Claudius Pietzcker*
Über den Wolken muss die Freiheit grenzenlos und das Betriebsverfassungsgesetz außer Kraft sein – so war es zumindest bis zum 1.5.2019 ganz herrschende Meinung.1. An diesem Tag trat eine Gesetzesänderung des § 117 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Kraft, wonach nunmehr auch bestimmte im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer2 dem Betriebsverfassungsgesetz unterfallen. Doch rund ein Jahr nach der Gesetzesänderung ist noch immer nicht klar, auf wen genau und vor allem wie das BetrVG nun anzuwenden ist. Das folgt insbesondere daraus, dass das Betriebsverfassungsgesetz überwiegend an den Betrieb anknüpft, der sich bei fliegendem Personal oftmals nicht eindeutig bestimmen lässt. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwieweit der Gesetzgeber die arbeitsrechtliche Freiheit über den Wolken tatsächlich eingeschränkt hat und was noch geschehen muss, damit das BetrVG über den Wolken zuverlässig für alle gilt.
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die neue Rechtslage. Zu Beginn wird der Blick auf die rechtlichen Grundlagen einschließlich der relevanten Begrifflichkeiten gerichtet (B), bevor die heutige Regelung des § 117 BetrVG vorgestellt wird (C). In Abschnitt D wird der zentrale Problempunkt der Neuregelung erörtert: Es wird versucht, den maßgeblichen Betriebsbegriff für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer nach § 117 BetrVG herauszuarbeiten. Dabei wird festzustellen sein, dass die gegenwärtig vorhandenen Mittel nicht immer ausreichen, um das fliegende Personal zweifelsfrei einem bestimmten betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb zuzuordnen.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse werden sodann die Konsequenzen der Unklarheiten untersucht und bewertet (E). Dabei wird stets die Situation de lege lata mit dem gesetzgeberischen Willen abgeglichen. Die Bewertung wird zeigen, dass der Zweck der Gesetzesänderung nur bedingt erreicht wurde, und zwar nicht wegen der Gesetzesänderung, sondern ihr zum Trotz.
Schließlich wird de lege ferenda ein Vorschlag zur Nachjustierung unterbreitet (F): Der Verfasser sieht den deutschen Gesetzgeber in der Pflicht, die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen.
A. Rechtliche Grundlagen
I. Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes
Das Betriebsverfassungsgesetz konstituiert die grundlegende Ordnung für die Mitbestimmung von Arbeitnehmern im Betrieb.3 Es gilt grundsätzlich für alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Betriebe;4 für Betriebe im Ausland gilt es nicht. Die Betriebsverfassung fußt in der gleichberechtigten Teilhabe von Arbeitnehmern an den sie berührenden Betriebsabläufen.5 Dazu stellt das BetrVG Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte für Arbeitnehmervertretungen im Betrieb sicher, denn eine kollektive Interessenvertretung ist am besten geeignet, die gleichberechtigte Teilhabe zu gewährleisten.6 Der Betriebsrat ist das zentrale Organ der betrieblichen Mitbestimmung.7
Angesichts der hohen Bedeutung des BetrVG für Arbeitnehmer sollte stets kritisch hinterfragt werden, wenn einer Berufsgruppe die Mitbestimmungsrechte des BetrVG versagt werden. Lange Zeit waren Piloten und Flugbegleiter aus dem Anwendungsbereich des BetrVG ausgenommen.8 Als „im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen“9 konnten sie bis zum 1.5.2019 keinen Betriebsrat
* Der Autor ist Student im Jahrgang 2016 an der Bucerius Law School, Hamburg.
1 S. nur BAGE 36, 291-303 Rn. 64; Fitting, in: Handkommentar BetrVG29, 2018, § 117 Rn. 1 m.w.N.; Darányi, Die Bordbetriebsverfassung nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG unter Berücksichtigung europa- und verfassungsrechtlicher Vorgaben, 2013, S. 45 f. nimmt sogar eine „allgemeine[-]
2 Wo in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet wird, sind stets Personen jeden Geschlechts gemeint.
3 Vgl. Wiese, in: Gemeinschaftskommentar BetrVG, Bd. I11, 2018, Einl. Rn. 101; Rose, in: Luchterhand Kommentare, BetrVG10, 2018, Einl. Rn. 1; Besgen, in: Beck’scher Online-Kommentar, BeckOK Arbeitsrecht52, 2019, BetrVG § 1 Rn. 1; Löwisch/Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz6, 2010, Einl. Rn. 1.
4 Franzen, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 1 Rn. 1.
5 Rose, in: LK-BetrVG (Fn. 3), Einl. Rn. 2; Wiese, in: GK-BetrVG (Fn. 3), Einl. Rn. 80 ff.
6 Vgl. Koch, in: Beck’sche Kurzkommentare, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht19, 2019, § 1 Rn. 1; Wiese, in: GK-BetrVG (Fn. 3), Einl. Rn. 74; Rose, in: LK-BetrVG (Fn. 3), Einl. Rn. 2; Dietz, in: Beck’sche Kommentare zum Arbeitsrecht, Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 1953, Einf. S. 35 ff. und Vorb. 1 Rn. 1.
7 Vgl. Kloppenburg, in: Düwell (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz – Handkommentar5, 2018, § 1 Rn. 3 und Rn. 142.
8 Vgl. BAGE 36, 291-303 Rn. 64 (BetrVG „gilt…nicht“); Lunk, in: Nomos-Kommentar, Gesamtes Arbeitsrecht, Bd. I1, 2016, BetrVG § 117 Rn. 1 („aus dem Regelungsbereich…ausgenommen“); krit. zu dieser Formulierung Forst, in: Richardi (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Kommentar16, 2018, § 117 Rn. 6, der sich gegen die Terminologie des „Ausschlusses“ des BetrVG für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer wendet: Gerade durch die Sonderregelung in § 117 BetrVG fielen auch sie in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Da sich die Sonderregelung jedoch darin erschöpft, im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer auf tarifvertragliche Regelungen zu verweisen und im Übrigen die Anwendung der Normen des BetrVG zu sperren, geht diese formalistische Kritik ins Leere; a.A. überdies nur Fitting, in: BetrVG (Fn. 1), § 117 Rn. 6 ff., die den Ausschluss des BetrVG nur dann annehmen, wenn ein Tarifvertrag Personalvertretung geschlossen ist.
9 So der Wortlaut des § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG i.d.F. v. 19.1.1972 sowie des neuen § 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG.
nach dem BetrVG wählen;10 ihnen stand nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG lediglich zu, durch Tarifvertrag eine Personalvertretung einzurichten.11 Nun12 gilt das BetrVG gem. § 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG auch für sog. fliegendes Personal.13 Die Möglichkeit, eine tarifvertragliche Personalvertretung nach § 117 Abs. 2 BetrVG einzurichten, besteht nach wie vor.
