Der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)

Sebastian Schwarz*

A. Hintergrund und Fragestellung

Gemeinsam mit dem Bundesklimaschutzgesetz (KSG) verabschiedete der Bundestag im Winter des vergangenen Jahres das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG).1 Durch dieses wird ein nationales Emissionshandelssystem (nEHS) in den Bereichen Verkehr und Wärme geschaffen. Die Meinungen zu dem Paket reichten von der Einschätzung als „entscheidende[m] Schritt auf dem Weg, Klimaschutz konsequent umzusetzen“2 bis hin zur Bezeichnung des Emissionshandels als „Krücke“3 und „Ablasshandel“.4 Gegenstand dieser Untersuchung ist die Frage, ob das BEHG in der Lage sein wird, effektiven und sozialverträglichen Klimaschutz nach finanzverfassungsrechtlichen und internationalen Vorgaben zu leisten.

B. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)

I. Verortung im System des europäischen Klimaschutzes

1. Das europäische Sektorenmodell

Das BEHG gliedert sich in die „Drei-Säulen-Strategie“5 der EU zur Senkung von Treibhausgasemissionen ein: Die erste Säule dieser Strategie umfasst den Elektrizitäts- und Energiesektor, die Industrie und Teile des Luftverkehrs. Diese Sektoren, die ca. 45 % der europaweiten Emissionen verursachen,6 nehmen am europäischen Emissionshandel, dem EU Emissions Trading System (EU-ETS) teil, der 2003 durch die Emissionshandels-RL7 geschaffen und in Deutschland durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) umgesetzt wurde. Durch den EU-ETS sollen die Emissionen in den genannten Sektoren bis 2030 um 43 % gegenüber dem Jahr 2005 gesenkt werden.8 Die zweite Säule bilden vor allem die Sektoren Haushalte und Verkehr. Im Rahmen dieser Säule schafft das BEHG ein nEHS für Emissionen aus der Verbrennung von Heiz- und Kraftstoffen. Die dritte Säule umfasst die Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft. Hier gilt die „no-debit“-Regel, es soll also ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgasemissionen und Emissionsabbau geschaffen werden.9

2. Europarechtliche Vorgaben für das BEHG

Die beiden wichtigsten Sektoren der zweiten Säule sind der Verkehr und die Haushalte, in denen wiederum die Beheizung von Gebäuden den Großteil der Emissionen verursacht.10 In diesen Bereichen bleibt die Auswahl der konkreten Maßnahmen den Mitgliedsstaaten überlassen,11 das EU-Recht gibt mit der Lastenteilungs-VO12 jedoch verbindliche nationale Reduktionsziele vor.13 Hiernach muss Deutschland seine Emissionen in diesen Sektoren bis 2030 linear um 38 % gegenüber dem Jahr 2005 senken.14 Entlang dieses linearen Minderungspfads setzt die Kommission jährlich gemäß Art. 4 III der Lastenteilungs-VO die zulässige Menge nationaler Emissionen fest. Art. 9 I statuiert die Pflicht zur strikten Einhaltung dieser Mengen. Überschüsse können nur begrenzt durch die in Art. 5 aufgeführten Möglichkeiten ausgeglichen werden, etwa durch Banking und Borrowing15 oder den Ankauf von Emissionskontingenten anderer Staaten, der wiederum hohe Kosten mit sich bringt. Durch diese Möglichkeit des Handels von Emissionsmengen entsteht auch zwischen den Mitgliedsstaaten der EU ein System, das einem Zertifikatshandel gleicht.16 Das BEHG muss sich vor allem daran messen lassen, ob es sicherstellt, dass die Vorgaben der Lastenteilungs-VO eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, sähe sich Deutschland im schlimmsten Fall einem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission ausgesetzt.17


* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 BGBl. I 2019, 2728.

2 Jung (CDU/CSU-Fraktion), Plenarprotokoll 19/128, S. 16050.

3 Sitta (FDP-Fraktion), Plenarprotokoll 19/128, S. 16042.

4 Bleck (AfD-Fraktion), Plenarprotokoll 19/128, S. 16047.

5 Kreuter-Kirchhof, ZUR 2019, 396, 397.

6 Infosheet “The EU Emissions Trading System (EU ETS)”, S. 1.

7 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. EU Nr. L 275, S. 32.

8 Erwägungsgrund (2) der Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.03.2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814, ABl. EU Nr. L 76, S. 3.

9 Kommissionsbericht vom 07.11.2017, COM (2017) 646 final, S. 17.

10 Den anderen Sektor bilden die landwirtschaftlichen Abfälle.

11 Das Europarecht steht auch einem nationalen Emissionshandel nicht entgegen, s. Erwägungsgrund (23) der Emissionshandels-RL (Fn. 7); so auch Rodi/Antoni/Borger/Kalis/Schäfer-Stradowsky/Seliger, Verfassungs­mäßigkeit des Entwurfs zum Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG-E), 2019, S. 10.

12 Verordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.05.2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013, ABl. EU Nr. L 156, S. 26. Genauso geläufig ist die Bezeichnung als Klimaschutz-VO, s. etwa § 2 Nr. 4 KSG.

13 Kreuter-Kirchhof, ZUR 2019, 396, 398; Gesetzentwurf KSG, BT-Drs. 19/14337, S. 17.

14 Art. 4 I iVm Anhang I der Verordnung (EU) 2018/842 (Fn. 12).

15 S. hierzu Edenhofer/Flachsland/Kalkuhl/Knopf/Pahle, Optionen für eine CO2-Preisreform, 2019, S. 42.

16 Klinski et. al., NVwZ 2020, 1, 2.

17 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 42;

Feld/Schmidt/Schnabel/Truger/Wieland, Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik, 2019, S. 13, 31 f.

