Sophie Balling*
A. Einführung
Die Schaffung eines unverfälschten Wettbewerbs als übergeordnetes Ziel des Kartellrechts wird von den Marktteilnehmern selbst immer wieder bedroht.1 Sogenannte Hardcore-Kartelle2 begrenzen den Wettbewerb in erheblichem Maße und erzeugen negative wirtschaftliche Effekte.3 Man geht davon aus, dass Hardcore-Kartelle europaweit jährlich einen Schaden in Höhe von 25 bis 69 Mrd. Euro verursachen.4 Die konspirative Natur von Kartellen führt dazu, dass es den Wettbewerbsbehörden beinahe unmöglich ist, eine große Anzahl an Kartellen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen aufzudecken.5 In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich die Aufdeckung von Kartellen durch die Schaffung von Kooperationsmöglichkeiten effektiver gestalten lässt: Neun von zehn Kartellen, gegen die seit dem Jahr 1969 die höchsten Bußgelder verhängt wurden, sind durch Kronzeugenanträge aufgedeckt worden.6 Mittlerweile nehmen Kronzeugen7 eine „Schlüsselrolle“8 in der Verfolgung von Hardcore-Kartellen ein.
Damit Kartellanten mit den Wettbewerbsbehörden kooperieren, müssen indes Anreize geschaffen werden. In der behördlichen Kartellrechtsdurchsetzung geht die Kooperation eines Kartellanten mit einer Bußgeldreduktion einher.9 Erst kürzlich berichtete die Financial Times davon, wie sich UBS durch die Teilnahme am europäischen Kronzeugenprogramm einer Geldbuße in Höhe von 285 Mio. Euro entziehen konnte.10 Whistleblowing „lohnt“ sich also – wären da nicht private Schadensersatzkläger.
Die behördliche Privilegierung bewahrt den Kronzeugen nicht vor einer Inanspruchnahme als Haftungssubjekt in privaten Schadensersatzklagen. Indem sich der Kronzeuge im behördlichen Kartellverfahren exponiert und Informationen offenlegt, präsentiert er sich gleichzeitig als Ziel privater Kläger – er wird zum prime target von Kartellschadensersatzklagen.11 Es wird befürchtet, dass Kartellanten in der Angst, Opfer einer „Flutwelle“12 von Schadensersatzklagen zu werden, von einem Kronzeugenantrag absehen.13 Dies gilt umso mehr nach Stärkung der Rechte privater Schadensersatzkläger durch die Kartellschadensersatzrichtlinie (RL 2014/104/EU). Die behördliche Kartellrechtsdurchsetzung steht insofern in einem Spannungsverhältnis zur privaten Kartellrechtsdurchsetzung.14
Um den Anreiz, an Kronzeugenprogrammen teilzunehmen, zu erhalten und dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, hat man in der Kartellschadensersatzrichtlinie sowie daraufhin in den nationalen Wettbewerbsordnungen (in Deutschland durch die 9. GWB-Novelle15) nun auch eine zivilrechtliche Privilegierung des Kronzeugen eingeführt. Doch sind die dortigen Privilegierungen in der Lage, den Kronzeugen vor der möglichen Inanspruchnahme als Haftungssubjekt ausreichend zu schützen? Zu wessen Lasten würden die Privilegierungen dann gehen? Bestehen alternative Lösungsansätze, um das Spannungsverhältnis zwischen privater und behördlicher Kartellrechtsdurchsetzung zu lösen?
In der vorliegenden Arbeit wird im ersten Teil auf das dichotome System der Kartellrechtsdurchsetzung unter Ausklammerung der Kronzeugenregelungen eingegangen (B). Dies erleichtert das Verständnis darüber, wie sich das Verhältnis der beiden Durchsetzungsregime verändert, wenn ein Kartellant mit einer Kartellbehörde kooperiert. Im zweiten Teil wird das soeben bereits beschriebene Spannungsverhältnis anhand der einschlägigen Regelungen untersucht (C). Zudem wird darauf eingegangen, ob die derzeitigen Regelungen das Spannungsverhältnis aufzulösen vermögen und der befürchteten Anreizminderung
* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg
1 Vgl. Emmerich/Lange, Kartellrecht, § 3 Rn. 1 f.; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 27.
2 Hardcore-Kartelle sind z.B. Preiskartelle und Marktaufteilungen, vgl. Emmerich/Lange, Kartellrecht, § 13 Rn. 12; Bunte/Stancke, Kartellrecht, § 4 S. 140.
3 Medinger, Emory Law Journal 2003, 1439 (1439); Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 27; OECD, Hard Core Cartels, S. 5.
4 Europäische Kommission, Arbeitspapier zum Impact Assessment, S. 22, Rn. 65.
5 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung 06/C 298/17, ErwG 3; Ferčič, WiRO 2011, 110 (110).
6 Europäische Kommission, Cartel Statistics, S. 3; ebenfalls zu einem Anteil von 90% kommt Wils, World Competition 2016, 327 (336); laut einer Studie unter Auswertung der OECD-Statistiken von 23 Ländern haben Kronzeugenregelungen für die Wettbewerbsintensität positive Effekte, vgl. Klein, Cartel Destabilization and Leniency Programs, S. 13 ff.; kritisch allerdings: Schwalbe/Höft, FS Möschel, S. 597 (598); der Anstieg der Anzahl der aufgedeckten Kartelle könne auch darauf zurückzuführen sein, dass insgesamt die Kartellverstöße angestiegen sind. Dagegen spreche aber laut Spagnolo die empirische Evidenz, vgl. Spagnolo, Leniency and Whistleblowers in Antitrust, S. 258-304.
7 Kronzeugen sind Kartellteilnehmer, die durch ihre Kooperation dazu beitragen haben, ein Kartell aufzudecken, vgl. BKartA, Bonusregelung, Rn. 1; Europäische Kommission, Mitteilung 06/C 298/17, Rn. 1.
8 ErwG 38 Schadensersatzrichtlinie (im Folgenden SE-RL); Schwenke, NZKart 2015, 383 (384).
9 BKartA, Bonusregelung; Europäische Kommission, ABl. C 298/17.
10 Toplensky/Morris/Szalay, Forex Trading Probes – EU fines five banks €1bn over foreign exchange cartel, in: The Financial Times, 16.04.2019, zuletzt abgerufen am 04.08.2019 unter: https://www.ft.com/content/73163fa0-77c5-11e9-bbad-7c18c0ea0201.
11 Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 24, 33; Vollrath, NZKart 2013, 434 (443); Bien, EuZW 2011, 889 (890); Forrester/Berghe, Leniency, S. 159 (159); ErwG 38 SE-RL.
12 Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332 (332).
13 Den Abschreckungseffekt anzweifelnd jedoch Sir Peter Roth in der viel beachteten Entscheidung High Court of Justice, Urt. v. 04.04.2012, [2012] EWHC 1717 (Ch), National Grid Electricity Transmission Plc v ABB & Others, Rn. 37.
14 Bach, FS Canenbley, S. 15 (15); Drexl, FS Canaris, S. 1339 (1346); Heinemann, FS Bieber, S. 681 (703); Brinker, NZKart 2013, 2 (9); Fiedler/Huttenlauch, NZKart 2013, 350 (350); Krüger, NZKart 2013, 483 (483); Kersting, JZ 2012, 42 (43); Seitz, EuZW 2011, 598 (599); Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829 (830); Legner, WRP 2014, 1163 (1166).
15 Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BGBl I 2017, S. 1416.
Abhilfe verschaffen können. Sodann werden alternative Lösungsansätze vorgestellt und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen, die im Rahmen des Konsultationsprozesses im Vorfeld des Erlasses der Richtlinie16 gemacht wurden, bewertet. Zuletzt wird ein eigener Lösungsansatz entwickelt (D).
B. Das dichotome System der Kartellrechtsdurchsetzung
Die Durchsetzung des europäischen Kartellrechts ruht auf zwei Säulen: der behördlichen und der privaten Kartellrechtsdurchsetzung.
I. Die behördliche Kartellrechtsdurchsetzung (Public Enforcement)
Die behördliche Kartellrechtsdurchsetzung17, auch als public enforcement bezeichnet, dominierte für lange Zeit die Durchsetzung des Kartellrechts in Europa. Mit dem public enforcement soll zum einen der konkrete Kartellrechtsverstoß geahndet werden. Zum anderen soll nicht nur das betroffene Unternehmen, sondern grundsätzlich alle Marktteilnehmer vor künftigen Kartellrechtsverstößen abgeschreckt werden.18 Von erheblicher praktischer Bedeutung der behördlichen Kartellrechtsdurchsetzung ist die Möglichkeit, im Falle der Feststellung eines Kartellverstoßes Geldbußen zu verhängen. Die Geldbußen können – auch bei einem fahrlässigen Verstoß – bis zu 10% des Jahresumsatzes des an dem Kartell beteiligten Unternehmens betragen und sind in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen.19
II. Die private Kartellrechtsdurchsetzung (Private Enforcement)
Neben dem public enforcement nahm die private Kartellrechtsdurchsetzung20 in Europa – anders als im „Mutterland des Kartellrechts“21, den Vereinigten Staaten, – über Jahrzehnte nur eine untergeordnete Rolle ein.22
Primär soll die private Kartellrechtsdurchsetzung erlittene Nachteile kompensieren.23 Durch private Schadensersatzklagen24 kann aber auch die Durchsetzungskraft der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln signifikant gesteigert werden.25 Auf Grundlage dieser Erkenntnis entwickelte der EuGH im Jahr 2001 in dem für das private enforcement wegweisenden Urteil in Sachen Courage den Grundsatz, dass „jedermann“ seinen Schaden infolge einer Verletzung des Kartellrechts ersetzt bekommen soll, um die volle Wirksamkeit des Art. 81 EGV (nun Art. 101 AEUV) zu gewährleisten.26 Dennoch mangelte es lange an einheitlichen unionsrechtlichen Regelungen – eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Vorschriften zum kartellrechtlichen Schadensersatz wurde als dringend notwendig erachtet.27 Nach einem über neun Jahre andauernden Gesetzgebungsprozess, in dem sowohl ein Grünbuch28 als auch ein Weißbuch „Schadensersatz wegen Verletzungen des EU-Wettbewerbsrechts“29 veröffentlicht wurden, erließen der Rat und das Europäische Parlament schließlich im Jahr 2014 die Kartellschadensersatzrichtlinie.30 In verspäteter31 Umsetzung der Richtlinie verabschiedete der deutsche Gesetzgeber die 9. GWB-Novelle32, durch welche nun unter anderem in § 33a GWB ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch des Kartellgeschädigten verbürgt ist.33
III. Das Verhältnis zwischen den beiden Säulen der Kartellrechtsdurchsetzung
Trotz der Konzeption eines dichotomen Durchsetzungssystems, in dem die behördliche und private Kartellrechtsdurchsetzung rechtlich unabhängig voneinander verlaufen34, bestehen diverse Wechselwirkungen.35 In der Praxis wer-
16 Siehe hierzu: https://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/white_paper_comments.html; https://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/green_paper_comments.html.
