Eine chronologische Darstellung der Haftung in der GmbH und ihren Vorgesellschaften

Maximilian Schlereth, Moritz Lamm*

Das Gesellschaftsrecht ist eines der Randgebiete der juristischen Grundausbildung. Als solches ist es jedoch mitnichten – insbesondere in der Examensvorbereitung – zu vernachlässigen. Dies gilt gerade auch für Haftungsfragen in Kombination mit der GmbH und ihren Gesellschaftern. Dieser Beitrag beleuchtet daher chronologisch vom Vorgründungsstadium (A.) über das Gründungsstadium (B.) bis zur Eintragung ins Handelsregister (C.) die prüfungsrelevantesten gesellschaftsrechtlichen Normen und Grundsätze des Haftungsregimes der GmbH. Hierbei wird nicht nur die Haftung aufgrund von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, sondern auch im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung und -erhaltung thematisiert.

Stichwörter: Vorgründungsgesellschaft, Gründungsgesellschaft, Vor-GmbH, GmbH, Gesellschafterhaftung, Geschäftsführerhaftung

A. Vorgründungsstadium

Die GmbH findet ihren Ursprung im Vorgründungsstadium. Dieses beginnt mit der formfreien Einigung der Gründer (sodann Gesellschafter) darüber, eine GmbH gründen zu wollen.1 Es endet mit der notariellen Beurkundung des fertigen Gesellschaftsvertrages (§§ 2 f. GmbHG).­­­

Durch die formfreie Einigung, eine GmbH zu gründen, entsteht eine (nicht rechtsfähige) Innen-GbR mit dem Verbandszweck der Gründung einer GmbH. Wird für diese jedoch bereits einvernehmlich im Rechtsverkehr kontrahiert, entsteht eine rechtsfähige Außen-GbR;2 respektive, insofern ein Handelsgewerbe betrieben wird, eine OHG (§§ 105 I i.V.m. 1 II, 123 II HGB).3 Die Vorgründungsgesellschaft wird in der Regel gem. § 726 BGB durch Zweckerreichung mit Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages beendet.

Die Haftung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter in diesem Stadium unterscheidet sich ergo nicht von den allgemeinen personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen betreffend die GbR bzw. OHG, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann.4

B. Gründungsstadium

Durch die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages (§ 2 GmbHG) wächst die Gesellschaft in das Gründungsstadium hinein, welches bis zur Handelsregistereintragung (§§ 7, 8 GmbHG) andauert.5

I. Gesellschaft

Die so entstandene Vorgesellschaft (Vor-GmbH) ist ein Rechtsträger eigener Art.6 Diese rechtsfähige Gesamthandsgesellschaft ist mit der später entstehenden GmbH rechtlich identisch, was bedeutet, dass etwaige Verbindlichkeiten aus dem Gründungsstadium voll auf die später entstandene GmbH übergehen, ohne dass es einer besonderen Eintritts- oder Genehmigungserklärung bedarf.7

Die Vor-GmbH kann entsprechend § 35 GmbHG durch ihre Geschäftsführer per Stellvertretung (§ 164 I, III BGB) verpflichtet werden, wobei die Vertretungsmacht darauf begrenzt ist, die Entstehung der GmbH zu fördern und das bis dahin eingebrachte Vermögen zu verwalten und zu erhalten.8 Anzumerken ist, dass im Falle des Einbringens eines Unternehmens als Sacheinlage der Zweck der Vorgesellschaft auch dessen Fortführung umfasst.9

Diese beschränkte Vertretungsmacht kann durch formloses Einvernehmen aller Gesellschafter jederzeit erweitert werden.10 Dies hat zur Folge, dass sodann auch bei nicht gründungsnotwendigen Geschäften die Gesellschaft selbst verpflichtet werden kann.

Daneben haftet auch die Vor-GmbH, wie die Personengesellschaften im Vorgründungsstadium, durch Zurechnung analog § 31 BGB für deliktische Handlungen der Geschäftsführer oder sonstiger Organmitglieder, soweit diese im Zusammenhang mit der Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen entstanden sind.11


*Der Autor Schlereth ist studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürger- liches Recht, Internationales Privatrecht, Medizinrecht sowie Privatver- sicherungsrecht und Tutor für Bürgerliches Recht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Mannheim.

Der Autor Lamm ist studentischer Mitarbeiter der Kanzlei Rowedder Zimmermann Hass Rechtsanwälte PartmbB in Mannheim und Tutor für Bürgerliches Recht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Mannheim.

1 Schäfer Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 32 Rn. 2 f.; Koch Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2021, § 33 Rn. 27.

2 BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056.

3 BGH DStR 2004, 1094, 1095 = JuS 2004, 727, 728 f. (m. Anm. K. Schmidt); siehe hierzu allgemein J. Schmidt ZJS 2019, 110.

4 Siehe zur akzessorischen Gesellschafterhaftung im Überblick Denke ZJS 2021, 248 ff.; vgl. zur Haftung in der GbR Garz/Flaßhoff ZJS 2021, 282, 285 f.; Bitter/Heim Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2022, § 5 Rn. 39 ff.; zum Überblick über die Änderungen durch das MoPeG ab dem 01.01.2024 Mohamed JuS 2021, 820, 825; vgl. zur Haftung in der OHG Schäfer Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 6 Rn. 1 ff. u. § 9 Rn. 23, 30.

5 Wicke GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 11 Rn. 3.

6 Reichert/Ihrig GmbH & Co KG, 8. Aufl. 2021, § 12 Rn. 16; Koch Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2021, § 33 Rn. 36.

7 BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373; BGHZ 80, 182, 184 = NJW 1981, 1452; Grunewald Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2020, § 12 Rn. 39, 50.

8 BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375;Steiner BWNotZ 1999, 10, 12.

9 BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375; Grunewald Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2020, § 12 Rn. 41.

10 BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375; vgl. BeckOK GmbHG/Jaeger C., 54. Ed. 1.11.2022, § 11 Rn. 14 f.

11 OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 637, 638 = BeckRS 1988, 3571; zum Ganzen Piper JuS 2011, 490.

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II. Gesellschafter

Neben die selbstständige Haftung der Vor-GmbH tritt die Haftung ihrer Gesellschafter. Hierbei ist zwischen Innenhaftung, also der Haftung der Gesellschafter gegenüber der Vor-GmbH, und Außenhaftung, der unmittelbaren Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Vor-GmbH, zu differenzieren.

Hinweis: Bei der (Re-)Aktivierung eines GmbH-Mantels, der durch Mantel- oder Vorratsgründung entstanden ist, (wirtschaftliche Neugründung) sind die folgenden Haftungsgrundsätze der Innenhaftung analog anzuwenden.12 Dies gilt selbstverständlich nicht für die Verlustdeckungshaftung, da der GmbH-Mantel bereits eine fertige juristische Person darstellt.