Schwarz, Der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), BLJ 2/2020, 89-9690

Die Governance-VO18 bildet den Kern des sogenannten Winterpakets „Saubere Energie für alle Europäer“ aus dem Jahr 2018.19 Bei der Governance-VO handelt es sich um einen Umbrella-Rechtsakt, der einen einheitlichen Rahmen für die Energie- und Klimaschutzpolitiken der EU schaffen soll.20 Zentrale Pflicht der Mitgliedstaaten ist es, Integrierte nationale Energie- und Klimaschutzpläne zu erstellen und bei der Kommission einzureichen.21 Diese beschreiben die nationalen Klimaschutzziele, Politiken und Maßnahmen, insbesondere in Hinblick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien.22 Alle zwei Jahre berichten die Mitgliedsstaaten bei der Kommission über die Durchführung der Klimaschutzpläne. Diese spricht unverbindliche Empfehlungen aus und schlägt bei EU-weit unzureichenden Fortschritten neue Unionsrechtsakte vor. Die Governance-VO etabliert somit in erster Linie ein Monitoringsystem, das die Mitgliedstaaten bei der Erreichung ihrer nationalen Ziele unterstützt.23 Auf nationaler Ebene wurde mit § 10 KSG ein ähnliches Berichtssystem geschaffen, wobei der genaue Zusammenhang zwischen nationalen und europarechtlich geforderten Berichten noch unklar ist.24

Durch diese Instrumente stellt die EU sicher, dass sie die Minderungsziele und Berichtspflichten erfüllt, die sie sich bei ihrem Beitritt zum Pariser Abkommen gesetzt hat (Senkung der Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber 1990 bis 2030).25 Das EU-Recht wirkt auf diese Weise wie ein „Katalysator der Rechtsverbindlichkeit“26 für die Regeln des Pariser Abkommens in den Mitgliedsstaaten.

II. Die Funktionsweise des nEHS nach dem BEHG

1. Grundmodell

Bei dem durch das BEHG geschaffenen System handelt sich um einen Emissionshandel nach dem cap and trade-System. Durch eine absolute Mengenbegrenzung der Emissionen in Verbindung mit der Pflicht, Zertifikate für die Nutzung der Luft zu erwerben, soll ein Preis auf CO2 geschaffen werden.27 Umfasst sind nach § 2 I BEHG fossile Treibhausgasemissionen,28 die durch die Verbrennung der in Anlage 1 zum BEHG genannten Brennstoffe verursacht werden, darunter etwa Benzin und Erdgas, Heizöle und Kohle.29 Nach § 4 I, II BEHG legt die Bundesregierung pro Kalenderjahr die nicht zu überschreitende „jährliche Emissionsmenge“ fest, die der Höchstanzahl an Zertifikaten entspricht (cap). Sie ist so zu wählen, dass gewährleistet ist, dass die Emissionszuweisungen der Kommission an Deutschland nach Art. 4 III der Lastenteilungs-VO nicht überschritten werden. Durch das BEHG kann also theoretisch sichergestellt werden, dass Deutschland seine europarechtlichen Emissionsziele punktgenau erreicht.30

Die festgelegte Menge an Zertifikaten wird nach §§ 10 I, 13 I BEHG durch das Umweltbundesamt als zuständige Behörde versteigert.31 Die Zertifikate sind jedoch frei übertragbar, § 9 II BEHG, und können somit gehandelt werden (trade). Die „Verantwortlichen“ (§ 3 Nr. 3 BEHG) im nEHS sind nicht die letztendlichen Emittenten, sondern die Unternehmen, die Heiz- und Kraftstoffe in den Verkehr bringen. Es handelt sich somit um einen Upstream-ETS. Rechtstechnisch wird dies dadurch bewerkstelligt, dass die Pflicht zum Erwerb der Zertifikate an das Entstehen der Energiesteuer anknüpft, § 2 II BEHG. Betroffen sind in Deutschland rund 4050 Unternehmen.32

Hier liegt ein Unterschied zum EU-ETS, bei dem nach dem Verursacherprinzip die direkten Emittenten, also die Betreiber von Kraftwerken und Industrieanlagen, Zertifikate erwerben müssen.33 Laut dem Gesetzentwurf zum BEHG soll durch die Verzahnung mit dem Energiesteuergesetz der Verwaltungsaufwand durch den nEHS minimiert werden.34 Praktisch wäre eine Einbeziehung aller Emittenten, also aller Autofahrer und Wohnraumnutzer, wohl auch mit erheblichen Aufwand verbunden,35 ein Upstream-Ansatz vermeidet diese Probleme.

Die verantwortlichen Unternehmen haben die Pflicht, zuvor erworbene Zertifikate entsprechend der Menge an Emissionen an das Umweltbundesamt abzugeben, die ihnen aufgrund des Inverkehrbringens der Brennstoffe zuzurechnen ist, §§ 8 I, 7 I BEHG. Ob die Emissionen tatsächlich durch Nutzung der Brennstoffe angefallen sind, ist unerheblich.36 Dies ist einerseits konsequent, andererseits aber wohl auch darauf zurückzuführen, dass eine Kontrolle praktisch unmöglich wäre. Durch den Upstream-Ansatz kann es zwar zu Doppelerfassungen von Emissionen durch das nEHS und den EU-ETS kommen. Das Problem wird jedoch dadurch entschärft, dass die durch den EU-ETS erfassten Emissionen


18 Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 663/2009 und (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 94/22/EG, 98/70/EG, 2009/31/EG, 2009/73/EG, 2010/31/EU, 2012/27/EU und 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2009/119/EG und (EU) 2015/652 des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 328, S. 1.

19 S. dazu Pause, ZUR 2019, 387.

20 Schlacke/Knodt, ZUR 2019, 404 f.; Pause, ZUR 2019, 387, 389.

21 Art. 3 I der Verordnung (EU) 2018/1999 (Fn. 18).

22 Kreuter-Kirchhof, ZUR 2019, 396, 401 f.; Schlacke/Knodt, ZUR 2019, 404, 407.

23 Schlacke/Knodt, ZUR 2019, 404, 406; Pause, ZUR 2019, 387, 389.

24 Franzius, EnWZ 2019, 435, 436 f.; Schlacke/Knodt, ZUR 2019, 404, 409.

25 Submission by Latvia and the European Commission on behalf of the European Union and its member states, 2015, S. 1; Pause, ZUR 2019, 387, 389, Kreuter-Kirchhof, EuZW 2017, 829, 830 ff.

26 Saurer, NVwZ 2017, 1574, 1577.

27 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 2.

28 Praktisch verursachen die umfassten Brennstoffe nur CO2-Emissionen. Ca. 88 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland sind CO2-Emissionen, s. Feld et al. (Fn. 17), S. 9.

