Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten

Philomena Hindermann*

Mit dem Ausbau globaler Handelsbeziehungen und komplexer Vertragsstrukturen wie Verträgen mit verschiedenen konzernverbundenen Akteuren nehmen das Konfliktpotenzial und die Bedeutung von Mehrparteienverfahren vor staatlichen und Schiedsgerichten zu. Im Jahr 2018 waren mit steigender Tendenz an 33 Prozent aller neu eingeleiteten ICC-Verfahren mehr als zwei Parteien beteiligt.1 Die Einbeziehung Dritter wirft jedoch die grundlegende Frage nach der parteilichen und gerichtlichen Kompetenz zur Verfahrensgestaltung auf.

Ziel dieses Beitrags ist die Untersuchung des Spannungsfelds zwischen Parteiautonomie und gerichtlicher Hoheitsgewalt bei der Einbeziehung Dritter als zusätzliche Partei im deutschen staatlichen Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren. Besonderer Fokus wird dabei auf Konzernkonstellationen2 gelegt, in denen ein Dritter in enger wirtschaftlicher Beziehung zu einer der Prozessparteien steht. Dem Verfahren vor den deutschen staatlichen Zivilgerichten wird das deutsche Schiedsverfahrensrecht nach der ZPO gegenübergestellt. Aufgrund der praktischen Bedeutung3 und möglichen Wegweiserfunktion werden zudem Regelungen in anderen Rechtsordnungen und institutionellen Schiedsordnungen betrachtet.

Gang der Untersuchung

Die Untersuchung beginnt mit der Darstellung der Möglichkeiten zur Einbeziehung eines Dritten als Partei im Zivil- und Schiedsverfahren (B.). Dabei werden zunächst die Einbeziehung im Zivil- (I.) und anschließend im Schiedsverfahren (II.) erörtert und schließlich die Verfahrensarten verglichen (III.). Sodann wird anhand der im Vergleich gewonnenen Erkenntnisse untersucht, inwiefern zur Schaffung von Rechtssicherheit und einer einheitlichen Rechtsanwendung im Schiedsverfahrensrecht Möglichkeiten der Angleichung an das Zivilverfahrensrecht existieren (C.). Abschließend erfolgt ein Ausblick (D.).

I. Begriffsbestimmung: „Einbeziehung Dritter als Partei“

Der Terminus des „Dritten“ wird in den Verfahrensvorschriften der staatlichen Gerichte und Schiedsgerichte nicht einheitlich interpretiert. Im Rahmen dieses Beitrags ist ein Dritter jede natürliche oder juristische Person, die im Zeitpunkt der Einbeziehung in ein laufendes Verfahren nicht bereits Kläger oder Beklagter ist. Eine Einbeziehung Dritter liegt nach der Definition folglich nicht vor, wenn von Prozessbeginn an auf Kläger- oder Beklagtenseite mehrere Parteien stehen, eine einfache Widerklage gegen den Kläger erhoben wird oder wenn laufende Verfahren verbunden werden. In diesen Konstellationen sind alle Beteiligten von Beginn an gleichberechtigt am Verfahren beteiligt. Die drittspezifischen Probleme treten in der Regel nicht auf.

Der Begriff der Einbeziehung wird weit verstanden. Er umfasst nicht nur solche Konstellationen, in denen der Dritte von den Prozessparteien in den Prozess hineingezogen wird, sondern auch den umgekehrten Fall, in dem ein Dritter sich aus eigener Initiative als Partei am Verfahren beteiligen will. Neben der Einbeziehung eines Dritten als Partei mit eigenen Ansprüchen kann der Dritte auch nur an die Entscheidungswirkungen gebunden sein, ohne Prozesspartei zu werden.4 Diese Art der Interventionswirkung ist im Schiedsverfahren bislang jedoch weitgehend unbekannt,5 und bildet somit nicht den Schwerpunkt dieses Beitrags.

A. Einbeziehung eines Dritten als Partei in ein laufendes Verfahren

Werden Dritte als Partei in ein laufendes Verfahren einbezogen, indem eigene Ansprüche gegen sie geltend gemacht werden oder sie selbst eigene Ansprüche erheben, ergeben sich Probleme hinsichtlich der Zustimmung der Beteiligten und der Bindung an bereits vorgenommene Prozesshandlungen.

I. Verfahren vor dem staatlichen Gericht

Die deutsche ZPO kennt zur Einbeziehung Dritter als Partei in ein laufendes Verfahren den Parteibeitritt nach §§ 59, 60, 263 ZPO sowie die Drittwiderklage, die an die Zuständigkeitsregelung des § 33 ZPO geknüpft wird.6

Der Parteibeitritt ermöglicht es einem Dritten, einem Verfahren beizutreten und sich als neue Partei zu beteiligen.7 Möglich ist sowohl die Klageerhebung eines Dritten gegen den Beklagten im laufenden Verfahren (Klägerbeitritt), als auch die Klageerhebung des Klägers gegen einen weiteren Beklagten (Beklagtenbeitritt).8 Die Initiative erfolgt also stets auf der Klägerseite. Der Beitritt führt zur Streitgenossenschaft gemäß §§ 59, 60 ZPO auf Kläger- oder Beklagtenseite.9


* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 ICC 2018 Statistics, S. 8.

2 Als Konzerne sind in diesem Beitrag Unternehmen bezeichnet, die nach deutschem Recht gemäß §§ 291 ff. AktG durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verbunden sind.

3 Siehe z.B. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren6, 2018, Rn. 61.

4 Siehe die Streitverkündung und Nebenintervention nach §§ 66 ff. ZPO.

5 Eine Regelung findet sich aber in Art. 4(2) Swiss Rules.

6 Patzina, in: Münchener Kommentar zur ZPO5, Band 1, 2016, § 33 Rn. 7; Toussaint, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO32, 2019, § 33 Rn. 1.

7 Roth, in: Stein/Jonas (Begr.), Kommentar zur ZPO23, Band 3, 2018, § 263 Rn. 40; Schellhammer, Zivilprozess15, 2016, Rn. 1686.

