Möglichkeiten der Lösung von arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen

Max Hülsmann*

A. Einleitung und Gang der Untersuchung

Mehr als 30 % der Mitarbeiter, die 2008 entlassen wurden, haben gegen ihre Entlassung geklagt.1 Für den Arbeitgeber kann ein Kündigungsschutzprozess ein hohes Risiko bedeuten, nicht zuletzt, weil er bei einem klagestattgebenden Urteil gemäß § 615 S. 1 BGB Annahmeverzugslohn zahlen muss. Vor allem bei einem Rechtsstreit über mehrere Instanzen ist das ein erhebliches finanzielles Risiko.2 Eine einfache Möglichkeit für den Arbeitgeber, dieses Risiko zu vermeiden, liegt darin, mit dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Dieser kann das Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit sofortiger Wirkung auflösen.3 Kündigungsfristen sind nicht zu beachten, ebenso wenig hindert Sonderkündigungsschutz wie § 17 I 1 MuSchG den Abschluss, und auch der Betriebsrat muss nicht nach § 102 BetrVG angehört werden.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag in der Praxis sehr beliebt ist. Durch eine entsprechend bemessene Abfindung lässt sich die Zustimmung des Arbeitnehmers oft „erkaufen“. Diesem wird regelmäßig nicht bewusst sein, welch nachteilige Folgen der Abschluss des Vertrags für ihn haben kann. Beispielsweise ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 159 SGB III für die Dauer einer Sperrzeit, und Versorgungsanwartschaften in der betrieblichen Altersvorsorge können verloren gehen.

Zur Verdeutlichung soll ein Fall dienen, wie ihn Anfang des Jahres das BAG (in abgewandelter Form)4 zu entscheiden hatte:

Arbeitnehmerin A ist wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Eine krankheitsbedingte Kündigung wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit sozial gerechtfertigt. Ihr Arbeitgeber B möchte aber keinen Kündigungsschutzprozess führen. Stattdessen sucht er A zuhause an ihrem Bett auf. Er legt ihr einen vorgefertigten Aufhebungsvertrag vor. Dabei gibt er zu bedenken, dass es ein „einmaliges Angebot“ sei. Falls sie nicht zustimme, könne er auch eine Kündigung aussprechen. A bittet um Bedenkzeit, die B jedoch nicht gewährt. Daraufhin unterschreibt A den Vertrag, und das Arbeitsverhältnis endet mit sofortiger Wirkung. Die A erfährt erst im Nachhinein, dass sie zunächst keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

Daraus, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt wird, folgt nach allgemeiner Ansicht nicht die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags.5 Dennoch ist der Arbeitnehmer in einer Situation wie der eben skizzierten schutzbedürftig, allein schon wegen der „Überrumpelung“ durch den Arbeitgeber am frühen Morgen. Dazu kam im konkreten Fall noch die Krankheit. Ob und wie der Arbeitnehmer sich deshalb vom Aufhebungsvertrag lösen kann, soll im Folgenden untersucht werden. „Lösung“ im Sinne dieser Arbeit umfasst die Beseitigung des Aufhebungsvertrags (und/oder seiner Wirkung) durch Ausübung eines Gestaltungsrechts. Es wird kurz auf die Anfechtung (B), ausführlicher auf das Bestehen eines Widerrufsrechts (C) und insbesondere auf die Lösung durch Schadensersatz einzugehen sein (D). Auf die Behandlung von Rücktrittsmöglichkeiten wird wegen fehlender Besonderheiten und Relevanz verzichtet.6

Dass der Vertrag darüber hinaus von Gesetzes wegen nichtig sein kann (etwa nach §§ 307 ff. BGB7), soll hier deshalb ebenso wenig behandelt werden wie die Frage, ob der Aufhebungsvertrag als Verfügungsgeschäft ein kausales Verpflichtungsgeschäft erfordert.8

B. Lösung durch Anfechtung

Wie jede Willenserklärung können auch die Willenserklärungen, die den Aufhebungsvertrag begründet haben, angefochten werden.9 Im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen kann eine Anfechtung aufgrund von Irrtum (§ 119 BGB), Täuschung (§ 123 I Var. 1 BGB) oder Drohung (§ 123 I Var. 2 BGB) erfolgen. Anfechtungen nach § 119 BGB und § 123 I Var. 1 BGB sind nur sehr selten denkbar.10 Eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung kommt dagegen sehr häufig in Betracht. Als drohendes Übel genügt jeder Nachteil;11 dazu zählt die angekündigte Entlassung des Arbeitnehmers,12 und der


* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg. Der Beitrag stellt eine stark verkürzte Fassung seiner Examensseminararbeit dar.

1 IW Köln, Anteil der Mitarbeiter, die gegen ihre Entlassung geklagt haben nach Betriebsgröße, 11.02.2009 (https://statista.com/statistik/daten/studie/3833, zuletzt aufgerufen am 05.11.2020).

2 Lingemann/Steinhauser, NJW 2014, 2165.

3 Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht19, 2019, § 620 BGB Rn. 10.

4 BAG NZA 2019, 688 ff.

5 BAGE 74, 281, 288-290; Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge9, 2014, A. Rn. 89; Sutschet, in: Beck-online.GROSSKOMMENTAR: BGB, 2019, § 620 Rn. 470; Schleusener, NZA 2002, 949; Preis, in: Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis11, 2015, § 3 Rn. 35; Glahe, Die Rückabwicklung arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, Diss. 2017, S. 106 f. mwN (dortige Fn. 215).