II. Begrifflichkeiten
§ 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG knüpft an „im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen“ an. Gemeint ist das fliegende Personal. Im Einzelnen:
1. „Luftfahrtunternehmen“
Ein Luftfahrtunternehmen i.S.d. § 117 BetrVG ist ein Unternehmen, dessen Zweck dergestalt auf die Beförderung von Sachen oder Personen durch Luftfahrzeuge gerichtet ist, dass die arbeitstechnische Organisation des Flugbetriebs die Ausnahme aus dem Anwendungsbereich des BetrVG rechtfertigt.14 Die Rechtfertigung der Ausnahmeregelung ergibt sich insbesondere aus der fehlenden Ortsgebundenheit des fliegenden Personals: Der ständig wechselnde Aufenthalt sowie häufig längere Abwesenheiten von der Heimatbasis machen die Organisation und die Beteiligung in der Interessenvertretung des Landbetriebs besonders schwierig (sog. zweckorientierte Auslegung des § 117 BetrVG als Ausnahmetatbestand15).16
2. „im Flugbetrieb beschäftigt“
Der Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens ist derjenige Teil des Unternehmens, „dessen arbeitstechnischer Zweck unmittelbar darauf gerichtet ist, die Beförderung von Personen oder Gütern durch Luftfahrzeuge tatsächlich auszuführen“.17 Im Flugbetrieb beschäftig sind entsprechend diejenigen Arbeitnehmer, die „unmittelbar diese Beförderungstätigkeit ausführen“.18 Dabei kommt es auf das maßgebliche „Gepräge“19 der Tätigkeit an, nicht auf den zeitlichen Schwerpunkt der vertraglich geschuldeten Leistung20 oder die Berufsbezeichnung21 des Arbeitnehmers. Eindeutig unter diese Definition fallen heutzutage Piloten und Flugbegleiter.
B. Neuregelung des § 117 BetrVG
I. Regelungsinhalt
Die Ausnahme des fliegenden Personals aus dem BetrVG geht zurück auf § 88 Abs. 3 BetrVG i.d.F. v. 14.11.1952, wonach das Gesetz auf sämtliche Betriebe der Luftfahrt nicht anzuwenden war.22 Ab 1972 galt diese Ausnahme nicht mehr für das Bodenpersonal (§ 117 Abs. 1 BetrVG a.F.), sondern nur noch für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer.23 Für fliegendes Personal bestand somit eine nahezu einzigartige Sonderstellung, die seit jeher umstritten war.24 Manch einer empfand sie zuletzt gar als „offensichtlich gegebene Fehlentwicklung im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts der Luftfahrt“.25
1. Anwendung des BetrVG bei fehlendem TV-PV
Durch das Qualifizierungschancengesetz26 wurde § 117 BetrVG mit Wirkung vom 1.5.2019 geändert. Nach Absatz 1 Satz 1, der die Anwendung des BetrVG für das Bodenpersonal von Luftfahrtunternehmen vorschreibt, wurde ein Satz 2 angefügt. Danach wird das BetrVG auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer immer dann angewendet, wenn keine Personalvertretung durch Tarifvertrag errichtet ist. Zur zuvor schon bestehenden Option, einen Tarifvertrag Personalvertretung (TV-PV) abzuschließen, wurde gewissermaßen als „Rückfallebene“27 die Anwendbarkeit des BetrVG für die Fälle beschlossen, in denen kein TV-PV besteht.
2. Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG für TV-PVs
Ferner wurde § 117 Abs. 2 BetrVG um Satz 3 ergänzt, wonach TV-PVs der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG unterliegen. Durch den Zusatz wird sichergestellt, dass ein TV-PV bei Beendigung – etwa durch Ablauf oder Kündigung – fortgilt und nicht plötzlich das BetrVG in seiner Gesamtheit angewendet wird.28 Insoweit wurde durch die Gesetzesänderung der Streit um die Frage, ob Tarifverträge gem. § 117 Abs. 2 BetrVG der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5
10 Vgl. Vogt, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 3, Kollektives Arbeitsrecht I4, 2019, § 309 Rn. 42; Bayreuther, NZA 2010, 262, 263; Seier, DB 2019, 429, 430 f.
11 LAG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2009, 74383, Ziff. 2.4.2.1.2.2.1; Mauer, in: BeckOK-ArbR (Fn. 3), BetrVG § 117 Rn. 3; Hess, in: LK-BetrVG (Fn. 3), § 117 Rn. 17.
12 Geändert durch Art. 4e des Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) v. 18.12.2018, BGBl. I 2018 Nr. 58, S. 2651 ff.
13 Der Begriff beschreibt die Besatzungsmitglieder von Flugzeugen, vgl. BT-Drucks. VI/1786 S. 58, und wird synonym zu „im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen“ gem. § 117 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 BetrVG sowie dem Thema dieses Beitrags verwendet, s. auch BAGE 36, 291-303, Ls. 1; Däubler, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar für die Praxis mit Wahlordnung und EBR-Gesetz16, 2018, BetrVG § 117 Rn. 1 ff.; Fitting, in: BetrVG (Fn. 1), § 117 Rn. 4; Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz – Kommentar4, 2008, § 117 Rn. 7; Forst, in: Richardi (Fn. 8), § 117 Rn. 1; Vielmeier, NZA 2018, 1530 ff.; Seier, DB 2019, 429 ff.; Müller/Becker, BB 2019, 884 ff.
14 BAG, NZA 2008, 1309, 1312 Rn. 38; BAGE 97, 52; eingehend Franzen, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 117 Rn. 3 f.; in der Sache zustimmend auch Forst, in: Richardi (Fn. 8), § 117 Rn. 6 f.; vgl. Kloppenburg, in: Düwell (Fn. 7), § 117 Rn. 10; Tiedemann, ArbRB 2019, 157, 159.
15 Wie vor Fn. 14.
16 Vgl. BAGE 97, 52; BT-Drucks. VI/1786, S. 58; Franzen, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 117 Rn. 4; Däubler, in: D/K/K/W (Fn. 13), BetrVG § 117 Rn. 3.
17 BAG, AP BetrVG 1972 § 117 Nr. 5; vgl. Franzen, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 117 Rn. 8; Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft (Fn. 13), § 117 Rn. 7.
18 BAG, AP BetrVG 1972 § 117 Nr. 5.
19 BAG, AP BetrVG 1972 § 117 Nr. 5.
20 S. die Vorinstanz, LAG Hessen v. 16.10.1984 – 4 TaBV 98/84, zit. nach BAG, AP BetrVG 1972 § 117 Nr. 5; vgl. auch BAGE 36, 291-303.