8 Roth, in: Stein/Jonas (Fn. 7), § 263 Rn. 70.

9 Greger, in: Zöller (Hrsg.), Zivilprozessordnung32, 2018, § 263 Rn. 21.

Hindermann, Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten49

Die Drittwiderklage hingegen ist prozessuales Mittel des Beklagten zur Einbeziehung eines Dritten. Die streitgenössische Drittwiderklage, die vom Beklagten gegen den Kläger und einen Dritten erhoben wird, ist grundsätzlich zulässig.10 Erhebt der Beklagte dagegen eine isolierte Drittwiderklage ausschließlich gegen einen Dritten, wird der Grundsatz der Parteiidentität durchbrochen, wonach nur der Kläger des Hauptprozesses Widerbeklagter sein kann.11 Durch die einfache Widerklage soll der Beklagte ein Gegenangriffsmittel gegen den Kläger erhalten.12 Dieser Gedanke findet bei der Widerklage gegen einen unbeteiligten Dritten keine Anwendung.13 Die isolierte Drittwiderklage ist daher grundsätzlich unzulässig.14

1. Bei Zustimmung des neuen Beklagten

Der Parteibeitritt soll nach Ansicht der Rechtsprechung wie eine Klageänderung nach § 263 ZPO behandelt werden.15 Demzufolge wird für den Klägerbeitritt zusätzlich zu den Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO verlangt, dass der Beklagte entsprechend § 263 ZPO einwilligt oder das Gericht den Beitritt als sachdienlich erachtet.16 Dasselbe gilt entsprechend beim Beklagtenbeitritt für die Einwilligung des neuen Beklagten.17 Damit ist ein Parteibeitritt immer problemlos möglich, wenn der neue Beklagte mit der Einbeziehung in den Prozess einverstanden ist. Dies ist jedoch in der Praxis nur selten anzunehmen.

2. Ohne Zustimmung des neuen Beklagten

Hat der neue Beklagte seine Einwilligung nicht gegeben oder kommt es auf eine solche wie im Fall der ohnehin grundsätzlich unzulässigen Drittwiderklage nicht an, kann die Einbeziehung des Dritten mitunter trotzdem zulässig sein.

a) Sachdienlichkeit des Parteibeitritts

Der Parteibeitritt ist ohne Einwilligung des Beklagten nach § 263 ZPO nur bei Sachdienlichkeit möglich. Der neue Anspruch muss dafür in derart engem Zusammenhang mit dem bisher verhandelten Anspruch stehen, dass zumindest Teile des laufenden Prozesses verwertbar sind.18 Die Sachdienlichkeit wird zum Beispiel bejaht, wenn die Streitgenossen konzernrechtlich verbunden sind und sich Ansprüche aus demselben Vertrag ergeben.19 Sie dient dem Schutz des Beklagten, auf dessen neues Prozessrechtsverhältnis die bereits erzielten Prozessergebnisse zur Förderung der Prozessökonomie erstreckt werden können.20

b) Besondere Fallgruppen der isolierten Drittwiderklage

Ausnahmsweise soll auch die isolierte Drittwiderklage aus Gründen der Prozessökonomie zugelassen werden, um eine Vervielfältigung und Zersplitterung des Prozesses zu vermeiden.21 Voraussetzung ist eine tatsächlich und rechtlich enge Verknüpfung des Inhalts von Klage und Widerklage.22 Zudem dürfen keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten entgegenstehen.23 Diese Voraussetzungen sind insbesondere in Abtretungskonstellationen erfüllt, in denen der vom Zessionar verklagte Schuldner Widerklage gegen den Zedenten erhebt.24

c) Besondere Konzernkonstellationen

Die Einbeziehung von Unternehmen, die mit einer der Verfahrensparteien konzernverbunden sind, wird durch die ZPO nicht privilegiert. Konzernunternehmen werden aufgrund ihrer rechtlichen Selbstständigkeit als voneinander unabhängige Dritte behandelt.25 Soll eine Konzernmutter durch Drittwiderklage in die Streitigkeit ihrer Konzerntochter einbezogen werden, sind hieran dieselben Voraussetzungen zu stellen wie an die Einbeziehung jedes anderen Dritten. Diese werden jedoch gerade im Falle einer Drittwiderklage regelmäßig nicht erfüllt sein, wenn dem Streit nicht eine Konzernabtretung26 zugrunde liegt.

3. Zwischenergebnis

Das staatliche Gericht kann sich kraft seiner Gerichtshoheit über den Parteiwillen hinwegsetzen und die Einbeziehung Dritter als Partei unter Berufung auf die Prozessökonomie und prozessuale Waffengleichheit gestatten. Die Dispositions­maxime der Parteien tritt hinter der gerichtlichen Anordnungsgewalt zurück.

II. Schiedsverfahren

Das Schiedsgericht wird erst durch die Schiedsvereinbarung der Parteien legitimiert. Die Ausgestaltung des Verfahrens unterliegt nach § 1042 Abs. 3 ZPO grundsätzlich der vollkommenen Autonomie der Parteien.27 Einem späteren Beitritt zusätzlicher Parteien müssen daher alle von der Vereinbarung betroffenen Parteien zustimmen. Aufgrund des Grundsatzes der Parteiautonomie und dem Vorrang der parteilichen Vereinbarung28 dürfen staatliche Gerichte die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach Art. V(1)(d) NYC ablehnen, wenn die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens nicht der Parteivereinbarung entspricht.29


10 Heinrich, in: Musielak/Voit (Hrsg.), Zivilprozessordnung16, 2019, § 33 Rn. 21a; Patzina, in: MüKo (Fn. 6), § 33 Rn. 27.

11 Vgl. Heinrich, in: Musielak/Voit (Fn. 10), § 33 Rn. 20; Roth, in: Stein/Jonas (Fn. 7), § 33 Rn. 23 f.

12 Schultzky, in: Zöller (Fn. 9), § 33 Rn. 2; Hau, ZZP 2004, 31, 34.

13 BGH NJW 1971, 466.

14 BGH NJW 1971, 466; Roth, in: Stein/Jonas (Fn. 7), § 33 Rn. 47.

15 BGH NJW 1962, 347; BGH NJW 1988, 128; a.A. z.B. Greger, in: Zöller (Fn. 9), § 263 Rn. 21.

16 BGHZ 17, 340, 342; BGH NJW 1962, 347.

17 Roth, in: Stein/Jonas (Fn. 7), § 263 Rn. 71.

18 Becker-Eberhard, in: MüKo (Fn. 6), § 263 Rn. 33.

19 Vgl. Vollkommer/Vollkommer, WRP 2000, 1062, 1065.

20 BGH NJW-RR 1987, 58; BGHZ 131, 76, 79 f.; Roth, in: Stein/Jonas (Fn. 7), § 263 Rn. 70.

21 BGHZ 40, 185, 188; BGHZ 147, 220, 222.

22 BGHZ 91, 132, 134 f.; Schröder, AcP 1964, 517, 530.

23 BGHZ 40, 185, 190; BGH NJW 2007, 1753.

24 BGHZ 147, 220, 222 f.; BGHZ 187, 112, 115; Schultzky, in: Zöller (Fn. 9), § 33 Rn. 26.

25 Kessler, in: Saenger/Inhester (Hrsg.) GmbHG Handkommentar3, Anh. zu § 13 Rn. 46.

26 Skusa, NJW 2011, 2697.

27 Schütze (Fn. 3), Rn. 45.

28 Born, International Commercial Arbitration Vol. II2, 2014, S. 2130.

29 UNCITRAL Secretariat, UNCITRAL Guide New York Convention, 2016, S. 191; Gaillard/Savage,Fouchard, Gaillard, Goldman on International Commercial Arbitration, 1999, S. 454; Pika, ZZP 2018, 225, 235.

