Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen
Historie und Bewertung des § 17 Abs. 2a EStG

Valentin Volhard*

A. Einleitung

Für Anteilseigener sind Gesellschafterdarlehen eine beliebte Art, „ihrer“ Gesellschaft zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen.1 Im Vergleich zu weiteren Einlagen sind Gesellschafterdarlehen schnell, unkompliziert und kommen ohne Publizitätserfordernisse aus.2 Zudem können Finanzmittel aus Gesellschafterdarlehen leicht abgezogen werden, sobald und soweit die Mittel nicht mehr benötigt werden.3 Rechtlich sind Gesellschafterdarlehen nicht zu beanstanden – dem Gesellschafter steht es frei, auf welchem Weg er „seine“ Gesellschaft über das Stammkapital hinaus finanziert („Grundsatz der Finanzierungsfreiheit“).4

Gesellschafterdarlehen können jedoch ausfallen, etwa wenn die Gesellschaft als Darlehensschuldner insolvenzbedingt aufgelöst wird.5 In der aktuellen Rechtslage wird der daraus resultierende Verlust entweder im Rahmen von § 17 EStG oder § 20 EStG geltend gemacht. Dreh- und Angelpunkt für die Zuordnung ist dabei § 17 Abs. 2a EStG der durch das JStG 20196 eingeführt wurde.7 Flankiert wird die Vorschrift durch eine Verlustverrechnungsbeschränkung in § 20 Abs. 6 S. 6 EStG für ganz oder teilweise uneinbringliche Kapitalforderungen.8

Ziel des Aufsatzes ist, die aktuelle Rechtslage darzustellen und zu bewerten. Der Aufsatz ist dreigeteilt: Um zu verstehen, warum der Verlust aus ausgefallenen Gesellschafterdarlehen teils über § 17 EStG, teils über § 20 EStG steuerlich realisiert wird, wird zunächst ein Blick auf die Rechtsentwicklung geworfen (B.). Anschließend wird die aktuelle Rechtslage dargestellt (C.), bevor zuletzt die aktuelle Rechtslage im Hinblick auf die legistische Qualität und Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelungen kritisch gewürdigt wird (D.).

B. Rechtsentwicklung

Der heutigen Rechtslage hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen sind zwei weitere vorhergegangen: Während der Eigenkapitalersatzrechtsprechung (I.) konnten ausgefallene Gesellschafterdarlehen nur als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 EStG geltend gemacht werden. Dieser Ansatz wurde schließlich vom BFH mit Urteil vom 11.07.2017 aufgegeben (II.). Anschließend wurden ausgefallene Gesellschafterdarlehen primär als Verlust über § 20 Abs. 2 EStG, in Ausnahmefällen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 EStG geltend gemacht. Diese Rechtslage endete mit Einführung des § 17 Abs. 2a EStG, durch den die Rechtslage der Eigenkapitalersatzrechtsprechung weitestgehend wiederhergestellt wurde.9

I. Eigenkapitalersatzrechtsprechung (1980er – 11.07.2017)

Die Eigenkapitalersatzrechtsprechung des BFH entwickelte sich aus einem insolvenzrechtlichen Problem.10

1. Insolvenzrechtliche Ausgangslage

Im Insolvenzrecht wird Eigen- und Fremdkapital unterschiedlich behandelt: Eigenkapital unterliegt der gläubigerschützenden Ausschüttungssperre des § 30 GmbHG; zudem begründet Eigenkapital im Insolvenzfall keine Insolvenzforderung.11 Eigenkapital wird daher gemäß § 199 S. 2 InsO erst zurückgezahlt, wenn alle Insolvenzgläubiger befriedigt sind. Dies passiert selten, weshalb im Insolvenzfall das Eigenkapital meist vollständig verloren geht.12 Im Gegensatz dazu unterliegt Fremdkapital keiner Ausschüttungssperre und macht im Insolvenzfall den Fremdkapitalgeber zum Insolvenzgläubiger – der Fremdkapitalgläubiger wird daher zumindest in Höhe der Insolvenzquote befriedigt.13

Für einen Gesellschafter scheint es daher vorteilhaft zu sein, „seine“ Gesellschaft (über die Stammeinlage hinaus) mit Fremdkapital zu finanzieren, da er im Insolvenzfall zumindest in Höhe der Insolvenzquote befriedigt wird.14 Jedoch wäre eine solche Gleichbehandlung gegenüber anderen Gläubigern unbillig: Im Vergleich zu fremden Gläubigern hat ein Gesellschafter erhebliche Einfluss- und Informationsvorteile.15 Auch würde das „unternehmerische“ Risiko stärker auf die übrigen Gläubiger der Gesellschaft verlagert werden.16

Aus Gründen des Gläubigerschutzes gab es daher das Institut des Eigenkapitalersatzes, welches in §§ 32a, 32b


* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg

1 Crezelius, in: FS Raupach, 2006, S. 328; Gast, Die steuerliche Berücksichtigung von Darlehensverlusten des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft, 2013, S. 1.

2 Lutter/Hommelhoff in: Lutter / Hommelhoff / Bayer (Begr.), Kommentar zum GmbHG, 16. Auflage, §§ 32a/b, Rn. 1.

3 Gast (Fn. 1), S. 1.

4 K. Schmidt in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, 10. Auflage, §§ 32a/b, Rn. 4; Gast (Fn. 1), S. 5.

5 Stv. Cziupka in: Scholz (Begr.), Kommentar zum GmbHG, 12. Auflage, § 60, Rn. 9.

6 Gesetz vom 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451.

7 Vgl. Levedag, GmbHR 2020, 111, 117.

8 Gesetz vom 21.12.2019, BGBl. I 2019, 2875.

9 BT-Drs. 19/13436, S. 111; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355; Ott, StuB 2020, 214, 215; Trossen, GmbH-StB 2019, 307, 309 f.