17 Die Ausführungen zur behördlichen Kartellrechtsdurchsetzung beziehen sich in dieser Arbeit ausschließlich auf die hoheitliche Durchsetzung des Art. 101 AEUV.
18 Bach, FS Canenbley, S. 15 (16); Canenbley/Steinvorth, 50 Jahre FIW, S. 143 (144), zur abschreckenden Wirkung auch Europäische Kommission, 2006/C 210/02, Rn. 4.
19 Vgl. Art. 23 II VO 1/2003; Bunte/Stancke, Kartellrecht, S. 248; insbesondere ist die Höhe der Geldbuße nicht auf den verursachten Schaden, wie dies bei Schadensersatzansprüchen der Fall ist, begrenzt, vgl. Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 48;ErwG 13 SE-RL.
20 Mit der Bezeichnung „private Kartellrechtsdurchsetzung“ ist in dieser Arbeit die offensive Kartellrechtsdurchsetzung in Gestalt einer follow on-Schadensersatzklage des Kartellgeschädigten unter Ausklammerung der defensiven Durchsetzung sowie etwaiger Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemeint, dazu Dawirs, Der vorprozessuale Zugriff, S. 27 f.
21 Brinker, NZKart 2013, 2 (2); 90% der Kartellverfolgung erfolgt dort durch zivilrechtliche Klagen Privater, vgl. Meeßen, Schadensersatz, S. 4.
22 Canenbley/Steinvorth, 50 Jahre FIW, S. 143 (147); Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 49; Klumpe/Thiede, NZKart 2019, 136 (136); Drexl/et al., IEC 2008, 799 (799).
23 Bach, FS Canenbley, S. 15 (16).
24 Die Begriffe private Kartellrechtsdurchsetzung und private enforcement werden synonym verwendet. Der Begriff private enforcement meint die Verfolgung eines öffentlichen Interesses mithilfe von Mitteln des Privatrechts. Wer diesen Begriff verwendet, betont den Präventionszweck, vgl. Hösch, Innenausgleich, S. 52.
25 GA Kokott, Schlussantr. v. 30.01.2014, Rs. C-557/12, Kone, ECLI:EU:C:2014:45, Rn. 25; wer den Begriff private enforcement verwendet, betont den Präventionszweck dieser Art der Kartellrechtsdurchsetzung: Damit ist die Verfolgung eines öffentlichen Interesses mithilfe von Mitteln des Privatrechts gemeint..
26 EuGH, Rs. C-453/99 – Courage und Crehan, Slg. 2001, I-6297, Rn. 26; dies wurde in den folgenden Urteilen fortgeführt: EuGH, Rs. C-295/04 – C-298/04 – Manfredi, Slg. 2006, I-6619, Rn. 90; EuGH, Rs. C–360/09 – Pfleiderer, Slg. 2011, I-5161, Rn. 25; 29.
27 Weitbrecht, NJW 2017, 1574 (1574).
28 Europäische Kommission, Grünbuch.
29 Europäische Kommission, Weißbuch.
30 Zur Entwicklung: Stockenhuber, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 101 AEUV, Rn. 254 (264a).
31 Die Umsetzungsfrist endete am 27.12.2016. Die Umsetzung in Deutschland erfolgte erst am 09.06.2017 durch die 9.GWB-Novelle. Diesbezüglich wurde deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren, Art. 258 AEUV, gegen Deutschland eingeleitet. Das Verfahren wurde jedoch am 08.03.2018 eingestellt, vgl. https://ec.europa.eu/germany/news/20180308-verkehr-steuern-kommission-verschaerft-vertragsverletzungsverfahren-gegen-deutschland_de, zuletzt abgerufen am 23.08.2019.
32 Materiell-rechtliche Vorschriften in §§ 33-33h GWB und verfahrensrechtliche Vorschriften in §§ 89a-89e GWB.
33 Zuvor hatte man einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch auf die § 823 I bzw. II, 824, 826 gestützt; vgl. Schaub, in: Teplitzky/Bacher, S. 374 Rn. 1 (1); dies ist nun obsolet geworden, sofern § 33a GWB einschlägig ist, Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, Anhang 2 VO 1/2003, Rn. 14.
34 K. Schmidt, Aufgaben und Leistungsgrenzen der Gesetzgebung im Kartelldeliktsrecht, S. 115.
35 Wiegandt, Bindungswirkung, S. 82; Alexander, Schadensersatz, S. 424.
den Schadensersatzklagen häufig als follow on-Klagen, also infolge einer behördlichen Entscheidung, erhoben.36 Insoweit ergänzt und fördert die behördliche die private Kartellrechtsdurchsetzung.37 Die Bindungswirkung38 von Entscheidungen der Kommission für den Zivilprozess ist ein wirksames Werkzeug für eine Verzahnung der beiden Durchsetzungssysteme.39 Darüber hinaus ermöglichen Einsichtsrechte in die kartellbehördliche Verfahrensakte eine vereinfachte private Kartellrechtsdurchsetzung.40 Privaten Schadensersatzklägern kommen zudem die weitreichenden Informations- und Ermittlungsbefugnisse der Kartellbehörde zugute.41
Gleichzeitig kann aber auch das public enforcement von privaten Schadensersatzklägern profitieren: Der private Schadensersatzkläger nimmt eine Rolle als private attorney general42 ein: Indem der Kartellgeschädigte seine eigenen privaten Interessen verfolgt, fördert er zugleich das öffentliche Gemeinwohlinteresse.43 Die Kartellgeschädigten sind als Kunden der Kartellbeteiligten mit den Gegebenheiten des Marktes vertraut und haben einen „entscheidenden Wissensvorsprung“44 gegenüber den Kartellbehörden. Demgegenüber stehen sowohl der Kommission als auch den nationalen Wettbewerbsbehörden nicht genügend Ressourcen zur Verfügung, um in jedem einzelnen Fall wettbewerbswidrigen Verhaltens umfassend zu ermitteln.45
Ein zweispuriges Durchsetzungssystem weist also Vorteile auf, kann jedoch auch für besondere rechtliche Probleme sorgen. Im Falle eines unkoordinierten Nebeneinanders besteht die Gefahr eines vielfach beschworenen „Sanktions-Overkill“46. Wie die Existenz eines Kronzeugen das bisher stimmige Verhältnis der beiden Durchsetzungsspuren verändert, soll im Folgenden gezeigt werden.
C. Das Spannungsverhältnis
I. Die behördlichen Kronzeugenprogramme als intendierte Privilegierung
Nach dem Vorbild der US-amerikanischen Leniency Programs47 entwickelte die EU-Kommission im Jahr 1996 ihr erstes Kronzeugenprogramm48, welches 200249 und 200650 reformiert wurde. Die aktuelle Regelung sieht im Falle einer Kooperation eines Kartellanten einen Bußgelderlass sowie -reduktionen im behördlichen Sanktionsverfahren vor. Bei der Bemessung der Bußgelder kommt der Kommission nach Art. 23 III VO 1/2003 ein großer Ermessensspielraum zu. Für den Fall, dass ein Kartellant als erstes freiwillig mit der Kommission kooperiert, sieht die Mitteilung in Rn. 8 einen vollständigen Bußgelderlass vor.51 Den zeitlich nachfolgenden Kronzeugen kann eine bis zu 50-prozentige Reduktion der Geldbuße zugestanden werden.52 Zudem haben die nationalen Behörden Kronzeugenregelungen verabschiedet.53 Darüber hinaus wurde Ende 2018 die ECN-Richtlinie54 erlassen, um die mitgliedstaatlichen Kronzeugenregelungen zu harmonisieren und Rechtssicherheit für grenzüberschreitende Kartelle zu gewähren.55
II. Die Inanspruchnahme der Kronzeugen als Haftungssubjekt
Grundsätzlich kommt der Kronzeuge, genauso wie seine Mitkartellanten, als Haftungssubjekt für Schadensersatzklagen infrage. Im Ausgangspunkt ist für ihn keine Haftungsfreiheit vorgesehen.
1. Der Zielkonflikt
Ziel der Behörden ist es, die Kartellaufdeckung durch Kronzeugenprogramme effektiver zu gestalten und sogar die Kartellbildung zu verhindern.56 Für die Kartellanten wird die Teilnahme an einem Kronzeugenprogramm indes weniger
36 Milutinović, Right to Damages, S. 16; Mouterde/Otten, ZEuP 2018, 481 (484); im Gegensatz dazu sind sogenannte stand alone-Schadensersatzklagen im Vorfeld eines behördlichen Kartellverfahrens eher selten und zudem sehr komplex, weil ein Nachweis über einen Kartellverstoß nur unter schweren Bedingungen erbracht werden kann, vgl. Wiegandt, Bindungswirkung, S. 106; Thiede, China-EU Law Journal, 2017, 233 (236); Ezrachi, EU Competition Law, S. 617.
37 Kallfaß, EuR 2018, 175 (176).
38 Vgl. Art 6 SE-RL, dies wird auch in Art. 16 I VO 1/2003 und ErwG 22 der VO 1/2003 deutlich: „In einem System paralleler Zuständigkeiten müssen im Interesse der Rechtssicherheit und der einheitlichen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden“.
39 Gem. 16 VO 1/2003 bzw. § 33b GWB ist das mit einem Schadensersatzanspruch betraute Gericht an die abschließende Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde gebunden. Hierzu Wiegandt, Bindungswirkung kartellbehördlicher Entscheidungen, S. 82.
40 Hierzu Wiegandt, Bindungswirkung, S. 85.
41 Alexander, Schadensersatz, S. 306.
42 Bezeichnung des U.S.-Supreme Court, vgl. US Supreme Court, Zenith Radio Corp. v. Hazeltine Research, Inc. 395 U.S. 100 (1969), Rn. 130.
43 Milutinović, Right to Damages, S. 15; die Idee der Durchsetzung öffentlicher Interessen durch Private ist keinesfalls neu: Bereits in der Entscheidung Van Gend en Loos betonte der EuGH: „Die Wachsamkeit der an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Einzelnen stellt eine wirksame Kontrolle dar, welche die durch die Kommission und die Mitgliedstaaten gemäß den Art. 169 und 170 ausgeübte Kontrolle ergänzt.“, vgl. EuGH, Rs. 26/62 – Van Gend en Loos, Slg. 1963, 3, S. 26; Hösch, Innenausgleich, S. 52.
44 Beschorner/Hüschelrath, in: Möschel/Bien, S. 9 (11); Schwalbe/Höft, FS Möschel, S. 597 (621); McAfee/Mialon/Mialon zeigen in ihrer Studie, dass Unternehmen aufgrund ihrer Kenntnis über die Marktgegebenheiten eine bessere Kenntnis über Kartellverstöße haben als Kartellbehörden, vgl. McAfee/Mialon/Mialon, Journal of Public Economics 2008, 1863 (1863-1875).
45 Europäische Kommission, MEMO/05/489, S. 3.
46 Bach, FS Canenbley, S. 15 (17); Steinle, EuZW 2014, 481 (481).
47 Department of Justice, Corporate Leniency Policy; dies., Individual Leniency Policy.
48 Europäische Kommission, Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrige Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl. C 207/4 v. 18.07.1996; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 30; Schwalbe/Höft, FS Möschel, S. 597 (597).