29 § 2 I iVm Anlage 1 BEHG iVm Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif, ABl. EG Nr. L 256, S. 1.

30 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 38; Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 42.

31 Innerhalb des Umweltbundesamtes ist die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) zuständig, die auch schon den EU-ETS in Deutschland administriert. Dadurch soll auf die Vollzugerfahrung der DEHSt aufgebaut werden, s. Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 46 f.

32 Zenke/Telschow, EnWZ 2020, 157, Matthes, Ein Emissionshandels\-system für die nicht vom EU ETS erfassten Bereiche: Praktische Umsetzungsthemen und zeitliche Erfordernisse, 2019, S. 19 f.

33 Kreuter-Kirchhof, EuZW 2017, 412, 413, 418.

34 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 37.

35 CO2 Abgabe e.V., Grundlegende Varianten einer CO2-Bepreisung im Vergleich, 2019, S. 18 f.

36 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 33.

Schwarz, Der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), BLJ 2/2020, 89-9691

gemäß § 4 III BEHG nicht zur jährlichen Emissionsmenge gerechnet werden und die Verantwortlichen bei Lieferungen an EU-ETS-Anlagen hierfür keine Zertifikate abgeben müssen, § 7 V BEHG. Kommt ein Verantwortlicher seiner Abgabepflicht nicht nach, wird gemäß § 21 BEHG von Amts wegen eine Zahlungspflicht festgesetzt.

Insgesamt ist festzuhalten, dass das Grundsystem des BEHG relativ einfach ausgestaltet ist. Zwar entsteht bei Erstellung des Überwachungsplans ein gewisser Verwaltungsaufwand bei den betroffenen Unternehmen (s. dazu unten), jedoch wird dieser durch ein frühes Ansetzen in der Lieferkette noch möglichst gering gehalten. Durch das Anknüpfen der cap an die EU-Vorgaben kann außerdem theoretisch sichergestellt werden, dass Deutschland seine Emissionsziele punktgenau erreicht.

2. Modifikationen während der Einführungsphase

Dieses Grundmodell gilt jedoch erst ab 2027. Während der Einführungsphase von 2021-2025 werden die Zertifikate gemäß § 10 II BEHG zu Festpreisen abgegeben. Nach derzeitigem Stand liegt der Einstiegspreis im Jahr 2021 bei 10 € pro Zertifikat, das zum Ausstoß von einer Tonne CO2 berechtigt, und steigt bis auf 35 € im Jahr 2025 an. Eine Anhebung der Preise ist jedoch bereits in Planung.37 Im Jahr 2026 sollen die Zertifikate grundsätzlich versteigert werden, es gelten jedoch ein Mindest- und Höchstpreis von 35 € und 60 €. Die Festpreise, die Unsicherheiten bezüglich des CO2-Preises vermeiden sollen, sind nach Ansicht des Gesetzgebers ein „zentrales Ausgestaltungsmerkmal“ des BEHG.38

Hier liegt ein bedeutender Unterschied zum EU-ETS: In diesem wurden die Zertifikate anfangs größtenteils kostenlos zugeteilt, zudem gab es ein Überangebot an Zertifikaten. Die Folge war ein Preisverfall auf phasenweise unter 3 € pro Tonne CO2 und eine geringe Wirkung des EU-ETS in Form von CO2-Einsparungen.39 Daher ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber einem solchen Preisverfall vorbeugte. Auch von Experten war die Einführung eines Preiskorridors zur Vermeidung starker Preisunsicherheiten empfohlen worden.40 Andererseits wurde mit dem Festpreis auch die Garantie verbunden, unbegrenzt Zertifikate zu diesem auszugeben, auch über die jährliche Emissionsmenge nach § 4 I BEHG hinaus, vgl. § 10 I BEHG. Der Gesetzentwurf selbst stellt fest, dass die EU-Vorgaben so nicht immer eingehalten werden können,41 daher verweist § 5 I BEHG für die Einführungsphase auf die Flexibilisierungsmöglichkeiten nach Art. 5 der Lastenteilungs-VO. Dieses System während der Einführungsphase mindert die Effektivität des Klimaschutzes erheblich und führt zu verfassungsrechtlichen Bedenken, vor allem finanzverfassungsrechtlicher Art.

III. Verfassungsmäßigkeit des BEHG

1. Finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Emissionshandels

§ 10 I BEHG statuiert die Pflicht der Verantwortlichen, Emissionszertifikate vom Staat entgeltlich zu erwerben. Bei den hierbei anfallenden Zahlungen könnte es sich um Abgaben, also hoheitliche Geldtransfers von Privaten auf den Staat,42 oder Fiskalgeschäfte handeln. Da die Versteigerung von Emissionszertifikaten kein Fiskalgeschäft ist,43 bestimmt sich die Zulässigkeit der Erlöserzielung hieraus nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes, egal, ob man die Erlöse als echte Abgaben betrachtet oder sie wegen ihrer Wirkung nur wie solche behandelt.44

Der Begriff der Abgaben umfasst Steuern und die nichtsteuerliche Abgaben, wobei die Staatsfinanzierung durch Steuern den vom Grundgesetz vorgesehenen Regelfall darstellt (Prinzip des Steuerstaates).45 Für die nichtsteuerlichen Abgaben gibt das Grundgesetz zwar keinen abschließenden Katalog vor, trotzdem werden sie meist anhand ihrer typischen Merkmale kategorisiert.46 Die wichtigsten nichtsteuerlichen Abgaben sind etwa Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben. Im Gegensatz zu Steuern bedürfen nichtsteuerliche Abgaben aufgrund der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Auch müssen sie der Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen (Art. 3 I GG) Rechnung tragen und den Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans beachten.47 Bei der Einordnung einer Abgabe kommt es nicht auf ihre Bezeichnung, sondern vielmehr auf ihren materiellen Gehalt und die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes an.48

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich bei den Erlösen aus dem nEHS um nichtsteuerliche Abgaben handelt.49 Für den EU-ETS bestätigte das BVerfG diese Auffassung:50 Da die Verantwortlichen im Gegenzug für ihre Zahlung Zertifikate erhielten, könne es sich bei deren Zahlungen nicht um Steuern handeln, die sich dadurch auszeichneten, dass sie voraussetzungslos, also ohne Gegenleistung des Staats erhoben würden.51

Dementsprechend haben BVerwG und BVerfG die Zulässigkeit der Erlöserzielung durch Zertifikatsversteigerungen


37 Art. 1 Nr. 2 des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des BEHG.

38 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 43.