10 Vgl. Gast (Fn. 1), S. 5 ff.

11 K. Schmidt in: Scholz, GmbHG (Fn. 4), §§ 32a/b, Rn. 2.

12 Ders. in: Scholz, GmbHG (Fn. 4), §§ 32a/b, Rn. 2.

13 Ders. in: Scholz, GmbHG (Fn. 4), §§ 32a/b, Rn. 2.

14 Gast (Fn. 1), S. 6.

15 K. Schmidt in: Scholz, GmbHG (Fn. 4), §§ 32a/b, Rn. 4.

16 Gast (Fn. 1), S. 6 m.w.N.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen56

GmbHG a.F.17 kodifiziert war:18 Fremdkapital mit der wirtschaftlichen Funktion von Eigenkapital (daher „Eigenkapitalersatz“) wurde materiell mit Eigenkapitalrisiko ausgestattet.19 Gesellschafterdarlehen waren dabei gemäß § 32a Abs. 1 GmbHG a.F. eigenkapitalersetzend, wenn das Darlehen der Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt wurde „in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft)“.20

Forderungen aus Eigenkapitalersatz wurden im Insolvenzfall gegenüber Fremdkapitalforderungen nachrangig befriedigt und waren der Ausschüttungssperre des § 30 GmbHG unterworfen. Im Ergebnis führte das Eigenkapitalersatzrecht regelmäßig dazu, dass eine eigenkapitalersetzende Forderung im Fall der Insolvenz vollständig ausfiel.21

2. Steuerliches Problem

Auf steuerlicher Ebene hatte das Eigenkapitalersatzrecht zunächst keine Auswirkung.22 Vor Inkrafttreten des UntStRefG23 waren Wertveränderungen des Vermögensstamms von privaten Kapitalanlagen grundsätzlich nicht steuerbar.24 Als Überschusseinkunftsart waren lediglich die laufenden Gewinne von der Besteuerung umfasst (sog. Quellentheorie).25

§ 17 EStG stellt eine Ausnahme von dieser quellentheoretischen Ausgestaltung dar: Ist der Gesellschafter mit mindestens 1 % am Kapital einer Kapitalgesellschaft beteiligt, werden Gewinne und Verluste aus der Veräußerung des Anteils gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 EStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugerechnet.26 Wertveränderungen des Vermögensstamms sind demnach von der Steuer umfasst.27

Wurde die Kapitalgesellschaft insolvenzbedingt aufgelöst, konnte der Gesellschafter daher die verlorene Beteiligung steuerlich geltend machen.28 Ausgefallene Gesellschafterdarlehen waren hingegen steuerlich unbeachtliche Forderungsverluste.29 Es bestand daher ein Missverhältnis: Obwohl Gesellschafterdarlehen materiell mit einem vergleichbarem Ausfallrisiko wie Eigenkapital behaftet waren, konnten Ausfälle von Gesellschafterdarlehen steuerlich nicht geltend gemacht werden.30 Die Finanzierungsfreiheit für Gesellschafter wurde damit steuerlich eingeschränkt.31 Auch wurde die Nichtberücksichtigung des Ausfalls als Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip angesehen.32

3. Lösung des BFH

Ab Mitte der 1980er Jahre entwickelte der BFH daher eine normspezifische, weite Auslegung des Anschaffungskostenbegriffs in § 17 EStG: Ausgefallene Gesellschafterdarlehen stellten nachträgliche Anschaffungskosten für den Gesellschaftsanteil dar, wenn das Darlehen gesellschaftlich veranlasst war.33 Wurde der Anteil veräußert, konnte der Ausfall des Darlehens über § 17 Abs. 2 S. 1 EStG steuerlich realisiert werden.

Ab 1997 stellte der BFH zur Ermittlung der gesellschaftlichen Veranlassung dabei streng auf das zivilrechtliche Institut des Eigenkapitalersatzrechts ab: Nur ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gemäß § 32a Abs. 1 GmbHG war gesellschaftlich veranlasst und konnte nachträgliche Anschaffungskosten darstellen.34

II. Rechtsprechungsänderung am 11.07.2017

1. Gesetzesänderungen 2008

Das zivilrechtliche Institut des Eigenkapitalersatzrechts wurde durch das MoMiG35 mit Wirkung zum 01.11.2008 aufgegeben.36 Seitdem sind alle Gesellschafterdarlehen (vorbehaltlich des Kleinbeteiligungsprivilegs, § 39 Abs. 5 InsO) im Insolvenzverfahren nachrangig.37 Darüber hinaus sind Gesellschafterdarlehen jedoch nicht mehr gesellschaftlich verstrickt.38

Zudem wurde der Vermögensstamm von privaten Kapitalforderungen durch das UntStRefG 2008 steuerlich verstrickt:39 Veräußerungsgewinne (und -verluste) für Kapitalforderungen, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden, sind daher grundsätzlich nach § 20 Abs. 2 EStG steuerbar.40

2. Steuerliche Auswirkungen

Aufgrund der Gesetzesänderungen 2008 wurde die Aufgabe der Eigenkapitalersatzrechtsprechung diskutiert:41 Zum einen war der Eigenkapitalersatzrechtsprechung „der Boden entzogen“ worden,42 da es das Eigenkapitalersatzrecht nicht


17 In der vor dem 01.11.2008 geltenden Fassung.

18 Zuvor basierte das Eigenkapitalersatzrecht auf gefestigten Rechtsprechungsregeln, vgl. Heidinger in: Michalski (Hrsg.), Kommentar zum GmbHG, §§ 32a/b, Rn. 13 ff.

19 Siehe nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, 2002, S. 530 ff; Gast (Fn. 1), S. 7.

20 Siehe nur Ulmer in: Hachenburg (Begr.) / Ulmer (Hrsg.), Kommentar zum GmbHG, 8. Auflage, §§ 32a/b, Rn. 42 ff.

21 Gast (Fn. 1), S. 9.

22 Ders. (Fn. 1), S. 13.

23 Unternehmenssteuerreformgesetz vom 14.08.2007, BGBl. I 2007, 1912.

24 Stv. Ratschow in: Blümich (Begr.), Kommentar zum EStG, 150. Ergänzungslieferung 11/2019, § 20, Rn. 350; Maciejewski, GmbHR 2012, 1335, 1336 m.w.N.