Hindermann, Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten50

Es besteht somit ein Anerkennungs- und Vollstreckungshindernis.30

1. Bei Abschluss einer multilateralen Schiedsvereinbarung

Das Schiedsgericht kann den Beitritt eines Dritten unproblematisch zulassen, wenn zwischen den Parteien des laufenden Verfahrens und dem Dritten eine multilaterale Schiedsvereinbarung besteht, die den Beitritt von Parteien ausdrücklich gestattet.31

Darüber hinaus können die Parteien den Beitritt des Dritten auch vereinbaren, indem sie im Schiedsvertrag auf eine Verfahrensordnung Bezug nehmen, die diesbezüglich Regelungen trifft.32 Nationale Regelungen über den Beitritt Dritter als Partei sind der Ausnahmefall und fordern stets eine multilaterale Schiedsvereinbarung.33 Nach umfassenden Reformen enthalten institutionelle Schiedsordnungen neuerdings Regelungen über den Beitritt einer zusätzlichen Partei zum Verfahren. Sie gestatten die Einbeziehung Dritter häufig nur, wenn alle Beteiligten Partei der Schiedsvereinbarung sind und die Einbeziehung auf Initiative der bisherigen Parteien des Verfahrens erfolgt.34 Damit soll die Parteiautonomie bei der Verfahrensgestaltung gewahrt und sichergestellt werden, dass der Verzicht auf den verfassungsrechtlich garantierten Justizgewähranspruch35 freiwillig erfolgt. Nicht vorgesehen ist jedoch der freiwillige Beitritt Dritter. Ein Klägerbeitritt kann in der Regel also nur erfolgen, wenn alle Beteiligten explizit zustimmen.

2. Ohne Abschluss einer multilateralen Schiedsvereinbarung

Besteht keine multilaterale Schiedsvereinbarung zwischen allen Parteien, fragt sich, ob der Dritte auf andere Weise an die Schiedsvereinbarung gebunden werden kann.36 Eine Erstreckung der Wirkungen des Schiedsvertrags auf nichtunterzeichnende Dritte wird in Deutschland wegen des Verbots von Verträgen zulasten Dritter grundsätzlich abgelehnt.37 Ein besonderes Interesse an der Einbeziehung Dritter kann sich aber zum Beispiel in Fällen ergeben, in denen mehrere Unternehmen eines Konzerns an der Aushandlung eines Schiedsvertrags beteiligt sind, letztlich aber nur ein Unternehmen unterzeichnet.38 Die Voraussetzungen der Einbeziehung unterscheiden sich je nach Rechtsordnung. Die Lösung hängt daher erheblich vom Statut der Schiedsvereinbarung ab,39 dessen kollisionsrechtliche Anknüpfung gemäß der Doctrine of Separability unabhängig vom Statut des Hauptvertrags erfolgt.40 Im Folgenden werden besonders praxisrelevante Konzepte dargestellt, aufgrund derer Dritte an eine Schiedsvereinbarung gebunden sein können.

a) Mehrere bilaterale Schiedsvereinbarungen

In einem netzartigen Vertragsverbund zwischen mehreren Parteien kann es vorkommen, dass zwischen den jeweiligen Parteien bilaterale Schiedsvereinbarungen getroffen werden, die im Hinblick auf Faktoren wie Schiedsort, institutionelle Verfahrenswahl und materielles Recht im Wesentlichen kompatibel sind.41 Im schweizerischen Recht wird ein Beitritt zu einem anderen Verfahren bei Vorliegen mehrerer übereinstimmender Schiedsvereinbarungen nach Art. 376 Abs. 1 lit. a SchwZPO ausdrücklich erlaubt. Gibt es keine explizite gesetzliche Regelung, wird vertreten, eine implizite Zustimmung zur Einbeziehung der Parteien der Parallelvereinbarungen anzunehmen, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.42 Ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen, sei er auch noch so eng, ist nicht ausreichend.43 Am Wirtschaftsleben beteiligte Personen haben jedoch in aller Regel ein Interesse an der effizienten Prozessführung und der Verhinderung sich widersprechender Entscheidungen, die gegebenenfalls die Regressnahme verhindern.44 Daher kann die Inhaltsgleichheit von Schiedsvereinbarungen zumindest als Indiz für den Willen der Parteien dienen, andere Parteien aus dem Vertragsverbund als Partei in das Verfahren einbeziehen zu können.45

b) Bindung nach Figuren des deutschen Zivilrechts

In Betracht kommt eine Bindung an die Schiedsvereinbarung nach im deutschen Zivilrecht bekannten Figuren. Liegt der Schiedsvereinbarung ein Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB zugrunde, so ist nach allgemeiner Ansicht auch der Drittbegünstigte im Deckungsverhältnis an die Schiedsvereinbarung gebunden.46 Ebenso ist auch ein Zessionar an die vom Zedenten geschlossene Schiedsvereinbarung gebunden.47 Keine Bindung soll hingegen durch die Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie entstehen, da der Dritte die fremde Schuld nicht übernimmt, sondern nur für ihre Erfüllung haftet.48


30 Hanotiau, Complex Arbitrations, 2005, Rn. 492.

31 Vgl. Born (Fn. 28), S. 2585; Choi, Arbitration International (Arb. Int.) 2019, 29, 33; Platte, Arb. Int. 2002, 67, 69.

32 Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, 2003, Rn. 16-42.

33 Siehe z.B. Art. 376 SchwZPO.

34 So z.B. Art. 7(1) ICC Rules und Art. 19 DIS-SchO.

35 Vgl. Münch, in Münchener Kommentar zur ZPO5, Band 3, 2017, § 1029 Rn. 4.

36 Born (Fn. 28), S. 2597.

37 Mansel, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 411.

38 Vgl. Lew/Mistelis/Kröll (Fn. 32), Rn. 7-51; Meier, Einbezug Dritter vor internationalen Schiedsgerichten, 2007, S. 10.