39 Kreuter-Kirchhof, EuZW 2017, 412, 414; Hartmann, NVwZ 2016, 189, 190.

40 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 48.

41 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 39.

42 Siekmann in: Sachs, Grundgesetz8, 2018, Vor Abschnitt X, Rn. 67, Heintzen in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz6, 2012, Art. 105 GG, Rn. 10.

43 Beim Fiskalgeschäft wird der Staat nicht in Erfüllung öffentlicher Aufgaben, sondern formell und materiell als Privatrechtssubjekt tätig, Sodan in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung5, 2018, § 40 VwGO, Rn. 355; beim Zertifikatsverkauf gibt es jedoch eine „faktische Zwangswirkung“, s. Frenz, DVBl 2007, 1385.

44 BVerfG, NVwZ 2018, 972, 974; BVerwG, NVwZ 2013, 587, 588; Frenz, DVBl 2007, 1385 f.

45 So die hM, s. BVerfG, NVwZ 1996, 469, 470; Pieroth in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland13, 2014, Art. 105 GG, Rn. 2.

46 Seiler in: Maunz/Dürig, Grundgesetz90, 2020, Art. 105 GG, Rn. 80; Pieroth in: Jarass/Pieroth (Fn. 45), Art. 105 GG, Rn. 25.

47 BVerwG, NVwZ 2013, 587 f.; Kube in: Beck´scher Online-Kommentar GG43, 2020, Art. 105 GG, Rn. 10 ff.

48 BVerfG, NJW 2017, 2249, 2255 m.w.N.; Siekmann in: Sachs (Fn. 42), Vor Abschnitt X, Rn. 67.

49 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 44.

50 BVerfG, NVwZ 2018, 972, 974.

51 Zum Steuerbegriff BVerfG, NJW 2017, 2249, 2254; Seiler in: Maunz/Dürig (Fn. 46), Art. 95 GG, Rn. 36 f.

Schwarz, Der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), BLJ 2/2020, 89-9692

an den Maßstäben einer nichtsteuerlichen Abgabe in Form einer Vorteilsabschöpfungsabgabe im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung geprüft und bestätigt.52 Damit knüpfen die Gerichte an die „Wasserpfennig“-Entscheidung des BVerfG an: In dieser entschied das BVerfG, dass der Gedanke der Vorteilsabschöpfung eine besondere sachliche Legitimation für Abgaben darstelle. Eine Abgabe für die Nutzung einer natürlichen Ressource sei sachlich gerechtfertigt, wenn es sich um ein knappes Gutes der Allgemeinheit handele, das einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung unterliege. Dann stelle die Nutzung des Gutes einen Sondervorteil dar, der ganz oder teilweise abgeschöpft werden dürfe, um die Belastungsgleichheit mit denjenigen, die nicht in den Genuss des Sondervorteils kommen, wiederherzustellen.53 Diese Rechtsprechung lässt sich laut BVerwG und BVerfG auf den EU-ETS übertragen: Nicht die Luft selbst, aber ihr Verschmutzungsgrad sei eine knappe natürliche Ressource. Diese unterliege durch den Emissionshandel einer öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftungsordnung. Eine solche liege nicht nur bei einer Kontingentierung der Nutzung durch Ordnungsrecht vor, sondern auch, wenn die Nutzungsmöglichkeit an die Zahlung von Entgelten geknüpft werde. Als wichtige Voraussetzung wurde allerdings betont, dass die Anzahl an verfügbaren Zertifikaten insgesamt begrenzt sein müsse, da nur dann eine mengenmäßige Begrenzung des Gutes eintrete, wegen welcher die Nutzung einen Sondervorteil darstelle.54

Diese Rechtsprechung dürfte auch auf das Grundmodell des nEHS nach dem BEHG übertragbar sein, dessen grundsätzliche Funktionsweise der des EU-ETS entspricht.55 Die Ressource der sauberen Luft wird verknappt und einer Bewirtschaftungsordnung unterzogen. Nicht ausreichend diskutiert ist bislang, ob der entsprechende Sondervorteil schon in der Berechtigung zum Verkauf von Brennstoffen gesehen werden kann, die dann später durch Dritte verbrannt werden, wodurch die Luft verschmutzt wird. Der Gesetzgeber spricht insoweit davon, dass diese Luftverschmutzung den Verantwortlichen „zuzurechnen“ sei.56

2. Problematik beim BEHG

a) Zulässigkeit der Festentgelte als Vorteilsabschöpfungsabgaben

Problematisch ist beim BEHG jedoch die Einführungsphase, in der eine potentiell über die jährliche Emissionsmenge hinausgehende Anzahl an Zertifikaten verkauft wird. Denn nach dem BVerfG ist die entscheidende Voraussetzung für das Entstehen eines abschöpfbaren Sondervorteils das Vorliegen einer Knappheitssituation. Nur wenn ein Gut zunächst verknappt und dann öffentlich-rechtlich bewirtschaftet werde, entstehe einem Unternehmen ein Sondervorteil dadurch, dass der Staat die Nutzung erlaube.57 Man kann jedoch daran zweifeln, ob in den Jahren 2021-2025 eine solche Knappheitssituation besteht: Denn nach § 10 I BEHG wird nicht nur die nach § 4 BEHG festgelegte jährliche Emissionsmenge veräußert, sondern auch „der zusätzliche Bedarf, der sich in der Einführungsphase […] ergeben kann“. Das heißt, dass zwar auch in der Einführungsphase ein Budget festgelegt wird, dieses aber überschritten werden kann, wenn eine hohe Nachfrage nach Zertifikaten es gebietet. Eine solche Überschreitung der jährlichen Emissionsmenge ist zwar eigentlich nur in den engen Grenzen des § 5 BEHG, der Art. 5 der Lastenteilungs-VO umsetzt, möglich. Daher könnte man annehmen, dass die Mengenbegrenzung dort liege, wo sowohl die jährliche Emissionsmenge nach

§ 4 BEHG als auch die Flexibilisierungsmöglichkeiten nach

§ 5 BEHG ausgeschöpft werden. Die ausdrückliche Regelung einer solchen cap für die Jahre 2021-2025 fehlt im BEHG jedoch.58 Auch die Gesetzgebungshistorie spricht gegen die Annahme einer Obergrenze in der Einführungsphase.59 Ohne eine klare Limitierung der verfügbaren Zertifikate handelt es sich bei der reinen Luft aber nicht um ein knappes Gut. Die Unternehmen erlangen durch ihre Nutzung keinen Sondervorteil. Ohne einen solchen Sondervorteil ist jedoch auch die Vorteilsabschöpfung durch eine nichtsteuerliche Abgabe unzulässig.