1. Innenhaftung

Die Haftung der Gesellschafter im Verhältnis zur Vor-GmbH ergibt sich sowohl aus dem GmbHG als auch aus gefestigter Rechtsprechung. Aus didaktischen Gründen werden hier auch Ansprüche dargestellt, die erst zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung, also dem Ende der Gründungsphase, entstehen, jedoch in aller Regel im Gründungsstadium begründet werden.

a) Einlagepflicht

Nach §§ 19 I, 14 S. 1 GmbHG haben die Gesellschafter auf ihre Geschäftsanteile die Einlagen zu leisten. Diese ergeben sich gemäß § 3 I Nr. 4 GmbHG aus dem Gesellschaftsvertrag und sind nach § 8 I Nr. 1 GmbHG Teil des Inhaltes der Handelsregisteranmeldung.

§ 7 II GmbHG normiert, dass zum Zeitpunkt der Anmeldung auf jeden Geschäftsanteil mindestens ¼ des Nennbetrages und insgesamt mindestens ½ des Mindeststammkapitals (12.500 €, vgl. § 5 I GmbHG) eingezahlt sein muss. Sacheinlagen sind grundsätzlich so zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen, § 7 III GmbHG.

b) Verlustdeckungshaftung

Nach einvernehmlichem13 Geschäftsbeginn gilt für Verbindlichkeiten der Gesellschaft bis zur Handelsregistereintragung eine andauernde Verlustdeckungshaftung, die in der Regel eine Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Vor-GmbH darstellt (zu Ausnahmen siehe B. II. 2.).14

Diese unbeschränkte Haftung im Verhältnis der Beteiligungsverhältnisse (pro rata) erstreckt sich auf die Verluste der Vor-GmbH.15 Kommt es zu keiner Eintragung, sind also nur die bisherigen Verluste auszugleichen.16

Beispiel 1: A und B schließen sich zum Zweck des Lebensmittelhandels gesellschaftsvertraglich zusammen. Hierbei übernimmt A einen Anteil von 40 % an der Gesellschaft, B trägt die verbleibenden 60 %. Nach notarieller Beurkundung des GmbH-Gesellschaftsvertrags, aber noch vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, wird die Vor-GmbH zahlungsunfähig. Offenstehende Rechnungen i.H.v. 20.000 € kann die insolvente Gesellschaft aus ihrem Kapital nicht mehr decken. Nach dem Grundsatz der Verlustdeckung haftet A über 8.000 € und B über 12.000 € gegenüber der Gesellschaft. Dieser Anspruch wird in praxi von dem Insolvenzverwalter geltend gemacht.17

c) Überbewertung von Sacheinlagen

Im Falle einer im Gesellschaftsvertrag nach § 5 IV GmbHG vereinbarten Sacheinlage sind bei Handelsregisteranmeldung gemäß § 8 I Nr. 5 GmbHG Unterlagen einzureichen, die belegen, dass der Wert der Sache den Nennbetrag der übernommenen Geschäftsanteile deckt.

Wenn im Zeitpunkt der Anmeldung der Wert nicht den Nennbetrag erreicht, haftet der einlegende Gesellschafter gemäß § 9 I 1 GmbHG in Höhe der Differenz.

Umstritten ist, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf die Differenzhaftung entsteht.18 Da sich bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der objektive Wert der Sache volatil verhalten kann, ist im Interesse des Gläubigerschutzes nicht bereits auf den Zeitpunkt der Einbringung, also der Überlassung der Sache an die Gesellschaft, abzustellen. Richtigerweise entsteht der Anspruch daher erst zum Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister, da erst zu diesem Stichtag die Feststellung eines möglichen Fehlbetrages erfolgen kann.19

d) Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Gründung

Nach § 9a I GmbHG haften Gesellschafter für relevante Angaben im Zusammenhang mit dem gesamten Gründungsvorgang, die objektiv unrichtig oder unvollständig sind.20 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Angaben ist das Inverkehrbringen der Erklärungen.21 Zusätzliche Voraussetzung ist die nach § 9a III GmbHG vermutete Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen. Was der maßgebliche Zeitpunkt hierfür ist, ist stark umstritten; konsequenterweise ist im Gleichlauf mit § 9 I 1 GmbHG auf den Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister abzustellen.22


12 MünchKomm-GmbHG/Wicke, 4. Aufl. 2022, § 3 Rn. 39 f.; Winnen RNotZ 2013, 389, 400 ff.; siehe zur Unterbilanzhaftung bei unterbliebener Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung BGHZ 192, 341 = NZG 2012, 539; Wicke MittBayNot 2014, 13, 21.

13 War der Geschäftsbeginn nicht einvernehmlich, konnte die Vor-GmbH nicht wirksam verpflichtet werden. Eine Verlustdeckungs- oder Unterbilanzhaftung würde daher mangels Gesellschaftsverbindlichkeit nicht greifen, vgl. nur unter B. I.; Koch Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2021, § 33 Rn. 37 f.

14 BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824; BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507.

15 BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824.

16 Ulmer ZIP 1996, 733, 738; Legron RNotZ 2003, 214, 216 f.

17 Vgl. nur BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507.

18 Vgl. Altmeppen GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 9 Rn. 13.

19 Henssler/Strohn/Schäfer Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 9 GmbHG Rn. 10; Scholz/Veil GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 9 Rn. 22; Altmeppen GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 9 Rn. 14.

20 MünchKomm-GmbHG/Herrler, 4. Aufl. 2022, § 9a Rn. 38; Wicke GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 9a Rn. 4 f.

21 OLG Brandenburg BeckRS 2017, 140653 Rn. 51 f.; OLG Bremen GmbHR 1998, 40 f.

22 Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob man eine Berichtigungspflicht der eintragenden Gesellschafter annimmt; vgl. zum Ganzen BeckOK GmbHG/Ziemons, 54. Ed. 1.11.2022, § 9a Rn. 38; dementgegen argumentiert bspw. MünchKomm-GmbHG/Herrler, 4. Aufl. 2022, § 9a Rn. 72 für den späteren Zeitpunkt der Eintragung.

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Hinweis: § 9a I GmbHG gilt analog bei der (Re-)Aktivierung einer Mantel-/Vorratsgesellschaft, wobei es auf den Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht ankommt.23

Gemäß § 9a II GmbHG haften alle Gesellschafter als Gesamtschuldner, wenn der Gesellschaft vorsätzlich oder grob fahrlässig durch Einlagen oder Gründungsaufwand ein Schaden zugefügt wurde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine objektiv werthaltige Sacheinlage eingebracht wurde, diese jedoch für die Gesellschaft unbrauchbar ist und nicht ohne weiteres veräußert werden kann.24 § 9a II GmbHG ist gegenüber Abs. 1 subsidiär.25

e) Unterbilanzhaftung

Die Verlustdeckungshaftung wird zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung durch die Unterbilanzhaftung (auch: Differenz- oder Vorbelastungshaftung) abgelöst.26 Nach dieser Haftungsregel müssen die Gesellschafter unbeschränkt für eine etwaige Differenz zwischen dem statuarischen Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens entsprechend ihrer Beteiligungsquote (pro rata) einstehen.27

Vergleichend haften die Gesellschafter also nicht nur auf die Verluste, wie bei der Verlustdeckungshaftung, sondern darüber hinaus bis zur Grenze des geschuldeten Stammkapitals (Kapitalaufbringung).