39 Born, International Commercial Arbitration Vol. I2, 2014, S. 1415; Sandrock, in: Böckstiegel/K. Berger/Bredow (Hrsg.), Die Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren, 2005, S. 96; Choi, Arb. Int. 2019, 29, 35.

40 Lew/Mistelis/Kröll (Fn. 32), Rn. 6-9, 6-23; Jürschik, Die Ausdehnung der Schiedsvereinbarung auf konzernzugehörige Unternehmen, 2011, S. 9.

41 Vgl. Born (Fn. 28), S. 2583; Meier (Fn. 38), S. 57.

42 Westland Helicopters v. Arab Organisation for Industrialisation, ICC-Schiedsgericht, XI Yearbook Commercial Arbitration (Y.B. Com. Arb.) 1986, 127, 132; vgl. Hanotiau (Fn. 30), Rn. 300.

43 Abu Dhabi Gas Liquefaction v Eastern Bechtel et al. (1982) 2 Lloyd’s LR 425, 427 (CA); Nicklisch, in: FS Glossner, 1994, S. 225; Platte, Arb. Int. 2002, 67, 72.

44 Born (Fn. 28), S. 2584, dortige Fn. 97.

45 ICC Award 5989, XV Y.B. Com. Arb. 1990, 74, 78. In Bezug auf die Verbindung von Verfahren: Karaha Bodas v. Perusahaan Pertambangan Minyak Dan Gas Bumi Negara, et al., U.S. Court of Appeal, ASA Bulletin (ASA Bull.) 2005, 360, 371; Born (Fn. 39), S. 1374; vgl. Platte, Arb. Int. 2002, 67, 72.

46 Münch, in: MüKo (Fn. 35), § 1029 Rn. 54; Schütze (Fn. 3), Rn. 256.

47 BGHZ 68, 356, 359; Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 115.

48 Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2, 1989, Rn. 425; Schütze (Fn. 3), Rn. 252.

Hindermann, Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten51

Eine weitere Möglichkeit ist die wirksame Vertretung des Dritten bei Vertragsabschluss. Die Vertretung wird nicht an das Schiedsvereinbarungsstatut, sondern das allgemeine Vollmachtstatut49 nach Art. 8 EGBGB angeknüpft. Ob die Vertretungsmacht zum Abschluss des Hauptgeschäfts auch auf die Schiedsvereinbarung erstreckt wird, ist grundsätzlich Auslegungssache. Jedenfalls bei Geschäften, die üblicherweise die Vereinbarung einer Schiedsklausel beinhalten, ist die Erstreckung anzunehmen.50 Eine Rechtsscheinvollmacht ist möglich,51 wenn der Vertreter in vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit bereits Schiedsvereinbarungen für den Vertretenen abgeschlossen hat und der Gegenüber deshalb auf die Vertretungsmacht vertraute.52 Nicht ausreichend für einen Rechtsscheintatbestand ist die bloße Zugehörigkeit zur selben Konzerngruppe, es sind aber geringere Anforderungen zu stellen.53

c) Besondere Bindung in Konzernkonstellationen

Eine besondere Bindung an die Schiedsvereinbarung kommt bei Konzernunternehmen in Betracht. Diese sind zwar rechtlich eigenständige Gesellschaften, durch einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag aber wirtschaftlich nahezu vollständig verknüpft.

aa) Group of Companies Doctrine

Nach der Group of Companies Doctrine soll eine Konzernmutter unter bestimmten Voraussetzungen an eine vom Tochterunternehmen unterzeichnete Schiedsvereinbarung gebunden sein. Unabhängig von ihrer rechtlichen Selbstständigkeit bilden konzernverbundene Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit. Spielt die Konzernmutter eine aktive Rolle bei der Vertragsverhandlung und ‑durchführung, kann nach der Doktrin eine stillschweigende Vereinbarung aller Parteien zur Bindung der Konzernmutter an die Schiedsvereinbarung angenommen werden.54

In der französischen Rechtsprechung und Lehre ist die Doktrin vielfach auf Zustimmung gestoßen.55 In anderen Jurisdiktionen erfährt die Group of Companies Doctrine jedoch überwiegend Ablehnung. Insbesondere kann die bloße Mitwirkung an der Vertragsverhandlung und ‑durchführung noch keinen hinreichenden Rechtsbindungswillen zum Abschluss der Schiedsvereinbarung begründen. Mithin verstößt die Doktrin gegen die Autonomie der Schiedsvereinbarung.56 Zudem führt das Abstellen auf die konkludente Vereinbarung in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten, die die Kriterien für die Bindung an eine Schiedsvereinbarung verschwimmen lassen.57 Im angloamerikanischen Raum wird die Doktrin mit besonderer Vehemenz abgelehnt. So befand ein englisches Gericht: „The [group of companies] doctrine […] forms no part of English law”.58 In der deutschen Literatur wird die Anwendbarkeit der Doktrin überwiegend unter Verweis auf die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von Willenserklärungen verneint,59 die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche, die die Doktrin anwenden, verstößt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht gegen den deutschen ordre public.60

bb) Piercing the Corporate Veil

Unter gewissen Voraussetzungen wird die Durchbrechung des Grundsatzes der Selbstständigkeit von Konzernunternehmen nach der Theorie des Piercing the Corporate Veil gefordert. Demnach soll eine Konzernmutter an die von ihrer Konzerntochter abgeschlossene Schiedsvereinbarung gebunden sein, wenn ihr faktischer Einfluss auf das Tochterunternehmen derart stark ist, dass es rechtsmissbräuchlich wäre, beide Unternehmen als separate Rechtspersonen zu behandeln.61 Der Unterschied der Theorie zur Group of Companies Doctrine besteht darin, dass der Durchgriff auf Erwägungen von Gerechtigkeit und Fairness beruht und anstelle der Intention der Parteien lediglich faktische Verhältnisse betrachtet.62 Auf Grundlage der Rechtsfigur des gesellschaftsrechtlichen Durchgriffs63 wird ein Ausgleich zugunsten der Partei des Schiedsvertrags geschaffen, die durch den „Schleier“ der selbstständigen juristischen Personen rechtsmissbräuchlich benachteiligt würde.64 Internationale Schiedsgerichte und Gerichte im angloamerikanischen Raum sind der Theorie grundsätzlich aufgeschlossen und wenden sie an, betonen aber auch gleichzeitig ihren Ausnahmecharakter.65 Die deutsche Literatur ist vorsichtiger. Selbst wenn die Durchgriffshaftung der Konzernmutter für Verbindlichkeiten der Konzerntochter aus dem Hauptvertrag bejaht wird, soll daraus wegen der Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung noch keine Drittbindung an die Schiedsvereinbarung abgeleitet werden können.66

cc) Bewertung im Lichte allgemeiner Rechtsgrundsätze

Hinsichtlich der Frage, ob die Bindung Dritter an die Schiedsvereinbarung in Konzernkonstellationen mithilfe der Group of Companies Doctrine oder der Theorie des Piercing


49 Mansel (Fn. 37), S. 411; Schlosser, in: Stein/Jonas (Begr.) Kommentar zur ZPO23, Band 10, 2014, Anh. zu § 1061 Rn. 79; Redfern/Hunter, Redfern and Hunter on International Arbitration6, 2015, Rn. 2.56.