49 Europäische Kommission, ABl. C 207/4.
50 Europäische Kommission, ABl. C 45/3.
51 Europäische Kommission, ABl. C 298/17.
52 Europäische Kommission, ABl. C 298/17, Rn. 23, 25, 26; Voraussetzung ist, dass die zusätzlichen Informationen einen Mehrwert gegenüber den bereits erhaltenen Beweismitteln darstellen; ferner muss der Kronzeuge ebenfalls während des gesamten weiteren Verlaufs des Verfahrens mit der Kommission kooperieren; zur Abstufung des Bußgelderlasses lies Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Art. 23 VO 1/2003, Rn. 247.
53 In Deutschland: BKartA, Bonusregelung.
54 Europäische Kommission, ECN-Richtlinie.
55 Vgl. Biermann, in: Immenga/Mestmäcker Art. 23 VO 1/2003 Rn. 283; kritisch zum RL-Vorschlag Brömmelmeyer, NZKart 2017, 551 (551); König, NZKart 2017, 397 (401 f.), insbesondere wird befürchtet, dass die RL das Problem einer grenzübergreifenden Wirkung einer erstatteten Selbstanzeige nicht zu lösen vermag.
56 Zur verhaltenssteuernden Wirkung von Kronzeugenprogrammen: Seitz, GRUR-RR 2012, 137 (139); laut BKartA hindert dies bereits das Entstehen von neuen Kartellen, vgl. BKartA, Erfolgreiche Kartellverfolgung, Nutzung für Wirtschaft und Verbraucher, S. 9.
attraktiv, wenn sie sich durch ihre Offenbarung zugleich privaten Schadensersatzansprüchen aussetzen.57 Das Handeln potenzieller Kronzeugen lässt sich anhand ökonomischer Erwägungen erklären.58 Die Kartellanten nehmen bei der Entscheidung, ob sie an einem Kronzeugenprogramm teilnehmen, eine Kosten-Nutzen-Analyse vor.59 Grundsätzlich gilt: Je höher die mögliche Haftung des Kartellanten, desto geringer ist der Anreiz, einen Kronzeugenantrag zu stellen.60 Die Aussicht auf Schadensersatzzahlungen in unbekannter Höhe wirkt also abschreckend für potenzielle Kronzeugen.61 Diese Wirkung wird auch als chilling effect bezeichnet.62
Mit der Begründung eines Schadensersatzanspruchs durch einen Kartellgeschädigten entsteht somit ein Zielkonflikt zwischen der Anreizwirkung von Kronzeugenprogrammen und der Kompensation gegenüber dem Kartellgeschädigten.63 Das ursprünglich harmonische Verhältnis von public und private enforcement mit positiven Wechselwirkungen für beide Durchsetzungssysteme wandelt sich bei Hinzutreten eines Kronzeugen zu einem Spannungsverhältnis:64 Die Stärkung der Rechte der Schadensersatzkläger führt zu einer Beschränkung der Attraktivität von Kronzeugenprogrammen, somit insgesamt zu einer Schwächung der Kartellrechtsdurchsetzung. Aber auch umgekehrt stellt die Privilegierung von Kronzeugen immer einen Eingriff in die verfassungsrechtlich und unionsrechtlich geschützten Rechte des Kartellgeschädigten dar.65
Der Zielkonflikt wird durch zwei Elemente verstärkt: die Rolle des Kronzeugen als sogenanntes prime target (2.) und die in den letzten Jahrzehnten verfolgte Stärkung der Rechte der privaten Schadensersatzkläger (3.).66
2. Die Rolle des Kronzeugen als prime target
Zwar besteht das Risiko, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, grundsätzlich für alle Beteiligten des Kartells.67 Kronzeugen sind indes aufgrund ihrer Kooperation mit den Kartellbehörden besonders exponiert. Sie räumen im behördlichen Kartellverfahren ihren eigenen Kartellrechtsverstoß nicht nur ein, sondern legen eine Vielzahl von Beweisen und Informationen offen und belasten sich somit in erheblichem Maße selbst.68 Der Kronzeuge steht somit trotz und gerade aufgrund seiner vorherigen Kooperation schlechter als ein nicht kooperierender Kartellant.69 Aufgrund ihrer exponierten Lage werden die Kronzeugen zu einer „bevorzugten Zielscheibe“ von Schadensersatzklagen.70 Doch welche Faktoren tragen zu dieser exponierten Lage des Kronzeugen bei? Schließlich haben die Kartellgeschädigten in den allermeisten Fällen bis zur vollständigen Offenlegung des Kartells keine Kenntnis von den Kartellbeteiligten sowie den konkreten Umständen des Kartells.71
Von zentraler Bedeutung ist, dass die behördliche Entscheidung, die gegenüber dem Kronzeugen ergeht, regelmäßig früher in Bestandskraft erwächst als die der Mitkartellanten.72 Insofern spricht man auch vom sogenannten first mover disadvantage.73 Dies hängt damit zusammen, dass die Feststellung des Kartellverstoßes gem. Art. 7 I VO 1/2003 von den Kronzeugen wegen der für ihn positiven Bußgeldminderung im Regelfall nicht angefochten wird, sodass die Bindungswirkung der Entscheidung gem. Art. 16 I 1 VO 1/2003 eintritt.74 Die Mitkartellanten legen hingegen häufig Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Kartellbehörde ein, weshalb die Bußgeldbescheide erst verspätet bestandskräftig werden.75 Somit ist es für den Kartellgeschädigten, der seinen Schaden möglichst zügig und sicher ersetzt bekommen möchte, vorteilhaft, gegen den Kronzeugen vorzugehen.
57 Beschorner/Hüschelrath, Möschel/Bien, S. 9 (20); auch in Frankreich bestehen Bedenken einer Anreizminderung des Programme de clémence, Krenzer, Möschel/Bien, S. 25 (33); nach Ansicht des Conseil de la concurrence sollen die Privilegierung des Kronzeugen jedoch nicht so weit gehen, ihn von jeglicher Pflicht zur Schadenskompensation zu befreien, vgl. Conseil de la concurrence, Avis du 21 Septembre 2006.
58 Die ökonomischen Grundlagen der Kronzeugenregelungen sind auf einen Unterfall der Spieltheorie zurückzuführen: das prisoners dilemma, vgl. Seitz, GRUR-RR 2012, 137 (139) mit Verweis auf Veljanowski, Economic Principles of Law, S. 262.
59 Schwalbe/Höft, in: FS Möschel, 597 (623 f.); ICN, Interaction of Public and Private Enforcement in Cartel Cases, S. 45; Canenbley/Steinvorth, 50 Jahre FIW, 143 (152).
60 Krüger, Kartellregress, S. 298; Bien, EuZW 2011, 889 (889).
61 Kahlenberg/Heim, BB 2016, 1863 (1867); Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 14; dies wird auch aus der ICN-Studie gefolgert, in der 23 Unternehmen befragt wurden, welchen Einfluss follow-on Klagen auf die Inanspruchnahme von Kronzeugen haben, vgl. ICN, Interaction of Public and Private Enforcement of Cartel Cases, S. 3, 41 ff.
62 Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 31, GA Mazák, Schlussantr. v. 16.12.2010, Rs. C-360/09, Pfleiderer, Slg. I-5161, Rn. 38; Schroll, Einfluss interner und externer Faktoren, S. 139, 170.
63 Beschorner/Hüschelrath, in: Möschel/Bien, S. 20; Bulst, BLJ, 2008, 81 (88); Krüger, NZKart 2013, 483 (483); Meeßen nennt einige Beispiele aus der Praxis: Erwähnenswert ist der Fall Emerson Electriv Co and others v. Morgan Crucible Plc, CAT 30, vom 16.11.2007 sowie das Wachskartell, indem der Kronzeuge Shell mit Schadensersatzklagen überhäuft wurde, vgl. MLex v. 31.07.2009, Shell, ExxonMobil targeted in new Hausfeld damage claim, vgl. Meeßen, Schadensersatz, S. 552.
64 Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Rn. 667; Alexander, Schadensersatz, S. 419; Meeßen, Schadensersatz, S. 552; Bach, FS Canenbley, S. 15 (15); Drexl, FS Canaris, S. 1339 (1346); Heinemann, FS Bieber, S. 681 (701f.); Kersting, JZ 2012, 42 (43); Krüger, NZKart 2013, 483 (483); Brinker, NZKart 2013, 2 (9); Fiedler/Huttenlauch, NZKart 2013, 350 (350); Keßler, VuR 2015, 83 (84); Wigand, BLJ 2018, 24 (25); Legner, WRP 2014, 1163 (1166); Seitz, EuZW 2011, 598 (599).
65 Schwalbe/Höft, FS Möschel, S. 597 (632); K. Schmidt, FS Roth, 520 (527); Koch, JZ 2013, 390 (393); Krüger, WuW 2017, 229 (231); Weitbrecht beschreibt private Schadensersatzklagen als „unerwünschte Konkurrenzveranstaltung“, vgl. Weitbrecht, NJW, 2017, 1574 (1574).
66 Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829 (840 f.).
67 Krüger, NZKart 2013, 483 (485) unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/9852, S. 38.
68 Bien, EuZW 2011, 889 (890); Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Rn. 668; der Kronzeuge habe eine Art „Geständnis“ abgelegt, welches das Klagerisiko für private Kläger stark reduziere, vgl. Krüger, Kartellregress, S. 298; a.A.: Dies sei empirisch nicht belegt, Krüger, NZKart 2013, 483 (485); Gänswein, NZKart 2016, 50 (54).
69 Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 31; GA Mazák, Schlussantr. v. 16.12.2010, Rs. C-360/09, Pfleiderer, Slg. I-5161, Rn. 38, 44.
70 ErwG 38 SE-RL; Meeßen, Schadensersatz, S. 552; Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 24, 33; Bien, EuZW 2011, 889 (890); Vollrath, NZKart 2013, 434 (443).
71 Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 35.
72 Krüger, Kartellregress, S. 298; Bulst, BLJ 2008, 81 (88); Vollrath, NZKart 2013, 434 (443); Böge, in: Basedow, Private Enforcement, S. 217 (221); Krüger, NZKart 2013, 483 (485); ErwG 38 SE-RL.
73 Böge, in: Basedow, Private Enforcement of EC Competition Law, S. 217 ff.; Milde, Schutz des Kronzeugen S. 42; Krüger, Kartellregress, S. 298.
74 Vollrath, NZKart 434 (443); zur Bindungswirkung: Wiegandt, Bindungswirkung, S. 107 ff.; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 37 f.; Grünberger, in: Möschel/Bien, S. 137 ff.
75 Schröter/van der Hout, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Art. 101 AEUV Rn. 260; Bulst, BLJ 2008, 81 (88); Vollrath, NZKart 2013, 434 (443).
