Katharina Bierbrauer*
A. Einführung
Arbeitgeber haben im Zuge einer Betriebsänderung mit dem Betriebsrat einen Sozialplan gemäß §§ 112, 112a BetrVG zu vereinbaren. Sozialpläne sollen für Arbeitnehmer die Folgen von Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG finanziell abfedern.1
Oft enthalten Sozialpläne Abfindungsregelungen, deren Höhe sich anhand festgelegter Kriterien wie etwa Betriebszugehörigkeit, Arbeitsentgelt und Lebensalter bemisst. Um die Abfindungen „gerecht“ zwischen alten und jungen Arbeitnehmern zu verteilen, enthalten Sozialpläne teilweise starre Höchstbegrenzungsklauseln. Sie begrenzen Abfindungen auf eine feststehende Höchstsumme.2
Durch die Orientierung der Höchstbegrenzung an der Betriebszugehörigkeit sind vor allem ältere Arbeitnehmer von der Begrenzung betroffen. Das folgt bereits daraus, dass das Arbeitsleben älterer Arbeitnehmer typischerweise länger andauert als bei jüngeren Arbeitnehmern und sie dadurch regelmäßig mehr Betriebsjahre vorweisen können.3
Jüngere Arbeitnehmer haben nach einem Verlust des Arbeitsplatzes durch die Betriebsänderung bessere Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als ältere Arbeitnehmer4 und können diesen Verlust typischerweise bald mit dem Einkommen eines neuen Arbeitsplatzes ausgleichen. Rentennahe Arbeitnehmer sind ebenso durch den baldigen Erhalt ihrer Rente wirtschaftlich abgesichert. Übrig bleiben die rentenfernen Arbeitnehmer, also die „jüngeren Älteren“, die meist keinen neuen Arbeitsplatz finden und die noch viele Jahre bis zum Bezug ihrer Rente finanziell überbrücken müssen.5
Da typischerweise auch sie von der Kappung der Abfindung betroffen sind, kann die Abfindung sie regelmäßig finanziell nicht bis zum Rentenbezug absichern.6 Vor dem Hintergrund der Altersdiskriminierung ist die starre Höchstbegrenzungsklausel deshalb problematisch.
Die ständige Rechtsprechung des BAG sieht in Höchstbegrenzungsklauseln schon keine Benachteiligung wegen des Alters.7 Deshalb hat das BAG bisher noch nie geprüft, ob eine Benachteiligung wegen des Alters durch AGG-Vorschriften gerechtfertigt sein könnte. Auch in der Literatur wird die Zulässigkeit starrer Höchstbegrenzungsklauseln häufig hingenommen und nicht weiter hinterfragt.
B. Starre Höchstbegrenzungsklauseln
I. Funktion und Abgrenzung zu unterschiedlich ausgestalteten Höchstbegrenzungsklauseln
Bei der Ausgestaltung des Sozialplans haben die Betriebsparteien einen erheblichen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum, inwieweit sie die Nachteile einer Betriebsänderung ausgleichen oder mildern wollen.8 Dieser Spielraum schließt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG typisierende Gestaltungen ein.9 Häufig vereinbaren die Betriebspartner daher Höchstbegrenzungsklauseln. Sie begrenzen die anhand von Betriebszugehörigkeit10, Alter und Monatseinkommen zu berechnenden Abfindungen wegen des Arbeitsplatzverlustes auf eine feststehende Maximalsumme.11
Als starre Höchstbegrenzungsklauseln werden hier solche Klauseln bezeichnet, die die Abfindung der vom Sozialplan betroffenen Arbeitnehmer kappen. Die maximal zu erreichende Abfindung steht somit fest und es besteht kein Spielraum für Anpassungen. Die Kappungen gelten dabei unterschiedslos für alle Arbeitnehmer.12 Dabei kann beispielsweise die Anzahl der in der Berechnung einzubeziehenden Monatsentgelte begrenzt13 oder eine absolute Höchstsumme festgesetzt werden.14 Zweck von starren Höchstbegrenzungsklauseln ist es, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Sie sollen verhindern, dass sehr hohe Abfindungen einiger weniger Arbeitnehmer mit langen Betriebszugehörigkeiten zu Lasten der übrigen Arbeitnehmer gehen.15 Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen
* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg.
1 Schmidt, in: Küttner Personalbuch, Arbeitsrecht, Lohnsteuerrecht, Sozialversicherungsrecht26, 2019, Sozialplan Rn. 1; Temming, RdA 2008, 205, 207.
2 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557; Annuß, in: Richardi (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Kommentar16, 2018, § 112 BetrVG Rn. 115; Temming, RdA 2008, 205, 213.
3 BAG, NZA 2009, 1107, 1108; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559; Wölfel, in: Die Sozialplanabfindung – Differenzierungskriterien und Ausgestaltungen1, 2012, S. 192; Temming, in: Altersdiskriminierung im Arbeitsleben1, 2008, S. 121; Temming, RdA 2008, 205, 213; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664.
4 BAG, NZA 2002, 451, 452; Berg, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath (Hrsg.), Nomos Kommentar, Arbeitsrecht, Individualarbeitsrecht mit kollektivrechtlichen Bezügen, Handkommentar2, 2019, § 10 AGG Rn. 32 f.; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664.
5 Vgl. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 558.
6 Vgl. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561.
7 BAG, NZA 2009, 1107, 1108; BAG, NZA 2008, 848; BAG, NZA 2000, 732, 733; BAG, NZA 1996, 1113, 1114 f.; BAG, NZA 1989, 28, 30 f.
8 BAG, NZA 2008, 719, 721; BAG, NZA 2008, 232, 234; BAG, NZA 2007, 756, 758; Hess, in: Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke (Hrsg.), BetrVG, Kommentar10, 2018, § 112 BetrVG Rn. 623.
9 Vgl. BAG, NZA 2008, 719, 722; BAG, NZA 2007, 756, 758.
10 Zum Begriff der Betriebszugehörigkeit siehe Wölfel (Fn. 3), S. 73 f.
11 Göpfert: „AGG-Keule für Höchstbegrenzungsklauseln in Sozialplänen wegen Altersdiskriminierung?“, unter „Rahmenbedingungen“, https://www.arbeitsrecht-weltweit.de/2018/12/11/agg-keule-fuer-hoechstbegrenzungsklauseln-in-sozialplaenen-wegen-altersdiskriminierung/, abgerufen am: 03.08.2020.
12 Vgl. Temming, RdA 2008, 205, 213.
13 Siehe Beispiel einer starren Höchstbegrenzung auf 24 Bruttomonatsentgelte: Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 558.
14 Däubler, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung und EBR-Gesetz16, 2018, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 160.