Beispiel 2:28 A ist Alleingesellschafter der X-GmbH, die vor einiger Zeit ein Bauunternehmen betrieben hat. Das ursprünglich voll eingezahlte Stammkapital in Höhe von 50.000 € wurde mittlerweile vollständig aufgebraucht. A veranlasst daraufhin die Einstellung des Geschäftsbetriebs. Nach einiger Zeit melden sich B und C, die am Erwerb der Geschäftsanteile der X-GmbH Interesse zeigen. Sie benötigen für die Gründung eines Metallbauunternehmens schnell einen Rechtsträger. A übertragt daraufhin gegen Zahlung eines Kaufpreises seine Geschäftsanteile gleichmäßig auf B und C. Diese verlegen sodann den Unternehmenssitz und ändern die Firma ab. Der Vorgang soll dem Registergericht offengelegt werden. B und C fragen sich, wieviel Kapital sie der Gesellschaft nun zur Verfügung stellen müssen. Da die Gesellschaft vorliegend vor der Übernahme durch B und C kein Unternehmen mehr betrieben hat und die neue Tätigkeit auch keinen Bezug zu ihrem früheren Geschäftsbetrieb aufweist, handelt es sich hierbei um eine wirtschaftliche Neugründung (sog. Mantelgründung). Rechtsfolge der wirtschaftlichen Neugründung ist die entsprechende Anwendbarkeit der Gründungsvorschriften des GmbHG. Hierzu zählt auch die der Kapitalaufbringung dienende Unterbilanzhaftung. Maßgeblicher Stichtag hierfür ist die – mit der Versicherung nach § 8 II GmbHG zu verbindende – Offenlegung gegenüber dem Handelsregister. Auf A und B entfallen daher jeweils Zahlungsverpflichtungen i.H.v. 25.000 €. Hiervon sind für die Eintragung entsprechend § 7 II 1 GmbHG 12.500 € (¼ des Nennbetrages) jeweils von B und C zum Zeitpunkt der Offenlegung zur freien Verfügung der Geschäftsführung zu stellen.

f) Aufbringung von Fehlbeträgen

Die bisher dargestellten Haftungsprinzipien haben das gemeinsame Ziel der Sicherstellung der Kapitalaufbringung. § 24 GmbHG installiert diesbezüglich eine Gesamtverantwortung aller Gesellschafter für die Aufbringung des Stammkapitals.29

Für den Fall, dass ein Gesellschafter seine fällige Stammeinlage nicht erbringt und diese auch nicht auf andere Weise (§§ 21 ff. GmbHG) aufgebracht werden kann,30 statuiert § 24 S. 1 GmbHG eine Ausfallhaftung aller weiteren Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Beteiligung (pro rata). Ist jedoch einer dieser Gesellschafter ebenso nicht in der Lage, die anteilige Haftungssumme zu erbringen, regelt § 24 S. 2 GmbHG eine weitere Umlegung der Zahlungsverpflichtung pro rata auf die übrigen Gesellschafter.

Im Ergebnis kann dies bedeuten, dass ein einzelner solventer Gesellschafter – ungeachtet der prozentualen Beteiligung an der Gesellschaft – alleine für die gesamte Stammeinlage haften muss.31

§ 24 GmbHG gilt durch seine Konzeption als Nothaken der Kapitalaufbringung auch für die Differenzhaftung aus § 9 I 1 GmbHG sowie für die Unterbilanzhaftung.32 Zudem ist er bei der Verlustdeckungshaftung analog anzuwenden;33 so wird selbst bei Aufgabe der Eintragungsabsicht ein angemessener Gläubigerschutz für Altverbindlichkeiten gewährleistet.

2. Außenhaftung

Neben die Innenhaftung tritt bis zur Handelsregistereintragung in Ausnahmefällen eine unmittelbare Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Vor-GmbH.

Diese anerkannte anteilige Durchgriffshaftung (pro rata) greift, wenn an der Vor-GmbH nur ein Gesellschafter beteilig ist (Einmann-Gründung);34 nur ein Gläubiger vorhanden ist; sowie wenn die Vor-GmbH vermögenslos35


23 BGH NZG 2011, 1066 = GmbHR 2011, 1032 (m. Anm. Bayer); OLG Thüringen GmbHR 2004, 1468, 1470.

24 Vgl. MünchKomm-GmbHG/Herrler, 4. Aufl. 2022, § 9a Rn. 88.

25 KG BeckRS 2011, 14597; BeckOK GmbHG/Ziemons, 54. Ed. 1.3.2022, § 9a Rn. 50.

26 BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507.

27 Schäfer Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 33 Rn. 5; Grunewald Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2020, § 12 Rn. 47; zu einem Rechenbeispiel Bitter/Heim Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2022, § 4 Rn. 43.

28 Angelehnt an BGHZ 155, 318 = DNotZ 2003, 951.

29 Rowedder/Pentz/Pentz/Maul GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 24 Rn. 1.

30 Vgl. Wicke GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 24 Rn. 2.

31 OLG Hamm GmbHR 2011, 588, 590; MünchKomm-GmbHG/Schütz, 4. Aufl. 2022, § 24 Rn. 2.

32 Noack/Servatius/Haas/Kersting GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 24 Rn. 2; Altmeppen GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 24 Rn. 2.

33 Reichert/Ihrig GmbH & Co KG, 8. Aufl. 2021, § 12 Rn. 20; Peifer, JuS 2008, 490 (492); Legron RNotZ 2003, 219.

34 BGH NZG 2001, 561 = NJW 2001, 2092.

35 BGH NZG 1998, 103 = NJW 1998, 628; BSG NZG 2000, 590 = DStR 2000, 741; BFH NJW 1998, 2926 = DStR 1998, 1129.

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oder führungslos ist.36

Jene ausnahmsweise Außenhaftung findet ihre Begründung darin, dass in den dargestellten Konstellationen entweder eine Gläubigergleichbehandlung ohnehin nicht garantiert werden kann, sich mangels anderer Gläubiger erübrigt hat oder der Umweg über die Inanspruchnahme der Vor-GmbH nicht mehr zumutbar ist.37

Neben dieser Haftung im Verhältnis der Beteiligungsverhältnisse ist eine Außenhaftung nach den für Personengesellschaften (GbR & OHG) geltenden Vorschriften, also im Wege einer Gesamtschuldnerschaft betreffend den gesamten Anspruch, anerkannt, wenn es den Gesellschaftern an einer ernsthaften Eintragungsabsicht fehlt38 oder diese trotz Fortsetzung der Geschäfte davor aufgegeben39 wurde.

Diese noch strengere Außenhaftung in der sog. unechten Vorgesellschaft40 begründet sich dadurch, dass tatsächlich keine Vor-GmbH, sondern eine GbR oder (je nach Betrieb eines Handelsgewerbes i.S.d. § 1 II HGB) eine OHG vorliegt.41 Diesen gesellschaftsrechtlichen Rechtsformzwang können die Gesellschafter einer vermeintlichen GmbH in Gründung (Vor-GmbH) nicht umgehen.