6 Allg. Rolfs, in: Ascheid/Preis/Schmidt (Hrsg.), Kündigungsrecht5, 2017, 2. Teil, Aufhebungsvertrag Rn. 104 f. mwN; Fälle des § 313 III bei Ehrich, in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge5, 2009, Teil 3 Rn. 97 f.

7 Ausführlich Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, Diss. 2008.

8 S. dazu Glahe (Fn. 5), S. 33-63.

9 Link, in: Schaub (Begr.), Arbeitsrechts-Handbuch17, 2017, § 122 Rn. 25; Oetker, in: Staudinger (Begr.), J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2016, Vorbem. zu §§ 620 ff. Rn. 59.

10 S. ausführlich Franz, Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags, Diss. 2005, S. 447-451, S. 499-503.

11 Ellenberger, in: Palandt (Begr.), BGB78, 2019, § 123 Rn. 15.

12 Galperin, DB 1961, 238.

Hülsmann, Möglichkeiten der Lösung von arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, BLJ 2/2020, 139-145140

Arbeitgeber wird regelmäßig eine Kündigung in Aussicht stellen, falls dem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt wird. Entsprechend finden sich zur Thematik zahlreiche Urteile13 und Diskussionsbeiträge14, auf die an dieser Stelle verwiesen wird.

Es bleibt zu sagen, dass im Fall der A eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung ausscheidet, weil eine krankheitsbedingte Kündigung wahrscheinlich gerechtfertigt wäre. Ein „verständiger Arbeitgeber“ durfte deshalb eine Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen und aufgrund dessen verneinen BAG15 und hL16 die Widerrechtlichkeit der Drohung.17

C. Lösung durch Widerruf

Eine weitere Möglichkeit, sich vom Aufhebungsvertrag zu lösen, liegt im Widerruf.

I. Vertragliches Widerrufsrecht

Unproblematisch ist das möglich, wenn ein Widerruf vertraglich vereinbart wurde. Das kann durch den Aufhebungsvertrag selbst, Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt sein.18

II. Gesetzliches Widerrufsrecht nach Verbraucherrecht

Problematisch ist hingegen, ob auch ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht. Ein solches könnte sich aus §§ 355, 312 I, 312g I Var. 1, 312b I 1 Nr. 1 BGB ergeben. § 312g I Var. 1 BGB räumt ein Widerrufsrecht nach § 355 I BGB ein, wenn es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag nach § 312b I 1 BGB handelt. Das kann auch ein arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag sein.

1. Keine Anwendbarkeit nach § 312 I BGB

Damit § 312b BGB anwendbar ist, müsste der Aufhebungsvertrag gemäß § 312 I BGB ein entgeltlicher Verbrauchervertrag sein.

„Entgeltliche Leistung“ meint, dass eine Leistung des Unternehmers gegen Entgelt erfolgt.19 Üblicherweise leistet der Arbeitgeber im Zuge des Aufhebungsvertrags eine Abfindung an den Arbeitnehmer oder entschädigt ihn anderweitig. Dann ist eine Leistung zu bejahen.20 Fraglich ist, ob diese gegen ein „Entgelt“ erfolgt. § 312 I BGB geht auf Art. 3 der Richtlinie 2011/83/EU21 zurück,22 der dieses Merkmal nicht ausdrücklich vorsieht. Die Entgeltlichkeit im Rahmen von § 312 I BGB wird deshalb richtlinienkonform sehr weit ausgelegt und es genügt jede Leistung des Verbrauchers im Zusammenhang mit dem Vertrag, die für den Unternehmer von Wert ist.23

Die Richtlinie ist jedoch gemäß ihres Art. 2 Nr. 124 nicht auf Aufhebungsverträge anwendbar. Es ist deshalb gar nicht erforderlich, den Wortlaut des § 312 I BGB im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen weit auszulegen25 und es bleibt bei der allgemeinen Auslegung. Damit die Abfindung des Arbeitgebers eine entgeltliche Leistung ist, reicht es deshalb nicht aus, dass der Arbeitnehmer auf zukünftige Leistungen verzichtet.26

Die §§ 312 ff. BGB sind auf den Aufhebungsvertrag mit Abfindung folglich nicht anwendbar. Zahlt der Arbeitgeber keine Abfindung, liegt schon gar keine Leistung vor und der Anwendungsbereich ist ebenfalls nicht eröffnet.27 Schon deshalb besteht kein Widerrufsrecht nach § 312b I 1 Nr. 1 BGB. Ob der Aufhebungsvertrag auch ein Verbrauchervertrag ist, kann deshalb offenbleiben.

2. Keine Anwendbarkeit nach § 312b I 1 BGB

Doch auch wenn man zu dem Ergebnis käme, dass zumindest der Aufhebungsvertrag mit Abfindung einen entgeltlichen Verbrauchervertrag darstellt, unter § 312 I BGB fiele und der Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB eröffnet wäre, scheitert ein Widerrufsrecht aus § 312b I 1 Nr. 1 BGB zwar nicht schon am Wortlaut, wohl aber an Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

a) Grundsätzliche Anwendbarkeit nach dem Wortlaut

Nach § 312b I 1 Nr. 1 BGB liegt ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vor, wenn ein Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer (bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit) an einem anderen Ort als dem Geschäftsraum des Unternehmers geschlossen wird. Nach § 312b II 1 BGB sind Geschäftsräume unbewegliche oder bewegliche Räume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt. Dem Wortsinn nach gehört der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers zu den


13 Zuletzt BAG NZA 2016, 1409, 1415.

14 Ausführlich Franz (Fn. 10), S. 451-499; Benecke, RdA 2004, 147 ff. jew. mwN.

15 Seit BAGE 32, 194 ff.; übertragen auf Drohung mit ord. Kündigung durch BAG NZA 1992, 1023, 1024; zuletzt BAG NZA 2016, 1409, 1415.