Die Bindungswirkung76 selbst stellt einen weiteren Faktor für eine Besserstellung der Schadensersatzkläger dar, der das Spannungsverhältnis verschärft.77 Grundsätzlich hängt der Erfolg einer Klage des Kartellgeschädigten maßgeblich davon ab, ob es ihm gelingt, den Kartellverstoß sowie die kausalen Schäden zu beweisen.78 In der Praxis zählt der Schadensnachweis zu den größten Hürden, die ein Schadensersatzkläger nehmen muss.79 Die Bindungswirkung erleichtert die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs für den Kartellgeschädigten erheblich, da nicht mehr die Gefahr besteht, dass die Zivilgerichte zu einer anderen rechtlichen Würdigung der Tatsachen gelangen als die Kartellbehörde.80 Auch etwaige Offenlegungspflichten der Kronzeugen könnten die Kartellrechtsdurchsetzung unterminieren.81
3. Die Verstärkung des Abschreckungseffekts aufgrund der Stärkung des private enforcement
Die Stärkung der Rechte der Schadensersatzkläger, welche insbesondere mit dem Erlass der Kartellschadensersatzrichtlinie als Ziel verfolgt wurde, führt dazu, dass sich das Spannungsverhältnis noch weiter verstärkt, denn es gilt: Je einfacher die Durchsetzung privater Kartellschadensersatzansprüche, desto geringer die Attraktivität der Kronzeugenprogramme.82 Die Zahl der Kartellschadensersatzprozesse hat in den letzten Jahren bereits zugenommen.83 Aktuelle Fälle, wie beispielsweise die „Prozesswelle“84 um das Lkw-Kartell, zeigen bereits, dass eine vielfach befürchtete Flutwelle von Schadensersatzklagen nicht unwahrscheinlich ist.85
4. Ein doppeltes Spannungsverhältnis?
Der Grundkonflikt zwischen private und public enforcement weitet sich zudem auf die einzelnen Durchsetzungsebenen aus. Es entwickeln sich mehrere Konfliktfelder:86 Wenn kein Anreiz mehr für die Teilnahme an Kronzeugenprogrammen bestünde, würde das public enforcement erschwert. Ausgehend von der Wechselwirkung der privaten und behördlichen Kartellrechtsdurchsetzung führt dies wiederum zu einer erheblichen Schwächung des private enforcement.87 Die Rede ist von einer „Hassliebe“88 des Kartellgeschädigten zum Kronzeugen. Einerseits möchte er seine Rechte als privater Schadensersatzkläger stärken, andererseits will er die Attraktivität des Kronzeugenprogramms nicht gefährden, weil der Erfolg seiner Klagemöglichkeit davon abhängt. Aber auch andersherum wird, wie eingangs erläutert, mit dem private enforcement die abschreckende Wirkung gefördert.89 Somit geht eine Schwächung der privaten Kartellrechtsdurchsetzung wiederum zulasten der behördlichen Durchsetzung und umgekehrt. Man kann insoweit von einem doppelten Spannungsverhältnis sprechen.90
D. Lösung des Spannungsverhältnisses
Es wird deutlich, dass eine zivilrechtliche Privilegierung des Kronzeugen erforderlich ist, um das Spannungsverhältnis zu lösen. Fraglich ist nur, zu wessen Lasten die Privilegierung gehen soll. In der Literatur werden grundsätzlich Lösungen vertreten, die entweder zulasten des Geschädigten, der Mitschädiger oder des Haftungsprivilegierten gehen.91 Der Richtliniengeber hat in der Schadensersatzrichtlinie, welche sodann im Rahmen der 9. GWB-Novelle ins deutsche Recht umgesetzt wurde,92 den Schutz des Kronzeugen zum Hauptziel gemacht und diesbezüglich eine Entscheidung getroffen (dazu I.). In der wissenschaftlichen Diskussion werden teilweise andere Vorschläge zur Lösung des Spannungsverhältnisses vertreten (dazu II.).
76 Vgl. Art. 9 SE-RL, Art. 16 I VO 1/2003.
77 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten Nr. 41 Rn. 44; Wiegandt, Bindungswirkung, S. 171.
78 Schröter/van der Hout, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Art. 101 AEUV Rn. 233; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 38 f.; Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 23.
79 Logemann, Schadensersatz, S. 79; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 39; Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 23; Vollrath, NZKart 2013, 434 (443 f.).
80 Grünberger, in: Möschel/Bien, S. 135; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 39.
81 GA Mazák, Schlussanträge Rs. C-360/09, Pfleiderer, Slg. 2011, I-5161, Rn. 38; ErwG 26 SE-RL; Schröter/van der Hout, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Art. 101 AEUV Rn. 263; Calisti/Haasbeek/Kubik, NZKart 2014, 466 (469); Fiedler/Huttenlauch, NZKart 2013, 350 (353); Seitz, EuZW 2011, 598 (601).
82 Bien, EuZW 2011, 889 (889).
83 Stapf/Wössner, NZKart 2019, 96 (97); bezogen auf Deutschland: Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 2, begründet wird dies mit der zunehmenden gewerblichen Durchsetzung von Schadensersatzklagen durch Unternehmen wie Cartel Damages Claims, dazu LG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2013, Az.: 37 O 200/09 (Kart), WuW/E DE-R 4087 sowie Schwalbe/Höft, FS Möschel, S. 597 (630); Schweitzer, NZKart 2014, 335 (335); durch die Vorarbeiten der Kommission zur SE-RL kam es in der Folgezeit in England, den Niederlanden und in Deutschland vermehrt zu Schadensersatzklagen wegen Kartellverstößen, vgl. Weitbrecht, NJW 2017, 1574 (1574).
84 Weitbrecht, NZKart 2019, 70 (70); mehr als 3200 Unternehmen fordern Schadensersatz von Beteiligten des LKW-Kartells, vgl. SPIEGELONLINE v. 14.12.2018, www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/lkw-kartell-mehr-als-3200-fuhrunternehen-fordern-schadensersatz-a-1185211.html, zuletzt abgerufen am 09.08.2018.
85 Weitbrecht, NZKart 2019, 70 (70); betrachtet man die gesamten volkswirtschaftlichen Schäden bleibt die Zahl der Schadensersatzklagen indes relativ gering. Dies liegt daran, dass Kartellverstöße häufig Streuschäden hervorrufen, die für den einzelnen Endabnehmer aufgrund ihrer geringen Höhe kaum von Bedeutung sind, den Verstoßenden aber in ihrer Summe unangemessen bevorteilen. Die geringe Schadenshöhe führt bei den Endabnehmern jedoch zu einem rationalen Desinteresse der Geltendmachung des Schadens. Anders als in den USA, wo sogenannte class actions möglich sind, wurde eine derartige Geltendmachung kollektiver Schadensersatzklagen nach heftiger Diskussion im Vorfeld der Schadensersatzrichtlinie in Europa bisher nicht ermöglicht, vgl. zum Problem der Streuschäden: Schwalbe/Höft, FS Möschel, S. 597 (627); Schmidt, NZKart 2016, 126 (128); Weitbrecht, NZKart 2019, 70 (70); vgl. Regierungsbegründung, BT-Drs. 19/2439, S. 15; Meller-Hannich, NJW-Beil. 2018, 29 (30); Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332 (332): „die Schleusentore des Schadensersatzrechts bleiben geschlossen“.
86 Wigand, BLJ 2018, 24 (27).
87 So auch OFT, Stellungnahme zum Weißbuch, Rn. 7.1; Monopolkommission, 21. Gutachten 2016, Rn. 114.
88 Dose, VuR 2017, 297 (298).
89 Siehe oben unter B.II.
90 So ähnlich auch: Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 33; Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829 (831); Krüger, NZKart 2013, 483 (483); Dose, VuR 2017, 297 (298); bezüglich der Situation in Deutschland: BKartA, Stellungnahme zum Regierungsentwurf, S. 24.
91 Siehe dazu Teil D.; im deutschen Recht wird ein derartiges Problem als gestörte Gesamtschuld bezeichnet, zu den dazu vorgeschlagenen Lösungen vgl. MüKoBGB/Bydlinski, § 426 BGB Rn. 8; Grüneberg, in: Palandt, BGB § 426 Rn. 18.
92 S.o. Fn. 15.
I. Lösung de lege lata: Die zivilrechtliche Privilegierung des Kronzeugen in der Kartellschadensersatzrichtlinie
Der Richtliniengeber versucht mit der Schadensersatzrichtlinie das ambivalente Verhältnis von Stärkung des private enforcement und Attraktivität von Kronzeugenprogrammen zu berücksichtigen.93 Die Lösung orientiert sich an amerikanischem Recht, dem Antitrust Criminal Penalty Enhancement and Reform Act (ACPERA) von 2004.94 Im Ergebnis wurde ein Kompromiss gefunden, nach dem öffentliche und private Kartellrechtsdurchsetzung eine „gleichermaßen wichtige Rolle“95 spielen und sich gegenseitig ergänzen sollen.96 Während einerseits die Rechte der privaten Schadensersatzkläger gestärkt werden, indem nun unionsweit eine gesamtschuldnerische Außenhaftung angeordnet wurde, werden andererseits in Art. 11 IV-VI Schadensersatzrichtlinie (im Folgenden SE-RL) Ausnahmen von der gesamtschuldnerischen Haftung vorgeschrieben.97
1. Haftungsprivilegierung
Die haftungsrechtlichen Privilegierungen beziehen sich gemäß der Definition des Kronzeugen in Art. 2 Nr. 19 SE-RL nur auf Kronzeugen, die einen vollständigen Bußgelderlass erhalten haben.98
a) Im Außenverhältnis
Während im Grünbuch noch eine vollständige Ausnahme des Kronzeugen von der gesamtschuldnerischen Haftung diskutiert wurde,99 hat der Richtliniengeber eine Differenzierung zwischen der Haftung gegenüber den Vertragspartnern des Kronzeugen und anderen Geschädigten vorgenommen.100
aa) Vertragspartner des Kronzeugen
Art. 11 IV 1 lit. a SE-RL sieht eine Haftung des Kronzeugen im Außenverhältnis beschränkt auf seine unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer und Lieferanten101 vor. Die Beweislast dafür, dass die bezogenen Waren und Dienstleistungen vom Kronzeugen stammen, liegt nach der Formulierung des Art. 11 IV beim Anspruchsteller.102
bb) Andere Geschädigte
Gegenüber anderen Geschädigten, also Vertragspartnern der Mitkartellanten oder Preisschirmgeschädigten,103 haftet der Kronzeuge nur dann, wenn von den Mitkartellanten kein vollständiger Schadensersatz erlangt werden kann, vgl. Art. 11 IV 1 lit. b SE-RL. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Mitkartellanten zahlungsunfähig sind.104 Die Mitgliedstaaten sollen nach Art. 11 IV 2 SE-RL gewährleisten, dass die Verjährungsfristen ausreichend sind, damit die Kartellgeschädigten entsprechende Klagen erheben können und die subsidiäre Haftung des Kronzeugen nach Art. 11 IV 1 lit. b SE-RL (Ausfallhaftung) nicht konterkariert wird.
b) Im Innenverhältnis
Eine Haftungsprivilegierung lediglich bezogen auf das Außenverhältnis ist für den Kronzeugen jedoch nur beschränkt wirksam, wenn er befürchten muss, im Rahmen des Kartellregresses von seinen Mitkartellanten für Schäden der Vertragspartner der Mitkartellanten sowie Preisschirmgeschädigten in Anspruch genommen zu werden. Eine Privilegierung im Innenverhältnis ist erforderlich, damit die Privilegierung im Außenverhältnis nicht ausgehöhlt wird und der Anreiz an der Teilnahme von Kronzeugenprogrammen erhalten bleibt.105 Art. 11 V und VI SE-RL sehen daher eine Privilegierung des Kronzeugen auch im Innenverhältnis vor.
aa) Vertragspartner der Kartellanten
Im Ausgangspunkt bestimmt sich der Regress der Mitkartellanten gegen den Kronzeugen nach der allgemeinen Regel des Art. 11 V 1 SE-RL. Der Kronzeuge haftet also grundsätzlich entsprechend seines Verursachungsbeitrags.106 Dieser Betrag ist indes nach Art. 11 V 2 SE-RL auf die Höhe desjenigen Schadens beschränkt, den der Kronzeuge seinen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern und Lieferanten verursacht hat.