III. Geschäftsführer

Neben der Haftung der Gesellschafter kommt in den folgenden Fällen eine gesonderte Haftung der Geschäftsführer in Betracht:

1. Innenhaftung

Die Haftung aus § 9a I GmbHG gilt nach seinem Wortlaut auch für die Geschäftsführer. Insoweit kann auf das unter B. II. 1. d) Gesagte verwiesen werden. Hinzuweisen ist darauf, dass der Anspruch erst zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung entsteht und somit faktisch erst von der fertigen GmbH geltend gemacht werden kann.

2. Außenhaftung

Von der Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH ist die sog. Handelndenhaftung42 nach § 11 II GmbHG zu differenzieren. Danach haftet derjenige unmittelbar im Außenverhältnis, der vor Handelsregistereintragung im Namen der Gesellschaft Verbindlichkeiten begründet hat. Haben mehrere gehandelt, haften diese als Gesamtschuldner.

Handelnder ist der Geschäftsführer, oder wer als Geschäftsführer auftritt.43 Damit richtet sich die Haftung nach § 11 II GmbHG auf denjenigen, der dem Gläubiger naturgemäß am nächsten kommt, also am ehesten greifbar ist.

Handelt der Geschäftsführer – unabhängig, ob er von den Gesellschaftern ermächtigt worden ist (vgl. oben unter B. I.) – haftet er nach § 11 II GmbHG.44 Explizit sind jedoch bei einem einvernehmlichen Geschäftsbeginn nicht diejenigen Gesellschafter Handelnde i.S.d. § 11 II GmbHG, die lediglich mit der Geschäftsaufnahme einverstanden waren oder den Geschäftsbeginn in sonstiger Weise gefördert haben.45

Liegen die Voraussetzungen vor, haftet der Geschäftsführer gegenüber dem Gläubiger unbeschränkt persönlich (unmittelbare Außenhaftung).46

Beispiel 3: A, B und C sind Gesellschafter einer Vor-GmbH. C führt in Absprache mit A die Geschäfte der Gesellschaft. Als C im Namen der Vor-GmbH mit X einen Vertrag schließen möchte, fragt sich X, gegen wen er künftige Ansprüche geltend machen kann. Schließt C den Vertrag ab, so ist er Handelnder (nicht jedoch A und B). Damit tritt er als Haftungssubjekt gem. § 11 II GmbHG neben die Vor-GmbH.

Hinweis: § 11 II GmbHG gilt analog bei der (Re-)Aktivierung einer Mantel-/Vorratsgesellschaft für bis zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung entstandene Verbindlichkeiten – jedoch nach Rechtsprechung des BGH nur, wenn die Gesellschafter der Geschäftsaufnahme nicht zugestimmt haben.47

C. Zeitpunkt nach Eintragung

Mit dem letzten Schritt der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11 I GmbHG) wird aus der Vorgesellschaft die fertige GmbH.

I. Gesellschaft

Die Handelsregistereintragung stellt insofern eine Zäsur dar, da ab diesem Zeitpunkt die GmbH als juristische Person entstanden ist und grundsätzlich den Gläubigern als einziger Schuldner mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen zur Verfügung steht (§ 13 I, II GmbHG).

Die bereits unter B. I. erwähnte Organhaftung für deliktische Handlungen der Geschäftsführer und verfassungsmäßig berufene Vertreter durch Zurechnung analog § 31 BGB gilt


36 BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509; BAG NZA 2000, 956, 958 = NJW 2000, 2915, 2917.

37 Vgl. zum Ganzen MünchKomm-GmbHG/Merkt, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 86; Schäfer Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 33 Rn. 6.

38 Vgl. BGHZ 143, 314, 319 = NJW 2000, 1193, 1194; Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 11 Rn. 32 f.

39 BGHZ 152, 290, 294 = NJW 2003, 429, 430; BSG NZG 2000, 590, 592 = DStR 2000, 741; BFH NJW 1998, 2926 = DStR 1998, 1129; BGHZ 22, 440 = NJW 1957, 218.

40 Vgl. zu dem Begriff nur BGHZ 152, 290, 294 f. = NJW 2003, 429, 430; MünchKomm-GmbHG/Merkt, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 87.

41 Vgl. nur Bitter/Heim Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2022, § 4 Rn. 58; BGH NJW 2008, 2441, 2442 = JuS 2008, 941, 942 (m. Anm. K. Schmidt).

42 Zum Ganzen Schwab NZG 2012, 481 ff.

43 BGHZ 66, 359, 360 f. = NJW 1976, 1685; BGHZ 53, 206, 208 f. = NJW 1970, 1043, 1044; MünchKomm-GmbHG/Merkt, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 145 ff.

44 BGHZ 53, 210, 216 = NJW 1970, 806, 808; BeckOK GmbHG/Jaeger C., 54. Ed. 1.11.2022, § 11 Rn.63 f.; ob dies in Anbetracht einer möglichen Haftung nach §§ 177 ff. BGB (falsus procurator) nicht auf Fälle des einvernehmlichen Geschäftsbeginns zu beschränken ist, bleibt fraglich, siehe dazu Beuthien GmbHR 2013, 1, 8.

45 KG NJW-RR 1994, 494 = BeckRS 1993, 592.

46 Vgl. Habersack/Caspar/Löbbe/Ulmer/Habersack GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 11 Rn. 141.

47 BGH NZG 2011, 1066 = GmbHR 2011, 1032 (m. Anm. Bayer); Grunewald Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2020, § 12 Rn. 5; zurecht kritisch bzgl. der Reduzierung auf eine reine Falsus-procurator-Haftung Schäfer Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 33 Rn. 7.

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auch für die GmbH.48

Bestanden zum Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister noch Ansprüche gegen die Vor-GmbH, muss die konsekutiv entstandene GmbH auch für diese einstehen, da alle Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft nahtlos übergehen.49 Ob der Übergang durch Gesamtrechtsnachfolge, Formwechsel oder schlicht aufgrund einer Identität der Gesellschaften erfolgt, ist umstritten, im Ergebnis jedoch ohne Bedeutung.50

II. Gesellschafter

Entsprechend der Konzeption der GmbH als juristische Person und Kapitalgesellschaft kommt nach ihrer Entstehung grundsätzlich nur noch eine Innenhaftung der Gesellschafter in Betracht (§ 13 II GmbHG), die jedoch unter bestimmten Voraussetzungen durchbrochen werden kann – die Haftungstatbestände im Innen- und Außenverhältnis werden im Folgenden dargestellt.

Anzumerken ist, dass diese Haftungsgrundlagen auch immer mit Blick auf die unter B. II. 1. dargestellten Ansprüche gelesen werden sollten, die teilweise erst zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung entstehen, da diese denklogisch erst von der sodann entstandenen GmbH geltend gemacht werden können.

1. Innenhaftung

Zuerst wird die Haftung der Gesellschafter im Verhältnis zur GmbH besprochen. Diese findet ihren Ursprung sowohl innerhalb als auch außerhalb des GmbHG.