Die gleiche Problematik ergibt sich für das Jahr 2026, wenn die Zertifikate erstmals versteigert werden. Es ist nicht ausdrücklich geregelt, was passiert, wenn der Höchstpreis von 60 € bei den Versteigerungen erreicht wird. Da das Jahr 2026 aber gemäß § 10 II BEHG noch zur Einführungsphase zählt, ist davon auszugehen, dass es sich um eine „harte Preisobergrenze“60 handelt, bei deren Überschreitung zusätzliche Zertifikate ausgegeben würden. Damit stellt sich das gleiche Problem wie während der Jahre 2021-2025.

b) Sonstige Zulässigkeit der Festentgelte?

Denkbar wäre nun wegen ihrer steuergleichen Wirkung eine Umdeutung der Erlöse als eine Steuer auf CO2. Dies kommt jedoch erstens wegen benannter Rechtsprechung des BVerfG nicht in Betracht, nach der die erworbenen Zertifikate eine Gegenleistung darstellen und die Entgelte damit nicht voraussetzungslos entrichtet werden müssen. Zweitens wäre eine Umdeutung wegen der Formenstrenge der Finanzverfassung wohl nicht zulässig.61 Drittens wäre eine direkte CO2-Steuer finanzverfassungsrechtlich auch nicht zulässig (dazu C.I.). Auch die Einordnung als Sonderabgabe ist mit der geplanten Mittelverwendung wohl nicht möglich.62


52 BVerfG, NVwZ 2018, 972, 974 f.; BVerwG, NVwZ 2013, 587, 588.

53 BVerfG, NVwZ 1996, 469, 471; Jachmann-Michel/Vogel in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz7, 2018, Art. 105 GG, Rn. 17.

54 BVerfG, NVwZ 2018, 972, 974 f.; BVerwG, NVwZ 2013, 587; 588.

55 Müller/Kahl, Zur verfassungsrechtlichen Einordnung des Brennstoffemissionshandelsgesetztes, 2019, S. 18; Rodi et al. (Fn. 11), S. 13.

56 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 39 f., 42.

57 BVerfG, NVwZ 2018, 972, 975; Müller/Kahl (Fn. 55), S. 3 ff.

58 Rodi et al. (Fn. 11), S. 9.

59 Müller/Kahl (Fn. 55), S. 7 ff.

60 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 72 f.

61 Rodi et al. (Fn. 11), S. 14; s. auch Heun in: Dreier, Grundgesetz3, 2018, Art. 105 GG, Rn. 10, 18.

62 Sonderabgaben müssen „gruppennützig“ verwendet werden, die Einnahmen aus dem nEHS müssten also wieder den Verantwortlichen zugutekommen, s. Jachmann-Michel/Vogel in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 53), Art. 105 GG, Rn. 19; Müller/Kahl (Fn. 55), S. 14 f.; für den Klimaschutz als gruppennützige Verwendung Frenz, DVBl 2007, 1385, 1390.

Schwarz, Der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), BLJ 2/2020, 89-9693

c) Zulässigkeit als Übergangsregelung?

Zuletzt wäre daran zu denken, die Einführungsphase als Übergangsregelung anzusehen.63 Solche Übergangsregelungen können verfassungsrechtlich geboten sein, um die Eingriffe in Grundrechte abzumildern. Hiergegen spricht jedoch die sehr lange Einführungsphase von sechs Jahren, die wohl zu lang ist, um darin eine reine Übergangsvorschrift zu sehen,64 gerade wenn man bedenkt, dass dem Gesetzgeber mit einem reinen Emissionshandel eine von Anfang an verfassungskonforme Lösung zur Verfügung gestanden hätte.

d) Zwischenergebnis

Es ist bislang unklar, ob das BEHG finanzverfassungsrechtlich zulässig ist. Die Rechtsprechung zum EU-ETS dürfte grundsätzlich, nicht jedoch während der Einführungsphase übertragbar sein. Allerdings steht es dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG wie erwähnt frei, in Ausübung seiner Kompetenzen nach Art. 70 ff. GG neue Abgabenarten zu schaffen.65 Es besteht daher zumindest die Chance, dass die Festentgelte als Abgaben sui generis verfassungsmäßig sind.

IV. Ökonomische Wirkung und Eignung zum Klimaschutz

Sollte das BEHG in seiner jetzigen Form Bestand haben, ist zu fragen, ob es effektiven Klimaschutz zu leisten vermag. Teilweise wird kritisiert, das BEHG erreiche keine Minderungen bis 2025, sondern verspreche Klimaschutz ab 2026.66 Andere sehen ein nEHS als völlig ungeeignet67 oder zumindest nicht ausreichend68 zur Erreichung der klimaschutzpolitischen Ziele insbesondere aus der Lastenteilungs-VO. Diese bildet insoweit den Maßstab für die Effektivität des nEHS. Ohne eine CO2-Bepreisung würde Deutschland seine Ziele mit allergrößter Wahrscheinlichkeit verfehlen.69 In der Vergangenheit war festzustellen, dass in den Bereichen Verkehr und Wärme, die für 18 % bzw. 14 % der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, kaum Minderungen erzielt werden konnten. Das liegt daran, dass die Kosten für die Vermeidung von Emissionen in diesen Sektoren höher als etwa bei der Energieerzeugung sind.70