15 Däubler, in: DKKW (Fn. 14), §§ 112, 112a BetrVG Rn. 102; Wölfel (Fn. 3), S. 189; Temming (Fn. 3), S. 588.
soll gerecht auf die Betroffenen aufgeteilt werden.16
Von der unterschiedslos geltenden, starren Höchstbegrenzungsklausel ist die unterschiedlich ausgestaltete Höchstbegrenzungsklausel zu unterscheiden. Die Klausel wirkt unterschiedlich, da sie keine konkrete Höchstbegrenzung festlegt, sondern die Abfindungshöhe anhand des hypothetischen Resteinkommens des Arbeitnehmers beschränkt.17
II. Beispielsfall eines Sozialplans mit starrer Höchstbegrenzungsklausel
Zur Veranschaulichung wird beispielhaft ein fiktiver Sozialplan untersucht, der folgende Abfindungsregelungen enthält:
- Der Gesamtbetrag aller Abfindungen darf 3.109.200 € nicht übersteigen.
- Die individuelle Abfindung berechnet sich wie folgt:Monatlicher Bruttoverdienst × Betriebszugehörigkeit × 1,5.
- Die Auszahlungssumme ist auf 80.000 € pro Arbeitnehmer begrenzt.18
Anhand dieser Abfindungen werden nun die Abfindungen zweier fiktiver Arbeitnehmer betrachtet, deren Arbeitsverhältnisse durch betriebsbedingte Kündigungen am 30.11.2020 endeten und deren Bruttomonatsentgelt zuletzt durchschnittlich 4.000 € betrug:
Der erste Arbeitnehmer ist im Februar 1965 geboren (55 Jahre alt). Er ist seit dem 01.05.1988 (32 Jahre) im Betrieb beschäftigt. Ohne die Höchstbegrenzungsklausel hätte die Abfindung dieses Arbeitnehmers 192.000 € brutto betragen. Durch die Höchstbegrenzungsklausel erhält der Arbeitnehmer 80.000 € brutto. Der zweite Arbeitnehmer ist im März 1990 geboren (30 Jahre alt). Er ist seit dem 01.05.2013 (7 Jahre) im Betrieb beschäftigt. Die Abfindung dieses Arbeitnehmers beträgt 42.000 € brutto.
C. Rechtmäßigkeit starrer Höchstbegrenzungsklauseln
Sozialpläne unterliegen, wie auch andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle.19 Arbeitgeber und Betriebsrat dürfen im Sozialplan nur solche Regelungen treffen, die mit Grundrechten und anderen Verfassungsprinzipien, mit zwingenden Gesetzesnormen sowie anderem zwingenden Recht vereinbar sind.20 Im Folgenden wird daher untersucht, ob Höchstbegrenzungsklauseln nach dem AGG zulässig sind.
I. Verstoß gegen § 7 AGG
Die Anwendung starrer Höchstbegrenzungsklauseln könnte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 I AGG verstoßen. Sozialpläne dürfen keine diskriminierenden Regelungen hinsichtlich eines der verpönten Merkmale des § 1 AGG enthalten.21 In Betracht kommt eine Benachteiligung wegen des Alters.
1. Mittelbare Benachteiligung, § 3 II AGG
Da die Höchstbegrenzungsklausel nicht direkt an das in § 1 AGG genannte Merkmal „Alter“ anknüpft (§ 3 I AGG), scheidet eine unmittelbare Benachteiligung aus.22
Fraglich ist allein, ob starre Höchstbegrenzungsklauseln ältere Personen aufgrund ihres Alters mittelbar i.S.v. § 3 II AGG benachteiligen und ob eine etwaige Benachteiligung gerechtfertigt sein könnte.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn die unterschiedliche Behandlung nicht an eines der Merkmale aus § 1 AGG anknüpft, sondern an scheinbar neutrale Kriterien, die tatsächlich mehrheitlich auf bestimmte Merkmalsträger i.S.d. § 1 AGG zutreffen. Da die starre Höchstbegrenzungsklausel nicht an eines der Merkmale aus § 1 AGG anknüpft, sondern am scheinbar neutralen Kriterium der Betriebszugehörigkeit, könnte es sich um eine mittelbare Benachteiligung Älterer handeln, wenn dadurch mehrheitlich ältere Arbeitnehmer betroffen sind. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit korreliert typischerweise mit dem Lebensalter.23 Umstritten ist, ob darin auch eine Benachteiligung wegen des Alters zu sehen ist.
Die ständige Rechtsprechung24 und ein Großteil der Literatur25 sieht in der Verwendung von starren Höchstbegrenzungsklauseln bereits keine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Nach anderer Ansicht handelt es sich dagegen um eine Benachteiligung.
a) Keine Benachteiligung Älterer
Die Betriebsparteien knüpfen bei der Berechnung der Abfindung an die Dauer der Betriebszugehörigkeit an und berücksichtigen somit, dass die Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, mit zunehmendem Alter sinkt. Nach
16 Vgl. BAG, NZA 2009, 1107, 1108; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559; Göpfert, AGG-Keule, unter „Rahmenbedingungen“; Wölfel (Fn. 3), S. 194; Temming, RdA 2008, 205, 213.
17 Vgl. Lingscheid, Antidiskriminierung im Arbeitsrecht, S. 250; Leuchten, NZA 2002, 1254, 1260.
18 Das Beispiel ist angelehnt an: BAG, NZA 2009, 849, 850.
19 BAG, NZA 2015, 365, 366; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 558.
20 Vgl. BAG, NZA 2009, 849, 851 f.; BAG, NZA 2005, 997, 998; BAG, NZA 2000, 1287, 1289; Fitting, in Fitting (Begr.), Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Handkomentar29, 2018, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 144; Oetker, in: GK-BetrVG, Betriebsverfassungsgesetz, Gemeinschafts-kommentar11, Band 2, 2018, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 138; Bürgel, in: Berechnungs- und Haftungsdurchgriff im Konzern bei erzwungenem Sozialplan1, 2015, S. 36; Temming, RdA 2008, 205, 208.
21 Däubler, in: DKKW (Fn. 14), § 112, 112a BetrVG Rn. 96.
22 Göpfert, AGG-Keule, unter „Benachteiligung wegen des Alters (§ 3 AGG)?“; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 558.
23 BAG, NZA 2009, 1107, 1108; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559; Wölfel (Fn. 3), S. 192; Temming (Fn. 3), S. 121; Temming, RdA 2008, 205, 213; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664.
24 BAG, NZA 2009, 1107, 1108; BAG, NZA 2008, 848; BAG, NZA 2000, 732, 733; BAG, NZA 1996, 1113, 1114 f.; BAG, NZA 1989, 28, 30 f.