50 Als Auslegungshilfe dienen insbesondere die Interessenslage und die im Geschäftsbereich typischen Verhaltensweisen; vgl. Mansel (Fn. 37), S. 412 f.; Redfern/Hunter (Fn. 49), Rn. 2.55; Jürschik (Fn. 40), S. 209.

51 Vgl. Born (Fn. 39), S. 1424 ff.; Brekoulakis, Third Parties in International Commercial Arbitration, 2010, Rn. 2.108.

52 Mansel (Fn. 37), S. 416; Jürschik (Fn. 40), S. 214.

53 Canaris, Die Vertrauenshaftung im Deutschen Privatrecht, 1971, S. 178 f.; Fleischer, ZHR 1999, 461, 473.

54 Dow Chemical Company et al. v. Isover Saint Gobain, ICC-Schiedsgericht, IX Y.B. Com. Arb. 1984, 131, 136.

55 Siehe z.B. Gaillard/Savage (Fn. 29), S. 282 f.; Derains/Schaf, Revue de droit des affaires internationales 1985, 231, 235.

56 Pika, ZZP 2018, 225, 232; Brekoulakis (Fn. 51), Rn. 5.09; Mansel (Fn. 37), S. 411.

57 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 49), § 1029 Rn. 84; Schütze (Fn. 3), Rn. 255.

58 Peterson Farms v C&M Farming (2004) 1 Lloyd’s LR 603, 612 (QB).

59 Siehe z.B. Sandrock, Int. Lawyer 1994, 941 ff.; Schlosser (Fn. 48), Rn. 426.

60 BGH SchiedsVZ 2014, 151, 153 f.; vgl. auch Kröll, NJW 2015, 833, 835.

61 Thomson CSF v. American Arbitration Association, U.S. Court of Appeal, 64 F.3d 773, 778 (2d Cir. 1994); Sandrock (Fn. 39), S. 103.

62 Born (Fn. 39), S. 1433, 1450; Ferrario, Journal of International Arbitration (J. Int’l. Arb.) 2009, 647, 670.

63 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 49), § 1029 Rn. 79; Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 116.

64 Sandrock (Fn. 39), S. 104; Redfern/Hunter (Fn. 49), Rn. 2.51.

65 Vgl. Bridas S.A.P.I.C. v. Government of Turkmenistan, U.S. Court of Appeal, 447 F.3d 411, 416 (5th Cir. 2006); ICC Award 7626, XXII Y.B. Com. Arb. 1997, 132, 141.

66 Müller/Keilmann, SchiedsVZ 2007, 113, 117; Pika, ZZP 2018, 225, 232; Schlosser (Fn. 48), Rn. 426; a.A. Gross, SchiedsVZ 2006, 194, 196.

Hindermann, Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten52

the Corporate Veil gelöst werden kann, bleibt anzumerken, dass die Theorien lediglich besondere Ausprägungen allgemeiner Rechtsgrundsätze sind. Der Parteiwille über die Bindung an einen Vertrag kann sich in den spezifischen Umständen der Vertragsverhandlung und ‑durchführung offenbaren. Hierunter können auch besondere Konzernkonstellationen fallen. Dies spricht dafür, in der Group of Companies Doctrine eine Bekräftigung der allgemeinen Grundsätze über den Abschluss von Rechtsgeschäften zu sehen. Abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls kann in Konzernkonstellationen konkludent eine Schiedsvereinbarung getroffen worden sein.67 Die Theorie des Piercing the Corporate Veil knüpft dagegen an das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens an, das im deutschen Recht zum Beispiel in § 242 BGB Ausdruck findet.68 Mithin können die Theorien auch im deutschen Recht insoweit Anwendung finden, als sie Fallgruppen bilden, die den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen als Indiz dienen.

d) Form der Schiedsvereinbarung

Soll ein Nichtunterzeichner an eine Schiedsvereinbarung gebunden sein, stellt sich häufig die Frage nach der Formwirksamkeit der Vereinbarung.69 Gemäß Art. V(1)(a) i.V.m. II(1) und (2) NYC ist nur ein schriftlicher, von allen Parteien unterschriebener Schiedsvertrag anerkennungsfähig. In Konzernkonstellationen und anderen Fällen, in denen die Schiedsvereinbarung konkludent geschlossen wurde, liegt hingegen selten die Unterschrift aller Vertragsparteien vor. Das nationale Schiedsverfahrensrecht ist hinsichtlich des Schriftformerfordernisses allerdings meist großzügiger.70 So eröffnet das deutsche Recht in § 1031 Abs. 2 ZPO einen weiteren Anwendungsbereich, nach dem die widerspruchslose Hinnahme der Schiedsvereinbarung zur Zustimmung ausreichen kann.71 Die konkludente Annahme eines Angebots, das eine Schiedsvereinbarung enthält, soll dem Form­erfordernis wegen der Warnfunktion der Schriftform aber noch nicht genügen.72 Jedoch ist die Heilung des Formmangels nach § 1031 Abs. 6 ZPO möglich. In den Rechtsordnungen, in denen die Group of Companies Doctrine und die Theorie des Piercing the Corporate Veil großen Anklang gefunden haben, wird bei Anwendung der Theorien vom Formerfordernis gänzlich abgesehen. Sind die Theorien anwendbar, führt die fehlende Unterschrift nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung.73 Eine solche Abweichung von Art. II(1) und (2) NYC schadet grundsätzlich nicht. Auf Grundlage der Meistbegünstigungsklausel aus Art. VII(1) NYC ist jedenfalls in Deutschland nach Rechtsprechung des BGH auch ein Schiedsspruch vollstreckbar, der zwar von Art. II NYC abweicht, aber den Formvorschriften des § 1031 ZPO genügt.74