21 Vgl. LAG Hamm, BeckRS 2012, 66296; Vogt, in: MHdB-ArbR (Fn. 10), § 309 Rn. 40.
22 Franzen, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 117 Rn. 1; Roßmann, TranspR 2003, 57, 58.
23 Zur Begründung vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 58.
24 Darányi, Bordbetriebsverfassung (Fn. 1), S. 13, 98 ff. und 109 ff.
25 Fischer, jurisPR-ArbR 49/2018, Anm. 5.
26 Vgl. oben Fn. 12.
27 Vielmeier, NZA 2018, 1530, 1532
28 BT-Drucks. 19/6146, S. 31.
TVG unterliegen,29 beigelegt. Die frühere Unsicherheit ist nun ausgeräumt.
Die über den Verweis in § 117 Abs. 2 S. 3 BetrVG angeordnete Nachwirkung von TV-PVs gibt der Praxis Sicherheit: Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer haben zu befürchten, dass die sorgfältig ausgearbeitete, „maßgeschneiderte“30 Betriebsverfassung etwa bei Vertragsablauf ohne Übergangsfrist durch das starre BetrVG abgelöst wird. Gleichzeitig droht den Arbeitnehmern bei Beendigung des TV-PV keine Zeit ohne Personalvertretung. Die Anordnung der Nachwirkung ist für alle Beteiligten von Vorteil und entsprechend wenig streitbehaftet. Der Fokus der weiteren Untersuchung liegt deshalb auf der Neuregelung von Absatz 1 des § 117 BetrVG, da dessen praktische Konsequenzen weitaus gewichtiger sind.
II. Gesetzgeberisches Anliegen
1. Anwendung des BetrVG als „Auffanglösung“
In der Gesetzesbegründung selbst sind keine Hinweise auf den intendierten Normzweck des neuen § 117 BetrVG zu finden; es wird dort lediglich der neue Regelungsgehalt zusammengefasst.31 Das mag zum Teil daran liegen, dass die Anpassung der Norm nicht von Anfang an vorgesehen war sondern erst durch einen Änderungsantrag in den Bundestag eingebracht wurde.32 Aus einem anderen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE geht derweil hervor, dass die Gesetzesänderung diejenigen Arbeitnehmer unter den Schutz des BetrVG stellen soll, die keinem TV-PV unterliegen.33 Grund sei insbesondere, dass mehrere Luftfahrtunternehmen sich weigerten, eine tarifvertragliche Personalvertretung einzurichten.34 Dieses erklärte Ziel deckt sich mit dem Gesetzesantrag mehrerer Länder35 im Bundesrat, wonach vorrangig eine „Auffanglösung“ für den Fall bereitstehen soll, dass keine Einigung über einen TV-PV zustande kommt.36
Man hat sich also bewusst gegen die Forderungen, den § 117 BetrVG ersatzlos zu streichen und somit die Bereichsausnahme37 für fliegendes Personal vollständig abzuschaffen,38 entschieden. Vielmehr sollten die bestehenden TV-PVs bewahrt werden.39
2. „Lex Ryanair“
Etwas konkreter formulierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung das Ziel, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit dem medialen Anstoß40 des Gesetzesvorhabens verfolgte: eine lex Ryanair.41 Adressat der Änderung des § 117 BetrVG sollten nicht „etablierte“ Fluggesellschaften42 wie Lufthansa, Eurowings, Condor und LTU sein; diese haben bereits seit vielen Jahren ein tarifvertragliches Personalvertretungswesen.43 Vielmehr ging es darum, Arbeitnehmer von ausländischen Fluggesellschaften mit bisweilen prekären Arbeitsbedingungen besserzustellen. Auch sie sollten betriebliche Mitbestimmungsrechte haben – mit oder ohne tarifvertragliche Personalvertretung. Heil kündigte das Gesetzesvorhaben gemeinsam mit dem damaligen Spitzenkandidaten der SPD für die hessische Landtagswahl, Thorsten Schäfer-Gümbel, medienwirksam nach einem Gespräch mit Ryanair-Mitarbeitern an deren Standort am Frankfurter Flughafen an.44 Daraus wird deutlich, von welch politischer Brisanz die Gesetzesänderung war.45
3. Zwischenfazit
Indem er die Anwendung des BetrVG als dem TV-PV gegenüber subsidiäre Auffanglösung konzipierte, bekräftigte der Gesetzgeber erneut die flugspezifischen Besonderheiten, denen die Parteien durch einen TV-PV gerecht werden können. Sobald eine tarifvertragliche Personalvertretung besteht, ist die Anwendung des BetrVG gesperrt.46 Soweit sich Arbeitgeber jedoch einem TV-PV verweigern, soll die betriebliche Mitbestimmung nun über die Anwendung des BetrVG erfolgen. Die Neuregelung des § 117 BetrVG muss sich an ihrem Erfolg beim Erreichen dieses Zwecks messen lassen. Ist es gelungen, für sämtliches fliegende Personal betriebliche Mitbestimmungsrechte zu gewährleisten?
29 Der Streit war vorwiegend akademischer Natur, vgl. Ludwig, BB 2019, 180, 183; eingehend und die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen verneinend Jacobs/Krois, ZTR 2011, 643 ff. m.w.N.; Fitting, in: BetrVG (Fn. 1), § 117 Rn. 9; ferner schon Behrens/Hohenstatt, DB 1991, 1877 f.; eingehend bejahend Weber/Gräf, RdA 2012, 95 ff. m.w.N.; Forst, in: Richardi (Fn. 8), § 117 Rn. 20 m.w.N.; Vogt, in: MHdB-ArbR (Fn. 10), § 309 Rn. 50; ferner Berg/Platow/Schoof/Unterhinninghofen, in: Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht, Kompaktkommentar3, 2019, TVG § 2 Rn. 303; Däubler, in: D/K/K/W (Fn. 13), BetrVG § 117 Rn. 20 und dortige Fn. 78.
30 Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498.
31 BT-Drucks. 19/6146, S. 30 f.
32 BT-Drucks. 19/6146, S. 3.
33 BT-Drucks. 19/6208, S. 1 f.
34 Vgl. BT-Drucks. 19/6208, S. 1 f.
35 Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen.