93 ErwG 26 SE-RL; das erste Hauptziel des Richtlinienvorschlags bestand in der Optimierung der Interaktion zwischen behördlicher und privater Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts, vgl. Europäische Kommission, Richtlinienvorschlag, S. 4.
94 118 Stat. 661; Steinle, EuZW, 481 (482).
95 ErwG 3 SE-RL.
96 ErwG 6 SE-RL; Dose, VuR 2017, 297 (298).
97 Vgl. ErwG 38 SE-RL; Vollrath, NZKart 2013, 434 (436); Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 9; zu den Privilegierungen der kleinen und mittleren Unternehmen vgl. Art. 11 II-III SE-RL.
98 Hösch, Innenausgleich, S. 376; Krüger, NZKart 2013, 483 (486).
99 Siehe Option 30: Europäische Kommission, Grünbuch, S. 11.
100 Dieser Vorschlag wurde zum ersten Mal im Weißbuch diskutiert, vgl. Europäische Kommission, Weißbuch, S. 12.
101 Nach Art. 2 Nr. 23 SE-RL sind unmittelbare Abnehmer und Lieferanten solche, die Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht waren, unmittelbar von einem Rechtsverletzer erworben haben; mit mittelbare Abnehmer/Lieferant ist nach Art. 2 Nr. 24 SE-RL jede natürliche/juristische Person gemeint, die Waren oder Dienstleistungen nicht unmittelbar von einem Rechtsverletzer, sondern von einem unmittelbaren Abnehmer oder einem nachfolgendem Abnehmer erworben hat, wobei die Waren oder Dienstleistungen entweder Gegenstand einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht waren, oder diese Waren oder Dienstleistungen enthalten oder aus diesen hervorgegangen sind.
102 Die Beweislast lag laut dem Weißbuch noch bei dem Kronzeugen, vgl. Europäische Kommission, Weißbuch, Nr. 2.9.
103 Preisschirmgeschädigte sind Kunden von Unternehmen, die eigentlich nicht am Kartell beteiligt sind, jedoch infolge der kartellbedingten Preiserhöhung ihre eigenen Preise anheben konnten, dazu: Legner, WRP 2014, 1163 (1166); EuGH, Rs. C-557/12 – Kone, ECLI:EU:C:2014:45; Franck, ECL 2015, 135 (135).
104 Krüger, NZKart 2013, 483 (484); in anderen Fällen wie beispielsweise der Verjährung str.; um einen Missbrauch zu vermeiden und die Privilegierung nicht zu konterkarieren, soll die Verjährung der Ansprüche gegenüber den Mitkartellanten im deutschen Recht nicht als Ausfallgrund ausreichen, vgl. Kersting/Preuß, WUW1211285, L1 (L9); Mackenrodt, in: Kersting/Podszun, Kap. 8 Rn. 51.
105 Entsprechend zu einer Privilegierung im deutschen Kartellrecht: Ruster, in: Stancke/Weidenbach/Lahme, Kap. L, Rn. 1253; Lettl, WM 2016, 1961 (1964).
106 Insoweit ist es den Mitgliedstaaten bzw. den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen, die Haftungsquote anhand geeigneter Kriterien (Marktanteil, Rolle im Kartell, Umsatz der Unternehmen mit kartellbefangenen Produkten u.a.) unter Berücksichtigung des Effektivitäts- und des Äquivalenzgrundsatzes zu bestimmen, vgl. ErwG 37 SE-RL; Schweitzer, NZKart 2014, 335 (344).
bb) Preisschirmgeschädigte
In Bezug auf Schadensersatzansprüche von Kartellgeschädigten, die weder unmittelbare/mittelbare Abnehmer noch Lieferanten der Kartellanten waren (Preisschirmgeschädigte107), richtet sich der vom Kronzeugen zu zahlende Ausgleichsbetrag gem. Art. 11 VI SE-RL nach seiner relativen Verantwortung für diesen Schaden. Während der Kronzeuge im Außenverhältnis privilegiert ist, weil er nur subsidiär für Preisschirmschäden haftet, ist im Innenverhältnis diesbezüglich keine Privilegierung vorgesehen.108 Die zum Teil in der Literatur vertretene Ansicht,109 es handele sich um eine weitere Privilegierung im Innenverhältnis, ist verfehlt. Art. 11 VI SE- RL ist als Ausnahme der Privilegierung in Art. 11 V II SE-RL zu verstehen.110
2. Bewertung
a) Maßstab
Eine Bewertung des Lösungsansatzes der Schadensersatzrichtlinie muss vor dem Hintergrund des europäischen Primärrechts erfolgen.111 Insbesondere der Effektivitätsgrundsatz gebietet, dass das Recht eines Geschädigten auf vollständigen Ersatz seines Schadens nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.112 Ziel einer Lösung des Spannungsverhältnisses sollte deshalb eine maximale Kronzeugenprivilegierung bei minimaler Beeinträchtigung der Rechte der Kartellgeschädigten sein.113 Dies bedeutet, dass die Haftungsprivilegierung des Kronzeugen nicht zulasten der Geschädigten, sondern zulasten der Mitkartellanten gehen muss, welche durch ihren Kartellrechtsverstoß weniger schutzwürdig sind.114 Im Folgenden soll geprüft werden, ob und wieweit der Richtliniengeber diesem Anspruch gerecht geworden ist.
b) Analyse
Einen großen Kritikpunkt stellt das Zustandekommen einer vertraglichen Beziehung als Differenzierungsgrund für die Haftung des Kronzeugen dar. Grundsätzlich wurde eine derartige Begrenzung eingeführt, damit der Kronzeuge die von ihm zu leistenden Schadensersatzzahlungen besser abschätzen kann und er sich nicht unter dem „Damoklesschwert unkalkulierbarer Drittansprüche“115 sieht. Dagegen ließe sich jedoch einwenden, dass der Kronzeuge allenfalls einen Überblick über seine direkten Vertragspartner hat, über seine indirekten Geschäftspartner, welchen er gegenüber nach der Regelung auch haften muss, jedoch in den meisten Fällen nicht.116
Ein Abstellen auf Vertragsbeziehungen ist zudem zivilrechtsdogmatisch höchst fragwürdig.117 Eine derartige Privilegierung stellt ein Novum in den Mitgliedstaaten dar118 und wird zu Recht als „Fremdkörper im Deliktsrecht“119 angesehen. Anknüpfungspunkt für eine deliktsrechtliche Haftung ist nicht der Vertragsabschluss mit einem bestimmten Kartellbeteiligten, sondern die zugrundeliegende Kartellvereinbarung.120 Bei welchem der Kartellanten der Abnehmer schließlich den kartellierten Preis entrichtet, ist letztlich Zufall und für die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit des Kartellanten ohne Bedeutung.121 Die Anknüpfung an vertragliche Beziehungen führt zu einer Benachteiligung derjenigen Geschädigten, die aufgrund der kartellrechtswidrigen Absprache gerade an einem für sie günstigen Vertragsschluss gehindert wurden. Wenn es dem Richtliniengeber wirklich auf den Schutz der Wahlfreiheit der Marktgegenseite ankäme, dann sollten im Außenverhältnis keine Differenzierungen vorgenommen werden.122 Dass die Regelung einen rein pragmatischen Ursprung hat, zeigt sich auch darin, dass der vertragliche Ansatz bereits durch das Einbeziehen indirekter Vertragspartner wieder zugunsten einer deliktsrechtsähnlichen Betrachtung aufgegeben wird.123
Zudem wird die erhöhte Belastung der Mitkartellanten teilweise als unbillig empfunden.124 Insbesondere bei einem hohen Verursachungsbeitrag des Kronzeugen (z.B. aufgrund des Marktanteils) könne die Haftungsregelung zu einer erheblichen Mehrbelastung der Mitkartellanten führen.125 Angesichts des oben entwickelten Bewertungsmaßstabs ist eine Privilegierung zulasten der Mitkartellanten allerdings gerade zu begrüßen, weshalb dieses Argument hier nicht durchschlägt.
Auch die nach Art. 11 V 2 SE-RL konzipierte Ausfallhaftung ist kritisch zu betrachten. Zu Recht wird diese zum Teil als „lebensfremd“ und „impraktikabel“ beschrieben.126 Nach
107 Zum Begriff s.o. Fn. 103.
108 Krüger, NZKart 2013, 483 (487); Gänswein, NZKart 2016, 50 (54); Legner, WRP 2014, 1163 (1166); Gussone/Schreiber, WuW 2013, 1040 (1054); Stauber/Schaber, NZKart 2014, 346 (351).
109 Rust, NZKart 2015, 502 (509); Müller-Graff, ZHR 2015, 691 (702 f.).
110 Eine Verortung der Regelung in einem Satz 3 des Art. 11 V SE-RL hätte womöglich mehr Klarheit gebracht, vgl. Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 181; Stauber/Schaber, NZKart 2014, 346 (351).
111 Es handelt sich um europäisches Sekundärrecht, vgl. Art. 288 III AEUV, welches unter dem Vorbehalt der Primärrechtmäßigkeit steht, vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 288, Rn. 8; im Falle eines Verstoßes gegen Primärrecht folgt jedoch nicht die Nichtigkeit der SE-RL ipso iure, sondern es bedarf eines nichtigerklärenden Aktes des EuGH, vgl. Art. 264 AEUV.
112 Vgl. Fn. 124.
113 So auch Wigand, BLJ 2018, 24 (27).
114 Eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Kartellanten rechtfertigt sich mit dem Ermittlungsnotstand der Kartellbehörden und der vom Kronzeugen geleisteten Aufklärungshilfe, Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 30 sowie Hetzel, Kronzeugenregelungen im Kartellrecht, S. 260 f.; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 245.
115 Vgl. Schröter/van der Hout, in: Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Rn. 261; Europäische Kommission, Weißbuch, S. 12; Glöckner, WRP 2007, 490 (500); nur wenn die Folgen für ein Unternehmen abschätzbar seien, wird es geneigt sein, freiwillig ein Kartell offen zu legen, BDEW, Stellungnahme zum Weißbuch, S. 8.
116 Krüger, Kartellregress, S. 314; Belgian Competition Authority, Stellungnahme zum Weißbuch, S. 3.
117 So auch Meeßen, Schadensersatz, S. 557; Dose, VuR 2017, 297 (301); Krüger, NZKart 2013, 483 (484).
118 Mit Ausnahme von Ungarn und Malta, vgl. Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332 (335); Meeßen, Schadensersatz, S. 554.