25 Stv. Hey in: Tipke (Begr.) / Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 23. Auflage, § 8, Rn. 182.

26 Stv. Vogt in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 17, Rn. 2.

27 Vogt in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 17, Rn. 2.

28 Gast (Fn. 1), S. 13; Maciejewski, GmbHR 2012, 1335, 1337.

29 Siehe nur Kahlert, NWB 2020, 903, 904; Gast (Fn. 1), S. 13.

30 Vgl. Gast (Fn. 1), S. 15.

31 Vgl. ders. (Fn. 1), S. 13f.

32 Gast (Fn. 1), S. 47 m.w.N; Pyszka, DStR 1998, 1160, 1161.

33 Vgl. nur. BFHE 165, 31 = BStBl II 1992, 234, Rn. 35 (juris) m.w.N. aus der Rspr; BFHE 139, 257 = BStBl II 1984, 29, Rn. 25 (juris); Gast (Fn. 1), S. 1, 51 ff.

34 Vgl. nur BFHE 189, 390 = BStBl II 1999, 724, Rn. 18 ff. (juris) m.w.N. aus der Rspr; Gschwendtner, NJW 1999, 2165, 2165 f.

35 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 22.10.2008, BGBl. I 2008, 2026; vgl. dazu auch Huber/Habersack, BB 2006, 1, 1 ff.

36 Förster, DB 2018, 336, 336; vgl. auch Gehrlein, BB 2008, 846, 848 f.

37 Kleindiek in: Kayser / Thole (Hrsg.), Kommentar zur InsO, 10. Auflage, § 39, Rn. 22; Gast (Fn. 1), S. 113f.

38 Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 732; vgl. K. Schmidt/Herchen in: K. Schmidt (Hrsg.), Kommentar zur InsO, 19. Auflage, § 39, Rn. 27.

39 Stv. Schlotter in: Littmann (Begr.) / Bitz / Pust (Hrsg.), Kommentar zum EStG, 143. Ergänzungslieferung 06/2020, § 20, Rn. 1200.

40 Vgl. § 52 Abs. 28 S. 16 EStG.

41 Eine gute Übersicht zum Meinungstand bietet Bayer, DStR 2009, 2397, 2399 f; siehe auch Moritz, DStR 2014, 1636, 1639 f; gegen eine „unbesehene“ Fortführung Weber-Grellet, NWB 2008, 3829, 3835 f; differenziert Wiese/Möller, GmbHR 2010, 462, 465 f.

42 So Heuermann, DB 2009, 2173, 2175.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen57

mehr gab. Zudem war der Vermögensstamm von Gesellschafterdarlehen steuerlich verstrickt.43 Allerdings war noch unklar, ob und wie insolvenzbedingte Forderungsausfälle bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind.44

Es dauerte noch knapp neun Jahre, bis der BFH mit Urteil vom 11.07.2017 die Eigenkapitalersatzrechtsprechung aufgab.45 Der Senat kehrte zum Begriff der Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB zurück: Nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 255 Abs. 1 S. 1 HGB lagen nur vor, wenn die Aufwendung des Gesellschafters handelsrechtlich eine offene oder verdeckte Einlage darstellte.46 Der BFH gewährte jedoch Vertrauensschutz für Darlehen, die bis zum 27.09.201747 gewährt worden und eigenkapitalersetzend waren.48 Die Rechtsprechungsänderung wurde von der Finanzverwaltung schließlich akzeptiert.49

Auch wurde ab 2017 der Anwendungsbereich von § 20 Abs. 2 EStG durch den BFH erheblich erweitert: Sowohl Forderungsausfälle50 als auch Forderungsverzichte51 wurden als „Veräußerung“ i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG anerkannt.52 Daraus entstehende Verluste sind demnach steuerbar.53

Der Weg schien frei, Gesellschafterdarlehen steuerlich künftig wie „normale“ Darlehen zu behandeln und Ausfälle primär über § 20 Abs. 2 EStG steuerlich zu realisieren.54 Diese Rechtslage endete jedoch am 01.08.2019 – ab diesem Zeitpunkt war der neu eingefügte § 17 Abs. 2a EStG zwingend anzuwenden,55 der die Rechtslage zu Zeiten der Eigenkapitalersatzrechtsprechung weitestgehend wiederherstellte.56

III. Zusammenfassung der Rechtsentwicklung

Während der Eigenkapitalersatzrechtsprechung wurden eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen steuerlich „wie Eigenkapital“ als nachträgliche Anschaffungskosten behandelt, weil sie insolvenzrechtlich mit einem vergleichbaren Risiko wie Eigenkapital ausgestattet waren. Dies war insofern notwendig, da anderenfalls der Ausfall von Gesellschafterdarlehen steuerlich nicht berücksichtigt hätte werden können.

2017 gab der BFH diese Rechtsprechung auf. Das Eigenkapitalersatzrecht war abgeschafft worden, damit fehlte der zivilrechtliche Anknüpfungspunkt. Durch die zeitgleiche Erweiterung des Veräußerungsbegriffs i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG konnten zudem ausgefallene Gesellschafterdarlehen als Verlust außerhalb von § 17 EStG geltend gemacht werden.

Der Gesetzgeber hat 2019 jedoch durch § 17 Abs. 2a EStG die Rechtslage zu Zeiten der Eigenkapitalersatzrechtsprechung weitestgehend wiederhergestellt.