36 BR-Drucks. 576/18, S. 1
37 Darányi (Fn. 1), S. 97.
38 Vgl. BT-Drucks. 19/5055, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Streikrecht bei Ryanair durchsetzen – Mitbestimmungsrechte bei Luftfahrtunternehmen stärken; BT–Ausschussdrucks. zu 19(11)218, Ergänzende Schriftliche Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) v. 23.11.2018, S. 2; dagegen zuvor Vereinigung Cockpit, Vereinigung Cockpit fordert überfällige Anpassung der betrieblichen Mitbestimmung für Flugzeugbesatzungen, Pressemitteilung v. 19.10.2018, https://www.vcockpit.de/presse/pressemitteilungen/detailansicht/news/vereinigung-cockpit-fordert-ueberfaellige-anpassung-der-betrieblichen-mitbestimmung-fuer-flugzeugbes.html, abgerufen am 17.4.2020; krit. ferner Vielmeier, NZA 1018, 1530, 1532.
39 BT-Drucks. 19/6146, S. 31.
40 Vgl. Remmert, in: FAZ, 22.10.2018, Heil plant Lex Ryanair, https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/bundesarbeitsminister-will-ryanair-in-die-pflicht-nehmen-15847360.html, abgerufen am 17.4.2020; Obertreis, in: Der Tagesspiegel, 19.10.2018, Arbeitsbedingungen bei Ryanair – „Wie im 19. Jahrhundert“, https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/arbeitsbedingungen-bei-ryanair-wie-im-19-jahrhundert/23209602.html, abgerufen am 17.4.2020.
41 Remmert (Fn. 40); vgl. auch BT-Drucks. 19/6134, S. 4; ferner ArbG Berlin, BeckRS 2019, 2593, Rn. 37, 39; Vielmeier, NZA 2018, 1530, 1532.
42 Bayreuther, NZA 2010, 262, 263.
43 Vgl. Lunk, in: NK-GesArbR (Fn. 8), BetrVG § 117 Rn. 1 m.w.N.; detaillierter Vergleich vieler deutscher TV-PVs zum Stand 2012 bei Darányi (Fn. 1), S. 22 ff.
44 Remmert (Fn. 40).
45 Vgl. Baur, DB 2019, 1630.
46 Jacobs/Frieling, in: Gräfl/Lunk/Oetker/Trebinger (Hrsg.), 100 Jahre Betriebsverfassungsrecht, 2020, S. 243, 255; Müller/Becker, BB 2019, 884, 886; Tiedemann, ArbR 2019, 157, 159; Ludwig, BB 2019, 180, 181.
C. Anwendungsproblem Betriebsbegriff – Versuch einer Näherung
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des BetrVG nach § 117 BetrVG ist, dass ein betriebsratsfähiger Betrieb vorliegt. Der Betriebsbegriff ist insofern der wichtigste Anknüpfungspunkt im Betriebsverfassungsrecht.47 Nach ihm bemisst sich u.a., von wem und für welche Einheit ein Betriebsrat gewählt wird, vgl. §§ 7, 1 BetrVG. Mithin ist im Rahmen des § 117 Abs. 1 S. 2 BetrVG für Arbeitnehmer des Flugbetriebs von höchster Bedeutung, wie ihr Betrieb zu definieren ist. Erst wenn klar ist, wie der Betrieb i.S.d. BetrVG bei fliegendem Personal bestimmt wird, können die Folgen der Gesetzesänderung untersucht und bewertet werden.
I. Gesetzliche Ausgangslage
Der Betrieb des fliegenden Personals in diesem betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ist im BetrVG noch immer48 nicht definiert.49 Eine gesonderte Definition des Betriebsbegriffs bei Luftfahrtunternehmen besteht lediglich in § 24 Abs. 2 KSchG. Demnach gilt die Gesamtheit der Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsbetriebs als Betrieb i.S.d. KSchG. Allerdings gilt das ausweislich des Wortlauts nur für das Kündigungsschutzrecht.50 Auch ist die Funktion des individualarbeitsrechtlichen KSchG – vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen zu schützen – nicht vergleichbar mit derjenigen des BetrVG, das die betriebliche Mitbestimmung regelt, weshalb eine Analogie abzulehnen ist.51 Da eine vergleichbare Definition im Betriebsverfassungsrecht fehlt, ist auf die allgemeinen Kriterien zurückzugreifen, die Rechtsprechung und Literatur zum Betriebsbegriff entwickelt haben.52
II. Kriterien von Rechtsprechung und Literatur
Nach diesen Kriterien ist ein Betrieb diejenige organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolg. Dafür werden die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft wird von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert.53
Bei einem Luftfahrtunternehmen könnte man auf die Idee kommen, das einzelne Flugzeug als eigenständigen Betrieb zu verstehen. Das wäre indes verfehlt, schließlich wechselt die Besatzung eines Flugzeugs ständig und die Personaleinsatzplanung erfolgt i.d.R. zentral für alle Flugzeuge des Unternehmens oder eines Standorts des Unternehmens.54 Die Entscheidungsgewalt des Flugkapitäns als Kommandant55 erstreckt sich nicht auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten;56 sie führt nicht zu einem einheitlichen Leitungsapparat. Das einzelne Flugzeug kann daher nicht der Anknüpfungspunkt des Betriebs im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne sein.
III. Mögliche Betriebsstrukturen bei Luftfahrtunternehmen
Maßgeblich für die Bestimmung des betriebsratsfähigen Betriebs i.S.d. § 1 BetrVG nach den Kriterien der Literatur und Rechtsprechung ist stets die unternehmerische Organisation.57 Insoweit ist in jedem Einzelfall insbesondere § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu berücksichtigen und zu prüfen, ob ein (Flug-)Betriebsteil als selbstständiger Betrieb gilt.
Grundsätzlich gibt es fünf denkbare Modelle. Auf der Suche nach der „wahrscheinlichsten“ Betriebskonstellation für fliegendes Personal werden nun die Kernmerkmale und -voraussetzungen dieser Modelle skizziert. Es wird geprüft, wie die Kriterien von Rechtsprechung und Literatur zum Betriebsbegriff auf die denkbaren Organisationsmodelle von Luftfahrtunternehmen passen.