119 Steinle, EuZW 2014, 481 (482).
120 Meeßen, Schadensersatz, S. 554; Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 127; Krüger, Kartellregress, S. 315; Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 251; dies erkennt auch der BGH, vgl. BGH, NJW 2012, 928, Tz. 80 – ORWI.
121 Meeßen, Schadensersatz, S. 554.
122 Vgl. der Fall Flüssiggas, BKartA v. 14.12.2007, B-11/20/05; Meeßen, Schadensersatz, S. 555; a.A.: Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 127 f.; 246.
123 Kersting, Weißbuch-Stellungnahme, S. 2; ders., ZWeR 2008, 252 (265).
124 Krüger, Kartellregress, S. 314; Association of European Competition Law Judges, Stellungnahme zum Weißbuch, Rn.18.
125 Krüger, Kartellregress, S. 314.
126 Belgian Competition Authority, Stellungnahme zum Weißbuch, S. 3: sie schaffe mehr Verwirrung als Klarheit.
der Gesetzesbegründung muss zumindest die Zwangsvollstreckung gegen jeden solventen Mitkartellanten angestrebt werden. Dies erhöht das Kostenrisiko der Kartellgeschädigten und geht zudem mit einer erheblichen Belastung der Gerichte einher.127
Die Privilegierung des Kronzeugen im Außenverhältnis verstößt jedoch nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz.128 Die subsidiäre Haftung des Kronzeugen führt zwar zu einer Erschwerung der Durchsetzung privater Schadensersatzklagen.129 Andererseits droht im Falle, dass der Geschädigte nach ein paar „halbherzigen“ Versuchen zur Zwangsvollstreckung gegen den Kronzeugen vorgehen könne, eine Verwässerung der Privilegierung des Kronzeugen.130 Im entsprechenden Vorschlag im Grünbuch und Weißbuch war eine Ausfallhaftung des Kronzeugen noch nicht vorgesehen.131 Ein kategorischer Ausschluss von bestimmten Personengruppen hätte ohne Zweifel einen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz dargestellt.132 Aufgrund erheblicher Kritik,133 insbesondere im Hinblick auf eine fehlende Vereinbarkeit der Regelung mit der jedermann-Rechtsprechung des EuGH,134 hat man sodann eine Ausfallhaftung vorgesehen. Dem Geschädigten werden nun seine Schuldner nicht in jedem Fall entzogen, sondern nur, wenn gegen andere Kartellanten nicht vorgegangen werden kann. Eine übermäßige Erschwerung der Durchsetzung des privaten Schadensersatzanspruchs ist somit zu verneinen.135
c) Zwischenergebnis
Trotz Primärrechtskonformität sind Art. 11 IV und V SE-RL rechtspolitisch und rechtsdogmatisch zu kritisieren. Sie stehen nicht im Einklang mit einer Lösung des Spannungsverhältnisses, das auf die Rechte des privaten Schadensersatzklägers und der Kronzeugen gleichermaßen Rücksicht nimmt. Der Richtliniengeber hätte mehr Courage136 zeigen müssen, um eine wirksame zivilrechtliche Kartellrechtsdurchsetzung zu erreichen.137 Möglicherweise hätten die geschilderten Probleme vermieden werden können, wenn der Richtliniengeber auf eine Privilegierung des Kronzeugen im Außenverhältnis verzichtet und den Kronzeugen stattdessen nur im Innenverhältnis privilegiert hätte.138
Doch ob eine derartige Lösung das Spannungsverhältnis tatsächlich zu lösen vermag und private und public enforcement besser in Einklang bringt, soll im Folgenden in Auseinandersetzung mit den alternativen Lösungsvorschlägen aus der Literatur untersucht werden.
II. Lösungsvorschläge de lege ferenda
Bei der Darstellung der verschiedenen Lösungsansätze wird zwischen Lösungen, die ein einheitliches Durchsetzungssystem schaffen wollen (Integrationslösung) und solchen, die die Eigenständigkeit von private und public enforcement gewährleisten (Trennungslösungen), unterschieden. Vorschläge, die lediglich auf eine Änderung der Offenlegung von Kronzeugenerklärungen abzielen sowie die Einführung eines Strafschadensersatzes fordern, bleiben im Folgenden unberücksichtigt.139
1. Integrationslösung
Einige Autoren140 plädieren für die Schaffung eines einheitlichen Durchsetzungssystems. Die private Kartellrechtsdurchsetzung soll so in die behördliche integriert werden, dass die Wettbewerbsbehörde nach der Feststellung eines Kartellverstoßes nicht nur das Bußgeld, sondern darüber hinaus einen angemessenen Betrag zur Kompensation des Schadens zugunsten der Kartellgeschädigten festsetzt. In der Bußgeldsumme soll also der Ausgleich der Geschädigten abgedeckt werden.141
2. Trennungslösungen
Die Mehrheit in der Literatur plädiert demgegenüber für eine grundsätzliche Eigenständigkeit von behördlicher und privater Kartellrechtsdurchsetzung. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Privilegierung des Kronzeugen unterscheiden sich die Ansichten jedoch.
a) Keinerlei Haftungsprivilegien
Einige Vertreter in der Literatur lehnen eine Privilegierung des Kronzeugen sowohl im Außen- als auch Innenverhältnis
127 Schaber/Stauber, NZKart 2017, 279 (284); Krüger, WuW 2017, 229 (231); Dieses Vorgehen würde sich über Jahre hinziehen, beachtet man die z.T. hohe Anzahl von Mitkartellanten, Krüger, NZKart 2013, 483 (487); auch in Bezug auf Deutschland: BT-Drucks. 18/10207, S. 60.
128 Fiedler, BB 2013, 2179 (2185); Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 128; Roth, ZHR 179, 668 (686); a.A.: Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7 (10); Keßler, VuR 2015, 83 (90); Kersting, WuW 2014, 564 (567); Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829 (841); Alexander, Schadensersatz S. 727; Bien, EuZW 2011, 889 (890).
129 Monopolkommission, 21. Gutachten 2016, Rn. 112.
130 Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7 (11).
131 Europäische Kommission, Grünbuch, S. 11; dies., Weißbuch, S. 12.
132 Schwietert, Der effet utile, S. 180; Roth, ZHR 179, 668 (686 f.).
133 Europäisches Parlament, Entschließung zum Weißbuch, Ziff. 21; K. Schmidt, FS Roth, S. 521 (527); Kersting/Preuß, WUW1211285, L1 (L7); Schreiber, in: Bellis, Concurrence, S. 43, 62.
134 S.o. Rn. 32.
135 Fiedler, BB 2013, 2179 (2185); Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 128; Roth, ZHR 179, 668 (686); a.A.: Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7 (10); Keßler, VuR 2015, 83 (90); Kersting, WuW 2014, 564 (567); Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829 (841); Alexander, Schadensersatz S. 727; Bien, EuZW 2011, 889 (890).
136 S.o. Fn. 26.
137 Vgl. Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7 (13).
138 Krüger, Kartellregress, S. 306; Kersting, VersR 2017, 581 (590); Alexander, Schadensersatz, S. 422; Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829 (841); Fiedler, BB 2013, 2179 (2185); Koch, JZ 2013, 390 (393 f.); Meeßen, Schadensersatz, S. 560; Krüger, WuW 2012, 6 (13); Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7 (11).
139 An dieser Stelle sei auf folgende Darstellungen verwiesen: Schwalbe/Höft, in: FS Möschel, S. 597 (635); die Schadensersatzzahlung des Kronzeugen wäre nach dieser Lösung auf einen einfachen Schadensersatz beschränkt, während bei anderen Schädigern zusätzlich zum zivilrechtlichen Schadensersatz ein sanktionierender Strafschadensersatz hinzukäme (sog. detrebling); in der SE-RL wurde die Einführung von Mehrfachschadensersatz explizit abgelehnt, vgl. ErwG 13 SE-RL; während im Grünbuch noch ein Vorschlag einen doppelten Schadensersatz vorsah, siehe EU-Kommission, Grünbuch Option 16, S. 8; Pheasant, ECLR 2006, 365 (370).
140 Canenbley/Steinvorth, 50 Jahre FIW, S. 143 (156 ff.); Bach, in: FS Canenbley, S. 15 (15 ff.); Lever, Opinion BDI, S. 13; Kapp, in: FS Möschel, 319; Kloub, ECL 2009, 515 (544 f.).
141 Canenbley/Steinvorth, 50 Jahre FIW, 143 (157); Bach, in: FS Canenbley, S. 15 (15).
vollständig ab.142 Begründet wird dies damit, dass das Interesse des Kartellgeschädigten auf Schadenskompensation nicht generell hinter dem Interesse der effektiven Kartellrechtsdurchsetzung zurückstehen müsse.143 Die Möglichkeit der Umgehung der hohen Bußgelder im Verwaltungsverfahren biete ausreichend Anreiz für einen Kronzeugenantrag, eine weitere Privilegierung sei nicht nötig.144 Andere gehen gar so weit und bezeichnen eine zivilrechtliche Privilegierung als Vertrag zulasten Dritter zwischen Behörde und Schädiger.145
b) Haftungsprivilegien im Außenverhältnis
Einige Autoren begrüßen eine Haftungsprivilegierung des Kronzeugen im Außenverhältnis. Die einzelnen Vorschläge unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Privilegierung.
aa) Vollständige Entlassung des Kronzeugen aus der gesamtschuldnerischen Haftung
Dieser Lösungsvorschlag sieht eine vollständige Entlassung aus der gesamtschuldnerischen Haftung vor. Der Verzicht auf jegliche Haftung wird damit begründet, dass der Kartellgeschädigte nichts „verlieren“ könne, weil der Kartellverstoß erst durch den Kronzeugen aufgedeckt worden sei.146
bb) Bedingte Verminderung des Schadensersatzes, der gegen den Kronzeugen geltend gemacht werden kann
Ein weiterer Vorschlag sieht eine bedingte Verminderung des Schadensersatzes, der gegen den Kronzeugen geltend gemacht werden kann, vor (beispielsweise eine Reduktion in Höhe von 50% auf jede gegen ihn gerichtete Klage), während die Forderungen gegen die Mitkartellanten und deren gesamtschuldnerische Haftung unverändert bleiben.147 Auch als sog. positive reward-Ansatz148 bezeichnet, sieht diese Lösung vor, dass der Kronzeuge einen Rabatt als Gegenleistung für seine Hilfe bekommt, die den Kartellgeschädigten den Ersatz ihres Schadens ermöglicht. Nachdem der Geschädigte den Kronzeugen in Anspruch genommen hat, solle er den Restbetrag am Gesamtschadensersatz bei den Mitkartellanten einklagen können.149 Die Haftung der Mitkartellanten erhöhe sich dann um den vom Kronzeugen noch zu leistenden Anteil.150
cc) Begrenzung der Außenhaftung dem Marktanteil entsprechend
Eine weitere Lösungsmöglichkeit stellt die Begrenzung der Außenhaftung nach dem Marktanteil des Kronzeugen dar.151 Haftungsrechtlich führt dies nicht – wie vielfach angenommen – zum gleichen Ergebnis wie eine Haftung gegenüber den Vertragspartnern. Während der Kronzeuge hierbei anteilig in Bezug auf die kartellbefangenen Waren und Dienstleistungen haftet, bezieht sich eine Haftung gegenüber den Vertragspartnern nach herrschender Meinung auf den Gesamtschaden von den Vertragspartnern.152 Insoweit ist durch eine Anknüpfung an den Marktanteil sogar eine weitergehende Privilegierung des Kronzeugen möglich.153
c) Haftungsprivilegien im Innenverhältnis
Nach einem Vorschlag aus der deutschen Literatur soll die Privilegierung des Kronzeugen im Rahmen der Bußgeldbemessung auf die zivilrechtliche Haftung im Innenverhältnis durchschlagen.154 Dies soll unabhängig davon gelten, ob das Bußgeld dem Kronzeugen nur teilweise oder vollständig erlassen worden ist. Anders als bei Haftungsprivilegierungen im Außenverhältnis geht eine Privilegierung im Innenverhältnis jedoch nicht zulasten der Kartellgeschädigten, sondern zulasten der Mitschädiger. Kersting155 regt eine Beschränkung der Haftung auf die Höhe der relativen Verantwortung an, während Schroll156 den Haftungsanteil entsprechend der Bußgeldreduzierung berechnen will.