16 Müller-Glöge, in: ErfK (Fn. 3), § 620 Rn. 11a; Ehrich, in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich (Fn. 6), Teil 3 Rn. 28 mwN; siehe auch die Übersicht bei Franz (Fn. 10), S. 468 f. (dortige Fn. 140).

17 S. zur Kritik daran exemplarisch Franz, (Fn. 10), S. 467-476 mwN.

18 Rolfs, in: APS (Fn. 6.), 2. Teil, Aufhebungsvertrag Rn. 84; Löwisch/Riebe, Tarifvertragsgesetz4, 2017, § 1 Rn. 387.

19 Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449, 450; s. auch BT-Drs. 17/12637, S. 45.

20 Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449, 450.

21 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304, S. 73 f.

22 Martens, in: BeckOK BGB50, 2019, § 312 vor Rn. 1.

23 Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch8, 2019, § 312 Rn. 37; Martens, in: BeckOK BGB (Fn. 22), § 312 Rn. 11; Grüneberg, in: Palandt (Fn. 11), § 312 Rn. 3; Stadler, in: Jauernig17, 2018, § 312 Rn. 5; Ring, in: NK-BGB3, 2016, § 312 Rn. 5; a.A. von Loewenich, WM 2016, 2011, 2013 f.

24 Richtlinie 2011/83/EU (Fn. 21), S. 72.

25 Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449, 451; Fischinger/Werthmüller, NZA 2016, 193, 197, nur für unentgeltlichen Aufhebungsvertrag; Linck, in: Schaub (Fn. 9), § 122 Rn. 7, mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung.

26 Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449, 451.

27 Fischinger/Werthmüller, NZA 2016, 193, 197; Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449, 451.

Hülsmann, Möglichkeiten der Lösung von arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, BLJ 2/2020, 139-145141

Geschäftsräumen des Arbeitsnehmers.28 Folglich käme ein Widerrufsrecht nur in Betracht, wenn der Aufhebungsvertrag außerhalb des Arbeitsplatzes geschlossen würde.29 Diese Betrachtung greift jedoch zu kurz.30

Sowohl nach dem 21. Erwägungsgrund der RL 2011/83/EU als auch nach der Gesetzesbegründung soll es sich bei Arbeitsplätzen nicht um Geschäftsräume handeln.31 Der Gesetzgeber nennt den Arbeitsplatz sogar ausdrücklich als Beispiel für einen Ort außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers.32 Der Wortlaut allein spricht deshalb noch nicht gegen ein Widerrufsrecht nach § 312b I 1 BGB für Aufhebungsverträge.

b) Systematische und historische Einwände

Der Gesetzgeber hat in den §§ 312b II, III, IV, 312g II BGB zwar ein detailliertes System an Bereichsausnahmen geschaffen, ohne arbeitsrechtliche Verträge zu erwähnen. Daraus folgt jedoch nicht, dass er sie ausdrücklich in den Anwendungsbereich einbeziehen wollte.33 Denn der Gesetzgeber ging davon aus, dass im Rahmen von § 312 I BGB nur dann von einem Verbrauchervertrag auszugehen ist, „wenn sich der Unternehmer (§ 14) zur Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung und der Verbraucher (§ 13) zu Zahlung eines Entgelts verpflichtet.“34 Das ergebe sich schon aus Art. 2 Nr. 5, 6 der RL 2011/83/EU,35 die Kaufvertrag und Dienstleistungsvertrag definieren. Der Gesetzgeber wollte folglich nur Absatzverträge und keine arbeitsrechtlichen Verträge erfassen.36

Dafür spricht auch, dass der Unternehmer nach § 312d I BGB gemäß der Angaben in Art. 246a § 1 EGBGB über ein bestehendes Widerrufsrecht informieren muss, die dort normierten Informationspflichten sich aber nicht für arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge eignen.37 Beispielsweise müsste der Arbeitgeber nach Art. 246a § 1 I 1 Nr. 2 EGBGB seinen Namen und seine Anschrift nennen, obwohl er dazu schon aus § 2 I 2 Nr. 1 NachwG verpflichtet ist.38 Auch die Rechtsfolgen des Widerrufs sind nicht auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge zugeschnitten. § 357 BGB bezieht sich auf die Rückabwicklung von Absatzverträgen und Verträgen über Dienstleistungen, Wasser, Gas oder Strom.39

Schließlich spricht auch die Stellung des § 312b BGB im „Untertitel 2. Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen“ gegen eine intendierte Anwendbarkeit auf Aufhebungsverträge. Der Aufhebungsvertrag ist keine besondere Vertriebsform und der Gesetzgeber ging ausweislich der Gesetzesbegründung nicht davon aus, dass der Aufhebungsvertrag im Rahmen der §§ 312 ff. BGB ein Verbrauchervertrag ist.40