25 Fitting, in: Fitting (Fn. 20), §§ 112, 112a Rn. 156; Steffan, in: Nomos Kommentar, Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG, WahlO, EBRG, SEBG, Handkommentar5, 2018, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 37; Bissels/Lützeler, BB 2010, 1661, 1664; Kleinebrink, FA 2010, 66, 69; Löwisch/Kaiser, in: Löwisch/Kaiser (Hrsg.), BB Kommentar, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz6, 2010, § 112 BetrVG Rn. 35; Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153, 1154; Thüsing, in: Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz2, 2013, Rn. 447.
dieser Berechnung sind Arbeitnehmer, die eine geringere Betriebszugehörigkeit aufweisen, also typischerweise Jüngere, schlechter gestellt, da ihre Abfindungen geringer ausfallen als die der Älteren.26 Höchstbegrenzungsklauseln sollen den Vorteil der Älteren lediglich begrenzen. Nach dieser Ansicht bewirken starre Höchstbegrenzungsklauseln keine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, sondern eine Gleichbehandlung trotz unterschiedlichen Alters.27
b) Benachteiligung Älterer
Zwar stimmt es, dass durch die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit meistens jüngere Arbeitnehmer aufgrund geringerer Abfindungen schlechter gestellt sind als ältere Arbeitnehmer.28 Die oben genannte Ansicht überzeugt jedoch nicht. Sie verkennt, dass eine solche Ungleichbehandlung nach § 10 S. 3 Nr. 6 Var. 1 AGG gerechtfertigt ist.29 Der Gesetzgeber hält es für gerechtfertigt, ältere Beschäftigte durch höhere Abfindungen wirtschaftlich stärker abzusichern, wenn sie ihren bisherigen Arbeitsplatz verlieren. Darin liegt ein „rechtmäßiges, im Allgemeininteresse stehendes sozialpolitisches Ziel.“30 Die Abfindungsregelung ohne Kappungsgrenze ist somit bereits zulässig31 und es bestehen keine Benachteiligungen, die durch Klauseln begrenzt werden müssten.32 Es ist paradox, sich zunächst für eine Gewichtung der jeweiligen Kriterien bei der Gestaltung einer Formel zu entscheiden, um diese dann wieder zu beschneiden. Die Parteien setzen die Kriterien in Relation zueinander, welche wiederum verzerrt wird, wenn im Nachhinein einige Abfindungen gekappt werden.33
Auch das oben genannte Beispiel, das nur für eine Vielzahl ähnlicher Fälle steht, zeigt: Je länger ein Beschäftigter dem Betrieb angehört, desto geringer berücksichtigt die Berechnung der Abfindung seine Betriebszugehörigkeit.34 Beide Arbeitnehmer haben im Alter von 23 Jahren angefangen im Betrieb zu arbeiten. Der ältere Arbeitnehmer war über 4-mal so lange im Betrieb beschäftigt wie der Jüngere. Trotzdem erhält er nicht einmal das Doppelte an Abfindung wie der jüngere Arbeitnehmer. Insbesondere findet seine lange Betriebszugehörigkeit und somit mittelbar sein Alter eine geringere Berücksichtigung als bei dem 30-Jährigen unterhalb der Kappungsgrenze.35
Aber auch andere Kriterien werden durch die starre Höchstbegrenzungsklausel proportional weniger berücksichtigt.36 Hat der Arbeitnehmer Kinder, verringert sich die Berücksichtigung seines Alters gegenüber einem gleichaltrigen und ansonsten identischen, aber kinderlosen Arbeitnehmer weiter.37
Gegen die Ansicht der Rechtsprechung muss auch eingewandt werden, dass Höchstbegrenzungsklauseln keinesfalls nur die angeblichen Vorteile der älteren Arbeitnehmer begrenzen. Starre Obergrenzen kappen vielmehr Abfindungen Älterer pauschal.38
Dass der Gesetzgeber für Fälle der §§ 9, 10 KSchG und § 113 I BetrVG Höchstbegrenzungen vorsieht, spricht nicht gegen dieses Ergebnis. Der Auffassung, dass die Konstellationen der §§ 9, 10 KSchG und § 113 I BetrVG mit einem Sozialplan vergleichbar seien,39 ist nicht zuzustimmen. Erstens haben Sozialpläne eine zukunftsorientierte Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion40 und gerade keine vergangenheitsorientierte Entschädigungsfunktion.41 Im Gegensatz dazu zeichnen sich die §§ 9, 10 KSchG und § 113 I BetrVG durch eine stark überwiegende Entschädigungsausrichtung und einen Sanktionscharakter aus.42 Zweitens erlauben §§ 9, 10 KSchG und § 113 I BetrVG keine Gestaltungsspielräume, da das Gericht hier die Abfindungen anhand stark vereinfachter Kriterien festzusetzen hat. Ein Gericht kann nicht so differenziert bei der Bemessung einer Abfindungshöhe vorgehen wie Betriebsparteien bei einem Sozialplanabschluss.43
Somit ist festzuhalten, dass starre Höchstbegrenzungsklauseln, die an die Betriebszugehörigkeit anknüpfen, Personen aufgrund ihres Alters mittelbar i.S.d. § 3 II AGG benachteiligen.
2. Rechtfertigung nach § 3 II Hs. 2 AGG
Allerdings könnte die mittelbare Benachteiligung tatbestandsimmanent gerechtfertigt sein. Gemäß § 3 II Hs. 2 AGG ist das der Fall, wenn die Höchstbegrenzungsklausel einem rechtmäßigen Ziel dient und zur Erreichung des Ziels erforderlich und angemessen ist.44
a) Rechtmäßiges Ziel
Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein Ziel dann rechtmäßig, wenn es nicht seinerseits diskriminierend und im
26 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559.
27 BAG, NZA 2009, 1107, 1108; BAG, NZA 2008, 848; Fitting, in: Fitting (Fn. 20), §§ 112, 112a BetrVG Rn. 156; Günther, in: Bauer/Krieger (Hrsg.), Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Kommentar4, 2015, § 10 AGG Rn. 54; Willemsen, RdA 2013, 166, 170 f.; Mohr, RdA 2010, 44, 52; Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153, 1154.
28 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559.
29 So auch BAG, NZA 2009, 849, 852.
30 BAG, NZA 2009, 849, 854.
31 BAG, NZA 2009, 849.
32 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559.
33 Temming (Fn. 3), S. 583.
34 Vgl. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559.
35 Siehe oben B.II. auf S. 3 f.
36 Wölfel (Fn. 3), S. 193.
37 Wölfel (Fn. 3), S. 193; in der Praxis wird zum Teil versucht, die Verzerrung zu vermeiden, indem Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung u.ä. aus der Höchstbegrenzung ausgeklammert werden, vgl. BAG, NZA 2009, 1107, 1108.
38 Wölfel (Fn. 3), S. 193.
39 Vgl. BAG, NZA 1989, 28, 30; BAG, DB 1971, 1531; Temming, RdA 2008, 205, 209.
40 BAG, NZA 2005, 997, 998; BAG, NZA 2005, 302; Schmidt, in:Küttner Personalbuch, Arbeitsrecht, Lohnsteuerrecht, Sozialversicherungsrecht26, 2019, Sozialplan Rn. 6; Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153, 1156; Scholz, BB 2006, 1498; s. Überblick hierzu Fitting, in Fitting (Fn. 20), §§ 112, 112a BetrVG Rn. 122; Bürgel, (Fn. 20), S. 38.