1. Gemeinsame Betriebe aller Arbeitnehmer getrennt nach Basen
Es wäre denkbar, den Land- und Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens zusammenzufassen und für alle Arbeitnehmer an einer Basis einen Betrieb anzunehmen. Allerdings ist schon zweifelhaft, ob das mit der Systematik des § 117 Abs. 1 BetrVG vereinbar ist: Danach gilt das Gesetz schließlich für den Landbetrieb uneingeschränkt, für den Luftbetrieb hingegen nur unter der Voraussetzung, dass kein TV-PV besteht. Es ist fragwürdig, diese Arbeitnehmergruppen, die § 117 Abs. 1 BetrVG streng voneinander trennt, demselben betriebsverfassungsrechtlichen Betrieb zuzuordnen. Kommt man im Einzelfall dennoch – insbesondere wegen eines zentralen Leitungsapparats – zu dem Schluss, Flug- und Landbetrieb bilden einen einheitlichen betriebsratsfähigen Betrieb, ist unklar, was bei der Einleitung der Betriebsratswahl mit dem ggf. schon bestehenden Landbetriebsrat passiert.58
2. Ein Betrieb des fliegenden Personals („Gesamtflugbetrieb“)
Es könnte für den gesamten Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens – also sämtliches fliegende Personal – ein
47 Vgl. schon Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Erster Band von Alfred Hueck7, 1963, S. 91 f. („vor allem aber baut die gesamte Betriebsverfassung auf den Betrieben auf, und das heute so wesentliche Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer entfaltet sich zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend im Betriebe“, S. 92); Franzen, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 1 Rn. 26.
48 Schon 1998 wurde erwogen aber unterlassen, den Begriff zu legaldefinieren, s. BT-Drucks. 14/5741, S. 26.
49 Vgl. Ludwig, BB 2019, 180, 181.
50 Pfeiffer, in: Nomos-Kommentar, Kündigungsschutzrecht, Handkommentar5, 2015, § 24 Rn. 8; Moll, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen5, 2017, KSchG § 24 Rn. 7; Vielmeier, NZA 2018, 1530, 1533; vgl. Müller/Becker, BB 2019, 884, 885; Ludwig, BB 2019, 180, 181; aA nur DGB (Fn. 38), S. 4.
51 Vgl. Jacobs/Frieling (Fn. 46), S. 253 f.
52 Vgl. Müller/Becker, BB 2019, 884, 885; Ludwig, BB 2019, 180, 181.
53 Ständige Rechtsprechung, s. nur BAG, BeckRS 2010, 67710 Rn. 22; vgl. schon Hueck/Nipperdey (Fn. 47), S. 93.
54 Vgl. Jacobs/Frieling (Fn. 46), S. 253; Ludwig, BB 2019, 180, 181; Vielmeier, NZA 2018, 1530, 1533.
55 Vgl. Federal Aviation Regulations, Code of Federal Regulations 14 CFR § 91.3.
56 Vgl. BAG, BeckRS 2012, 70578.
57 Vgl. Tiedemann, ArbRB 2019, 157, 158; Ludwig, BB 180, 181.
58 Vgl. auch Müller/Becker, BB 2019, 884, 885.
einheitlicher Gesamtflugbetrieb angenommen werden.59 Auf diese Weise liefe der Betriebsbegriff i.S.d. § 1 Abs. 1 BetrVG für fliegendes Personal parallel zum Betriebsbegriff nach § 24 Abs. 2 KSchG. Dafür wäre insbesondere erforderlich, dass die Arbeitnehmer der verschiedenen Heimatbasen von einem zentralen Leitungsapparat gesteuert werden.60 Ein gewisses Maß an Personalaustausch und Zusammenarbeit zwischen den Basen ist ebenfalls zu fordern.61
Die fehlende räumliche Nähe zwischen Mitarbeitern verschiedener Basen ist dabei nicht grundsätzlich ein Indikator gegen einen einheitlichen Betrieb.62 Schwierig wird jedoch die Bestimmung der räumlichen Staatszugehörigkeit des Gesamtflugbetriebs, wenn ein Luftfahrtunternehmen Basen im In- und Ausland betreibt. Da das BetrVG nach dem Territorialitätsprinzip nur in Deutschland gilt,63 ist es von höchster Relevanz, ob ein (Gesamtflug-)Betrieb im In- oder im Ausland belegen ist.
3. Betriebe des fliegenden Personals getrennt nach Basen
Eine weitere denkbare Konstellation sind Betriebe, in denen jeweils alle im Flugbetrieb einer Heimatbasis beschäftigten Arbeitnehmer zusammengefasst werden. Das kommt in Betracht, wenn die arbeitstechnische Organisation – insbesondere Einstellungen und Einsatzplanung – für jede Basis separat erfolgt. Eine solche Betriebsstruktur hat den Vorteil, dass die standortabhängigen Besonderheiten – etwa grundlegend verschiedene Arbeitszeiten aufgrund verschiedener Nachtflugverbote an verschiedenen Flughäfen – besser berücksichtigt werden können. Andererseits kann es durch die getrennten Betriebsräte zu unterschiedlichen Arbeitsbedingungen von Personal an den verschiedenen Basen kommen, auch ohne dass es hierfür sachliche Gründe gibt. Gegen solche nach Basen getrennte Betriebe wiederum spricht es, wenn fliegende Arbeitnehmer von verschiedenen Basen aus eingesetzt werden.64
4. Betriebe des fliegenden Personals getrennt nach Cockpit/Kabine
Theoretisch denkbar wäre auch, sämtliche Piloten als in einem Betrieb vereinigt zu sehen und sämtliche Flugbegleiter in einem anderen Betrieb. Eine solche Konstellation entspräche dem heutigen Regelfall von tarifvertraglichen Personalvertretungen;65 diese sind meist getrennt für Piloten und Flugbegleiter aber jeweils für alle Arbeitnehmer dieser Berufsgruppen im Unternehmen eingerichtet.66
In aller Regel sind Piloten und Flugbegleiter indes nicht in streng voneinander getrennten Organisationseinheiten eingegliedert.67 Eine räumlich weite Trennung (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG) kommt jedenfalls nicht in Betracht: Piloten und Flugbegleiter arbeiten auf engstem Raum zusammen. Und selbst wenn man – was schwierig ist – die arbeitstechnische Organisation (Einstellung, Kündigung, Umlaufplanung etc.) streng voneinander trennte, ließe sich noch immer nicht leugnen, dass beide Berufsgruppen durch ihre Arbeit den gleichen Zweck verfolgen (sichere Beförderung der Passagiere von A nach B mittels Flugzeugs). Somit ist auch der Aufgabenbereich (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG) sehr ähnlich. Im Landbetrieb einer Fluggesellschaft hingegen arbeiten sowohl Check-In-Agents als auch Flugzeugmechaniker sowie Gepäckermittler, deren Arbeitsumfelder sich bisweilen deutlich stärker voneinander unterscheiden als die von Cockpit- und Kabinenbesatzung. Es ist nicht klar, weshalb die letztgenannten verschiedenen Berufsgruppen in einem (Land-)Betrieb zusammenarbeiten, Cockpit und Kabine hingegen zwei getrennte Betriebe sein sollen.