C. Aktuelle Rechtslage

Heute realisiert das EStG ausgefallene Gesellschafterdarlehen auf zwei verschiedene Arten.57 Zum einen kann ein ausgefallenes Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten des Gesellschaftsanteils gemäß § 17 Abs. 2a EStG steuerlich berücksichtigt werden. Wird der Anteil der Kapitalgesellschaft schließlich veräußert (oder aufgelöst, vgl. § 17 Abs. 4 S. 1 EStG), realisiert sich der Verlust gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 EStG über einen geringeren Veräußerungsgewinn. Alternativ wird das Gesellschafterdarlehen wie ein „normales“ Darlehen behandelt: Der Ausfall führt dann gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S.  2, Abs. 4 EStG zu einem Verlust aus Kapitalvermögen.58

Einkünfte aus § 20 Abs. 2 EStG sind dabei gemäß § 20 Abs. 8 S. 1 Var. 2 EStG gegenüber Einkünften § 17 EStG subsidiär. Stellt ein Darlehensausfall nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2a EStG dar, kann der Darlehensausfall insoweit nicht über § 20 Abs. 2 EStG geltend gemacht werden. Der Steuerpflichtige hat kein Wahlrecht.59

I. Zuordnung des Darlehensausfalls

1. Darlehensausfall als nachträgliche Anschaffungskosten, § 17 Abs. 2a EStG

Darlehensverluste werden in Rahmen von § 17 EStG realisiert, wenn der Gesellschafter gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 EStG mit mindestens 1 % an der darlehensnehmenden Gesellschaft beteiligt ist und nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG vorliegen.60

a) Gesellschaftliche Veranlassung

Erste Voraussetzung für nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG ist, dass das die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise gesellschaftlich veranlasst ist. Die „gesellschaftliche Veranlassung“ wird in § 17 Abs. 2a EStG nicht definiert, §17 Abs. 2a S. 4 EStG enthält jedoch ein Regelbeispiel: Eine gesellschaftliche Veranlassung liegt demnach regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei gleichen Umständen nicht gewährt oder zurückgefordert hätte.61 Beim Stehenlassen des Darlehens in der Krise wird die gesellschaftliche Veranlassung laut Gesetzesbegründung


43 Bayer, DStR 2009, 2397, 2402; Gast (Fn. 1), S. 137f. m.w.N.

44 Stv. Maciejewski, GmbHR 2012, 1335, 1340 m.w.N.

45 BFHE 258, 427 = BStBl II 2019, 208, Rn. 32 f. (juris).

46 BFHE 258, 427 = BStBl II 2019, 208, Rn. 38 (juris).

47 Tag der Veröffentlichung des Urteils.

48 BFHE 258, 427 = BStBl II 2019, 208, Rn. 40 ff. (juris).

49 BMF v. 05.04.2019, BStBl I 2019, 257; vgl. auch Meurer, BB 2019, 1074, 1074.

50 BFHE 265, 354, Rn. 44 (juris); zu Knock-out-Zertifikaten BFHE 263, 169 = BStBl II 2019, 507, Rn. 17 f. (juris); BFHE 259, 535, Rn. 15 ff. (juris); vgl. auch Jachmann-Michel, BB 2019, 2779, 2782.

51 BFHE 265, 531, Rn. 21 (juris).

52 Siehe dazu sogleich C.I.2.a.

53 Stv. Ratschow, GmbHR 2020, 569, 569.

54 Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 730; Desens, DStR 2019, 1071, 1074.

55 Vgl. § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG.

56 BT-Drs. 19/13436, S. 111; Ott, StuB 2020, 214, 215; Trossen, GmbH-StB 2019, 307, 309 f.

57 Stv. Krumm, FR 2020, 197, 207.

58 St. Rspr. seit BFHE 259, 535

59 Graw, DB 2020, 690, 696.

60 Levedag, GmbHR 2020, 111, 117; Kahlert, NWB 2020, 903, 915.

61 Ratschow, GmbHR 2020, 569, 572.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen58

bejaht, wenn es absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet ist.62

Der Zeitpunkt der Krise ist sowohl für die Gewährung als auch für das Stehenlassen des Darlehens relevant. Der Zeitpunkt der Krise ist daher wieder von Bedeutung – im alten Eigenkapitalersatzrecht wurde gem. § 32a Abs. 1 GmbHG a.F. ebenfalls auf die Krise abgestellt, das Merkmal wurde jedoch nicht in den neuen § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO übernommen.63 Der BFH definierte die Krise während der Eigenkapitalersatzrechtsprechung als den Zeitpunkt, in der „die Konkursreife zwar noch nicht eingetreten ist, die Rückzahlung des Darlehens aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre“.64 Der Zeitpunkt der Krise wird dabei ausschließlich anhand von Indizien ermittelt – dies hat sich in der Vergangenheit als äußert schwierig erwiesen.65

b) Darlehensverlust

Zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG ist der Darlehensverlust. Das Gesetz enthält zwar keine Definition – in der Gesetzesbegründung wird allerdings in einem Nebensatz der „krisenbedingte Ausfall“ eines Darlehens erwähnt.66 Sicherlich vom „Darlehensverlust“ umfasst ist daher der Ausfall eines Darlehens, wenn die darlehensnehmende Gesellschaft insolvenzbedingt nicht mehr existiert – durch den Wegfall des Schuldners erlischt die Forderung.67

c) Fallgruppen

Zu Zeiten der Eigenkapitalersatzrechtsprechung hatten sich vier Fallgruppen von Darlehen herausgebildet (Krisen-, krisenbestimmtes-, Finanzplan- und stehengelassenes Darlehen).68 Die Literatur geht überwiegend davon aus, dass auch diese Fallgruppen von § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG umfasst sind.69 Endgültig geklärt ist die Frage jedoch nicht.70 Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese Unsicherheit bei Gelegenheit beseitigt.