41 a.A. BAG, NJW 1979, 774; Preis, NZA 2008, 922, 925; Temming, RdA 2008, 205, 209-211; Heinze, NJW 1980, 145, 147.
42 Bürgel, (Fn. 20), S. 37 f.; Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153, 1156; Löwisch, in: FS Müller, 1981, S. 301, 306.
43 Wölfel (Fn. 3), S. 195.
44 Vgl. BAG, NZA 2016, 897; Thüsing, in Münchner Kommentar zum BGB3, Band 3, 2019, § 3 AGG Rn. 39; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559; Thüsing, in: Arbeitsrecht Kommentar5, 2012, § 611 BGB Rn. 202; Däubler, ZfA 2006, 479, 486.
Übrigen legal ist.45 Ziel von Höchstbegrenzungsklauseln ist, das vorhandene Abfindungsvolumen so zu verteilen, dass der Sozialplan seine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion gegenüber allen Arbeitnehmern erfüllt. Das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit ist rechtmäßig.46
b) Geeignetheit
Starre Höchstbegrenzungsklauseln müssen geeignet sein, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Das ist der Fall, wenn das Sozialplanvolumen gerecht unter allen Arbeitnehmern aufgeteilt wird und dabei Nachteile, die durch die Betriebsänderung entstehen, abgemildert werden,47 so dass der Sozialplan seine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion erfüllt.48
Zum einen sind starre Höchstbegrenzungsklauseln schon nicht geeignet, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, da sie das Gewichtsverhältnis der Kriterien von Arbeitnehmern, die die Kappungsgrenze erreichen, zu Arbeitnehmern unterhalb dieser Grenze verzerren. Dadurch wird eine vom Grundsatz her gerechte Verteilungssystematik, die sich an einer Gleichwertigkeit der Kriterien orientiert, zerstört.49
Zum anderen sind starre Höchstbegrenzungsklauseln nicht geeignet, Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen, da sie der Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans nicht gerecht werden. Typischerweise können ältere Arbeitnehmer durch die Kappung der Abfindung den Zeitraum nicht überbrücken, den sie bis zum Erhalt ihrer Rente überstehen müssen.50 Diejenigen Arbeitnehmer, die nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes schon bald ein Ersatzeinkommen erhalten, etwa in Form eines neuen Arbeitsplatzes oder einer Rente, erleiden geringere Nachteile durch die Betriebsänderung. Bei diesen Arbeitnehmern wird die Überbrückungsfunktion gewahrt. Bei Arbeitnehmern, die nicht in angemessener Zeit auf solche Ersatzeinkommen zugreifen können, entsteht eine Versorgungslücke. Eine Höchstbegrenzungsklausel, die lediglich die Abfindung jener Arbeitnehmer kappt, die bald durch ein Ersatzeinkommen abgesichert sind, wäre geeignet, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen.51 Jedoch differenziert eine starre Höchstbegrenzungsklausel nicht danach, welche Arbeitnehmer durch ein Ersatzeinkommen wirtschaftlich abgesichert sind. Starre Höchstbegrenzungsklauseln behandeln alle Arbeitnehmer unterschiedslos52 und verteilen das Finanzvolumen des Sozialplans somit nicht gerecht.53
Dagegen wird teilweise eingewandt, dass diese Argumentation auf der Entschädigungstheorie beruhe.54 Bei Sozialplänen sei aber nicht die Entschädigungstheorie, sondern die Überbrückungstheorie auch europarechtlich das für Aspekte altersbezogener Diskriminierung maßgebliche Erklärungsmodell.55 Es gehe nicht um eine Vollkompensation von Betriebszugehörigkeiten, sondern um einen zeitlich begrenzten Ausgleich und die substanzielle Milderung künftiger Nachteile. Die Betriebsparteien haben dabei einen erheblichen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum.56
Dieser Ansicht ist nur insoweit zuzustimmen, als Sozialpläne eine zukunftsorientierte Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion haben.57 Damit diese Funktion gewahrt ist, müssen Sozialpläne betroffenen Arbeitnehmern die Aufrechterhaltung ihres bisherigen sozialen Standes ermöglichen.58 Die Unterstützung bei der Aufrechterhaltung des bisherigen sozialen Standes auch für die Zukunft hat jedoch keinen vergangenheitsbezogenen Charakter und somit gerade keine Entschädigungsfunktion. Die Gegenansicht ist somit abzulehnen.
Starre Höchstbegrenzungsklauseln sind somit schon nicht geeignet, Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen. Darüber hinaus könnten sie auch nicht erforderlich oder angemessen sein.
c) Erforderlichkeit
Eine starre Höchstbegrenzungsklausel ist jedenfalls nicht erforderlich, wenn es ein milderes Mittel gibt, das anders als die starre Höchstbegrenzungsklausel auch geeignet ist, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen.59 Nachfolgend werden denkbare andere Mittel dargestellt und beurteilt.
aa) Flexible Obergrenze des hypothetischen Gehaltes
Ein milderes und geeignetes Mittel könnte eine flexible Obergrenze des hypothetischen Gehaltes sein.60 Sie differenziert zwischen den Arbeitnehmern, da sie keine konkrete Höchstbegrenzung festlegt, sondern die mögliche Abfindungshöhe auf das hypothetische Resteinkommen des Arbeitnehmers beschränkt.61 Dabei wird oft auf den Zeitpunkt des Erreichens des frühestmöglichen Renteneintrittalters abgestellt. Das ist allerdings nur möglich, wenn dies mit einer entsprechenden Befristungsabrede einhergeht. Das Erreichen des Rentenalters führt nämlich nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, was § 41
45 BAG, NZA 2016, 897, 900; BAG, NZA 2010, 625, 626; Thüsing, in: MüKoBGB (Fn. 44), § 3 AGG Rn. 40.
46 Vgl. BAG, NZA 2009, 1107, 1108; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 559; Göpfert, AGG-Keule, unter „Rahmenbedingungen“; Wölfel (Fn. 3), S. 194; Temming, RdA 2008, 205, 213.
47 Vgl. BAG, NZA 2009, 1107, 1108.
48 Vgl. Argumentation der Bundesregierung in: EuGH, NZA 2012, 1435, 1438 – Odar.
49 Wölfel (Fn. 3), S. 194.
50 Vgl. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561.
51 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561; auf die anderweitige wirtschaftliche Absicherung stellen auch ab: EuGH, NZA 2012, 1435, 1438 – Odar; BVerfG, NZA 2015, 1248, 1249; vgl. auch LAG Hessen, BeckRS 2011, 71469 Rn. 61.
52 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557 561; aus diesem Grund befand das LAG Hessen eine unterschiedslos wirkende Begrenzung als abstrakt unverhältnismäßig, LAG Hessen, BeckRS 2011, 71469.
53 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561.