Ob das BEHG dies zu ändern vermag, wird vom Verbraucherverhalten abhängen: Zwar handelt es sich bei dem nEHS um einen Upstream-ETS, bei dem die Inverkehrbringer von Brennstoffen dazu verpflichtet sind, Zertifikate zu erwerben, doch können sie die Kosten hierfür entlang der Lieferkette überwälzen. Schlussendlich werden die Auswirkungen bei den Heiz- und Benzinkosten für Verbraucher und Industriezweige zu spüren sein, die diese Kosten aus Wettbewerbsgründen nicht mehr auf ihre Käufer umlegen können.71 Durch die Schaffung eines Preises auf CO2 bleibt den Verbrauchern zwar die Freiheit, einen gewissen Lebensstil zu wählen, die verursachergerechten Preise schaffen aber einen Anreiz zu umweltfreundlicherem Verhalten.72 Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen dürften bei den nun gewählten Preisen zu vernachlässigen sein, insbesondere droht kein signifikanter Rückgang des Wachstums des Bruttoinlandprodukts. Im Gegenteil könnten Investitionen in innovative Technologien gestärkt werden.73

Wenn das nEHS 2021 wie aktuell geplant74 mit einem Zertifikatspreis von 25 € pro Tonne CO2 anläuft, wird der Preis für Benzin voraussichtlich um ca. 7 Cent/Liter, für Diesel und Heizöl um ca. 7,9 Cent/Liter ansteigen. 2025, wenn der Preis für eine Tonne CO2 55 € betragen wird, wird Benzin ca. 15,5 Cent/Liter mehr kosten als heute, Diesel und Heizöl etwa 17,3 Cent/Liter mehr.75

Fraglich ist, ob diese Preissteigerungen ausreichen, um bis 2030 die nötige Menge an Emissionen einzusparen: Klar ist, dass die jährliche Emissionsmenge ab 2027 den Vorgaben der Lastenteilungs-VO entsprechen wird. Damit deren Gesamtziel bis 2030 erreicht werden kann, müssen aber schon vor 2027 Einsparungen erfolgen. Ist dies nicht der Fall, werden im Jahr 2027 plötzlich erhebliche Einsparungen nötig sein, die einen signifikanten Preisanstieg verursachen würden.76 Welche Emissionsmengen durch die Festpreise auf CO2 eingespart werden, hängt insbesondere von der Preiselastizität ab, also die Veränderung der Nachfragemenge nach einem Gut, wenn eine Preisänderung bei diesem Gut um ein Prozent nach oben oder unten eintritt.77 Ist neben der Verteuerung bestimmter Güter auch deren Preiselastizität bekannt, kann abgeschätzt werden, um wie viel die Nachfrage nach dem betreffenden Gut und damit die CO2-Emissionen sinken werden.78 Bei Annahme mittlerer Preiselastizität und einem wirtschaftlichen Standardszenario kam eine Expertise zu dem Ergebnis, dass die deutschen Minderungsziele bei einem Einstiegspreis von 50 €/tCO2 mit einem jährlichen Anstieg um 10 % bis auf 130 €/tCO2 im Jahr 2030 erreicht würden.79 Eine andere Studie kommt unter Annahme etwas geringerer Preiselastizitäten zu dem Ergebnis, dass ein Einstiegspreis von 35 €/tCO2 und eine lineare Steigerung bis auf 180 €/tCO2 im Jahr 2030 nötig seien,80 wieder andere Studien sahen Einstiegspreise von 30 € bis hin zu 125 € vor.81

Selbst die bereits erhöhten Preise liegen somit unter den


63 S. etwa Antwort der BReg auf kleine Anfrage zum BEHG, BT-Drs. 19/16071, S. 3.

64 Müller/Kahl (Fn. 55), S. 10; Rodi et al. (Fn. 11), S. 15 f.

65 BVerfG, NVwZ 2005, 1171, 1172; krit. hierzu Heun in: Dreier (Fn. 61), Art. 105 GG, Rn. 24.

66 Franzius, EnWZ 2019, 435, 440.

67 CO2 Abgabe e.V., Positionspapier zum nationalen Emissionshandel, 2019, S. 4.

68 DIW, Für eine sozialverträgliche CO2-Bepreisung, 2019, S. 33 f.

69 Feld et al. (Fn. 17), S. 31 f.; Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 42.

70 Feld et al. (Fn. 17), S. 33, 46, 69 f.

71 Antwort der BReg auf kleine Anfrage zum BEHG, BT-Drs. 19/16071, S. 2; Zenke/Telschow, EnWZ 2020, 157, 160; CO2 Abgabe e.V., Positionspapier nEHS (Fn. 67), S. 4.

72 Zerzawy/Fiedler, Ein Preis für CO2, 2019, S. 4.

73 S. hierzu ausführlich Feld et al. (Fn. 17), S. 102 ff.

74 Art. 1 Nr. 2 des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des BEHG.

75 Vgl. die Zahlen bei Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 67; DIW (Fn. 68), S. 5.

76 Edenhofer et al., Bewertung des Klimapakets und nächste Schritte, 2019, S. 4 f.; CO2 Abgabe e.V., Stellungnahme Brennstoffemissionshandels\-gesetz BEHG, 2019, S. 1.

77 Bundeszentrale für politische Bildung, Preiselastizität.

78 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 64; DIW (Fn. 68), S. 28 f.

79 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 74.

80 DIW (Fn. 68) S. 1.

81 Überblick bei Zerzawy/Fiedler (Fn. 72), S. 13.

Schwarz, Der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), BLJ 2/2020, 89-9694

Empfehlungen der Experten. Es ist daher zu befürchten, dass das BEHG seine Minderungsziele nicht erreichen wird.82 Hoffnung macht nur der Umstand, dass der Klimaschutz in Deutschland derzeit eine prominente Rolle einnimmt.83 Das BEHG greift diesen Trend auf und schafft einen glaubwürdigen CO2-Preis. Dieser mag zwar zu niedrig sein, er sendet jedoch das eindeutige Signal, dass fossile Energieträger nicht zukunftsfähig sind.84 Studien stellen fest, dass die Nachfrage langfristig deutlich elastischer reagiert als kurzfristig,85 weil beispielsweise Autofahrer kurzfristig nur bedingt auf Fahrten verzichten können, bei der Anschaffung eines neuen Autos jedoch sehr wohl die künftigen Kraftstoffpreise bedenken. Insoweit könnten sich Synergieeffekte mit dem jüngst beschlossenen Konjunkturpaket der Bundesregierung ergeben, das eine zusätzliche Förderung von Elektroautos und höhere Kfz-Steuern auf emissionsintensive PKW vorsieht.86 Auch fallen die Reaktionen auf eine Preiserhöhung stärker aus, wenn diese durch politische Maßnahmen bedingt ist.87 Diese Faktoren könnten dazu führen, dass die Verbraucher wegen der geringen, aber doch merklichen Verteuerung klimaschädlicher Güter auf diese verzichten. Schlussendlich wird der Erfolg des nEHS wegen der Schwächen in der Ausgestaltung entscheidend von der Reaktion der Bevölkerung abhängen.