Hinweis: Bei der (Re-)Aktivierung eines GmbH-Mantels, der durch Mantel- oder Vorratsgründung entstanden ist, (wirtschaftliche Neugründung) sind die folgenden Haftungsgrundsätze der Innenhaftung ebenso (analog) anzuwenden.51

a) Verdeckte Sacheinlagen

Wie bereits die Notwendigkeit eines Sachgründungsberichts nach § 5 IV 2 GmbHG zeigt, ist die Unterscheidung zwischen Sach- und Geldeinlage von erheblicher Bedeutung. Um einer Umgehung der Vorschriften zur Sacheinlage vorzubeugen, regelt § 19 IV 1 GmbHG den Umgang mit verdeckten Sacheinlagen.

Dieser Umgehungsschutz greift, wenn eine geschuldete Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung aber vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu qualifizieren ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Gesellschaft im Anschluss an die Geldeinlage von dem Einlegenden sacheinlagefähige Vermögensgegenstände erwirbt;52 oder wenn der Einlegende die Bareinlageforderung mit ihm im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsanteile zustehenden Altforderungen gegen die Gesellschaft aufrechnet.53

Zudem muss die Umgehung im Vorhinein zwischen den Gründern verabredet worden sein. Eine solche Verabredung kann bei einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang (Faustformel: sechs Monate) zwischen Gründung und der die Sacheinlage begründenden Handlung vermutet werden.54 Einer weiteren subjektiven Komponente, insbesondere der ausdrücklichen Umgehungsabsicht, bedarf es nicht.55

Beispiel 4:56 Die I-GmbH hat von den L-Werken Waren im Wert von 2,5 Mio. € bezogen. Der Anspruch ist mittlerweile fällig und L verlangt Zahlung. Da die I-GmbH zwischenzeitlich in Liquiditätsschwierigkeiten geraten ist und nicht direkt zahlen kann, wird zwischen I-GmbH und L-Werken folgendes vereinbart: Die I-GmbH fasst einen Kapitalerhöhungsbeschluss, bei dem die L-Werke sämtliche neuen Geschäftsanteile übernimmt. Die von den L-Werken sodann eingezahlte Bareinlage in Höhe von 2,5 Mio. € verwendet die I-GmbH, um die Forderung der L-Werke zu begleichen. Steht der I-GmbH noch einen Anspruch auf Einzahlung der Einlage gegen die L-Werke zu? Hier liegt eine Abrede vor, die darauf gerichtet ist, dass die im Kapitalerhöhungsbeschluss festgesetzte Bareinlage durch einen anderen, sacheinlagefähigen Gegenstand ersetzt wird. Hierdurch erreichten die Parteien, dass die GmbH statt der ihr zustehenden Bareinlage effektiv die Zahlungsforderung der L-Werke erhält. Diese Forderung kann wirksam nur als Sacheinlage (§ 5 IV GmbHG) eingebracht werden. Das Vorliegen einer solchen verdeckten Sacheinlage führt gem. § 19 IV 1 GmbHG (bei der Kapitalerhöhung über § 56 II GmbHG anwendbar) dazu, dass zunächst weder das Einbringen der Sacheinlage noch die Barzahlung die Einlageforderung tilgt. Der Anspruch besteht daher grundsätzlich fort.

Die fortbestehende Geldeinlagepflicht kann jedoch gemäß § 19 IV 3, 4 GmbHG durch Anrechnung des tatsächlichen Wertes der eingebrachten Sache verringert werden.57 Eine Anrechnung findet danach jedoch nicht vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister statt.

Beispiel 5: Wenn nun bei Beispiel 4 die Eintragung ins Handelsregister erfolgt, so wird der tatsächliche Wert der eingelegten Forderung gem. § 19 IV 2 bis 4 GmbHG auf die fortbestehende Einlageforderung angerechnet. Ob vorliegend die verdeckt eingelegte Zahlungsforderung werthaltig ist, ist angesichts der Liquiditätsschwierigkeiten der I-GmbH jedenfalls zweifelhaft. Die Beweislast für die Werthaltigkeit trägt gem. § 19 IV 5 GmbHG die L.


48 OLG Saarbrücken BeckRS 2014, 2985 = GmbHR 2014, 481; BGHZ 99, 298, 299 f. = NJW 1987, 1193 f.; zum Ganzen DNotI-Report 2019, 113 ff.

49 Noack/Servatius/Haas/Servatius GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 11 Rn. 56 f.; vgl. auch unter B. I.

50 Vgl. Koch Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2021, § 33 Rn. 42 m. w. N.

51 Dies gilt insbesondere für § 19 GmbHG, da es bei diesem explizit um die Kapitalaufbringung geht, vgl. OLG Düsseldorf NZG 2004, 380 = ZIP 2003, 1501; OLG Hamburg GmbHR 2005 164, 166 = NZG 2005, 483, 484; Ihrig BB 1988, 1197, 1203.

52 Vgl. nur BGHZ 184, 158, 164 f. = NJW 2010, 1747, 1748; Pentz ZIP 2003, 2093, 2094.

53 BGHZ 180, 38, 41 = NJW 2009, 2375 f. m. w. N.

54 BGHZ 125, 141 = NJW 1994, 1477; BGHZ 166, 8, 10 = NZG 2006, 344, 345; BeckOK GmbHG/Ziemons, 54. Ed. 1.3.2022, § 19 Rn. 153 ff.

55 Pentz ZIP 2003, 2093, 2094.

56 Angelehnt an BGHZ 110, 47 = NJW 1990, 982.

57 Zur dogmatischen Einordnung Pentz GmbHR 2010, 673, 680 ff.

Schlereth/Lamm, Eine chronologische Darstellung der Haftung in der GmbH und ihren Vorgesellschaften86

b) Hin- und Herzahlen

Neben der Regelung zur verdeckten Sacheinlage bestimmt § 19 V 1 GmbHG, dass auch im Falle eines Hin- und Herzahlens grundsätzlich die Einlageleistung als nicht erbracht gilt und der Anspruch insofern fortbesteht.

Der Tatbestand des Hin- und Herzahlens ist entsprechend des Wortlauts verwirklicht, wenn – aufgrund einer vorherigen Abrede – vor oder nach Leistung der Einlage eine Auszahlung an den Einlegenden erfolgt, die wirtschaftlich einer (zumindest teilweisen) Einlagenrückzahlung entspricht und keine verdeckte Sacheinlage ist. Der Grundfall hierfür ist die Gewährung eines Darlehens an den Einlegenden.58

Wie bei der verdeckten Sacheinlage gilt auch hier, dass eine vorherige Abrede bei einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang (Faustformel: sechs Monate) zwischen Leistung der Einlage und Auszahlung an den Einlegenden vermutet wird.59

Zu einer ausnahmsweisen Anrechnung der Rückzahlung auf die Einlageschuld und somit die Ermöglichung des Eintritts der Erfüllung ist gemäß § 19 V 1 a.E. GmbHG erforderlich, dass die Rückzahlung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann. Zusätzliche Voraussetzung60 ist gemäß § 19 V 2 GmbHG die Angabe des Vorgangs in der Handelsregisteranmeldung (§ 8 GmbHG).