54 Göpfert, AGG Keule, unter „Geeignetheit“.
55 Vgl. EuGH, NZA 2012, 1435, 1438 – Odar.
56 BAG, NZA 2009, 849 851; Göpfert, AGG Keule, unter „Geeignetheit“.
57 Siehe Fn. 40.
58 Wölfel (Fn. 3), S. 130.
59 Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt (Hrsg.), Arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz4, 2013, § 3 Rn. 91.
60 Auch der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ (DCGK) beinhaltet die ausdrückliche Empfehlung einer Begrenzung von Abfindungen auf das hypothetische Resteinkommen, vgl. Regierungskommission, Deutscher Corporate Governance Kodex, unter: 4.2.3., https://www.dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/170424_Kodex.pdf, abgerufen am: 03.08.2020.
61 Vgl. Lingscheid (Fn. 17), S. 250; Leuchten, NZA 2002, 1254, 1260.
SGB VI klarstellt.62
Die flexible Höchstbegrenzungsklausel soll verhindern, dass ein Arbeitnehmer durch den Verlust seines Arbeitsplatzes mehr erhält, als er erhalten hätte, wenn er seinen Arbeitsplatz nicht durch die Betriebsänderung verloren hätte.63 Die Kompensation endet, wenn die wirtschaftlichen Nachteile durch die Betriebsänderung vollständig ausgeglichen sind.64 Dadurch werden solche Klauseln auch ihrer Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion gerecht.65
bb) Begrenzung auf solche mit Ersatzeinkommen
Eine andere Regelung begrenzt nur Abfindungen solcher Arbeitnehmer, die durch ein Ersatzeinkommen, wie beispielsweise durch Bezug von Rente oder einen neuen Arbeitsplatz, wirtschaftlich abgesichert sind.66 Rentenklauseln vermindern beispielsweise Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer nur in so weit, dass die Überbrückung bis zum Renteneintritt gewährleistet wird.67 Maßgeblicher Gedanke hinter dieser Gestaltung ist, dass derjenige, der bald ein Ersatzeinkommen erhält, einen geringeren Überbrückungsbedarf hat.68
cc) Proporzfaktor-Anpassung
Die Abfindung könnte auch über einen Proporzfaktor exakt angepasst werden. Dabei wird lediglich die vorhandene Sozialplanvolumengesamtsumme durch die Summe der errechneten Abfindungen dividiert. Es ergibt sich ein Proporzfaktor, der die individuellen Abfindungen an das Gesamtvolumen anpassen kann, ohne die Gewichtung der einzelnen Differenzierungskriterien dabei zu verzerren:69
dd) Bewertung der Regelungen
Diese Regelungen ermöglichen allen Arbeitnehmern die Überbrückung ihrer wirtschaftlichen Nachteile, ohne dass sie die Abfindungen Einzelner pauschal kappen und sie dadurch gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligen. Sie sind somit gegenüber der starren Höchstbegrenzungsklausel mildere aber gleich geeignete Mittel.
Man könnte an den Regelungen kritisieren, dass sie nicht geeignet sind, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, da sie zu kompliziert und deshalb nicht praktikabel seien. Teilweise wird auch angeführt, dass sie sich zu stark an der Entschädigungstheorie orientieren.70
Möglich ist, dass solche Regelungen die Gestaltungspraxis von Sozialplänen aufwändiger machen. Die Betriebsparteien können dadurch nicht mehr einfach durch pauschale Kappungen die Abfindungen begrenzen, sondern müssen zwischen den einzelnen Arbeitnehmern unterscheiden. Dieser zusätzliche Schritt kann aber nicht dazu führen, die Regelungen nicht mehr als geeignet anzusehen.
Vielmehr spricht sich auch der Gesetzgeber für eine eingehendere Untersuchung der Umstände einzelner Arbeitnehmer aus, um Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Nach der Gesetzesbegründung zur Einführung von § 112 V Nr. 1 BetrVG sollen bürokratische Ermittlungen die Abwicklung des Sozialplans zwar nicht unnötig verzögern. Nach dem Gesetzgeber schuldet die Einigungsstelle jedoch auch das Bemühen, festzustellen, welche Nachteile im Einzelfall den Arbeitnehmern oder einzelnen Gruppen von Arbeitnehmern tatsächlich oder wahrscheinlich entstehen.71 Das BAG betonte zudem, dass die Einigungsstelle den Ausgleich der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile möglichst konkret zu ermitteln hat.72 Durch diese Regelungen können die Nachteile zumindest konkreter ermittelt werden als durch die starre Höchstbegrenzungsklausel.
Zudem orientieren sich die Regelungen gerade nicht an der Entschädigungstheorie. Sie sollen künftige Nachteile, die betroffenen Arbeitnehmern durch die Sozialplanänderung entstehen, gerecht und individuell abmildern. Ziel der Regelungen ist es, dass Arbeitnehmer ihren sozialen Status auch noch nach Verlust ihres Arbeitsplatzes erhalten können. Das ist gerade der Kern der zukunftsorientierten Abmilderungs- und Überbrückungsfunktion.73
Es ist festzuhalten, dass Regelungen denkbar sind, die allen Arbeitnehmern eine Überbrückung ihrer wirtschaftlichen Nachteile ermöglichen, ohne dass sie einzelne Gruppen überproportional bevorzugen oder benachteiligen. Sie sind gegenüber unterschiedslos geltenden Höchstbegrenzungsklauseln mildere Mittel und sind geeignet, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Starre und unterschiedslos geltende Höchstbegrenzungsklauseln sind demnach für die Verteilungsgerechtigkeit nicht erforderlich.
d) Angemessenheit
Starre Höchstbegrenzungsklauseln könnten zudem unangemessen sein. Bei der Angemessenheitsprüfung ist abzuwägen, ob die Verwendung eines benachteiligend wirkenden Kriteriums in Anbetracht des Ausmaßes der benachteiligenden Wirkung einerseits und der Relevanz des zu erreichenden Ziels andererseits gebilligt werden kann.74 Je intensiver die Arbeitnehmer von der gekappten
62 Wölfel (Fn. 3), S. 185; Temming, RdA 205, 215.
63 Wölfel (Fn. 3), S. 185.
64 Ausführlich dazu Temming, RdA 2008, 205, 215 f.;
Wölfel (Fn. 3), 185-189.
65 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557 560.
66 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 560; auf die anderweitige wirtschaftliche Absicherung stellen auch ab: EuGH, NZA 2012, 1435, 1438 – Odar; BVerfG, NZA 2015, 1248, 1249; vgl. auch LAG Hessen, BeckRS 2011, 71469 Rn. 61; der vorgezogene Renteneintritt durch eine Behinderung ist jedoch kein zulässiger Bezugspunkt für eine Kürzungsformel im Sozialplan, vgl. EuGH, NZA 2012, 1435, 1439 f. – Odar; BAG, NZA 2016, 501, 503 f.