III. Würdigung und eigener Lösungsvorschlag
Die Integrationslösung hat den Vorteil, dass ein „Sanktions-Overkill“157 vermieden werden kann, indem die Kartellbehörde sowohl den Ahndungs- als auch den Schadenskompensationsteil festsetzt. Zudem könnten durch die zentralisierte Feststellung des Schadens Synergien genutzt und somit Kosten gespart werden.158
An diesem Lösungsvorschlag ist jedoch zu kritisieren, dass die Ermittlung der Schadenshöhe der Kartellbehörde obliegt.159 Schließlich können Kartellbehörden zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße die Anzahl der Geschädigten und das Ausmaß ihres Schadens häufig
142 Dreher, FS Möschel, S. 149 (167); Association of European Competition Law Judges, Stellungnahme zum Weißbuch, Rn. 18; BDI, Stellungnahme zum Weißbuch, S. 20.
143 Dreher, FS Möschel, 149 (165).
144 Studienvereinigung Uni Freiburg, Stellungnahme Weißbuch, S. 12; Association Française d’Étude de la Concurrence, Stellungnahme zum Weißbuch, S. 13.
145 Max Planck Institute for Intellectual Property, Competition and Tax Law, Stellungnahme zum Weißbuch, S. 18.
146 Riley, ECLR 2010, 191 (196); Baker & McKenzie, Stellungnahme zum Weißbuch, Rn. 8.1.
147 Grünbuch-Option 29, vgl. Europäische Kommission, Grünbuch, S. 11 (Frage J); CEPS/u.a., Impact Study, S. 493; Kersting schlägt eine Reduktion des Schadensersatzes entsprechend der Reduktion des Bußgelds vor, dies hätte den Vorteil, dass nicht nur der erste kooperierende Kronzeuge bevorteilt werden würde, vgl. Kersting, Weißbuch-Stellungnahme, S. 3 ff.
148 Krüger, Kartellregress, S. 301; Europäische Kommission, Arbeitspapier Grünbuch, Rn. 235; CEPS/u.a., Impact Study, S. 493.
149 Vgl. Europäische Kommission, Arbeitspapier Weißbuch, Rn. 278; Krüger, Kartellregress, S. 302.
150 Krüger, Kartellregress, S. 302; CEPS/u.a., Impact Study, S. 506.
151 Option 30 im Grünbuch, vgl. Europäische Kommission, Grünbuch, S. 11 (Fragse J); EU-Kommission, Arbeitspapier Weißbuch, Rn. 283; Bundesrat, Drucks. 248/08, Rn. 22; Studienvereinigung Uni Freiburg, Stellungnahme Weißbuch, S. 12; Max Planck Institute for Intellectual Property, Competition and Tax Law, Stellungnahme zum Grünbuch, S. 24.
152 Krüger, NZKart 2013, 483 (486); ders., Kartellregress, S. 320; ders., WuW 2017, 229 (231); Kersting, VersR 2017, 581 (590); Ruster, in Stancke/Weidenbach/Lahme, Kartellrechtliche Schadensersatzklagen, Kap. L Rn. 1255.
153 Vgl. Katt, Die gesamtschuldnerische Haftung, S. 129.
154 Kersting, ZWeR 2008, 252, 266 f.; ders., JZ 2012, 42 (45); ders., Stellungnahme zum Weißbuch der Kommission, S. 2.; Schroll, Einfluss interner und externer Faktoren, S. 170 f.; Meeßen, Schadensersatz, S. 558 ff.; OFT, Diskussionspapier, Rn. 7.18.
155 Kersting, ZWeR 2008, 252, 266 f.; ders., JZ 2012, 42 (45); ders., Stellungnahme zum Weißbuch, S. 2.
156 Schroll, Einfluss interner und externer Faktoren, S. 170 f.
157 S.o. Fn. 46.
158 Vgl. Canenbley/Steinvorth, 50 Jahre FIW, S. 143 (159); Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 258.
159 Dagegen ließe sich jedoch einwenden, dass Gerichte ebenfalls Probleme bei der Schadensberechnung haben, vgl. Bach, FS Canenbley, S. 15 (17).
noch nicht abschätzen.160 Eine auf Schätzungen beruhende Schadensberechnung ist jedoch nicht mit dem Interesse der Geschädigten an einer vollständigen Liquidation ihres Schadens vereinbar.161 Nach der Integrationslösung haften die Kartellanten zudem nur für ihren Anteil am Schaden, weshalb der Kartellgeschädigte gegen jeden einzelnen Kartellanten vorgehen muss.162 Dies ist nicht nur mit einer effektiven Kartellrechtsdurchsetzung unvereinbar, sondern geht mit einem erhöhten Prozess- und Kostenrisiko der Geschädigten einher. Aufgrund der vielen Unstimmigkeiten, insbesondere die erhebliche Belastung der Kartellgeschädigten, ist diese Lösung abzulehnen.
Aus rechtspolitischer Sicht ist der Ansatz, der keinerlei Privilegierungen des Kronzeugen vorsieht, durchaus beachtenswert. Insbesondere ist fraglich, ob ein vollständiger Verzicht auf Sanktionen im Falle einer Kooperation wirklich gewollt sein sollte. Häufig hängt die Kronzeugenstellung lediglich vom Zufall ab, wie beispielsweise in Bezug auf den zeitlichen Eingang des Kronzeugenantrags.163 Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass das Risiko des Kronzeugen, Opfer von unkalkulierbaren Schadensersatzklagen zu werden, im Vergleich zu den Mitschädigern erhöht ist und deshalb eine zivilrechtliche Privilegierung erforderlich ist.164 Die Vertreter dieses Ansatzes gehen von der Prämisse aus, der Abschreckungseffekt werde überschätzt, was jedoch empirisch widerlegt werden kann.165 Deshalb ist diesem Lösungsansatz nicht zu folgen.
Ebenso ist die gegenteilige Extremposition abzulehnen, die eine vollständige Ausnahme des Kronzeugen von jeglicher Haftung vorsieht. Eine komplette Haftungsbefreiung führt zu einer nicht hinnehmbaren Ausgliederung des Kronzeugen aus dem gesamtschuldnerischen Haftungssystem zulasten der Kartellgeschädigten. Es wird von den Geschädigten ein „Sonderopfer“166 verlangt, welches sonst bei anderen unerlaubten Handlungen nicht gefordert wird.167
Die Lösung, die eine bedingte Verminderung des Schadensersatzes im Außenverhältnis vorsieht, könnte ebenfalls positive Auswirkungen auf die effektive Kartellrechtsdurchsetzung haben. Ein nach diesem Ansatz gewährter Rabatt würde die Kluft zwischen der Situation des Kronzeugen und der Situation der nicht kooperierenden Unternehmen vergrößern und somit die Attraktivität der Kronzeugenprogramme sogar noch stärken können.168 Allerdings ist negativ anzumerken, dass dieser Vorschlag das Spannungsverhältnis grundsätzlich zulasten der Geschädigten löst. Die Kartellgeschädigtem haben einen erhöhten Aufwand bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche, ein eingeschränktes Wahlrecht bezüglich der Auswahl ihres Schuldners und tragen zudem das Ausfallrisiko der Mitkartellanten.169 Dies ist mit dem primärrechtlichen Grundsatz auf vollständige Kompensation nicht vereinbar.170 Zudem leuchtet nicht ein, warum der Kronzeuge 50% des Kartellgewinns einspart, wenn der Kartellgeschädigte den kartellierten Preis unmittelbar an diesen gezahlt hat.171 Würde man deshalb eine Variable einführen, die das Ausmaß der Kooperation im Einzelfall berücksichtigt, würde dies die Rechtssicherheit allerdings erheblich beeinträchtigen.172 Ein derartiger Lösungsansatz wird aufgrund der aufgezeigten Ungerechtigkeiten von vielen Seiten173 zu Recht kritisiert und ist deshalb ebenfalls abzulehnen.
Der Lösungsvorschlag, der eine Anknüpfung an den Marktanteil vorsieht, würde dafür sorgen, dass der Kronzeuge nicht mehr das prime target von Schadensersatzklagen wäre. Geschädigte würden sich, um sich nicht mit dem internen Haftungsanteil des Kronzeugen beschäftigen zu müssen, eventuell zuerst an die Mitkartellanten wenden.174 Der Marktanteil ist auch ein Indikator für die Höhe des unmittelbar durch den Kronzeugen verursachten Schadens, dementsprechend erscheint eine derartige Begrenzung auch gerechtfertigt. Jedoch spiegelt der Marktanteil des Kronzeugen dessen „Verdienst“ um die Aufdeckung des Kartells in keinster Weise wider.175 Diese Lösung wirkt sich zudem in erheblichem Maße zulasten der Geschädigten aus, sodass auch hier fraglich ist, ob der Vorschlag mit dem Primärrecht in Einklang steht.176 De facto könnte der Geschädigte den Kronzeugen kaum verklagen, denn er würde mit der Substantiierung des Haftungsanteils des Kronzeugen belastet oder im Falle, dass der Kronzeuge hierfür die Beweislast trägt, mit einem großen Prozessrisiko und -kosten belastet werden.177 Während bei der Lösung der bedingten Verminderung des Schadensersatzes die Kosten auf die Mitkartellanten abgewälzt werden, werden diese hier dem Geschädigten aufgebürdet.178 Diese Lösung ist aufgrund der aufgezeigten Impraktibilität und der Haftungsprivilegierung, die erheblich zulasten der Kartellgeschädigten geht, ebenfalls abzulehnen.
Es wird deutlich, dass alle Lösungen, die eine Haftungsprivilegierung des Kronzeugen im Außenverhältnis vorsehen,
160 Canenbley/Steinvorth, 50 Jahre FIW, S.143, (159 f.).
161 Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 258.