§§ 312 ff. BGB sollen den Verbraucher in Situationen mit Überraschungsmoment oder psychischem Druck schützen.41 Am Arbeitsplatz wird der Arbeitnehmer mit arbeitsrechtlichen Verträgen wie dem Aufhebungsvertrag rechnen müssen, sodass es an einem Überraschungsmoment regelmäßig fehlt.42 Eine Situation psychischen Drucks ist am Arbeitsplatz indes denkbar.43 Das kann aber nicht dazu führen, das Widerrufsrecht gegen den klaren Willen des Gesetzgebers zu bejahen. Deshalb scheidet auch eine analoge Anwendung aus.44

III. Ergebnis

Sofern ein Widerrufsrecht nicht vertraglich festgelegt wurde, besteht keine Möglichkeit, sich durch Widerruf von einem Aufhebungsvertrag zu lösen. Gesetzlich kann ein Widerrufsrecht nicht aus §§ 355, 312 I, 312g I Var. 1, 312b I 1 Nr. 1 BGB abgeleitet werden. Selbst wenn man den eindeutigen Wortlaut des § 312 I BGB außer Acht lässt, widersprechen Systematik und gesetzgeberischer Wille einer Anwendung auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge.

Auch der A ist es deshalb nicht möglich, sich durch Widerruf vom Aufhebungsvertrag zu lösen.

D. Lösung durch Schadensersatz (Naturalrestitution)

Alle bisher besprochenen Möglichkeiten der Lösung des Aufhebungsvertrags kamen für die A nicht in Betracht. Eine letzte Möglichkeit könnte in einem Schadensersatzanspruch aus §§ (311 II,) 241 II, 280 I, 249 I BGB liegen. Das zugrunde liegende Schuldverhältnis ist wahlweise das noch bestehende Arbeitsverhältnis oder das vorvertragliche Schuldverhältnis im Rahmen der Anbahnung des Aufhebungsvertrags.45 Für den Schadensersatzanspruch ist das unerheblich, weil sich dessen Voraussetzungen in beiden Fällen aus § 280 I BGB ergeben.46

Wenn der A der Nachweis gelänge, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrags ein ersatzpflichtiger Schaden ist, wäre


28 Schwab/Hromek, JZ 2015, 271, 273; Rolfs, in: APS (Fn. 6), 2. Teil, Aufhebungsvertrag Rn. 85 f.; Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449, 452; Glahe (Fn. 5), S. 131.

29 Fischinger, in: Kiel/Lunk/Oetker (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht4, 2018, § 9 Rn. 12; Sutschet, in: BeckOGK BGB (Fn. 5), § 620 Rn. 431.

30 Linck, in: Schaub (Fn. 9), § 122 Rn. 7.

31 BT-Drs. 17/12637, S. 49.

32 BT-Drs. 17/12637, S. 50.

33 Glahe (Fn. 5), S. 131 f.; so aber Fischinger/Werthmüller, NZA 2016, 193, 195 und Schulze/Kittel/Pfeffer, ArbRAktuell 2017, 105, 107.

34 BT-Drs. 17/12637, S. 45.

35 Ebd.

36 Richardi/Fischinger, in: Staudinger (Begr.), J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2016, § 611 Rn. 130; Glahe (Fn. 5), S. 133.

37 Bauer/Arnold/Zeh, NZA 2016, 449, 451; Richardi/Fischinger, in: Staudinger (Fn. 36), § 611 Rn. 130.

38 BAG NZA 2019, 688, 690.

39 Ebd.

40 BT-Drs. 17/12637, S. 45.

41 BT-Drs. 17/12637, S. 49 unter Hinweis auf Erwägungsgründe 21, 37 RL 2011/83/EU; Maume, in: BeckOK BGB (Fn. 22), § 312b Rn. 4; Wendehorst, in: MüKo BGB (Fn. 23), § 312b Rn. 2.

42 Kamanabrou, NZA 2016, 919, 920; Busch, in: BeckOGK BGB (Fn. 5), § 312b Rn. 11; Rolfs, in: APS (Fn. 6), 2. Teil, Aufhebungsvertrag Rn. 85 mwN zur ähnlichen Argumentation vor Umsetzung der RL.

43 Glahe (Fn. 5), S. 130.

44 Oetker, in: Staudinger (Fn. 9), Vorbem. zu §§ 620 ff. Rn. 62.

45 Giesing (Fn. 7), S. 214 f. mwN; Glahe (Fn. 5), S. 139.

46 Lorenz, in: BeckOK BGB (Fn. 22), § 280 Rn. 3 f.; vgl. Burkardt, Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag, Diss. 2003, S. 111.

Hülsmann, Möglichkeiten der Lösung von arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, BLJ 2/2020, 139-145142

dieser gemäß § 249 I BGB vorrangig durch Naturalrestitution zu ersetzen. Das könnte durch eine Aufhebung des Vertrages geschehen. Grundsätzlich ist das möglich.47 Indem der Schadensersatz geltend gemacht wird, könnte sich die A dann vom Aufhebungsvertrag lösen. Zunächst müssten jedoch die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs erfüllt sein.

I. Pflichtverletzung

Als Pflichtverletzung des Arbeitgebers kommen die Verletzung einer bestehenden Aufklärungspflicht und/oder des Gebots fairen Verhandelns in Betracht.