5. Getrennte Betriebe (Cockpit/Kabine) an jeder Basis
Schließlich bliebe noch die Konstellation, in der Piloten und Flugbegleiter an jeder Basis je ihren eigenen Betrieb haben. Die arbeitstechnischen Hindernisse und praktischen Probleme von getrennten Betrieben und Betriebsräten für die verschiedenen Berufsgruppen wurden bereits aufgezeigt. In der Praxis wird es kaum realisierbar oder gar ökonomisch sinnvoll sein, eigene Organisationsstrukturen für jede Berufsgruppe an jedem Standort zu haben. Es ist daher eher ein gedankliches Modell ohne praktische Relevanz.
6. Fazit: Betrieb unbestimmbar
Welche betriebliche Konstellation im konkreten Fall vorliegt ist jeweils im Einzelfall anhand der betriebsverfassungsrechtlichen Kriterien zu ermitteln. Die Gegenüberstellung der theoretisch denkbaren Modelle hat derweil gezeigt, dass keines dieser Modelle perfekt auf die faktischen Gegebenheiten im Flugbetrieb passt. Eine Betriebsbestimmung anhand der Kriterien von Rechtsprechung und Literatur ist kaum eindeutig möglich.68 Zu unscharf sind die Kriterien wie der einheitliche Leitungsapparat, zu komplex ist die Organisation eines Luftfahrtunternehmens. Arbeitgeber können zwar –
59 S. Vielmeier, NZA 2018, 1530, 1532 f.
60 Schrader, NZA 2019, 951, 952 resümiert, dass nach der Rechtsprechung „primär“ auf eine „einheitliche Leitungsmacht“ abzustellen ist.
61 Vgl. Löwisch/Rieble, in: Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, Kommentar4, 2017, § 4a Rn. 87.
62 Vgl. BAGE 40, 163; Koch, in: EK-ArbR (Fn. 6), BetrVG § 1 Rn. 11; Kloppenburg, in: NK-GesArbR (Fn. 8), BetrVG § 1 Rn. 7.
63 Franzen, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 1 Rn. 1; Thorn, in: Palandt (Begr.), Beck’sche Kurzkommentare, Bürgerliches Gesetzbuch79, 2020, Rom-I Art. 8 Rn. 5.
64 Die Lufthansa etwa betreibt zumindest einige ihrer Flugzeuge mit gemischtem Personal sowohl aus Frankfurt als auch aus München, ohne Autor, in: Airliners.de, 24.7.2018, Lufthansa setzt bei München-A380 weiter auf „Misch-Crews“, http://www.airliners.de/lufthansa-muenchen-a380-misch-crews/46031, abgerufen am 17.4.2020.
65 Vgl. Vielmeier, NZA 2018, 1530, 1533.
66 Ausnahmen bestehen bei Easyjet, wo ein TV-PV nur für die Basis Berlin-Schönefeld besteht, vgl. LAG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2015, 72029, sowie neuerdings bei Sun Express, wo ein gemeinschaftlicher TV-PV für Piloten und Flugbegleiter abgeschlossen wurde, vgl. Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) e.V., Betriebliche Mitbestimmung endlich auch bei Sunexpress: UFO und VC unterschreiben Tarifvertrag Personalvertretung, Pressemitteilung v. 23.5.2019, https://www.ufo-online.aero/de/presse/item/1175-betriebliche-mitbestimmung-endlich-auch-bei-sunexpress-ufo-und-vc-unterschreiben-tarifvertrag-personalvertretung.html, abgerufen am 17.4.2020.
67 Vgl. Ludwig, BB 2019, 180, 181, der bezweifelt, dass eine solche Trennung „überhaupt möglich“ ist.
68 Ähnlich auch Ludwig, BB 2019, 180, 181 ff.; Tiedemann, ArbRB 2019, 157, 158 f.
in Grenzen – auf eine bestimmte Betriebsstruktur hinwirken, etwa indem sie ihr Personalwesen zentral oder dezentral organisieren. Endgültige Sicherheit werden sie dabei bis zur gerichtlichen Klärung im Einzelfall jedoch nicht haben können. Die Gerichte sind dabei auf sich allein gestellt, denn die vorhandenen Kriterien reichen nicht aus, um die Strukturen des Flugbetriebs adäquat zu erfassen.
IV. Bewertung: Große, vermeidbare Unsicherheit
Einmal mehr ist deutlich geworden, weshalb die Anwendbarkeit des BetrVG auf fliegendes Personal seit jeher einer Sonderregelung unterliegt: Der Flugbetrieb passt nicht zum allgemeinen Betriebsbegriff, auf den es für die Anwendbarkeit des BetrVG ankommt.
Der Gesetzgeber hat im Zuge der Gesetzesänderung die Gelegenheit gehabt, für die Zwecke des § 117 BetrVG den „Betrieb“ des fliegenden Personals zu definieren. Diese Möglichkeit hat er nicht genutzt, sodass noch immer große Unklarheit herrscht. Nach früherer Rechtslage war diese Unklarheit nur von geringer Bedeutung, weil im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer ohnehin nicht dem BetrVG unterfielen. Mit der Gesetzesänderung hat die Unklarheit massiv an Bedeutung gewonnen, sodass die Betroffenen in Rechtsunsicherheit leben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer eines Luftfahrtunternehmens ohne TV-PV wissen nicht, was ihr Betrieb i.S.d. BetrVG ist.
D. Folgen des unklaren Betriebsbegriffs
Die Auswirkungen dieser Rechtsunsicherheit sind genauer zu betrachten.
I. Gegenstand der Betriebsratswahl unbestimmbar
Die naheliegendste Folge des unbestimmten Betriebsbegriffs ist die Unsicherheit über den Gegenstand einer Betriebsratswahl.69 In welcher Einheit wird gewählt (nach Basen, nach Berufsgruppen etc.)?70 Wer ist wahlberechtigt (§ 7 BetrVG) und wer wählbar (§ 8 BetrVG)? Wie groß wird der Betriebsrat, welche Zählgröße ist für diese Bestimmung nach § 9 BetrVG zugrunde zu legen? All das ist ungewiss, wenn – wie jetzt – nicht klar ist, welcher Arbeitnehmer zu welchem Betrieb gehört und welcher Betriebsteil als eigenständiger Betrieb zu zählen ist. Über diese Fragen hinaus stellen sich derweil seit der Änderung des § 117 BetrVG noch weitere Probleme, die auf der Unklarheit des Betriebes im Flugbetrieb beruhen.