2. Darlehensausfall als Veräußerungsverlust, § 20 Abs. 2 EStG

Alternativ zu § 17 Abs. 2a EStG wird der Verlust aus dem Ausfall eines Gesellschafterdarlehen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S.  2, Abs. 4 EStG steuerlich geltend gemacht.71 Gesellschafterdarlehen sind „sonstige Kapitalforderungen“ nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.72 Es ergeben sich insoweit keine Unterschiede zu „normalen“ Darlehen.73

a) Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG

aa) Ursprüngliche Auslegung

Auf den ersten Blick sind Forderungsausfälle nicht von § 20 Abs. 2 EStG umfasst: Die Realisation setzt laut Gesetz eine Veräußerung, also den Wechsel der wirtschaftlichen Zurechnung gegen Entgelt voraus.74 Fällt jedoch eine Forderung insolvenzbedingt aus, liegt nach dieser Definition keine Veräußerung vor – die wirtschaftliche Zurechnung der Forderung wechselt nicht, die Forderung erlischt lediglich.75 Ebenfalls liegt bei einem Ausfall auch keine Rückzahlung als fiktive Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 3 EStG vor, da eine Rückzahlung zumindest die teilweise Rückübertragung des überlassenen Kapitals voraussetzt.76 Mangels Veräußerung wären ausgefallenen Darlehen nach dieser Auslegung daher steuerlich unbeachtlich.77

bb) Erweiterung des Veräußerungsbegriffs

Durch mehrere Urteile des BFH ab 2017 wurde der Veräußerungsbegriff i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG erheblich erweitert: Seitdem steht der vollständige Ausfall einer Rückzahlung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 2 Var. 2 EStG gleich.78

Der BFH argumentierte dabei unter anderem mit dem Folgerichtigkeitsgebot.79 Der Gesetzgeber wollte durch die Abgeltungssteuer die Wertveränderung von Kapitalanlagen vollständige erfassen.80 Eine Rückzahlung über dem Nennwert führt zu einem steuerbaren Gewinn (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG), eine Rückzahlung unter Nennwert muss daher zu einem steuerbaren Verlust führen.81 Für den vollständigen Ausfall einer Rückzahlung kann nichts anderes gelten.82 Ein steuerbarer Verlust liegt daher auch vor, wenn endgültig feststeht, dass keine Rückzahlung mehr erfolgt.83

Mittlerweile wurde die Erweiterung in § 20 Abs. 6 S. 6 EStG gesetzlich anerkannt. Spätestens seitdem gibt es keine Zweifel mehr, dass der vollständige Ausfall einer Forderung, etwa durch Insolvenz, vom Veräußerungsbegriff des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG umfasst ist.84


62 BT-Drs. 19/13436, S. 111.

63 Dazu nur Graw, jM 2020, 163, 167; Ratschow, GmbHR 2020, 569, 575.

64 Stv. BFHE 187, 480 = BStBl. II 1999, 348, S. 21 (juris).

65 So Graw, jM 2020, 163, 167; Rund/Junkers, GmbHR 2020, 355, 358; Zapf, FR 2019, 804, 811; zur Bestimmung der Krise siehe nur Schmidt in: Mrozek / Kennerknecht (Begr.) / Hey / Klein / Wendt (Hrsg.), Kommentar zum EStG, 298. Ergänzungslieferung 06/2020, § 17, Rn. 201a.

66 BR-Drs. 356/19, S. 122; Ratschow, GmbHR 2020, 569, 570.

67 Stv. Krumm, FR 2020, 197, 201; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355 f.

68 Eine gute Übersicht zu den Fallgruppen bietet BMF v. 21.10.2010, BStBl I 2010, 832.

69 Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 733; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355 f; Krumm, FR 2020, 197, 202; Zapf, FR 2019, 804, 811; Fuhrmann, KÖSDI 2019, 21434, 21440 f; vorsichtig hingegen Trossen, GmbH-StB 2019, 307, 309.

70 Trossen, GmbH-StB 2019, 307, 309.

71 St. Rspr. seit BFHE 259, 535

72 Stv. Buge in: H/H/R, EStG (Fn. 64), § 20, Rn. 295.

73 Siehe nur Buge in: H/H/R, EStG (Fn. 64), § 20, Rn. 295.

74 Stv. Ratschow in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 20, Rn. 351.

75 So auch Jochum in: Söhn (Begr.) / Kirchhof / Mellinghoff / Kube (Hrsg.), Kommentar zum EStG, 306. Ergänzungslieferung 06/2020, § 20, D/9 18.

76 Jochum in: K/S/M, EStG (Fn. 74), § 20, D/9 6 m.w.N.

77 Vgl. Brombach-Krüger, UbG 2018, 178, 178 f.

78 BFHE 265, 354, Rn. 44 (juris); zu Knock-out-Zertifikaten BFHE 263, 169 = BStBl II 2019, 507, Rn. 17 f. (juris); BFHE 259, 535, Rn. 15 ff. (juris); vgl. auch Jachmann-Michel, BB 2019, 2779, 2782.

79 BFHE 259, 535, Rn. 16 (juris).

80 BT-Drs. 16/4841, S. 54f; so auch Jochum in: K/S/M, EStG (Fn. 74), § 20, A 5.

81 BFHE 259, 535, Rn. 16 (juris).

82 Jachmann-Michel, BB 2018, 2329, 2329.

83 BFHE 259, 535, Rn. 19 (juris).

84 Stv. Ratschow in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 20, 353d.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen59

b) Einkünfteerzielungsabsicht

Subjektive Voraussetzung für alle steuerbaren Einkünfte ist gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 EStG die Einkünfteerzielungsabsicht.85 Um Verluste aus dem Ausfall eines Gesellschafterdarlehens steuerlich geltend zu machen, muss das Darlehen mit Einkünfteerzielungsabsicht gewährt worden sein.86

Gesellschafterdarlehen werden jedoch auch unverzinslich gewährt.87 Jedoch soll mit einem solchen Gesellschafterdarlehen auch unmittelbar keine Einkünfte erzielt werden – vielmehr werden unverzinsliche Gesellschafterdarlehen gewährt, um mittelbar Einkünfte aus der Beteiligung an der Gesellschaft zu erzielen.88 Fraglich ist daher, ob die Beteiligung an der Gesellschaft bei der Einkünfteerzielungsabsicht mitberücksichtigt werden soll.