C. Mögliche Alternativen

Würde das BEHG tatsächlich für verfassungswidrig erklärt, stellte sich die Frage, wie ein CO2-Preis verfassungs- und europarechtskonform ausgestaltet werden könnte. In Betracht kommen die Schaffung einer echten Steuer oder die Einbindung der Sektoren Wärme und Verkehr in den europäischen Emissionshandel.

I. CO2-Steuer

Vor Verabschiedung des BEHG stand meist eine CO2-Steuer im Mittelpunkt der Diskussion um die CO2-Bepreisung. Das Einsparungspotential ist bei Emissionshandel und Steuer wohl äquivalent, der entscheidende Vorteil einer Steuer gegenüber einem Emissionshandel wurde vor allem in der einfacheren Implementierung und Administrierung gesehen.88 Wegen der umfangreichen Überwachungs- und Berichtspflichten im nEHS wird der Erfüllungsaufwand für Unternehmen, also die Kosten zur Einhaltung der gesetzlichen Regelung, auf jährlich ca. 31 Mio. € geschätzt, außerdem entstehen der Verwaltung Kosten in Höhe von ca. 4,5 Mio. € pro Jahr.89 Diese Kosten wären bei einer Reform der bestehenden Energiesteuern wohl niedriger ausgefallen. Einigkeit besteht in der Literatur jedoch dahingehend, dass eine direkte CO2-Besteuerung, bei der die emittierte Menge an CO2 Steuergegenstand wäre, finanzverfassungsrechtlich nicht zulässig wäre. Das liegt daran, dass dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BVerfG kein „Steuererfindungsrecht“ zukommt90 und eine CO2-Steuer keiner der Steuerarten in den Art. 105, 106 GG entspricht, auch nicht der Verbrauchssteuer.91 Möglich wäre es aber wohl, die CO2-Emissionen zur Bemessungsgrundlage der Energiesteuer zu machen: Die Steuer würde dann weiterhin primär an den Verbrauch anknüpfen, die Steuersätze würden jedoch um einen CO2-Zuschlag erhöht werden.92

II. Einbindung in den EU-ETS

Eine andere Option wäre die Einbindung der Sektoren Wärme und Verkehr in den EU-ETS nach Art. 24 der Emissionshandels-RL gewesen.93 Diese Option wäre zwar langfristig die wünschenswerteste, da hierdurch ein einheitlicher CO2-Preis entstände. Dieser würde dazu führen, dass Emissionen dort eingespart werden, wo es am günstigsten ist.94 Kurzfristig wäre diese Option aber mit zu hohen politischen und rechtlichen Risiken verbunden, um als alleinige Strategie zur Einhaltung der Vorgaben aus der Lastenteilungs-VO verfolgt zu werden.95

D. Ausblick: Notwendige Verbesserungen des Emissionshandelssystems

I. Nachbesserungen des BEHG

Ohne Nachbesserungen des BEHG droht Deutschland seine nationalen, europäischen und internationalen Klimaschutzverpflichtungen im KSG, der Lastenteilungs-VO und dem Pariser Abkommen96 zu verfehlen. Daher ist eine Nachbesserung dringend geboten. Theoretisch kämen dazu wie gezeigt auch eine CO2-orientierte Reform der Energiesteuern und die Wiederabschaffung des nEHS in Betracht.

Ein entscheidender Punkt spricht jedoch für das Festhalten am Emissionshandel: Er ist, da er über eine cap die Menge an Emissionen statt „nur“ den Preis steuert, besonders geeignet, wenn die Grenzschäden bei der Überschreitung einer gewissen Emissionsgrenze sehr hoch sind.97 Diese Grenzschäden liegen vor allem in der Verletzung der europarechtlichen Verpflichtungen, die zu hohen Zahlungspflichten für Emissionsausgleichskontingente führen. Dazu kommt der politische Schaden, der zwar nicht genau quantifizierbar, aber jedenfalls erheblich ist. Durch die Etablierung einer festen cap bereits vor 2027 kann sichergestellt werden, dass die vorgeschriebenen Emissionsmengen eingehalten


82 Edenhofer et al., Bewertung Klimapaket (Fn. 76), S. 4 ff.

83 65% der Deutschen machen sich wegen des Klimawandels „große Sorgen“, s. ZDF-Politbarometer vom 29.11.2019.

84 Franzius, EnWZ 2019, 435, 440.

85 DIW (Fn. 55), S. 28.

86 Ergebnis Koalitionsausschuss vom 03.06.2020, „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken, Maßnahme Nr. 35, S. 7 f.

87 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 63; DIW (Fn. 68), S. 28.

88 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 59; Matthes (Fn. 32), S. 53.

89 Gesetzentwurf BEHG, BR-Drs. 533/19, S. 27 ff.

90 BVerfG, NJW 2017, 2249, 2251; Kube in: BeckOK-GG (Fn. 47), Art. 105 GG, Rn. 42.

91 Leisner-Egensperger, NJW 2019, 2218, 2221; Klinski/Keimeyer, NVwZ 2019, 1465, 1469.

92 Leisner-Egensperger, NJW 2019, 2218, 2221; Klinski/Keimeyer, NVwZ 2019, 1465, 1470; Müller/Kahl (Fn. 55), S. 18.

93 S. hierzu Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 49 ff.

94 Feld et al. (Fn. 17), S. 62 f.; CO2 Abgabe e.V., Positionspapier nEHS (Fn. 67), S. 2 f.

95 Matthes (Fn. 32), S. 12; Leisner-Egensperger, NJW 2019, 2218, 2219.

96 Das Minderungsziel der EU (40 % Minderung gegenüber 1990 bis 2030) gilt auch für Deutschland, national ist in § 3 I KSG eine Minderung um 55 % gegenüber 1990 bis 2030 vorgesehen.