II. Bestellung des Wahlvorstands schwierig
Ohne eindeutige Bestimmbarkeit des Betriebs kann auch kein Wahlvorstand für die Betriebsratswahl eingesetzt werden. Nach § 18 Abs. 1 S. 1 BetrVG hat der Wahlvorstand die Betriebsratswahl einzuleiten, sie durchzuführen und das Ergebnis festzustellen. Die Bestellung des Wahlvorstands erfolgt gem. §§ 16 f. BetrVG. Dafür kommt es darauf an, ob der Betrieb, für den ein Betriebsrat gewählt werden soll, schon einen Betriebsrat hat. Wenn ein Betriebsrat existiert, bestimmt dieser den Wahlvorstand gem. § 16 BetrVG. Besteht dagegen kein Betriebsrat, ist der Wahlvorstand vom Gesamt- oder Konzernbetriebsrat zu bestimmen (§ 17 Abs. 1 S. 1 BetrVG) oder in der Betriebsversammlung zu wählen (§ 17 Abs. 2 S. 1 BetrVG).
Wie gesehen ist nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb des fliegenden Personals auch die Arbeitnehmer des Landbetriebs umfasst. Wenn das nicht der Fall ist, sondern ausschließlich fliegendes Personal einem Betrieb zugeordnet wird, besteht bei Einleitung der Betriebsratswahl noch kein („Land-“)Betriebsrat. Der Wahlvorstand ist dann konfliktlos nach § 17 BetrVG zu bestellen.
Wird dem gleichen Betrieb jedoch auch Bodenpersonal zugeordnet, ist es möglich, dass dieses Personal bereits einen Betriebsrat gewählt hat. Dann ist nicht eindeutig, wie der Wahlvorstand zu bestellen ist. Nach einer Ansicht wäre er gem. § 16 BetrVG von dem schon bestehenden Landbetriebsrat zu bestellen.71 Nach anderer Ansicht wäre ein auf diese Weise vom bestehenden Betriebsrat nach § 16 BetrVG bestellter Wahlvorstand hingegen unzuständig weil er das fliegende Personal nicht repräsentiert. Demnach müsste ein neuer Wahlvorstand gem. § 17 Abs. 1 bzw. Abs 2 BetrVG bestellt bzw. gewählt werden, da nur ein so bestellter Wahlvorstand vom gesamten Betrieb legitimiert wäre.72
Es zeigt sich: Schon für die Bestellung des Wahlvorstands ist eine eindeutige Betriebszuordnung nötig, die nach aktueller Rechtslage nicht gewährleistet ist.
III. Ausübung von Beteiligungsrechten problembehaftet
Ist erstmal ein Betriebsrat gewählt, hat er Beteiligungsrechte – u.a. nach §§ 87, 91, 94, 97 f., 109, 111 f. BetrVG. Exemplarisch für ein Problem bei der Anwendung des BetrVG auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer – in Abgrenzung zu Fragen der Anwendbarkeit, die im Übrigen im Vordergrund stehen – wird das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsänderungen gem. § 111 S. 1 BetrVG betrachtet.
§ 111 S. 1 BetrVG bestimmt, dass der Arbeitgeber in bestimmten Fällen den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen zu informieren und diese mit ihm zu beraten hat. § 111 S. 3 BetrVG definiert eine solche Betriebsänderung mittels des Betriebsbegriffs:73 So sind etwa die Einschränkung und Stilllegung eines Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile (§ 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG) sowie die Verlegung selbiger (§ 111 S. 3 Nr. 2 BetrVG) mitbestimmungspflichtig. Ohne definitive Trennung der verschiedenen Betriebe eines Unternehmens lässt sich kaum beurteilen, wann – und in
69 Vgl. hierzu auch Müller/Becker, BB 2019, 884, 885; Ludwig, BB 2019, 180, 182.
70 Vgl. Schrader, NZA 2019, 951, 952.
71 Vgl. LAG Niedersachsen, BeckRS 9998, 79486; Kreutz, in: GK-BetrVG (Fn. 3), § 17 Rn. 9; Thüsing, in: Richardi (Fn. 8), § 17 Rn. 7 Müller/Becker, BB 2019, 884, 885.
72 Vgl. LAG Bremen, AP Nr. 3 zu § 17 BetrVG 1972; Grambow, BB 2017, 1978, 1980.
73 Vgl. auch Schrader, NZA 2019, 951 f.
welcher Einheit – eine Betriebsänderung vorliegt.74
Zugegeben: Das Problem mag eher dogmatischer Natur sein, denn regelmäßig wird man die Einheit, die den Betriebsrat gewählt hat, als diejenige betriebsverfassungsrechtliche Einheit verstehen, die für die Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG maßgeblich ist. Dennoch ist es ein weiteres Beispiel für die zahlreichen Probleme, die sich durch die Änderung des § 117 BetrVG ergeben.75
IV. Bewertung: Schwerwiegende Anwendungsprobleme
Die Analyse hat gezeigt: Bei der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auf fliegendes Personal stehen Arbeitnehmer wie Arbeitgeber vor großen Problemen. Der Ursprung fast aller dieser Probleme ist der unklare Betriebsbegriff.
Dass die Betriebe eines Luftfahrtunternehmens nicht zweifelsfrei zu bestimmen sind, hat gravierende Konsequenzen: Der Gegenstand einer möglichen Betriebsratswahl ist ungewiss, relevante Schwellenwerte können nicht bestimmt werden und bisweilen ist unbekannt, wie der Wahlvorstand zu bestellen ist. All dies erschwert die Anwendung des BetrVG auf fliegendes Personal, das keinem TV-PV unterliegt – dem Gesetzeszweck wird so nicht geholfen. Betrachtet man die Anwendbarkeit des BetrVG darüber hinaus im internationalen Kontext, stellen sich noch weitergehende Probleme. So kann unklar sein, ob überhaupt ein Betrieb in Deutschland besteht. Dabei ist das BetrVG von vornherein unanwendbar, wenn das nicht der Fall ist.
V. Exkurs: Normzweckerreichung trotz unpassenden Gesetzes?
Es hat sich herausgestellt, dass die Neuregelung keine passgenauen Lösungen bereitstellt. Doch abseits dieser rechtlichen Betrachtung lässt sich beobachten, dass die Gesetzesänderung in Einzelfällen gleichwohl Wirkung zeigt.76 So hat etwa Sun Express – ein Joint Venture der Turkish Airlines und der Lufthansa Group – kurz nach der Gesetzesänderung mit den Gewerkschaften der Piloten und Flugbegleiter einen gemeinsamen TV-PV abgeschlossen.77 Zuvor hatte sich die Fluggesellschaft – mit Erfolg – gerichtlich gegen die Wahl eines Betriebsrats gewehrt.78
Nachdem Sun Express sich nur wenige Monate vorher einem Betriebsrat verschlossen hatte, muss davon ausgegangen werden, dass die Gesetzesänderung das Unternehmen zum Umdenken bewogen hat. Man wollte wohl die kompromisslose Anwendung des starren BetrVG auf das fliegende Personal vermeiden und stattdessen lieber eine „maßgeschneiderte Betriebsvereinbarung“79 , die den Besonderheiten des Flugbetriebs gerecht wird. Auf diese Weise ist die Ungewissheit bei der Anwendung des BetrVG vermieden und ein auf die Bedürfnisse abgestimmtes Personalvertretungswesen ermöglicht. Man könnte die Gesetzesänderung vor diesem Hintergrund also trotz ihres Defizits als effektiv erachten. Doch es kann nicht Sinn des Gesetzes sein, die Betroffenen auf der Flucht vor der Rechtsunsicherheit in einen privatrechtlichen Tarifvertrag zu treiben. Vielmehr muss das Gesetz selbst die Lösung bieten.