Aufgrund des engen Veranlassungszusammenhangs spricht sich die Literatur für eine solche Gesamtbetrachtung aus.89 Auch bei unverzinslichen Gesellschafterdarlehen muss daher die Einkünfteerzielungsabsicht regelmäßig bejaht werden.90 Keine Einkünfteerzielungsabsicht liegt jedoch bei unverzinslichen Gesellschafterdarlehen vor, wenn bei Gewährung des Darlehens schon feststeht, dass die Gesellschaft das Darlehen nicht zurückzahlen wird; auch bei einer Gesamtbetrachtung wird man dann eine Einkünfteerzielungsabsicht in Bezug auf das Darlehen verneinen müssen.91

c) Zwischenergebnis

Fällt ein Gesellschafterdarlehen aus, kann der Verlust regelmäßig über § 20 Abs. 2 EStG geltend gemacht werden. Ein Verlust liegt dabei vor, wenn endgültig feststeht, dass keine Rückzahlung mehr erfolgt. Damit der Verlust steuerlich beachtlich ist, muss hinsichtlich des Darlehens Einkünfteerzielungsabsicht vorliegen. Dafür ist auf eine Gesamtbetrachtung mit der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen.

3. Konkurrenz

Einkünfte aus § 20 Abs. 2 EStG sind gemäß § 20 Abs. 8 S. 1 Var. 2 EStG gegenüber Einkünften § 17 EStG subsidiär. § 20 Abs. 2 EStG ist daher gesperrt, soweit ein Darlehensausfall nachträgliche Anschaffungskosten für die Anteile einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 Abs. 2a EStG darstellt.

§ 20 Abs. 2 EStG ist daher anwendbar, wenn die Voraussetzungen für nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a EStG nicht erfüllt sind, etwa wenn der Darlehensgeber zu weniger als 1 % an der darlehensnehmenden Gesellschaft beteiligt ist.92 Ebenso ist § 20 Abs. 2 EStG anwendbar, wenn der Darlehensgeber zwar wesentlich an der Gesellschaft beteiligt ist, aber mangels gesellschaftlicher Veranlassung keine nachträglichen Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2a EStG vorliegen, etwa wenn das Darlehen vor einer Krise oder zu fremdüblichen Bedingungen gewährt wird.93

II. Rechtsfolgen

1. Darlehensausfall als nachträgliche Anschaffungskosten, § 17 Abs. 2a EStG

Sind die Voraussetzungen für die Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG erfüllt, wird der Darlehensverlust bei Veräußerung der Anteile der Kapitalgesellschaft realisiert: Gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 EStG beträgt der Veräußerungsgewinn den Betrag, um den der Veräußerungspreis die Anschaffungskosten übersteigt.

Aus dem Gesetz geht nicht explizit hervor, in welcher Höhe nachträgliche Anschaffungskosten im Fall eines Darlehensverlustes anfallen.94 Wegen der weitgehenden Parallelität zur alten Eigenkapitalersatzrechtsprechung gehen große Teile der Literatur davon aus, die Bewertung gemäß der alten Fallgruppen des BMF vorzunehmen,95 zumal nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber ein neues Bewertungsregime einführen wollte.96

Der Ausfall eines Krisendarlehens, eines krisenbestimmten Darlehens, sowie eines Finanzplandarlehens führt daher zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Darlehensnennwertes.97 Nur beim stehengelassenen Darlehen wird auf den Teilwert des Darlehens zum Zeitpunkt der Krise abgestellt, dieser beträgt jedoch regelmäßig 0 €.98 Die Differenz zum Nennwert unterfällt in dem Fall § 20 Abs. 2 EStG, da die Subsidiarität von § 20 Abs. 8 S. 1 EStG nur Wirkung entfaltet, „soweit“ nachträglichen Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2a EStG vorliegen.99

Zum Zeitpunkt der Veräußerung des Anteils an der Kapitalgesellschaft realisieren sich ausgefallene Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG. Aufgrund des Teileinkünfteverfahrens werden Verluste wie Gewinne jedoch


85 Stv. Handzik in: Littman/Bitz/Putz, EStG (Fn. 39), § 2, Rn. 68.

86 Instruktiv Cölln, FR 2020, 248, 249; Jachmann-Michel, UbG 2018, 172, 177; Kahlert, DStR 2018, 229, 231.

87 Vgl. Krumm, FR 2020, 197, 206.

88 Parallel zur Gewährung einer Bürgschaft Jachmann-Michel, BB 2018, 2329, 2330 f.

89 Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 734; Krumm, FR 2020, 197, 206; Cölln, FR 2020, 248, 252 f; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 358 m.w.N; a.A. wohl Maciejewski, GmbHR 2012, 1335, 1343.

90 Krumm, FR 2020, 197, 206; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 358 m.w.N; wohl auch Kahlert, DStR 2018, 229, 231.

91 Cölln, FR 2020, 248, 253 m.w.N; Jachmann-Michel, UbG 2018, 172, 177.

92 Siehe nur Levedag, GmbHR 2020, 111; Ott, StuB 2020, 214, 221; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 734.

93 Krumm, FR 2020, 197, 205; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 734, siehe dazu schon C.1.a).

94 Kahlert, NWB 2020, 903, 911; Ratschow, GmbHR 2020, 569, 571; Ott, StuB 2020, 214, 218; Krumm, FR 2020, 197, 202.

95 Krumm, FR 2020, 197, 202; Ott, DStZ 2020, 189, 193; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355; Fuhrmann, NWB 2020, 150, 154; Graw, jM 2020, 163, 167; Kubik/Münch, BB 2020, 1003, 1006; a.A, weicht jedoch im Ergebnis nicht ab Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 733 f; Kahlert, NWB 2020, 903, 911 f.