97 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 24; CO2 Abgabe e.V., Varianten CO2-Bepreisung (Fn. 35), S. 8.

Schwarz, Der nationale Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), BLJ 2/2020, 89-9695

werden. Dies wäre bei einer CO2-Steuer nicht der Fall. Der Emissionshandel sollte daher beibehalten und konsequenter umgesetzt werden.

Dazu sollte die Einführungsphase verkürzt werden und direkt mit einem Versteigerungssystem mit Preiskorridor starten, um die Zertifikatsversteigerung zu erproben. Während der Einführungsphase könnte zur Vermeidung unbilliger Härten mit einer „weichen cap“ gearbeitet werden, bei Erreichung des Höchstpreises würden also in geringem Maße zusätzliche Zertifikate ausgegeben.98 Dann sollte zügig, etwa nach zwei Jahren, zum Grundmodell des nEHS ohne Preiskorridor übergegangen werden. Dass es dabei zu hohen Preisen kommen kann, muss zur Einhaltung der cap hingenommen werden und ist mit entsprechenden Ausgleichsmodellen (s. D.II.) auch sozial vertretbar. Ein Mindestpreis dürfte zwar nicht nötig sein, könnte aber trotzdem dergestalt implementiert werden, dass Zertifikate bei Auktionen nur bei der Erreichung des Mindestpreises ausgegeben werden.99 Einer solchen Nachschärfung des nEHS dürfte auch der Vertrauensschutz der betroffenen Unternehmen nicht entgegenstehen: § 8 KSG sieht die Möglichkeiten von Sofortmaßnahmen explizit vor, wenn die national festgelegten Emissionsmengen überschritten werden. Auch im Gesetzentwurf zum BEHG wird klargestellt, dass die Preispfade jederzeit gesetzlich geändert werden können.100

II. Verwendung des Ertragsaufkommens

Bei einem stark steigenden Preis auf CO2 sollte darauf geachtet werden, dass die Verbraucher nicht übermäßig belastet werden und die Bepreisung nicht regressiv101 wirkt. Dies wäre bei einer Erhöhung des CO2-Preises ohne Ausgleich jedoch der Fall, da einkommensschwache Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens für Kraft- und Heizstoffe aufwenden.102 Eine Rückverteilung der Einnahmen aus dem nEHS sollte eine regressive Wirkung des CO2-Preises verhindern, ohne seine Lenkungswirkung zu unterlaufen.

Positiv ist daher zu bewerten, dass die Erlöse aus dem Zertifikatsverkauf zur Senkung der EEG-Umlage verwendet werden sollen.103 Der dadurch sinkende Strompreis entlastet vor allem einkommensschwächere Haushalte, wirkt also progressiv.104 Gleichzeitig wird die Nachfrage nach Strom steigen, was einerseits die Sektorkopplung fördert,105 andererseits aber auch wieder Emissionen verursacht.106

Gerade wenn der CO2-Preis nach Abschluss der Einführungsphase wegen der festen cap stark steigen sollte, könnte dies als Ausgleich jedoch nicht ausreichen. Dann wäre zusätzlich über einen „Klimabonus“ in Form einer einheitlichen Pro-Kopf-Rückerstattung nachzudenken, der etwa über die Krankenversicherung ausgezahlt werden könnte.107 Ein solcher ordnet jedem Bürger einen Anteil am Gemeinschaftsgut Atmosphäre zu:108 Wer wenig CO2 emittiert, profitiert von dem Bonus, der dann die Mehrausgaben übersteigt. Wer viel CO2 emittiert, muss mehr zahlen. Da höhere Einkommensschichten absolut sehr viel mehr CO2 emittieren, wirkt ein solcher Bonus stark progressiv.109 Die Lenkungswirkung des CO2-Preises bleibt bei einer stetig absinkenden cap erhalten, da der Konsum emissionsreicher Güter trotz des zusätzlichen Einkommens wegen stark steigender Preise unattraktiv bleibt.

E. Fazit

In seiner derzeitigen Fassung stellt das BEHG nicht sicher, dass Deutschland die Klimaziele erreicht, denen es sich in Europa und im Abkommen von Paris verpflichtet hat. Dazu droht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Einführungsphase wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Finanzverfassungsrecht. Da das Grundmodell des nEHS aber durchaus gelungen ist und die Vorgaben der Lastenteilungs-VO punktgenau umsetzen könnte, sollte daran festgehalten werden. Nötig sind vor allem die schnellere Einführung einer cap und eine umfassendere Rückerstattung der Einnahmen, um einen möglicherweise schnell ansteigenden Preis für Heiz- und Brennstoffe abzufedern.


98 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 72; Matthes (Fn. 32), S. 34 f.

99 S. hierzu Matthes (Fn. 32), S. 33 f.

100 Gesetzentwurf BEHG, BR-Dr. 533/19, S. 44.

101 CO2-Abgaben sind regressiv, wenn die durchschnittliche relative Belas\-tung mit steigenden Konsumausgaben fällt, s. Ismer et al., ZUR 2019, 664, 665.

102 DIW (Fn. 68), S. 9 f.; Ismer et al., ZUR 2019, 664, 667.

103 Die EEG-Umlage wird nach aktuellem Stand 2021 um 0,25 ct/kWh und ab dann entlang des CO2-Preispfades gesenkt, s. Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030, S. 4. Im Entwurf zur Änderung des BEHG ist entsprechend eine stärkere Senkung vorgesehen, s. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des BEHG, S. 1 f.

104 Feld et al. (Fn. 17), S. 118 f.; DIW (Fn. 68), S. 12 f.; CO2 Abgabe e.V., Stellungnahme BEHG (Fn. 76), S. 3.

105 Feld et al. (Fn. 17), S. 118.

106 DIW (Fn. 68), S. 31 f. geht davon aus, dass durch die Senkung des Strompreises insgesamt mehr Emissionen eingespart werden als ohne, aA Ismer et al., ZUR 2019, 664, 667.

107 S. hierzu Ismer et al., ZUR 2019, 664, 668 ff.

108 Edenhofer et al., CO2-Preisreform (Fn. 15), S. 79.

109 DIW (Fn. 68), S. 10; Feld et al. (Fn. 17), S. 115.