1. Verstoß gegen Aufklärungspflichten

Eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers ist sehr selten.48 Mögliche Verstöße sollen hier deshalb nicht näher vertieft werden. Selbst wenn ein solcher vorliegt, scheitert ein etwaiger Schadensersatzanspruch in der Regel am Schutzzweck der Aufklärungspflicht, da diese selten vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags selbst schützen soll.49

2. Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns

Zum Schutz der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers erkennt das BAG das sogenannte „Gebot fairen Verhandelns“ an.50 Es hat in früheren Entscheidungen wiederholt betont, dass einer „Überrumpelung“ des Arbeitnehmers beim Vertragsschluss darüber begegnet werden könne.51 Es geht auf Lorenz und das amerikanische Rechtsinstitut der undue influence zurück.52

a) Herleitung

Ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns liegt vor, „wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird“.53 Gegenstand des Gebots ist keine konkrete Pflicht des Arbeitgebers; es soll vielmehr „ein Mindestmaß an Fairness“ im Rahmen der Vertragsverhandlungen gewährleisten.54 Die Rechtsfigur ergänzt die Regelung zur Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung gemäß § 123 BGB.55

Es handelt sich um eine Nebenpflicht nach § 241 II BGB, denn § 241 II BGB verpflichtet auch zur Rücksichtnahme von „Interessen“ und schützt im Rahmen derer die Entscheidungsfreiheit.56 Das Gebot fairen Verhandelns fügt sich gut in bereits anerkannte Pflichten nach § 241 II BGB wie Loyalität57 oder die Bewahrung vor Selbstschädigung58 ein.59

Konkrete Voraussetzungen für einen Verstoß gibt es nicht, Rechtsprechung und Lehre haben aber Fallgruppen gebildet.60 Das BAG nennt als mögliche Fälle die Schaffung oder Ausnutzung einer psychischen Drucksituation von Gewicht, die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche des Arbeitnehmers, unzureichender Sprachkenntnisse oder eines Überraschungsmoments.61 Weitere Anhaltspunkte können ein starkes Beharren auf dem Vertragsschluss, die besondere Betonung möglicher Folgen der Verzögerung oder Verhandlungen zu ungewöhnlichen Zeiten oder an einem ungewöhnlichen Ort sein.62 Ein Verstoß liegt nicht bereits vor, wenn dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt wird oder der Aufhebungsvertrag nicht angekündigt wird.63

b) Kritik

Die Notwendigkeit des Rechtsinstituts wird von Teilen der Literatur bestritten. Soweit der Arbeitnehmer vor „Überrumpelung“ geschützt werden solle, sei dieser Schutz durch das Schriftformerfordernis nach § 623 BGB ausreichend gewährleistet.64 Dass darüber hinaus in Drucksituationen nur ein Widerrufsrecht nach §§ 312 ff. BGB in Frage kommt, das aber auf Aufhebungsverträge nicht anwendbar ist (s.o.), sei als gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren.65 Zudem seien §§ 123, 138 BGB als Grenze für „unfaires“ Verhandeln ausreichend.66

Das ist nicht überzeugend. Erstens kommt dem Schriftformerfordernis nach § 623 BGB vor allem eine Beweis- und Warnfunktion zu.67 Zwar ist dessen Zweck darüber hinaus auch der Schutz vor einem unüberlegten Abschluss des Aufhebungsvertrags.68 Wenn der Arbeitgeber den vorformulierten Vertrag aber – wie im Regelfall – inklusive eigener Unterschrift zur sofortigen Unterzeichnung vorlegt und darüber hinaus den Arbeitnehmer durch die Begleitumstände unter Druck setzt, schützt das Schriftformerfordernis nicht vor der Zwangslage des Arbeitnehmers.69 Zweitens ist das


47 Kaiser, in: Staudinger (Begr.), J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2017, § 249 Rn. 195; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch13, 2014, Vor § 249 Rn. 65 f.; BGH NJW 1962, 1196 ff.; BGH NJW 2007, 1809 ff.

48 Thies, Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge, Diss. 2007, S. 42 f.; Burkardt (Fn. 46), S. 90-93, jew. mwN.

49 Glahe (Fn. 5), S. 147-149; Rolfs, in: APS (Fn. 6), 2. Teil, Aufhebungsvertrag Rn. 12.

50 Däubler, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath (Hrsg.), Arbeitsrecht4, 2017, § 611a BGB Rn. 629; Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 410, jew. mwN.

51 BAGE 109, 22, 36; BAG NJOZ 2004, 4096, 4100 aE; BAG Urt. v. 03.06.2004 – 2 AZR 427/03, Rn. 51; BAGE 114, 97, 108.

52 Lorenz, JZ 1997, 277, 281 f.

53 BAG NZA 2019, 688, 691.

54 Reinecke, (Fn. 50), S. 410.

55 Ebd.

56 So ausdrücklich BT-Drs. 14/6040, 163; Giesing (Fn. 6), S. 213 f.; BAG NZA 2019, 688, 691.

57 Bachmann, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch8, 2019, § 241 Rn. 101-106.

58 Bachmann, in MüKo BGB (Fn. 57), § 241 Rn. 108.

59 Bachmann/Ponßen, NJW 2019, 1966, 1970.

60 Ausführlich Giesing (Fn. 7), S. 215-230.

61 BAG NZA 2019, 688, 691 f.

62 Thüsing, RdA 2005, 257, 269; Lorenz, JZ 1997, 277, 282.

63 BAG NZA 2019, 688, 691 f.

64 Rieble/Klumpp, ZIP 2002, 2153, 2160; Tschöpe/Pirscher, RdA 2004, 358, 366; Holler, NJW 2019, 2206, 2208.

65 Holler, NJW 2019, 2206, 2208 f.

66 Kienast/Schmiedl, DB 2003, 1440, 1442; Holler, NJW 2019, 2206, 2208 f.

67 Oetker, in: Staudinger (Fn. 9), § 623 Rn. 6 f.; Gotthardt, in: BeckOK Arbeitsrecht52, 2019, § 623 Rn. 53.

68 Fischermeier, in: AR9, 2019, § 623 Rn. 1.

69 Giesing (Fn. 7), S. 209 f.

Hülsmann, Möglichkeiten der Lösung von arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, BLJ 2/2020, 139-145143