96 Krumm, FR 2020, 197, 202.

97 Graw, jM 2020, 163, 167; Krumm, FR 2020, 197, 202; Fuhrmann, NWB 2020, 150, 154; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355; Kubik/Münch, BB 2020, 1003, 1006; i.E. auch Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 733 f; vgl. zur alten Rechtslage nur BMF v. 21.10.2010, BStBl I 2010, 832.

98 Graw, jM 2020, 163, 167; Krumm, FR 2020, 197, 202; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355; Kubik/Münch, BB 2020, 1003, 1006; unsicher hingegen Fuhrmann, NWB 2020, 150, 154; vgl. zur alten Rechtslage nur BMF v. 21.10.2010, BStBl I 2010, 832.

99 Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 734 m.w.N.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen60

gemäß § 3 Nr. 40 lit. a EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 S. 1 EStG nur zu 60 % berücksichtigt.100

2. Darlehensausfall als Veräußerungsverlust, § 20 Abs. 2 EStG

Wird der Ausfall § 20 Abs. 2 EStG zugeordnet, führt der Darlehensausfall gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 S. 1 EStG zu einem (negativen) Gewinn aus Kapitalvermögen.

Positive wie negative Einkünfte unterliegen bei § 20 EStG dem Regime der Abgeltungssteuer. Konkret bedeutet dies einen linearen Steuersatz von 25 % sowie einige, teils erhebliche Beschränkungen. Zum einen können gemäß § 20 Abs. 6 S. 1 EStG Verluste aus Kapitalvermögen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Ausgefallene Darlehen unterfallen zudem der Beschränkung von § 20 Abs. 6 S. 6 EStG: Die Verlustverrechnung ist auf 20.000 € pro Jahr begrenzt, nicht verrechnete Verluste können in Folgejahren stückweise geltend gemacht werden. Ferner ist der Abzug von Werbungkosten (bspw. Finanzierungszinsen) gemäß § 20 Abs. 9 S. 1 EStG ausgeschlossen. Vielmehr ist der Sparer-Pauschbetrag von 801 € bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen.

Allerdings sind bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen von der Anwendung der Abgeltungssteuer gemäß § 32d Abs. 2 EStG ausgenommen. Bei Gesellschafter-Fremdfinanzierung kommt dabei § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 lit. b, S. 2 EStG in Betracht: Ist der darlehensgebende Gesellschafter zu mindestens 10 % an der darlehensnehmenden Gesellschaft beteiligt, findet die Abgeltungssteuer keine Anwendung. Die Einkünfte unterliegen dann zwingend dem individuellen Steuersatz i.S.d. § 32a Abs. 1 EStG, auch finden die Beschränkungen von § 20 Abs. 6 und Abs. 9 EStG keine Anwendung.

III. Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage

Der Ausfall von Gesellschafterdarlehen wird teils als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 EStG, teils als Veräußerungsverlust i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG geltend gemacht. Auf Rechtsfolgenseite unterscheidet sich die Verlustrealisation im Rahmen von § 17 Abs. 2 a EStG und § 20 Abs. 2 EStG teils erheblich – Gesellschafter sollten dies bei Gewährung oder Stehenlassen eines Darlehens vor Augen haben.

D. Kritische Würdigung

Im Folgenden wird die aktuelle Rechtslage kritisch gewürdigt. Dabei wird sie zunächst an legislativen Grundsätzen unterhalb der Schwelle der Verfassungswidrigkeit gemessen (I.).101 Anschließend wird geprüft, ob § 20 Abs. 6 S. 6 EStG verfassungswidrig ist (II.). Zuletzt werden die Ergebnisse in einer Stellungnahme zusammengeführt (III.).

I. Legislative Grundsätze

Regelungen müssen gemäß Art. 20 Abs. 3 Var. 1 GG an der Verfassung gemessen werden. Allerdings sind verfassungsgemäße Regelungen nicht zwangsweise „gute“ Regelungen. Mithilfe von legislativen Grundsätzen lässt sich die „rechtliche Qualität“ einer Regelung unterhalb der Schwelle der Verfassungswidrigkeit ermitteln.102 Der Begriff stammt aus der Gesetzgebungslehre und umfasst Kriterien wie die Praktikabilität, Kontinuität und Notwendigkeit einer Regelung.103

Die Kriterien sind nicht absolut zu verstehen; teils widersprechen sie sich, teils müssen sie auch gänzlich missachtet werden, um eine „richtige“ Lösung zu ermöglichen.104 Es handelt sich lediglich um Grundsätze, die geeignet erscheinen, die „rechtliche Qualität“ von Regelungen zu überprüfen.105 Die aktuelle Rechtslage wird daher im Folgenden in Hinblick auf die Praktikabilität (1.), Kontinuität (2.) und Notwendigkeit der Änderung (3.) analysiert.

1. Praktikabilität

Regelungen sind praktikabel, wenn sie für den Rechtsanwender leicht handzuhaben sind und keine Zweifelsfragen aufwerfen.106 Unsicherheiten führen zu kostenintensiven Prozessen, die eine Belastung für Betroffene und Gerichte darstellen.107

In der aktuellen Rechtslage stellt § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG auf die „Krise“ ab. Bei der Krise handelt es sich um einen Zeitpunkt, der sich in der Vergangenheit als äußert schwer bestimmbar erwiesen hat, da er nur anhand von Indizien und oft Jahre später ermittelt wird.108 Gast führt sogar aus, dass dieses Tatbestandsmerkmal so untauglich war, dass es „maßgeblich zur Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts beigetragen“ habe.109 Auch der Bundesrat äußerte während des Gesetzgebungsprozesses Bedenken, weitestgehend zu einer Rechtslage zurückzukehren, welche sich als „rechtsunsicher und kaum administrierbar“ erwiesen hat.110 Es gibt keine Anzeichen, dass diese Probleme in der aktuellen Rechtslage nicht mehr bestehen werden.