3. Mitwirkung bei der Bestellung des Schiedsgerichts

Ein generelles Problem in Mehrparteienschiedsverfahren stellt die Bestellung des Schiedsgerichts dar.75 Stehen auf einer Seite mehrere Parteien, wird die gleichberechtigte Mitwirkung der Parteien an der Bildung des Schiedsgerichts erschwert.76 Auf die Gleichbehandlung der Parteien bei der Bestellung des Schiedsgerichts kann erst nach Entstehen der Streitigkeit, also nicht schon bei früherem Abschluss der Schiedsvereinbarung verzichtet werden.77

Besonders problematisch ist der Beitritt eines Dritten in ein laufendes Verfahren, in dem das Schiedsgericht bereits bestellt ist. Die auf derselben Seite stehenden Parteien sollten zunächst die Möglichkeit haben, sich innerhalb einer vorgegebenen Frist gemeinsam auf einen Schiedsrichter zu einigen. Scheitert dies, wird das gesamte Schiedsgericht von der Schiedsinstitution oder dem staatlichen Gericht bestellt.78 Dieses Vorgehen ermöglicht nicht nur die Gleichbehandlung aller Parteien, sondern steht auch im Einklang mit dem überwiegenden nationalen79 und institutionellen80 Schiedsrecht. Wird eine parteiautonome Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Bestellung der Schiedsrichter zugelassen, müssen im deutschen Recht die Grenzen des § 1034 Abs. 2 ZPO eingehalten werden, um effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren zu gewährleisten.81 Hat eine Partei mehr Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts und besteht so die Gefahr einer parteiischen Entscheidung, kann die benachteiligte Partei nach der Norm die Besetzung des Schiedsgerichts durch ein Gericht beantragen.82

4. Zwischenergebnis

Durch die Regelung der Einbeziehung Dritter als Partei in zahlreichen Verfahrensordnungen bleibt die Drittbeteiligung nicht nur ein theoretisches Konstrukt, der Vorrang der Parteiautonomie wird jedoch zugleich gewahrt. Das Schiedsgericht hat keine über den Parteiwillen hinausgehenden Befugnisse zur Gestaltung des Verfahrens.


67 Ähnlich Redfern/Hunter (Fn. 49), Rn. 2.46; Ferrario, J. Int’l. Arb. 2009, 647, 651; Hanotiau, Arb. Int. 2011, S. 539, 546.

68 Grüneberg, in: Palandt (Begr.), Kommentar BGB, 2019, § 242 Rn. 40.

69 Vgl. Hanotiau (Fn. 30), Rn. 111; Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 49), § 1029 Rn. 84; Born (Fn. 39), S. 1489 ff.

70 BGHZ 187, 126, 129 f.; Münch, in: MüKo (Fn. 35), § 1031 Rn. 3a.

71 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 49), § 1031 Rn. 10; Wolf/Eslami, in: BeckOK (Fn. 6), § 1031 Rn. 13.

72 Schlosser, in: Stein/Jonas (Fn. 49), § 1031 Rn. 11.

73 Formostar v. Henry Florentius, District Court, Nevada, 2:11-cv-01166-GMN-CWH, S. 5; Société Kis France v. Société Générale, Cour d’Appel, Revue de l’Arbitrage (Rev. Arb.) 1992, 90, 94; Schweizerisches Bundesgericht, ASA Bull. 2004, 344, 349; UNCITRAL Secretariat (Fn. 29), S. 54.

74 BGHZ 187, 126, 131 f.; ebenso bereits Kröll, ZZP 2004, 453, 478.

75 Nachfolgend wird von einem Schiedsgericht mit drei Schiedsrichtern ausgegangen.

76 Born (Fn. 28), S. 2607.

77 BKMI Industrieanlagen & Siemens v. Dutco Construction, Cour de Cassation, ASA Bull. 1992, 295, 297.

78 Delvolvé, Arb. Int. 1993, 197, 201.

79 Vgl. § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO; Art. 1028 Abs. 1 Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering.

80 Viele Schiedsordnungen erlauben den Parteibeitritt entweder nur vor Konstituierung des Schiedsgerichts (SchO der ICC, LCIA und DIS) oder lassen eine erneute Bestellung des Schiedsgerichts unter Mitwirkung des Beigetretenen zu (SIAC Rules und Wiener Regeln).

81 Kröll, Siemens – Dutco Revisited?, Kluwer Arbitration Blog, 15.10.2010, https://bit.ly/2Tu6RTX; die Bedeutung des § 1034 Abs. 2 BGB verkennend OLG Frankfurt, 26 SchH 5/10.

82 Vgl. Wolf/Eslami, in: BeckOK (Fn. 6), § 1034 Rn. 7 f.

Hindermann, Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten53

III. Vergleich

Sowohl im Verfahren vor den deutschen staatlichen Gerichten als auch im Schiedsverfahren besteht die Möglichkeit, Dritte als Partei einzubeziehen.

Die Einbeziehung des Dritten wird sowohl im Verfahren vor dem staatlichen Gericht als auch im Schiedsverfahren zunächst an die Zustimmung der Beteiligten geknüpft. Jedoch bestehen Unterschiede im Schutzzweck. Das Zustimmungserfordernis im staatlichen Zivilprozess soll alle Beteiligten vor einer Benachteiligung schützen, die sie durch die gemeinsame Verfahrensdurchführung erleiden könnten. Wer nicht belastet wird, hat daher keine Mitspracherechte. Das Gericht kann sich über eine fehlende Zustimmung hinwegsetzen, wenn es die Einbeziehung aus Gründen der Prozessökonomie für sinnvoll erachtet. Im Schiedsverfahren schützt das Zustimmungserfordernis hingegen vor der schiedsrichterlichen Verfahrensgestaltung an sich, wenn diese nicht dem Willen der Parteien entspricht. Das Schiedsgericht kann sich nicht über eine fehlende Einwilligung hinwegsetzen. Es kann lediglich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls überprüfen, ob der Dritte durch eine ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung an die Schiedsvereinbarung gebunden ist.

Besonders deutlich zeigen sich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Widerklage des Beklagten gegen einen Dritten. Im staatlichen Verfahren ist hier ein enger Anwendungsbereich eröffnet, wenn das Gericht die Drittwiderklage zur Herstellung des prozessualen Gleichgewichts für zweckmäßig erachtet.83 Im Schiedsverfahren wird hingegen das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung zwischen allen Beteiligten gefordert, die die Einbeziehung eines Dritten als Partei ausdrücklich erlaubt. Das Schiedsgericht stellt also selbst keine Zweckmäßigkeits- oder Gerechtigkeitserwägungen an. Die Entscheidung, ob und unter welchen Umständen die Einbeziehung möglich ist, unterliegt allein den Parteien.

