inhaltliche Veränderungen offen sein wird, wie der Referentenentwurf es für Anmerkungen zum Mauracher Entwurf war, empfehlen sich doch in jedem Falle Klarstellungen hinsichtlich der steuerlichen Folgewirkungen der Aufgabe des Gesamthandsprinzips sowie Ergänzungen der Vorschriften zur Beschlussfassung in Personenhandelsgesellschaften (§ 109 HGB-RefE).