Beispiel 6: A und B sind Gesellschafter einer Vor-GmbH, C ist deren Geschäftsführer. A hat eine Bareinlage in Höhe von 1 Mio. € übernommen. Vor Handelsregisteranmeldung zahlt A diese Summe auf ein Bankkonto der GmbH ein. Nach vollzogener Handelsregistereintragung, fünf Monate nach der Leistung der Einlage, erhält A sodann denselben Betrag von der GmbH zurück. In diesem Zusammenhang sind sich A und C einig, dass A das Geld behalten darf. Hat die GmbH weiterhin einen Zahlungsanspruch i.H.v. 1 Mio. €? Der Erfüllung (§ 362 I BGB) der Einlageforderung der GmbH durch die Zahlung von A steht vorliegend § 19 V 1 GmbHG entgegen: A erhielt die geleistete Geldsumme zurück; dies geschah auch in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu der ursprünglichen Einzahlung, was die hier nicht entkräftete Vermutung einer vorherigen Abrede begründet. Eine Ausnahme nach § 19 V 1 a.E. GmbHG liegt nicht vor, weil die GmbH keinen vollwertigen und fälligen Rückgewähranspruch gegen A erhält. Er sollte das zurückgezahlte Geld vielmehr endgültig behalten dürfen. Daher schuldet A der GmbH weiterhin die Zahlung von 1 Mio. €. Wenn C voraussichtlich nicht gerichtlich gegen A vorgehen will, kann B den Zahlungsanspruch der GmbH nach den Grundsätzen der actio pro socio (gesetzliche Prozessstandschaft) in eigenem Namen für die Gesellschaft klageweise geltend machen.61

c) Sonderfall Cash-Pooling

Einen hervorzuhebenden Sonderfall stellt das sog. Cash-Pooling dar. Bei der in praxi am weitesten verbreiteten Form des sog. physical Cash-Poolings zahlen die Teilnehmer des Cash-Pools, meistens innerhalb eines Konzerns, ihre Liquidität auf ein gemeinsames sog. Masterkonto.62

Wenn nun beispielsweise der Einlegende (insb. Muttergesellschaften) seine Geldeinlage an die Vor-GmbH zahlt und das Kapital nach Handelsregistereintragung vereinbarungsgemäß auf einen Cash-Pool überwiesen wird, an dem auch der Einlegende beteiligt ist, ist zu differenzieren:

Wenn im Zeitpunkt der Einzahlung auf ein in den Cash-Pool einbezogenes Konto der Saldo zugunsten der GmbH positiv ist, das Kapital also dem Cash-Pool (und damit auch dem Einlegenden) zur Verfügung gestellt wird, liegt ein Fall des Hin- und Herzahlens (C. II. 1. b)) vor.63 Dies ist damit zu begründen, dass auf diese Weise faktisch ein Darlehen ausgekehrt wird, das dem Einlegenden zur Verfügung steht.64

Ist jedoch der Saldo des einbezogenen Kontos zum Zeitpunkt der Einzahlung zulasten der GmbH negativ, so handelt es sich um eine verdeckte Sacheinlage (C. II. 1. a)).65 Der Grund hierfür ist, dass faktisch die Gesellschaft durch die Einlage von einer Darlehensverbindlichkeit aus der Cash-Pool Vereinbarung befreit wird (Forderungseinbringung).66

Beispiel 7:67 Die A-AG möchte sich an dem Geschäftsmodell der B-Vor-GmbH beteiligen. Zu diesem Zwecke übernimmt sie einen Geschäftsanteil, auf den eine Bareinlage i.H.v. 2 Mio. € entfällt. Zudem tritt B einem von der A-AG geführten Cash-Pool bei der X-Bank bei. B soll nun ihren gesamten Zahlungsverkehr über ein dort geführtes Konto abwickeln. Dieses Konto ist mit einem sog. Zentralkonto gekoppelt, das den angeschlossenen Gesellschaften des Cash-Pools auch kurzfristig Mittel zur Verfügung stellt und so etwaige Fehlbeträge auf deren Konten ausgleicht. Im Ergebnis werden jeden Tag sämtliche Konten – mit Ausnahme des Zentralkontos – „auf Null gestellt“ (sog. ZeroBalancing). Der hierfür geschlossene Cash-Management-Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und ist mit einer Frist von drei Monaten, frühestens aber nach dem Ablauf von vier Jahren, kündbar.

Bereits vor Handelsregisteranmeldung zahlt die A-AG absprachegemäß 1 Mio. € an B, die über den Cash-Pool automatisch wieder an das Zentralkonto weitergeleitet werden. Nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister zahlt die A-AG die verbleibenden 1 Mio. € an die B-GmbH.


58 Beispielhaft Wicke GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 19 Rn. 31.

59 BGHZ 125, 141 = NJW 1994, 1477; Schäfer Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2018, § 35 Rn. 11.

60 Die Offenlegungspflicht ist materielle Erfüllungsvoraussetzung, vgl. dazu BT-Drucks. 16/9737, 56; BGHZ 182, 103 f. = NJW 2009, 3091; BGH NZG 2012, 231, 232 = DStR 2011, 2307, 2308; Pentz GmbHR 2009, 505, 511.

61 Siehe zur actio pro socio im GmbH-Recht Kumkar NZG 2020, 1012.

62 Vgl. zum Ganzen Schilling/Greil IStR 2020, 201, 202.

63 BGH DStR 1999, 1451 (m. Anm. Goette) = BeckRS 9998, 40644; Rowedder/Pentz/Pentz GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 19 Rn. 161.

64 BGHZ 182, 103, 107 = NJW 2009, 3091, 3092.

65 BGHZ 182, 103 = NJW 2009, 3091; Michalski u.a./Ebbing GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 19 Rn. 186 f.; krit. Schäfer BB-Special 7 2006, 5, 7.

66 BGHZ 166, 8, 12 = NJW 2006, 1736, 1737; Altmeppen GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 19 Rn. 132.

67 Angelehnt an BGHZ 182, 103 = NJW 2009, 3091.

Schlereth/Lamm, Eine chronologische Darstellung der Haftung in der GmbH und ihren Vorgesellschaften87

Auch diese Summe fließt auf dem gleichen Weg auf das Zentralkonto. Zum Zeitpunkt der ersten Zahlung wies das Cash-Pool-Konto der B einen ausgeglichenen Saldo auf; bei der zweiten Zahlung stand dieses Konto mit 1 Mio. € im Soll. Hat die A-AG ihre Bareinlageverpflichtung erfüllt?