67 Zur Zulässigkeit von Rentenklauseln: EuGH, NZA 2012, 1435, 1439 f. – Odar; BAG, NZA 2015, 365; Joussen, RdA 2015, 305, 310; Willemsen, RdA 2013, 166, 170.
68 Vgl. Ausführungen hierzu: Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153 ff.; Wölfel (Fn. 3), S. 197-225.
69 Ausführlich Wölfel (Fn. 3), 181-183, Temming, RdA 2008, 205, 213 f.
70 Göpfert, AGG-Keule, unter „Erforderlichkeit und Angemessenheit“.
71 BT-Drucks. 10/2102, 27.
72 Vgl. hierzu Ausführungen Weber/Burmester, BB 1995, 2269, 2271-2273.
73 Vgl. Wölfel (Fn. 3), S. 130.
74 Schiek, in: Schiek (Hrsg.), Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, ein Kommentar aus europäischer Perspektive1, 2007, § 3 AGG Rn. 53.
Abfindung betroffen sind, desto gewichtiger muss die Schutzbedürftigkeit der übrigen Arbeitnehmer sein, die nicht von der gekappten Abfindung betroffen sind.75
aa) Schutzwürdigkeit der Älteren
Das oben genannte Beispiel zeigt, dass typischerweise die Abfindungen älterer Arbeitnehmer durch Höchstbegrenzungsklauseln gekappt werden. Der Arbeitnehmer aus dem Beispiel erhält nur 80.000 €, wobei er ohne Begrenzung seiner Abfindung 192.000 € erhalten hätte.76 Seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt stehen schlecht77 und er muss bis zum Regelrenteneintritt noch 14 Jahre überbrücken.78 Wenn er keinen neuen Arbeitsplatz findet, kann seine Abfindung das ausbleibende Einkommen bei Weiterführung seines bisherigen Lebensstandards nicht einmal zwei Jahre überbrücken. Selbst bei Bezug von Arbeitslosengeld I reicht sein Einkommen lange nicht aus, um seinen bisherigen Lebensstandard bis zum Regelrenteneintritt aufrecht zu erhalten.79 Zudem ist zu bedenken, dass durch fehlende oder geringere Beitragszahlungen die Rente signifikant geringer ausfallen kann als ohne Verlust der Arbeitsstelle.80 Wenn er Frührente in Anspruch nimmt, muss er mit hohen Abschlägen rechnen.81 Das konkrete Beispiel steht für die Auswirkungen starrer Höchstbegrenzungsklauseln für ältere Arbeitnehmer allgemein und lässt sich auf eine Vielzahl ähnlicher Fälle übertragen. Ältere Arbeitnehmer sind typischerweise stark von der starren Höchstbegrenzungsklausel betroffen und somit schutzwürdig.
bb) Schutzwürdigkeit der Jüngeren
Jüngere Arbeitnehmer befinden sich oft noch im Aufbau ihrer familiären und wirtschaftlichen Existenz. Somit stehen auch sie bei Verlust ihres Arbeitsplatzes vor wirtschaftlichen Problemen.82 Zudem besteht keine Garantie, dass jüngere Arbeitnehmer überhaupt einen neuen Arbeitsplatz finden. Je nach regionaler Arbeitsmarktlage und angesichts Zeiten des Fachkräftemangels83 kann es auch vorkommen, dass ein erfahrener, langjährig in einem Lehrberuf beschäftigter Mitarbeiter größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat als ein 26-jähriger Arbeitnehmer mit Hochschulabschluss und zwei-jähriger Berufserfahrung.84 Auch ist zu bedenken, dass in den Zeiten der Fort- und Weiterbildungsgesellschaft gerade eine gute Ausbildung und Qualifikation zentrale Kriterien bei der Einstellung neuer Arbeitnehmer sind. Ein junger Arbeitnehmer ohne Qualifikation kann genauso schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, wie ein älterer Arbeitnehmer ohne Qualifikation.85 Falls der jüngere Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz erhalten hat, bedeutet das nicht, dass er dadurch genauso gut gestellt ist wie in seinem bisherigen Arbeitsverhältnis. So kann die Bezahlung im neuen Unternehmen geringer ausfallen, etwa wenn dessen Wirtschaftslage schlechter ist.86 Außerdem sind sie durch die Probezeit und einer kürzeren gesetzlichen Kündigungsfrist einem geringeren Kündigungsschutz ausgesetzt als bei ihrem vorherigen Arbeitsverhältnis.87 Somit sind auch jüngere Arbeitnehmer schutzwürdig.
cc) Abwägung
Trotz allem haben jüngere Arbeitnehmer erheblich bessere Chancen, eine passende Anschlussbeschäftigung zu finden als ältere Arbeitnehmer.88 Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 201589 ergab, dass die Wahrscheinlichkeit, dass 55- bis 59-Jährige einen neuen Arbeitsplatz antreten, nur halb so hoch ist wie bei der Gesamtheit der Arbeitslosen. Die Chancen mit Anfang 30 einen neuen Arbeitsplatz zu finden, sind für gewöhnlich auch nicht schlechter als mit Anfang 20.90 Jüngere Arbeitnehmer können bald mit einem neuen Arbeitsverhältnis und einem Ersatzeinkommen rechnen.91 Im Gegensatz zu einem über 50-Jährigen, kann eine Abfindung von zwei Jahresentgelten einem jüngeren Arbeitnehmer eher helfen, die Nachteile auszugleichen oder abzumildern, die durch den Verlust seines Arbeitsplatzes entstehen.92 Dem Argument, dass es für Jüngere ohne Qualifikation genau so schwierig sei, wie für Ältere ohne Qualifikation einen Arbeitsplatz zu finden, muss entgegnet werden, dass umgekehrt jüngere, gut qualifizierte Arbeitnehmer eher einen neuen Arbeitsplatz finden als Ältere mit derselben Qualifikation. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt, dass rund 42.700 Stellen deutschlandweit besetzt werden könnten, wenn Arbeitslose und junge Leute mobiler wären und das Bundesland wechseln würden.93 Der Fachkräftemangel in Deutschland zeigt, dass Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, es allerdings an ausreichender Qualifikation mangelt. Jüngere sind oftmals noch flexibler und können noch leichter Umschulungen oder Fortbildungen durchlaufen als Ältere. Mit einer längeren Betriebszugehörigkeit geht eine Verengung der Qualifikation der Arbeitnehmer auf die spezi-
75 Vgl. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 560.
76 Siehe oben B.II. auf S. 3 f.
77 BAG, NZA 2002, 451, 452; Berg, in DHSW (Fn. 4), § 10 AGG Rn. 32 f.; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664.
78 Die Regelaltersgrenze von 67 Jahren gilt für alle nach 1963 geborenen Versicherten, §§ 35 S. 2, 235 SGB VI.
79 Vgl. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 560.
80 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 560.