verbraucherrechtliche Widerrufsrecht auf Aufhebungsverträge nicht anwendbar, weil in erster Linie Absatzverträge erfasst werden sollen (s.o.). Der Gesetzgeber hat sich eben nicht gegen die Anwendbarkeit entschieden, weil der Schutz des Arbeitnehmers anderweitig gewährleistet ist, sondern weil er nur Absatzverträge erfassen wollte. Drittens ist der Anwendungsbereich des § 123 BGB sehr eng70 und erfasst nicht die Willensbeeinflussung aufgrund kumulativer Umstände. Das Gebot fairen Verhandelns ist insoweit flexibler. Viertens dient § 138 I BGB nur der Inhaltskontrolle.71 Die Umstände bei Zustandekommen des Rechtsgeschäfts können zwar einbezogen werden, aber die Sittenwidrigkeit muss immer an den Inhalt des Rechtsgeschäfts anknüpfen: „Sittenwidrig sein muss immer das Rechtsgeschäft selbst.“72 Daran fehlt es beim Aufhebungsvertrag aber gerade: Weder eine fehlende Abfindung,73 noch der Ausschluss weiterer Ansprüche,74 noch eine fehlende Bedenkzeit75 können Anhaltspunkt für eine Sittenwidrigkeit sein.

Mithin ist das Gebot fairen Verhandelns erforderlich, um Umstände vor Abschluss des Aufhebungsvertrags, die auf die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers einwirken, ausreichend berücksichtigen zu können. Es ist kein Nachteil, dass der Vertragsinhalt für die Beurteilung der „Fairness“ ausgeblendet wird,76 sondern gerade der Vorteil gegenüber dem strengen Maßstab der Sittenwidrigkeit. Der Anwendungsbereich von § 138 I BGB ist in den typischen Fällen des Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns nämlich nicht eröffnet.

So liegt es auch in dem Fall der A: Mangels inhaltlichem Anhaltspunkt kommt die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags nach § 138 I BGB nicht in Betracht.77 Auch liegt weder eine widerrechtliche Drohung nach § 123 I Var. 2 BGB noch ein Widerrufsrecht nach §§ 355, 312 I, 312g I Var. 1, 312b I 1 Nr. 1 BGB vor. Dass A dennoch schutzwürdig ist, weil B ihren kranken Zustand ausgenutzt hat und sie unangekündigt zuhause aufgesucht hat, drängt sich auf. Eine „Aushöhlung der Zivilrechtsdogmatik und der Vertragsfreiheit“ ist nicht zu erwarten, wenn ein Verstoß gegen das Gebot auf Einzelfälle mit mehreren belastenden Umständen beschränkt bleibt.78 Ein solches Verständnis entspräche auch dem Vorbild der undue influence, die ein Zusammenspiel mehrerer Elemente erfordert.79 Das BAG hat bis jetzt noch nie einen Verstoß bejaht.80

Es ist entsprechend nicht zu befürchten, dass sich Arbeitnehmer nun regelmäßig und erfolgreich auf einen Verstoß berufen werden können. In der Entscheidung, die dem Fall der A zugrunde liegt, sah das BAG lediglich „Anhaltspunkte im [strittigen] Sachverhalt“,81 die für einen Verstoß sprächen. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Arbeitnehmerin wegen ihrer Erkrankung erkennbar geschwächt war, der Arbeitgeber das ausgenutzt und sie durch das unangekündigte Erscheinen überrumpelt hat, sei das Gebot fairen Verhandelns verletzt.82

c) Zwischenergebnis

Es spricht im Ergebnis nichts dagegen, das Gebot fairen Verhandelns als Nebenpflicht des Arbeitgebers nach § 241 II BGB anzuerkennen. Bei einem Verstoß kann er sich nach §§ (311 II,) 241 II, 280 I, 249 I BGB schadensersatzpflichtig machen.

II. Weitere Voraussetzungen

Soweit dem Arbeitgeber eine der angesprochenen Pflichtverletzungen zur Last fällt, müsste er diese auch zu vertreten haben: Fahrlässigkeit genügt gemäß § 276 I 1 BGB und wird nach § 280 I 2 BGB vermutet.83 Weiter ist erforderlich, dass dem Arbeitnehmer aufgrund des Verstoßes ein kausaler Schaden entstanden ist. Es genügt dezidierter Vortrag; sodann ist es Aufgabe des Arbeitgebers nachzuweisen, dass der Schaden auch bei gesetzmäßiger Aufklärung/Verhandlung eingetreten wäre, um die Kausalität zu verneinen.84

III. Aufhebungsvertrag als ersatzfähiger Schaden

Damit eine Lösung vom Vertrag als Schadensersatz in Betracht kommt, müsste der Schaden im Abschluss des Aufhebungsvertrags liegen. Grundsätzlich ist anerkannt, dass ein ungünstiger Vertrag einen Schaden darstellen kann und im Wege der Naturalrestitution verlangt werden kann, dass er rückgängig gemacht wird.85 Der Arbeitnehmer müsste nachweisen, dass er bei fairer Verhandlung keinen Vertrag geschlossen hätte.86