Für die Klägerseite gestalten sich die Einbeziehungsmöglichkeiten im Zivilprozess einfacher. Kläger- und Beklagtenbeitritt müssen jeweils lediglich sachdienlich sein, sofern sie gegen den Willen des Beklagten erfolgen. Die Dispositionsmaxime tritt dabei hinter den Drittinteressen aus Erwägungen der Prozessökonomie und Verfahrensöffentlichkeit zurück. Anders als der Zivilprozess ist das Schiedsverfahren jedoch nicht öffentlich. Aufgrund der Vertraulichkeit des Verfahrens84 erlauben viele Schiedsordnungen den Beitritt auf Initiative des Dritten nicht. Der Zugang für Dritte zum Schiedsverfahren ist folglich deutlich schwerer als zum staatlichen Verfahren.

In Konzernkonstellationen ist dies anders. Das Konzernunternehmen ist nicht irgendein Dritter, sondern mit Kläger oder Beklagtem eng durch die Konzernstruktur verbunden. Wegen seiner rechtlichen Selbstständigkeit wird es aber vor dem staatlichen Gericht wie jeder andere Dritte behandelt, der den allgemeinen Regelungen zur Einbeziehung unterliegt. Im Schiedsverfahren gibt es mehr Spielraum. Die Schiedsvereinbarung kann unter Umständen auch die Konzernmutter an eine von ihrer Konzerntochter geschlossene Schiedsvereinbarung binden. Die Einbeziehung von mit den Prozessparteien konzernverbundenen Unternehmen ist daher gegenüber der Einbeziehung vollkommen fremder Dritter privilegiert.

Unterschiede bestehen auch bei der Bindung des Dritten an bereits vorgenommene Prozesshandlungen. Im Zivilverfahren sollen bereits erzielte Prozessergebnisse grundsätzlich auch im Verhältnis zu dem Dritten verwertbar sein. Im Schiedsverfahren gilt dies nicht: Der einbezogene Dritte ist zum Beispiel nicht an die bereits erfolgte Bestellung des Schiedsgerichts gebunden, soweit er nicht ausdrücklich etwas anderes erklärt.

Zusammenfassend gibt es im staatlichen Verfahren und Schiedsverfahren vergleichbare Instrumente zur Einbeziehung von Dritten als Partei. Die Unterschiede bei der Einbeziehung Dritter sind auf die unterschiedliche Legitimation der Gerichtshoheit zurückzuführen. Die staatlichen Gerichte können sich aufgrund der ihnen verliehenen staatlichen Machtbefugnis über den Willen der Parteien hinwegsetzen, wenn sie dies zur Wahrung des rechtlichen Gehörs oder der Verfahrenseffizienz für erforderlich halten. Dagegen sind die Schiedsgerichte, mit Ausnahme von zwingenden Regeln des anwendbaren Verfahrensrechts, nur der Parteivereinbarung und dem erkennbaren Parteiwillen unterworfen. Nichtsdestotrotz besteht in beiden Verfahrensarten das Bedürfnis effizienter Prozesse und einheitlicher Rechtsprechung. Zu diesem Zweck kann darüber nachgedacht werden, das Schiedsverfahrens an das Verfahren vor den staatlichen Gerichten durch die Schaffung von Regelungen zur Einbeziehung Dritter anzugleichen.

B. Angleichungsmöglichkeiten de lege ferenda

Zunächst wird geprüft, ob überhaupt ein Bedarf besteht, die Möglichkeiten der Dritteinbeziehung im Schiedsverfahren an die des staatlichen Verfahrens anzugleichen. Anschließend werden mögliche Reformen vorgestellt und bewertet.

I. Bedarf einer Angleichung

Ziel der privaten Schiedsgerichtsbarkeit ist es, eine Alternative zu den staatlichen Verfahren zu bieten. Es liegt also auf der Hand, dass der Schiedsprozess sich vom staatlichen Verfahren absetzen möchte, indem er weitgehend auf zwingende Regelungen verzichtet und die konkrete Verfahrensgestaltung den Parteien und ihren Interessen überlässt. Die Parteien wählen das Schiedsverfahren mit nur einer Entscheidungsinstanz und frei gewählten sachkundigen Schiedsrichtern aber häufig gerade deshalb, um in internationale Handelsstreitigkeiten effizient zu Lösungen zu gelangen und zeitnah Rechtssicherheit zu erhalten. Um dies gewährleisten zu können, muss das Schiedsrecht Lösungsansätze für Streitigkeiten bieten, die aus komplexen Vertragsverhältnissen mit mehreren Parteien resultieren.


83 Siehe auch Thöne, JR 2017, 53, 57.

84 Vgl. Geimer, in: Böckstiegel/K. Berger/Bredow (Hrsg.), Die Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren, 2005, S. 78 f.

Hindermann, Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten54

II. Beispiele für Reformmöglichkeiten

Durch die Überarbeitung der Regelwerke zahlreicher Schiedsinstitutionen wurden bereits Möglichkeiten zur Einbeziehung eines Dritten als Partei geschaffen. Sowohl im staatlichen Verfahren als auch im Schiedsverfahren stellt die Einbeziehung von mit einer der Parteien verbundenen Konzernunternehmen jedoch ein Problem dar, weil das Konzernunternehmen als formell Dritter trotz seiner engen Beziehung zu dem Verfahren grundsätzlich keiner Privilegierung unterliegt. Die Group of Companies Doctrine und die Theorie des Piercing the Corporate Veil bieten im Schiedsverfahren einen Ansatz, konzernverbundene Unternehmen an die Schiedsvereinbarung zu binden, indem sie als Fallgruppen für eine Bindung nach der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre dienen. Eine abstrakte gesetzliche Verankerung dieser Fallgruppen oder Reformen der Schiedsordnungen wären jedoch nicht zielführend, weil eine Kodifikation den besonderen Umständen jedes Einzelfalls nie gerecht werden könnte. Hier kommt es entscheidend auf die Praxis der Schiedstribunale und die nationalen Gerichte an, die Grenzen der Bindung zu definieren.