81 Vgl. LAG Hessen, BeckRS 2011, 71469 Rn. 52; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 560 f.
82 BAG, NZA 2000, 732, 733; Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153, 1154.
83 Von Fachkräftemängel wird in der Arbeitsmarktforschung dann gesprochen, wenn es im Verhältnis zur Arbeitsnachfrage zu wenige passend qualifizierte Arbeitskräfte und zu wenige den Anforderungen entsprechend qualifizierbare Arbeitskräfte gibt, vgl. Bundesagentur für Arbeit: „Fachkräfteengpassanalyse“, 5, https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Fachkraeftebedarf-Stellen/Fachkraefte/BA-FK-Engpassanalyse.pdf, abgerufen am: 03.08.2020.
84 Göpfert, AGG-Keule, unter „Erforderlichkeit und Angemessenheit“.
85 Vgl. Göpfert, AGG-Keule, unter „Erforderlichkeit und Angemessenheit“.
86 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht1, Band 2, 2008, S. 1142.
87 Gamillscheg (Fn. 86), S. 1142; vgl. auch BAG, NZA 2013, 921, 923.
88 Vgl. BAG, NZA 2002, 451, 452; Berg, in: DHSW (Fn. 4), § 10 AGG Rn. 32 f.; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664.
89 Konrad Adenauer Stiftung, „Nicht im Job und nicht in Rente – Gründe für die Arbeitslosigkeit Älterer“, 5, https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=a170746d-8b84-d341-8ae6-e8bbdf4c7575&groupId=252038, abgerufen am: 03.08.2020.
90 Vgl. Berg, in: DHSW (Fn. 4), § 10 AGG Rn. 32 f.; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664.
91 Vgl. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 560.
92 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561.
93 Institut der deutschen Wirtschaft Köln, „Studie 2/2017, Fachkräfteengpässe in Unternehmen, Regionale Fachkräftesituation und Mobilität“, 27, https://www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen/2017/328843/IW-Gutachten_Regionale_Fachkraeftesituation_und_Mobilitaet.pdf, abgerufen am: 03.08.2020.
fischen Anforderungen und Gepflogenheiten am bisherigen Arbeitsplatz einher. Dazu kommt eine subjektiv und objektiv geringere Mobilität aufgrund zwischenzeitlich getroffener wirtschaftlicher und persönlicher Lebensentscheidungen mit Langzeitwirkung. Diese Umstände wirken sich nachteilig auf die Vermittelbarkeit einer neuen Arbeitsstelle und einer oft erforderlichen beruflichen Umorientierung aus.94 Somit sind ältere Arbeitnehmer schutzbedürftiger als jüngere.
Festzuhalten ist, dass Arbeitnehmer mit gekappter Abfindung regelmäßig stark betroffen sind, während Arbeitnehmer, die nicht von der Höchstbegrenzung betroffen sind, weniger schutzbedürftig sind. Starre Höchstbegrenzungsklauseln sind mithin keine angemessenen Mittel, um Sozialplanleistungen gerecht zu verteilen.
3. Rechtfertigung nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG
Die Benachteiligung könnte nach § 10 AGG gerechtfertigt sein. Der Wortlaut des § 10 S. 3 Nr. 6 AGG erfasst auch Abfindungsregelungen, die an die Betriebszugehörigkeit anknüpfen und somit bloß mittelbar an das Alter. Somit ist § 10 AGG auch für mittelbare Benachteiligungen anwendbar.95 Eine unterschiedliche Behandlung ist nach § 10 S. 1 AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.96
Das Regelbeispiel § 10 S. 3 Nr. 6 AGG bestimmt, dass Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen zulässig sind, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind (Var. 1) und97 dass Beschäftigte von Sozialplanleistungen ausgeschlossen werden können, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind (Var. 2).
Die erste Variante von § 10 S. 3 Nr. 6 AGG scheidet aus, da schon vom Wortlaut her eine starre Höchstbegrenzungsklausel keine gestaffelte Abfindungsregelung ist. Die Abfindungen werden zwar zunächst anhand der Dauer der Betriebszugehörigkeit und anderer Kriterien berechnet, wobei die Abfindungen auch mit längerer Betriebszugehörigkeit steigen. Maßgeblicher Unterschied zu gestaffelten Abfindungen ist jedoch, dass die starre Höchstbegrenzungsklausel ab einer gewissen Dauer der Betriebszugehörigkeit die Abfindung kappt und sie nicht mehr berücksichtigt. Somit kann bei starren Höchstbegrenzungsklauseln schon nicht mehr von „Staffelungen“ i.S.d. § 10 S. 3 Nr. 6 AGG gesprochen werden.98
Auch die zweite Variante von § 10 S. 3 Nr. 6 AGG ist nicht einschlägig. Starre Höchstbegrenzungsklauseln schließen die Sozialplanleistungen nicht aus. Eine Kappung der Abfindung muss aber erst recht (argumentum a maiore ad minus) nach § 10 S. 3 Nr. 6 Var. 2 AGG gerechtfertigt sein, wenn die Abfindung hoch genug ist, um die Zeit zwischen Arbeitslosengeld I und Bezug der Altersrente zu überbrücken.99 Das wäre der Fall, wenn die betroffenen Arbeitnehmer für diesen Zeitraum eine Abfindung erhielten, die der Höhe des Verdienstausfalls entspricht. Der Arbeitnehmer wäre dann so gestellt, als wäre sein Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt des Bezuges von Arbeitslosengeld I weitergeführt worden, von dem er unmittelbar in die Altersrente hätte übergehen können.100 Starre Höchstbegrenzungsklauseln begrenzen Abfindungen jedoch unabhängig von der Absicherung durch Arbeitslosengeld oder Rente. Vielmehr greifen sie bei Überschreitung der Obergrenze unterschiedslos auch bei Arbeitnehmern ohne wirtschaftliche Absicherung.101
Die mittelbare Benachteiligung wegen des Alters ist demnach nicht durch § 10 S. 3 Nr. 6 AGG gerechtfertigt.102 Da auch kein anderes legitimes Ziel ersichtlich ist, scheidet eine Rechtfertigung auch nach den allgemeinen Kriterien des § 10 S. 1 AGG aus.103
II. Verstoß gegen § 75 I Hs. 2 BetrVG
Eine Diskriminierung nach dem AGG ist auch als Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 75 I Hs. 2 BetrVG einzuordnen. Starre Höchstbegrenzungsklauseln verstoßen somit ebenfalls gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters i.S.d. § 75 I Hs. 2 BetrVG.104
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der von § 75 I BetrVG geprägt ist, verlangt, dass nicht willkürlich, sondern nur in sachgerechter und vernünftiger Weise unter Beachtung der vom Arbeitsrecht anerkannten Wertungen differenziert werden darf.105 Der Arbeitgeber muss demnach einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, bei der Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich behandeln.106 Ein Arbeitgeberverhalten verstößt auch immer dann gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn es gegen ein Diskriminierungsverbot verstößt,107 was oben bereits festgestellt
94 Vgl. Berg, in: DHSW (Fn. 4), § 10 AGG Rn. 33.
95 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561.