Die erste Zahlung stellt durch die Weiterleitung an das Zentralkonto wirtschaftlich betrachtet die Gewährung eines Darlehens und damit einen Fall des Hin- und Herzahlens (§ 19 V GmbHG) dar. Mangels Anmeldung dieses Vorgehens zum Handelsregister, die Erfüllungsvoraussetzung ist (sic!), hatte diese Zahlung keine Erfüllungswirkung (vgl. § 19 V 2 GmbHG). Die zweite Zahlung führte im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, dass der B-GmbH in Folge der Weiterleitung der Bareinlage auf das Zentralkonto nicht der vereinbarte Barbetrag, sondern die Befreiung von der Verbindlichkeit aus der Cash-Pool-Verbindung zugeflossen ist. Dies erfüllt die Voraussetzungen einer verdeckten Sacheinlage gem. § 19 IV GmbHG (Forderungseinbringung). Anders als bei der ersten Zahlung führt dies zur Anrechnung des Forderungswertes auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht der A-AG und führt insoweit zur Erfüllung (vgl. § 19 IV 3 GmbHG). Die Beweislast für die Werthaltigkeit der Rückzahlungsforderung im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zentralkonto trägt gem. § 19 IV 5 GmbHG die A-AG.

d) Aufbringung von Fehlbeträgen

Die in B. II. 1. f) beschriebene Ausfallhaftung gemäß § 24 S. 2 GmbHG gilt konsequenterweise auch für die Kapitalaufbringung nach § 19 GmbHG.

e) Verbotene Rückzahlungen

Nach § 31 I GmbHG entsteht der GmbH ein sofort fälliger68 Erstattungsanspruch über gewährte Leistungen an Gesellschafter, die einen Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 30 I 1 GmbHG darstellen (Kapitalerhaltung).

Ein solcher Verstoß liegt nach § 30 I GmbHG vor, wenn das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen ausgezahlt wird und insb. nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt ist.

Der Erstattungsanspruch richtet sich auf die volle Rückgewähr, hilfsweise auf Wertersatz.69 Ist die Erstattung von dem Gesellschafter nicht zu erlangen, haften die Mitgesellschafter pro rata gemäß § 31 III GmbHG.

War der Empfänger der gewährten Leistung jedoch in gutem Glauben, so schuldet er nach § 31 II GmbHG die Erstattung nur soweit sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Dies wird regelmäßig bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Fall sein.

f) Existenzvernichtende Eingriffe

Neben § 31 GmbHG haften Gesellschafter nach den Grundsätzen des existenzvernichtenden Eingriffs, wenn sie der Gesellschaft planmäßig Vermögen entziehen und dadurch die Gesellschaft dauerhaft an der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten hindern und in die Insolvenz treiben bzw. diese vertiefen.70

Seit der Trihotel-Entscheidung des BGH ist anerkannt, dass diese Haftung einen Unterfall des § 826 BGB darstellt, insoweit muss der Gesellschafter also auch zumindest eventualvorsätzlich gehandelt haben.71

Beispiel 8:72 A ist Eigentümer eines Hotelgrundstücks, das er an die X-GmbH verpachtet, deren Alleingesellschafter und -geschäftsführer er ist. Als sich die Geschäftslage der X-GmbH verschlechtert, entschließt er sich, den Pachtvertrag aufzuheben. Das Hotel verpachtet er sodann an die Y-GmbH, bei der er ebenfalls Alleingesellschafter und -geschäftsführer ist. Das Inventar für den Hotelbetrieb stellt weiterhin die X-GmbH zur Verfügung, die hierfür von der Y-GmbH eine Umsatzbeteiligung erhält. Die Umsatzbeteiligung ist jedoch erkennbar so gering, dass sie die laufenden Kosten der X-GmbH weit unterschreitet, sodass diese insolvent wird. Es ist davon auszugehen, dass sich A wirksam von Beschränkungen nach § 181 BGB befreit hat. Der Insolvenzverwalter der X-GmbH möchte nun A bezüglich noch ausstehender Gläubigerforderungen persönlich beanspruchen. Eine solche Haftung kann sich durch vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens aus § 826 BGB ergeben. Dem Vorsatzerfordernis ist hierbei genügt, wenn dem Handelnden bewusst ist, dass durch die Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt wird; dafür reicht es aus, dass ihm die Tatsachen bewusst sind, die den Eingriff sittenwidrig machen, während ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich ist. Dies betrifft nicht nur die Fälle, in denen die Vermögensentziehung geschieht, um den Zugriff der Gläubiger zu verhindern, sondern ist auch dann anzunehmen, wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter dies in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat (dolus eventualis). Dieser Anspruch ist im Übrigen nicht subsidiär gegenüber Ansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG, sondern steht zu diesen in Anspruchsgrundlagenkonkurrenz.

2. Außenhaftung

Neben die Innenhaftung tritt unter strengen Voraussetzungen eine unmittelbare Durchgriffshaftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern und damit eine faktische Durchbrechung des § 13 II GmbHG.

Eine (gesamtschuldnerische) Haftung analog § 128 HGB wird insbesondere dann angenommen, wenn durch undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise die Abgrenzung


68 BGH NJW 1987, 779 = NJW-RR 1987, 614.

69 Altmeppen GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 31 Rn. 10.

70 Vgl. nur BGH NZG 2008, 597 (598) = NJW-RR 2008, 1417 (1418); Rowedder/Pentz/Pentz GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 13 Rn. 110 ff.

71 BGHZ 173, 246 f. = NJW 2007, 2689; BGHZ 193, 96, 99 f. = NZI 2012, 517, 518; Prütting JuS 2018, 409, 414; Odemer JuS 2016, 203, 205 f.

72 Angelehnt an BGHZ 173, 246 f. = NJW 2007, 2689.

Schlereth/Lamm, Eine chronologische Darstellung der Haftung in der GmbH und ihren Vorgesellschaften88

zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen der Gesellschafter verschleiert wird (Vermögensvermischung).73

Stark umstritten ist eine Außenhaftung (analog § 128 HGB) für den Fall, dass das Stammkapital erkennbar außer Verhältnis zum satzungsmäßigen Zweck der Gesellschaft steht (materielle Unterkapitalisierung).74 Mit dem Gamma-Urteil des BGH hat der II. Zivilsenat jedoch überraschenderweise eine (Außen-)Haftung nach diesen Grundsätzen kategorisch abgelehnt.75

III. Geschäftsführer

Abschließend muss die Haftung der Geschäftsführer der GmbH besprochen werden. Diese stellt grundsätzlich eine reine Innenhaftung dar.

1. Organhaftung

Nach § 43 II GmbHG haften Geschäftsführer für spezifisch organschaftliche Pflichtverletzungen gesamtschuldnerisch.76 Besonders herausgehoben sind in § 43 II 1 GmbHG Verstöße gegen die §§ 30, 33 GmbHG, also gegen die Kapitalerhaltung und gegen die Vorschriften zum Erwerb eigener Geschäftsanteile.