E. Lösungsvorschlag: Basisbezogene Legaldefinition
Der Zustand de lege lata stellt den Rechtsanwender vor große Unsicherheit und Probleme. Gleichwohl hat die Untersuchung gezeigt, dass sich die Missstände darauf zurückführen lassen, dass mit dem aktuellen Betriebsbegriff die Betriebe des fliegenden Personals nicht eindeutig bestimmt werden können. Somit ist der Ansatzpunkt für eine mögliche Korrektur identifiziert: Es ist eine neue Definition gefragt, die die Besonderheiten des Flugbetriebs berücksichtig.
In Betracht kommt eine basisbezogene Legaldefinition: Es wird die organisatorische Einheit an der Heimatbasis eines Arbeitnehmers als dessen Betrieb definiert.
Als Heimatbasis wiederum könnte formell der vom Arbeitgeber als solche benannte Ort gem. § 20 ArbZG i.V.m § 5 Abs. 1 2. DV LuftBO80 verstanden werden. Dabei wäre der Arbeitnehmer jedoch der willkürlichen Heimatbasiszuweisung des Arbeitgebers ausgesetzt. Zweckmäßiger ist eine Anlehnung an Art. 8 Abs. 2 S. 1 Var. 2 Rom-I-VO. Danach wäre materiell der Flughafen, von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, die Heimatbasis. Eine solche Anknüpfung an das materiell-tatsächliche Kriterium der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung hat sich im internationalen Privatrecht bereits bewährt81 und ist auch im Kollektivarbeitsrecht vorzugswürdig.
Entsprechend könnte eine Legaldefinition wie folgt lauten:
§ 117 Abs. 3 BetrVG nF: 1Als Betrieb im Sinne dieses Gesetzes gilt für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen jeweils deren Heimatbasis. 2Heimatbasis nach Satz 1 ist die organisatorische Einheit des Luftfahrtunternehmens an dem Ort, von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
74 „[K]omplizierte Fragen“ im Umgang mit § 111 BetrVG seit der Neuregelung des § 117 BetrVG sieht auch Ludwig, BB 2019, 180, 182.
75 Weitere Probleme in der Anwendung des BetrVG werden angerissen von Becker/Müller, BB 2019, 884, 885 ff; ferner Ludwig, BB 2019, 180, 182 f.
76 Vgl. auch Tiedemann, ArbRB 2019, 157, 159.
77 UFO (Fn. 66).
78 LAG Hessen, BeckRS 2018, 27170.
79 Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498.
80 Nach § 20 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) i.V.m. § 5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV LuftBO) bzw. nach Art. 1 i.V.m. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 v. 20.8.2008 der Kommission zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates in Bezug auf gemeinsame technische Vorschriften und Verwaltungsverfahren für den gewerblichen Luftverkehr mit Flächenflugzeugen, ABl. EU L 254, S. 1, 223, hat der Luftfahrtunternehmer gegenüber jedem Besatzungsmitglied einen Ort als Heimatbasis zu benennen.
81 Vgl. Staudinger, in: Ferrari et al., Internationales Vertragsrecht, Kommentar3, 2018, Rom-I-VO Art. 8 Rn. 20; ferner Knöfel, RdA 2006, 269, 274; für die Anknüpfung an die Heimatbasis bei der Frage des anwendbaren Rechts schon Gamillscheg, ZfA 1983, 303, 334; ebenso Däubler, RIW 1987, 249, 251.
F. Fazit und Ausblick
Die Intention des Gesetzgebers hinter der Neuregelung ist zu begrüßen: Im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer sollen Mitbestimmungsrechte haben – sei es durch Tarifvertrag, sei es durch Betriebsverfassungsrecht. Durch die Änderung des § 117 BetrVG sollte die frühere Rechtefreiheit des fliegenden Personals ohne TV-PV beendet werden.
In der gesetzgeberischen Eile hat man jedoch nicht bedacht, dass für die Anwendung des BetrVG der Betrieb des fliegenden Personals eindeutig bestimmbar sein muss. Mit dem bisherigen Betriebsbegriff der Rechtsprechung und Literatur ist das nicht möglich. In der Folge herrscht die Rechtsunsicherheit: Wer wählt den Betriebsrat und in welcher Einheit wird er gewählt, wer bestellt den Wahlvorstand, und wann ist eine unternehmerische Maßnahme mitbestimmungspflichtig?
Im Ergebnis hat die Gesetzesänderung nur in Einzelfällen dazu geführt, dass Arbeitnehmer nun eine Personalvertretung haben – und nur deshalb, weil die Probleme bei der Anwendung des BetrVG umgangen werden sollten. In anderen Fällen haben Piloten und Flugbegleiter bis heute weder Personalvertretung noch Betriebsrat, weil umstritten ist, wo nach dem heutigen Betriebsbegriff die Betriebe belegen sind. Bis zur gerichtlichen Klärung oder gesetzgeberischen Nachbesserung herrscht über den Wolken betriebsverfassungsrechtliche Unsicherheit.
Der Gesetzgeber hätte diese Probleme sehen und vermeiden müssen. Eine mögliche Lösung wäre, für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer einen neuen, heimatbasisbezogenen Betriebsbegriff einzuführen. Danach wäre der Betrieb die organisatorische Einheit des Luftfahrtunternehmens an dem Ort, von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Durch diese – an das internationale Privatrecht angelehnte – Anknüpfung an die Heimatbasis könnte die rechtssichere und effektive Anwendung des BetrVG gem. § 117 BetrVG auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer gewährleistet werden.
Weiterführende Untersuchungen zur Frage, ob zur Betriebsbestimmung auch in anderen Branchen an den Ort der gewöhnlichen Arbeitsverrichtung angeknüpft werden könnte und sollte, werden angeregt.