162 Ebd.
163 Hösch, Innenausgleich, S. 418.
164 Siehe C.II.1.
165 Dreher, in: FS Möschel, 149, 166; Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 255; siehe C.II.1.
166 Glöckner, WRP 2007, 490 (499).
167 So ähnlich auch Makatsch/Bäuerle, WuW 2016, 341 (345); Europäisches Parlament, Entschließung Weißbuch, Rn. 21; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme Weißbuch, Rn. 4.7.1.
168 Vgl. so ähnlich Europäische Kommission, Arbeitspapier Weißbuch, Rn. 276.
169 Europäische Kommission, Arbeitspapier Weißbuch, Rn. 275, 278; CEPS/u.a., Impact Study, S. 501.
170 So auch Krüger, Kartellregress, S. 306; OFT 844, Rn. 3.14; Europäische Kommission, Arbeitspapier Weißbuch, Rn. 278; Böge, in: Basedow, Private Enforcement, 217 (223).
171 Meeßen, Schadensersatz, S. 557; CEPS/u.a., Impact Study, S. 509; a.A.: Krüger, Kartellregress, S. 305, insbesondere aus deutscher Sicht sehe das BGB eine Regelung der beschränkten Gesamtschuld in der Weise, dass sich das Haftungsprivileg zulasten der Mitschuldner auswirkt z.B. in §§ 1359, 1664 I BGB vor, vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 426 Rn. 22; BGH, NJW 1988, 2667 (2669).
172 CEPS/u.a., Impact Study, S. 505; laut Krüger soll die Höhe des zivilrechtlichen Rabatts gesetzlich ex ante in möglichst bestimmbarer Weise definiert sein, Krüger, Kartellregress, S. 307.
173 Europäische Kommission, Arbeitspapier Weißbuch, Rn. 277; insbesondere lege die Regelung den Mitkartellanten ein besonderes „Vermögensopfer“ auf, welches als unbillig empfunden wird, vgl. im deutschen Recht: Wendehorst, Jura 2004, 505 (512).
174 Krüger, Kartellregress, S. 309; CEPS/u.a., Impact Study, S. 520 f.; Drexl/et al., IEC 2006, 700 (723).
175 Kersting, Weißbuch-Stellungnahme, S. 2.
176 Europäische Kommission, Arbeitspapier Weißbuch, Rn. 283; AFT 844, Rn. 3.15.
177 Krüger, Kartellregress, S. 311; Thiede, China-EU Law Journal, 2017, 233 (250).
178 Krüger, Kartellregress, S. 311 f.
letztendlich die Geschädigten benachteiligen: sei es in der Form der Entziehung eines Schuldners, der Begrenzung der Wahlfreiheit bezüglich des Schuldners, das Aufbürden eines Prozessmarathons oder die Kürzung eines Schadensersatzanspruchs.179 Grundsätzlich beschränken diese Lösungen allesamt das jedermann-Recht auf Ersatz des durch einen Wettbewerbsverstoß entstandenen Schadens.180
In Bezug auf den anfangs formulierten Bewertungsmaßstab, der eine Lösung im Einklang mit dem Primärrecht vorsieht, ist eine Lösung, die eine Haftungsprivilegierung des Kronzeugen allein im Innenverhältnis vorsieht, somit vorzugswürdig. Bei einer reinen Privilegierung im Innenverhältnis würde im Sinne der primärrechtlichen Vorgaben nicht in die Rechtssphäre der Kartellgeschädigten eingegriffen werden. Schließlich würde eine derartige Privilegierung nicht zulasten des Geschädigten gehen, dieser könnte den gesamten Schaden auch vom Kronzeugen ersetzt bekommen.181 Eine Haftungsprivilegierung im Innenverhältnis würde lediglich zulasten der Mitkartellanten gehen.182 Doch könnte eine Haftungsprivilegierung allein im Innenverhältnis das Spannungsverhältnis wirklich auflösen? Eine alleinige Privilegierung im Innenverhältnis könnte die Attraktivität des Kronzeugenprogramms beeinträchtigen. Im Wissen, dass der Kronzeuge das Insolvenzrisiko der Mitkartellanten trägt, könnte ein Kartellant vor einer Kooperation mit der Kartellbehörde abgeschreckt werden.183 Eine Lösung, die eine reine Privilegierung des Kronzeugen im Innenverhältnis vorsieht, wäre zwar im Hinblick auf die primärrechtlichen Vorgaben vorzugswürdig, kann jedoch den Zielkonflikt nicht auflösen.
Die Kartellschadensersatzrichtlinie vermag das Spannungsverhältnis nicht zu lösen. Auch die in der Literatur diskutierten Lösungsansätze können den Zielkonflikt nur begrenzt auflösen. Bislang mangelt es an einer Lösung, die das Interesse an der Privilegierung des Kronzeugen und das Interesse an einer vollständigen Schadenskompensation der Kartellgeschädigten in Ausgleich bringt. Deshalb wird nun eine eigene Lösung entwickelt.
Grundsätzlich drängt sich bei der Analyse der Lösungsansätze die Frage auf, warum sich die beiden Durchsetzungssysteme nicht so kombinieren lassen, dass das anfangs beschriebene stimmige Verhältnis zwischen private und public enforcement wiederhergestellt wird. Eine vollständige Integration des privaten Modells in die behördliche Kartellrechtsdurchsetzung ist zwar aufgrund der oben aufgeworfenen Probleme abzulehnen. Jedoch ergibt sich eine weitere Möglichkeit, die nicht nur den Zielkonflikt lösen, sondern dafür sorgen könnte, dass sich die beiden Modelle wieder fördern und ergänzen: die Schaffung eines Modells, das eine reine Innenprivilegierung des Kronzeugen vorsieht – allerdings mit einer Modifikation der Insolvenzrisikotragung – und zudem ein Anreizsystem für außergerichtliche Einigungen zwischen Kronzeuge und Kartellgeschädigtem schafft.
Nach diesem Modell soll der Kronzeuge im Außenverhältnis gegenüber den Kartellgeschädigten gesamtschuldnerisch haften. Somit wird dafür Sorge getragen, dass diese Lösung sich nicht nachteilig für den Geschädigten auswirkt und somit mit den primärrechtlichen Vorgaben im Einklang steht. Zusätzlich soll die außergerichtliche Streitbeilegung zwischen Kronzeugen und Geschädigten gefördert werden, indem die Kartellbehörde im Falle eines Vergleichs einen Teil des auferlegten Bußgeldes reduziert. Nach Art. 18 III SE-RL kann die Kartellbehörde bei der Festsetzung des Bußgelds eine Schadensersatzzahlung, die infolge eines Vergleichs gezahlt wurde, als mildernden Umstand berücksichtigen. Eine derartige Lösung, die auf die Förderung von Vergleichen abzielt, hätte nicht nur im Hinblick auf Prozessrisiken und -kosten positive Auswirkungen für die Kartellgeschädigten, sondern auf die gesamte Kartellrechtsdurchsetzung, indem Kosten eingespart, Verfahren beschleunigt und die Gerichte entlastet werden könnten. Auch die Problematik um den Zugang zu Beweismitteln könnte durch eine Lösung basierend auf Vergleichsanreizen gelöst werden.
Im Innenverhältnis soll die Haftung des Kronzeugen auf den von ihm verursachten Schaden beschränkt werden. Damit er jedoch nicht mit dem Insolvenzrisiko der Mitkartellanten belastet wird, sollen bei Zahlungsunfähigkeit eines Mitkartellanten die restlichen Kartellanten für den Anteil des Ausfallenden an der Summe aufkommen. Die Regressforderung des Kronzeugen erhöht sich somit bei jedem einzelnen Mitkartellanten anteilig um den Regressbetrag des ausgefallenden Mitkartellanten. Eine entsprechende Änderung des Art. 11 V SE-RL könnte somit lauten:
„Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass ein Rechtsverletzer von anderen Rechtsverletzern einen Ausgleichsbetrag verlangen kann, dessen Höhe anhand ihrer relativen Verantwortung für den durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden bestimmt wird. Im Falle, dass ein Rechtsverletzer, dem im Rahmen eines Kronzeugenprogramms der Erlass der Geldbuße zuerkannt wurde, von einem Unternehmen, das an derselben Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beteiligt war, keinen vollständigen Ausgleich erlangen kann, erhöht sich seine Forderung bei jedem anderen Unternehmen anteilig um den Ausgleichsbetrag des ausfallenden Unternehmens.“
Für den seltenen Fall, dass alle Mitkartellanten zahlungsunfähig werden beziehungsweise, dass nur ein Mitkartellant existiert, der sodann zahlungsunfähig wird, müsste jedoch der Kronzeuge aufkommen. Dadurch, dass dieser Fall jedoch sehr unwahrscheinlich ist, würde sich dies angesichts der dem Kronzeugen im behördlichen Verfahren gewährten Privilegierungen nicht negativ auf die Attraktivität der Kronzeugenprogramme auswirken. Diese Lösung hätte den Vorteil, dass der Vorschlag beinahe vollständig zulasten der Mitschädiger geht und somit eine Lösung im Sinne des oben entwickelten Maßstabs gefunden wurde. Zudem würde ein derartiges Modell sogar anreizfördernd wirken, indem die Mitkartellanten zusätzlich benachteiligt werden.
179 So ähnlich auch Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 250.
180 Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 250.
181 CEPS/u.a., Impact Study, S. 504; Hösch, Innenausgleich, S. 416.
182 Meeßen, Schadensersatz, S. 561; Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332 (335).
183 CEPS/u.a., Impact Study, S. 504 f.; Krüger, Kartellregress, S. 306; Cauffman, Competition Law Review 2011, 181 (215); a.A.: Milde, Schutz des Kronzeugen, S. 288 f.; Meeßen, Schadensersatz, S. 562.
E. Fazit
Die Kartellrechtsdurchsetzung in Europa basiert auf einem dichotomen System: der behördlichen und privaten Kartellrechtsdurchsetzung. Sobald ein Kartellant mit einer Kartellbehörde kooperiert und einen Kronzeugenantrag stellt, wandelt sich das zuvor stimmige Verhältnis zwischen behördlicher und privater Kartellrechtsdurchsetzung mit positiven Wechselwirkungen zu einem Spannungsverhältnis. Die Kartellschadensersatzrichtlinie vermag dieses Spannungsverhältnis jedoch nicht aufzulösen. Auch die in der Literatur diskutierten Vorschläge bringen das Interesse an der Privilegierung des Kronzeugen einerseits und das Interesse an einer vollständigen Schadenskompensation der Kartellgeschädigten andererseits nicht in Einklang. Ein weiterer Lösungsansatz wird in dieser Arbeit vorgeschlagen. In der Kartellschadensersatzrichtlinie ist eine Überprüfungsklausel (Art. 20 SE-RL) aufgenommen worden, wonach die Umsetzung und Wirksamkeit der Richtlinie Ende 2020 noch einmal diskutiert wird. Möglicherweise ergibt sich die Möglichkeit, die in dieser Arbeit aufgeworfene Kritik zu adressieren und die hier vorgestellte Lösung in die anstehende Reformdiskussion einzubringen. Somit könnte im Sinne des Allgemeinwohls für ein wirkungsvolles kohärentes Durchsetzungssystem des europäischen Kartellrechts gesorgt werden.