Anders als etwaige Aufklärungspflichten soll das Gebot fairen Verhandelns gerade vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags schützen87 und dieser ist somit grundsätzlich als ersatzpflichtiger Schaden erfasst.88 Gelingt dem Arbeitnehmer der Beweis der Kausalität von Verstoß und Abschluss des Aufhebungsvertrags, folgt aus § 249 I BGB ein Anspruch auf Wiedereinstellung:

Nach § 249 I BGB ist der Zustand ohne das schädigende Ereignis wiederherzustellen. Das schädigende Ereignis war


70 Giesing (Fn. 7), S. 210.

71 Sack/Fischinger, in: Staudinger (Begr.), J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 2017, § 138 Rn. 10 f.

72 Sack/Fischinger, in: Staudinger (Fn. 71), Rn. 15.

73 Weber/Ehrich, NZA 1997, 414, 419; Ehrich, in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich (Fn. 6), Teil 3 Rn. 5.

74 Schmidt, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 50, III. 1.

75 Preis, in: Stahlhacke/Preis/Vossen (Fn. 5), § 3 Rn. 35 mwN.

76 So Fischinger, NZA 2019, 729, 731.

77 Vgl. zum zugrundeliegenden Fall Schmidt, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 50, III. 1.; BAG NZA 2019, 688 ff. und LAG Nds. NZA-RR 2018, 361 ff. gehen auf § 138 I BGB gar nicht erst ein.

78 Fischinger, NZA 2019, 729, 732.

79 Lorenz, JZ 1997, 277, 282.

80 BAGE 109, 22, 36; BAG NJOZ 2004 4096, 4101 aE.; BAGE 114, 97, 108.

81 BAG NZA 2019, 688, 691.

82 Ebd; im Übrigen Zurückverweisung.

83 Benicke/Hellwig, in: Soergel (Fn. 47), § 280 Rn. 142.

84 Grüneberg, in: Palandt (Fn. 11), § 280 Rn. 39; Benicke/Hellwig, in: Soergel (Fn. 47), § 280 Rn. 257; Giesing (Fn. 7), S. 230 f.

85 Kaiser, in: Staudinger (Fn. 47), § 249 Rn. 195; Ekkenga/Kuntz, in: Soergel (Fn. 47), Vor § 249 Rn. 65 f.; BGH NJW 1962, 1196 ff.; BGH NJW 2007, 1809 ff.

86 Burkardt (Fn. 46), S. 113.

87 Lorenz, JZ 1997, 277, 282; Reinecke (Fn. 50), S. 410, 411; BAG NZA 2019, 688, 692 f. Rn. 42.

88 Vgl. allg. Oetker, in: MüKo BGB (Fn. 57), § 249 Rn. 123 mwN.

Hülsmann, Möglichkeiten der Lösung von arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, BLJ 2/2020, 139-145144

die Verletzung des Gebots fairen Verhandelns.89 Ohne dieses Ereignis hätte der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen. Er ist also so zu stellen, als sei der Vertrag nie geschlossen worden.90 Der „Zustand“, der wiederhergestellt werden soll, ist das wirksame Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber.91 Das kann durch einen Anspruch auf Wiedereinstellung des Arbeitnehmers geschehen – ohne dass der Aufhebungsvertrag für nichtig erklärt werden muss.92

Das BAG geht zunächst richtig davon aus, dass dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zustehe. Der Schadensersatzanspruch bewirke aber keinen Anspruch auf Wiedereinstellung, „vielmehr führt der Schadensersatzanspruch […] unmittelbar zu einem Entfall der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrags […].“93 Es leuchte nicht ein, „weshalb die Naturalrestitution erst durch Abgabe einer […] Willenserklärung erreicht werden sollte“, weil der entgegenstehende Wille des Arbeitgebers „gebrochen“ werde.94 Zudem sei die Vertragsaufhebung als Schadensersatz jedenfalls bei arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen „letztlich wirkungsgleich mit einer Anfechtung.“95

Diese Ausführungen überzeugen nicht ansatzweise. Sie widersprechen § 249 I BGB. Die Norm besagt eindeutig nicht, dass aus dem Schadensersatzanspruch automatisch etwas folgt, sondern dass der Schuldner verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.96 Die vom Urteil des BAG in Rn. 39 zitierte BT-Drs. spricht nur davon, dass „der Geschädigte […] die Lösung vom Vertrag als Naturalrestitution verlangen kann“97 und nicht, dass sie unmittelbar eintritt.98 Der vergleichende Kommentarverweis in Rn. 37 des Urteils geht ebenfalls fehl. Die zitierte Randnummer besagt, dass „der betroffene Arbeitnehmer […] nach § 249 Satz 1 BGB verlangen [kann], dass [der Aufhebungsvertrag] rückgängig gemacht wird.“99 Das widerspricht aber der Aussage des BAG.

Auch die weiteren vom BAG zitierten Urteile und Kommentare stützen seine Aussagen nicht.100 Zur Unterstützung der These, Vertragsaufhebung als Schadensersatz und Anfechtung seien wirkungsgleich, zitiert es ein Urteil des BGH.101 Jenes stellt aber lediglich fest, dass beide wirtschaftlich zum gleichen Ergebnis führen.102 Daraus kann nicht folgen, dass beide Wege rechtlich gleich zu behandeln sind.103 Die Anfechtung wirkt ex tunc, die Verpflichtung zum Schadensersatz ex nunc: § 249 I BGB verlangt, den Geschädigten „so zu stellen wie er stünde“ und besagt nicht, dass der Geschädigte „so gestellt ist“.104

Das Urteil des BAG widerspricht insoweit der einhelligen Auffassung von zivilrechtlicher Literatur und Rechtsprechung sowie Wortlaut und Systematik des Gesetzes.105 Ihm ist nicht zu folgen.