96 Allgemein zur Anwendbarkeit der speziellen Rechtfertigungsgründe bei mittelbaren Benachteiligungen siehe Fuchs, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB50, 2019, § 10 AGG Rn. 9.
97 Die Alternativität ist hier nicht sinnvoll, so dass man statt „oder” auch „und” lesen sollte, Temming, RdA 2008, 205, 207.
98 Wölfel kommt zum gleichen Ergebnis, ohne dabei die Betriebszugehörigkeit i.S.d. § 10 S. 3 Nr. 6 Var. 1 AGG zu thematisieren: Eine starre Obergrenze benachteilige nur mittelbar wegen des Alters, diese seien nicht vom Wortlaut des § 10 S. 3 Nr. 6 Var. 1 AGG umfasst, Wölfel (Fn. 3), S. 196.
99 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561.
100 Vgl. BAG, NZA 2010, 774, 775; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561.
101 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561; Wölfel (Fn. 3), S. 196.
102 Folglich kann dahinstehen, ob die Regelung überhaupt europarechtskonform ist. Für eine Europarechtskonformität: BAG, NZA 2011, 985, 986; BAG, NZA 2009, 849 852; Thüsing, in MüKoBGB (Fn. 44), § 10 AGG Rn. 33; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 664; für eine Europarechtswidrigkeit: Schmidt, ZESAR 2011, 164, 169.
103 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 561; a.A. Göpfert, AGG-Keule, unter „Geeignetheit“.
104 Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557, 563; a.A. Hunold, NZA-RR 2005, 57, 61.
105 Vgl. BAG 11.09.1974, NJW 1975, 751; Berg, in: DKKW (Fn. 14), § 75 BetrVG Rn. 106; Jacobs/Kreutz, in: Wiese et al. (Hrsg.), GK BetrVG, Betriebsverfassungsgesetz, Gemeinschaftskommentar11, § 75 BetrVG Rn. 38.
106 BAG, NZA 2009, 196; Berg, in: DKKW (Fn. 14), § 75 BetrVG Rn. 106.
107 Vgl. BAG, NZA 2008, 99, 101; Jacobs/Kreutz, in: GK BetrVG (Fn. 105), § 75 BetrVG Rn. 39.
wurde. Die Betriebsparteien verstoßen durch die Verwendung von Höchstbegrenzungsklauseln also ebenso gegen ihre Überwachungspflicht, alle Personen, die im Betrieb tätig sind nach den Grundsätzen des Rechts, also auch im Sinne des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu behandeln.108
III. Zwischenergebnis
Die Anwendung starrer Höchstbegrenzungsklauseln verstößt gegen § 7 I AGG, das Benachteiligungsverbot des § 75 I Hs. 2 BetrVG sowie den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
D. Rechtsfolge bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters
Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters führt i.V.m. § 134 BGB zur Nichtigkeit von starren Höchstbegrenzungsklauseln.109 Die Wirksamkeit des restlichen Sozialplans richtet sich nach den Regeln für teilnichtige Betriebsvereinbarungen (vgl. § 112 S. 3 BetrVG). Sind einzelne Teile des Sozialplans unwirksam, bleibt die Gültigkeit des restlichen Sozialplans unberührt, soweit er für sich allein betrachtet noch eine sinnvolle Regelung ergibt.110 Typischerweise besteht auch ohne Höchstbegrenzungsklausel mit der Abfindungsregel ein sinnvolles Berechnungssystem, so dass der restliche Sozialplan wirksam bleibt.111
Die durch die Höchstbegrenzungsklausel benachteiligten Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit der besser gestellten Gruppe, also auf eine Anpassung der Abfindung „nach oben“.112
E. Fazit und Ausblick
Festzustellen ist, dass starre Höchstbegrenzungsklauseln in Sozialplänen nicht zulässig sind. Sie begrenzen die Abfindungen von typischerweise älteren Arbeitnehmern. Sie unterlaufen dadurch sowohl ihre eigene Funktion, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen als auch die Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen.
Starre Höchstbegrenzungsklauseln benachteiligen ältere Arbeitnehmer mittelbar wegen des Alters i.S.v. § 3 II AGG. Die Benachteiligung ist weder durch § 3 II Hs. 2 AGG noch durch § 10 S. 3 Nr. 6 AGG gerechtfertigt.
Wenn ein Sozialplan eine starre Höchstbegrenzungklausel enthält, ist diese unwirksam, während der restliche Sozialplan davon nicht berührt wird. Die durch die Höchstbegrenzungsklausel benachteiligten Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit der besser gestellten Gruppe.
Diese Ergebnisse zeigen: Es besteht Handlungsbedarf. Betriebsparteien müssen von der hiesigen Gestaltungspraxis Abstand nehmen, was nur erfolgen kann, wenn die Rechtsprechung ausdrücklich die Unzulässigkeit von starren Höchstbegrenzungsklauseln feststellt. Durch ihre pauschale Argumentation, es bestehe schon keine Benachteiligung, weil starre Höchstbegrenzungsklauseln die angeblichen Vorteile Älterer bloß ausgleichen, schneidet sich das Gericht eine detailliertere Betrachtung der Problematik ab. Vor allem stellt es sich nicht die wichtige Frage, ob mildere Mittel existieren, die geeignet sind, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Anstelle der diskriminierenden Höchstbegrenzungsklausel müssten andere Regelungen in Sozialplänen verwendet werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung zu einem Umdenken bewegt werden kann und von ihrer bisherigen Linie abweichen wird.
108 Jacobs/Malorny NZA 2018, 557, 563.
109 Vgl. Temming, RdA 2008, 205, 216.
110 Richardi-Richardi, § 77 BetrVG Rn. 49; Temming, RdA 2008, 205, 216.
111 Vgl. Hohenstatt/Willemsen, in: Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.), Arbeitsrecht Kommentar5, 2012, § 112 BetrVG Rn. 57; Wölfel, (Fn. 3), S. 303; Preis/Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar4, 2009, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 56; Temming, RdA 2008, 205, 216.
112 Däubler, in: DKKW (Fn. 14), §§ 112, 112a BetrVG Rn. 112; Fitting, in: Fitting (Fn. 20), §§ 112, 112a BetrVG Rn. 173; Jacobs/Malorny, 557, 562; Hohenstatt/Willemsen, in HWK (Fn. 111), § 112 BetrVG Rn. 57; Wölfel (Fn. 3), S. 304; Preis/Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar4, 2009, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 56. Unter Umständen erhöht sich dadurch nachträglich das Volumen des Sozialplans erheblich; vgl. BAG, NZA 2004, 559, 561; Jacobs/Malorny, NZA 2018, 558, 563; Hohenstatt/Willemsen, in: HWK (Fn. 111), § 112 BetrVG Rn. 57. Das BAG weist deshalb auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB hin; BAG, NZA 2004, 559, 561; überzeugende a.A. Jacobs/Malorny, NZA 2018, 558, 562 f.