In Betracht kommt jedoch, die Formanforderungen im deutschen Schiedsverfahrensrecht zu senken. Gerade in Konzernkonstellationen besteht das Bedürfnis, Schiedsvereinbarungen auch durch konkludente Willenserklärungen zustande kommen zu lassen. Dann muss auch die Möglichkeit bestehen, das Formerfordernis zu überwinden. Es ist zwar richtig, dass die Formvorschrift Ausprägung des verfassungsrechtlichen Justizgewähranspruchs ist. Niemand soll ohne seinen Willen oder sein Wissen an die Schiedsvereinbarung gebunden sein.85 Im Falle einer konkludenten Einigung wurde die Vereinbarung aber mit dem Willen aller Beteiligten geschlossen. Es liegt lediglich nicht auf allen Seiten eine ausdrückliche, zu Papier gebrachte Zustimmung vor. Daher müsste § 1031 ZPO so angepasst werden, dass die Formanforderung auch bei konkludenter Zustimmung zur Schiedsvereinbarung erfüllt ist.

Wenngleich eine positive Abweichung nationaler Formvorschriften von der New York Convention nicht schadet, sollte auch eine Anpassung der Formvorschriften in Art. II NYC diskutiert werden.86 Bei seiner Unterzeichnung 1958 stand das Übereinkommen noch für die Erleichterung der internationalen Vollstreckung von Schiedssprüchen. Mittlerweile entwickeln sich die Bestimmungen über die Form von Schiedsvereinbarungen vor dem Hintergrund der Liberalisierung des nationalen Rechts immer mehr zum Anerkennungshindernis.87 Eine Modernisierung unter Berücksichtigung der allgemeinen Tendenz zu geringeren nationalen Formanforderungen muss dabei auch die steigende Relevanz von Schiedsvereinbarungen mit mehr als zwei Parteien im Blick behalten. Sofern dies von den Vertragsstaaten gewollt ist, kommen erleichterte Formvorschriften beim konkludenten Abschluss von Schiedsvereinbarungen oder eine Unterscheidung der Anforderungsstrenge nach verschiedenen Verkehrskreisen88 in Betracht.

III. Bewertung

Im Zivilverfahren wird die Dispositionsmaxime und Prozessherrschaft der Parteien häufig aus Gründen der Prozessökonomie und Rechtssicherheit zurückgestellt. Im Schiedsverfahren bedarf es letztlich einer Positionierung, inwiefern die Parteiautonomie zur Förderung anderer Prozesszwecke eingeschränkt werden darf.

Die Regelungen der institutionellen Schiedsordnungen und das UNCITRAL-Modellgesetz werden von den Parteien zwar freiwillig gewählt. Die Entscheidung für eine Schiedsordnung erfolgt aber aus einer Vielzahl von Gründen. Dazu gehören neben den Verfahrensbestimmungen in der Schiedsordnung zum Beispiel auch die Berechnung der Schiedsrichterhonorare und die Durchführung des Verfahrens unter dem Schirm einer renommierten Schiedsinstitution. Den Regelungen zur Einbeziehung Dritter wird nicht immer Beachtung geschenkt. Sie sollten daher so ausgestaltet sein, dass sie die Parteiautonomie nicht vollkommen aushebeln. Dies entspricht auch dem Charakter des Schiedsverfahrens. Wünschen die Parteien nur ein anderes vollumfänglich geregeltes Verfahrensrecht als das eigene, können sie in der Regel auch eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen.

Eine Angleichung der Einbeziehungsmöglichkeiten im nationalen Schiedsverfahrensrecht an das Verfahren vor den staatlichen Gerichten ist noch vorsichtiger anzugehen. Das anwendbare Verfahrensrecht wird von den Parteien nicht direkt, sondern nur mittelbar, häufig über die Bestimmung des Schiedsorts, gewählt. Darüber hinaus kommt es insbesondere in Ad hoc-Verfahren zur Anwendung, in denen die Parteien in der Schiedsvereinbarung nicht Bezug auf eine Schiedsordnung genommen haben. Der Charakter des Ad hoc-Verfahrens bietet den Parteien allerdings gerade die Möglichkeit, das Verfahren vollkommen frei zu gestalten. Daher sollen sie nicht einer Verfahrensordnung unterliegen, die für jede denkbare Verfahrenssituation eine Regelung trifft. Das nationale Schiedsverfahrensrecht ist gerade keine klassische vollumfängliche Prozessordnung mit dispositiven Regeln, sondern versucht, durch ein schlankes Regelwerk nur den äußersten Rahmen des Schiedsverfahrens abzustecken und alles Übrige den Parteien zu überlassen.

Insgesamt muss daher sichergestellt werden, dass die Einbeziehung Dritter in das Schiedsverfahren weiterhin Sache der Parteien bleibt und nicht von Gesetzgebern und Schiedsinstitutionen so stark reguliert wird, dass der parteiautonome Charakter des Schiedsverfahrens in Gefahr gerät. Die Einbeziehung Dritter könnte jedoch durch die Überarbeitung von Formvorschriften für solche Fälle wesentlich erleichtert werden, in denen die Parteien die Einbeziehung gerade wünschen.

C. Ausblick

Wie in der französischen Literatur angemerkt wurde, kann die Schiedsgerichtsbarkeit nur dann auch in Zukunft erfolgreich


85 Vgl. Habegger, ASA Bull. 2004, 398, 405; Sandrock, SchiedsVZ 2005, 1, 4.

86 Vgl. Kröll, SchiedsVZ 2009, 40, 47; Münch, in: MüKo (Fn. 35), § 1031 Rn. 3a.

87 BGHZ 187, 126, 129 f.

88 Münch, in: MüKo (Fn. 35), § 1031 Rn. 3a.

Hindermann, Die Einbeziehung Dritter in das Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten55

sein, wenn die Herrschaft des Schiedsgerichts nicht über den ausdrücklichen Parteiwillen hinausgeht.89 Die Ausübung der Gerichtsgewalt durch das Schiedsgericht muss also stets vom Konsens der Parteien erfasst sein. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zum staatlichen Verfahren, in dem das Gericht kraft seiner Hoheitsgewalt über die Einbeziehung des Dritten auch gegen den Willen der Beteiligten entscheiden kann. Eine Angleichung des Schiedsverfahrensrecht an die Regelungen des Zivilprozesses kann aber insoweit erfolgen, als die Einbeziehung Dritter aus Erwägungen der Rechtssicherheit und Verfahrenseffizienz vereinfacht wird. Soweit ein Konsens der Beteiligten besteht, sollte die Umsetzung der Parteivereinbarung bei der Einbeziehung Dritter in das Verfahren nicht durch zusätzliche Hürden erschwert werden.


89 Rubellin-Devichi, Rev. Arb. 1988, 515.