IV. Ergebnis

Ein Schadensersatzanspruch gerichtet auf Wiedereinstellung wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht des Arbeitgebers ist in der Praxis nahezu ausgeschlossen, da eine Aufklärungspflicht nur ausnahmsweise besteht, ihr Schutzzweck in der Regel nicht den Vertragsschluss umfasst und ein Verstoß selten ursächlich für den Abschluss des Vertrags ist.

So liegt es auch im Fall der A: Sie kann höchstens Schadensersatz in Höhe des entgangenen Arbeitslosengeldes verlangen, nicht jedoch die Lösung vom Vertrag.

Einfacher ist dagegen, einen Schadensersatzanspruch aus §§ (310 II,) 240 II, 280 I, 249 I BGB bei einem Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns geltend zu machen. Das Gebot besteht grundsätzlich und der Vertragsschluss ist ausdrücklich vom Schutzzweck umfasst. Inhalt des Schadensersatzanspruchs ist nach § 249 I BGB ein Anspruch auf Wiedereinstellung.

Macht der Arbeitnehmer diesen geltend, kann er sich so vom Aufhebungsvertrag – bzw. von dessen Wirkungen – lösen.

E. Fazit

Die Ausführungen haben gezeigt, dass grundsätzlich mehrere Möglichkeiten der Lösung arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge bestehen. Nur ein gesetzliches Widerrufsrecht ist von vornherein ausgeschlossen. Von den übrigen Möglichkeiten bleibt in der Praxis aber nur ein kleiner Teil anwendbar: Der Aufhebungsvertrag kann zwar grundsätzlich angefochten werden oder der Arbeitnehmer kann zurücktreten. Diese Möglichkeiten ergeben sich aber ganz allgemein aus dem BGB und sind auf aufhebungsvertragliche Konstellationen nur in Einzelfällen anwendbar. Der auf Naturalrestitution gerichtete Schadensersatzanspruch in Folge einer Aufklärungspflichtverletzung des Arbeitgebers ist dagegen eine spezielle Möglichkeit, sich vom Aufhebungsvertrag zu lösen. Indes sind an diesen Anspruch so hohe Anforderungen zu stellen, dass auch diese Möglichkeit praktisch nicht relevant ist.

Von Bedeutung ist die Möglichkeit der Lösung vor allem in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nur aufgrund einer Willensbeeinflussung durch den Arbeitgeber angenommen hat. Davor schützt in erster Linie die Möglichkeit, die Vertragsannahme wegen widerrechtlicher Drohung anzufechten. Wenn die Willensbeeinflussung aber nicht durch eine einzelne Drohung, sondern aufgrund kumulativ wirkender Umstände erfolgt ist, läuft auch diese


89 Vgl. Glahe (Fn. 5), S. 150.

90 Vgl. Sutschet, in: BeckOGK BGB (Fn. 5), § 620 Rn. 390.

91 Vgl. Burkardt (Fn. 46), S. 118.

92 Vgl. Glahe (Fn. 5), S. 150; vgl. Burkardt (Fn. 46), S. 118.

93 BAG NZA 2019, 688, 692.

94 Ebd.

95 Ebd.

96 Fischinger, NZA 2019, 729, 733; Grüneberg, in: Palandt (Fn. 11), § 249 Rn. 2.

97 BT-Drs. 14/6040, S. 162.

98 Fischinger, NZA 2019, 729, 733.

99 Däubler, in: Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht4, 2014, Einl. Rn. 155a.

100 Fischinger, NZA 2019, 729, 733.

101 BAG NZA 2019, 688, 692.

102 BGH NJW 1997, 254, Rn. 3; Fischinger, NZA 2019, 729, 733; Schmidt, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 50, III. 2.

103 Fischinger, NZA 2019, 729, 733.

104 Holler, NJW 2019, 2206, 2210.

105 Ebenso Fischinger, NZA 2019, 729, 733 mwN; Holler, NJW 2019, 2206, 2210; Schmidt, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 50, III. 2.

Hülsmann, Möglichkeiten der Lösung von arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen, BLJ 2/2020, 139-145145

Möglichkeit leer.

So ist die Situation auch im Fall der A. Die einzige Möglichkeit, ihr de lege lata eine Lösung vom Aufhebungsvertrag zu ermöglichen, liegt in einem Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns und dem daraus folgenden Schadenersatzanspruch, gerichtet auf Naturalrestitution. Diese Herleitung mag etwas konstruiert wirken. Sie ist aber die einzige Möglichkeit, dem Arbeitnehmer in schützenswerten Einzelfällen, die nicht von § 123 I Var. 2 BGB erfasst sind, die Lösung vom Aufhebungsvertrag zu ermöglichen.

Solange der Gesetzgeber nicht – wie wiederholt vorgeschlagen106 – ein spezifisches Widerrufsrecht für arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge schafft, wird sie auch die einzige bleiben.


106 Beispielsweise von Henssler/Preis, NZA-Beil. 2007, Heft 21, 6, 29, § 134 III, IV.