Zu den Obliegenheiten gehören jedoch auch die Pflicht zur Beachtung rechtlicher Vorgaben (Legalitätspflicht), die organschaftliche Treupflicht, die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung und die Überwachungspflicht.77

Besonders hervorzuheben ist, dass dem Geschäftsführer im Rahmen der Unternehmensleitung die sog. Business-Judgement-Rule (analog § 93 AktG) zugutekommt.78 Dies bedeutet, dass der Geschäftsführer nicht haftungsbegründend handelt, wenn er lediglich eine unternehmerische Entscheidung zum Wohle der Gesellschaft auf Basis angemessener Informationen trifft und hierbei kein unverantwortliches Risiko eingeht und frei von Interessenkonflikten ist.79

Beispiel 9:80 G ist Fremdgeschäftsführer der A-GmbH, deren Alleingesellschafter B ist. G erhält eines Tages E-Mails von einem koreanischen Geschäftspartner, in denen um Begleichung von Rechnungen auf ein bestimmtes Konto gebeten wird. Da die Korrespondenz authentisch erscheint, insbesondere die Rechnungen plausibel sind und deren Betrag für die Gesellschaft einen alltäglichen Umfang hat, veranlasst G die Überweisung. Bei genauem Hinsehen wäre jedoch für G erkennbar gewesen, dass die Senderadresse manipuliert war (w…flim statt w…film). Es stellt sich heraus, dass G einem Betrüger aufgesessen war, der so genannte Phishing-E-Mails versandt hatte. B fragt sich nun, welche Ansprüche die A-GmbH wegen etwaiger Schäden gegen G hat. Ein Anspruch aus § 43 II GmbHG setzt die Verletzung einer organspezifischen Pflicht voraus. Weder gehörte die Überweisung zu typischen Aufgaben der Unternehmensleitung noch ist vorliegend mangels entsprechender Indizien ein Verstoß gegen Organisationspflichten ersichtlich.81 Eine Haftung aus § 43 II GmbHG scheidet daher aus; sogleich lebt aber die allgemeine Haftung aus § 280 I BGB (i.V.m. dem Anstellungsvertrag) wieder auf.82 Daneben könnte man Ansprüche aus § 823 BGB anprüfen. Diese Anspruchsgrundlagen setzten jeweils Vertretenmüssen bzw. Verschulden voraus – also Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Vorliegend handelte G leicht fahrlässig (§ 276 II BGB), da er die erforderliche Sorgfalt in lediglich geringem Ausmaß außer Acht lies.83 Nichtsdestotrotz könnten eine Verantwortlichkeit und damit auch die Ansprüche aus §§ 280 I, 823 BGB im Ergebnis ausgeschlossen sein, wenn G nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung analog § 254 I BGB für leichte Fahrlässigkeit nicht einzustehen hat.84 Ob ein GmbH-Geschäftsführer Arbeitnehmer i.S.v. § 611a BGB sein kann, ist lebhaft umstritten.85 Nimmt man dies vorliegend für den Fremdgeschäftsführer G im Ergebnis an, so haftet er nicht für leichte Fahrlässigkeit.86 Der A-GmbH stehen nach diesem Ergebnis keine Ansprüche gegen G zu.87

2. Geschäftschancenlehre/Wettbewerbsverbot

Geht ein Geschäftsführer im eigenen Namen eine Vertragsbeziehung mit einem Dritten ein, die der Gesellschaft zugeordnet werden kann, insbesondere wenn diese mit der Geschäftschance als erste in Berührung gekommen ist, verstößt er gegen seine organschaftliche Treupflicht.88 Dasselbe gilt, wenn er durch private Geschäfte mit der Gesellschaft in Konkurrenz tritt.89

Liegt ein solcher Verstoß vor, steht der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer analog bzw. entsprechend des Rechtsgedankens des § 88 II AktG entweder Schadenersatz oder


73 BGHZ 125, 366, 368 = NJW 1994, 1801 f.; BGHZ 165, 85, 91 = NJW 2006, 1344, 1346; Wicke GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 13 Rn. 14.

74 BGHZ 68, 312 = NJW 1977, 1449; vgl. zum Streitstand Rowedder/Pentz/Pentz GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 13 Rn. 149 ff.; Scholz/Bitter GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 13 Rn. 143 ff.

75 BGHZ 176, 204 = JuS 2008, 939 (m. Anm. K. Schmidt), offengelassen wurde lediglich die Möglichkeit einer Haftung nach § 826 BGB.

76 Zur Abgrenzung siehe OLG Zweibrücken BeckRS 2022, 40648, Rn. 21 ff.

77 BeckOK GmbHG/Pöschke, 54. Ed. 1.11.2022, Vorbem. zu § 43.

78 BGHZ 152, 280 = NJW 2003, 358; OLG Koblenz GmbHR 2015, 357, 359.

79 BGHZ 135, 244, 253 = NJW 1997, 1926, 1928; vgl. auch KG NZG 2001, 129 = DStR 2001, 1042; zum Ganzen Lutter ZIP 2007, 841, 843 ff.

80 Angelehnt an OLG Zweibrücken BeckRS 2022, 40648 = NZG 2023, 330; zu einer detaillierten Besprechung siehe Bachmann NZG 2023, 316.

81 Hingewiesen sei an dieser Stelle auf das Urteil OLG Koblenz NJW-RR 1999, 911, in welchem das Gericht ausführt, dass die Haftung nach § 43 II GmbHG auch dann greife, wenn ein Geschäftsführer einen Schaden an einem von ihm geführten Firmenwagen grob fahrlässig verursacht.

82 § 43 II GmbHG verdrängt, soweit er Anwendung findet, die Haftung aus § 280 I BGB (lex specialis derogat legi generali); vgl. dazu m. w. N. Henssler/Strohn/Oetker Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 43 GmbHG Rn. 3.

83 So OLG Zweibrücken BeckRS 2022, 40648, Rn. 44 ff. = NZG 2023, 330, 333.

84 Ob die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung im Übrigen auch auf § 43 I GmbHG anwendbar sind, ist umstritten, Henssler/Strohn/Oetker Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 43 GmbHG Rn. 11 m. w. N.

85 Vgl. zu dem Meinungsstand Fischinger Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2021, § 2 Rn. 49 ff.

86 Siehe zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung Schreiber JURA 2009, 26.

87 So im Ergebnis das hier zugrundeliegende Urteil OLG Zweibrücken BeckRS 2022, 40648, Rn. 42 ff. = NZG 2023, 330, 333.

88 BGH NJW-RR 1986, 257 = NJW 1986, 585; zum Ganzen Lawall NJW 1997, 1742, 1743 ff.

89 BeckOK GmbHG/Pöschke, 54. Ed. 1.11.2022, § 43 Rn. 178.4.

Schlereth/Lamm, Eine chronologische Darstellung der Haftung in der GmbH und ihren Vorgesellschaften89

ein Eintrittsrecht in den Vertrag zu.90

D. Zusammenfassung

Ein guter systematischer Überblick über die wichtigsten Haftungsgrundsätze der GmbH und ihrer Vorgesellschaften ist mit Blick auf die verschiedenen Stadien und diversen Rechtsfortbildungen und Konkretisierungen durch die Rechtsprechung von großer Bedeutung für das Grundverständnis des (Kapital-)Gesellschaftsrechts. In der Klausurvorbereitung sollte ein besonderes Augenmerk auf die ungeschriebenen Haftungstatbestände gelegt werden.


90 Vgl. BGHZ 214, 220 = NJW 2017, 1749, 1751; OLG Rostock NZG 2020, 1152 = NZI 2020, 900; Henssler/Strohn/Oetker Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 35 GmbHG Rn. 22 ff.