Im Vergleich dazu war die Rechtslage zwischen 2017 und der Einführung von § 17 Abs. 2a EStG deutlich leichter handhabbar: Ausgefallene Gesellschafterdarlehen waren nur


100 Levedag, GmbHR 2020, 111, 115; Ott, DStZ 2020, 189, 196; Krumm, FR 2020, 197, 199.

101 Müller in: Grundsätze und Methoden der Gesetzgebung, S. 7, (https://ec.europa.eu/dgs/legal_service/seminars/ch_muller.pdf, zuletzt geöffnet am 02.06.2021); vgl. auch Mader/Bernhard, ZSR II 2004, 134.

102 Müller/Uhlmann, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 3. Auflage, 2013, S. 64.

103 Mader/Bernhard, ZSR II 2004, 139 ff.

104 Müller/Uhlmann (Fn. 101), S. 298.

105 Vgl. Mader/Bernhard, ZSR II 2004, 138.

106 Müller/Uhlmann (Fn. 101), Rn. 289 m.w.N; vgl. Mader/Bernhard, ZSR II 2004, 141 f.

107 Fliedner in: Gute Gesetzgebung, S. 8, (https://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/01147.pdf, zuletzt geöffnet am 02.06.2021); Müller/Uhlmann (Fn. 101),

108 Graw, jM 2020, 163, 167; Rund/Junkers, GmbHR 2020, 355, 358; Ratschow, GmbHR 2020, 569, 569; Kubik, BB 2020, 1266, 1266; Trossen, GmbH-StB 2019, 307, 310; Zapf, FR 2019, 804, 811; zur Bestimmung der Krise siehe nur Schmidt in: H/H/R, EStG (Fn. 64), § 17, Rn. 201a.

109 Gast (Fn. 1), S. 138.

110 BR-Drs. 356/19, S. 30.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen61

nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 EStG, wenn das zugeführte Darlehen nach handels- oder bilanzsteuerlichen Grundsätzen eine offene oder verdeckte Einlage darstellte.111 Anstatt auf einen normspezifischen, schwer handhabbaren Anschaffungskostenbegriff abzustellen, konnte in der Rechtslage ab 2017 auf den „normalen“ Anschaffungskostenbegriff nach § 255 Abs. 1 S. 1 HGB zurückgegriffen werden.112

Man kann der aktuellen Rechtslage höchstens zugutehalten, dass sie für Rechtsklarheit nach den Rechtsprechungsänderungen gesorgt hat, etwa indem der vollständige Ausfall von Kapitalanlagen durch § 20 Abs. 6 S. 6 EStG gesetzlich anerkannt wurde.113

Insgesamt hat sich jedoch die Praktikabilität der aktuellen Rechtslage aufgrund der Wiedereinführung der „Krise“ als Tatbestandsmerkmal gegenüber der vorherigen Rechtslage deutlich verschlechtert.

2. Kontinuität

Ein weiteres Kriterium für die Qualität von Regelungen ist die Kontinuität: Abrupte Veränderung und Brüche mit alten Regelungen sind nach Möglichkeit zu vermeiden, Entwicklungstendenzen sollten eher weitergeführt als umgekehrt werden.114 Dies erhöht die Vorhersehbarkeit für den Rechtsanwender; häufige Änderung können zudem die Akzeptanz des Rechtsanwenders bezüglich der Regelungen verringern.115

Die Neuregelung durch § 17 Abs. 2a EStG erfüllt dieses Kriterium nicht. Durch die Rechtsprechung wurde ab 2017 der Schwerpunkt für die Verlustrealisation stetig nach § 20 EStG hin verschoben.116 Die Regelung des § 17 Abs. 2a EStG stellt eine Kehrtwende von dieser Rechtsentwicklung dar; Verluste aus ausgefallenen Gesellschafterdarlehen werden steuerlich nun primär über § 17 Abs. 2a EStG realisiert. Nicht umsonst wird § 17 Abs. 2a EStG vielfach als „Nichtanwendungsbestimmung“ der BFH Rechtsprechung tituliert.117

Unter Kontinuitätsaspekten ist § 17 Abs. 2a EStG und damit die aktuelle Rechtslage daher zu kritisieren.

3. Notwendigkeit

„Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen“ – Montesquieu (1689 – 1755)

Dieser Grundsatz gilt auch in der modernen Gesetzgebungslehre und steht einer Überregulierung entgegen.118 Nicht notwendige Regelungen können keine guten Regelungen sein, auch wenn sie verfassungskonform sind.119 Es stellt sich daher die Frage, warum § 17 Abs. 2a EStG eingeführt wurde – welches Problem sollte durch den neuen Absatz in § 17 EStG behoben werden?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich die Rechtssprechungs- und Gesetzgebungsentwicklung ab 2017 in Erinnerung zu rufen: Maßgeblich für die Einführung von § 17 Abs. 2a EstG waren eine Reihe von BFH-Entscheidungen, die den Veräußerungstatbestand des §20 Abs. 2 EStG erheblich ausweiteten.120 In der Literatur wurden die Urteile grundsätzlich positiv aufgenommen, da sie das System der Abgeltungssteuer folgerichtig umsetzten; Wertveränderungen des Vermögensstamms wurden nun vollständig erfasst.121 Dem Gesetzgeber missfiel jedoch diese Entwicklung, da sie „nicht der Intention des Gesetzgebers entspreche“.122 Als Reaktion auf die Entscheidungen des BFH sollte daher § 20 Abs. 2 EStG um einen neuen Satz 3 ergänzt werden.123 Darin sollte klargestellt werden, dass Verluste aus einem vollständigen Ausfall einer Kapitalforderung steuerlich unbeachtlich sind.124 Auch ausgefallene Gesellschafterdarlehen hätten nicht mehr im Rahmen von § 20 Abs. 2 EStG geltend gemacht werden können.125

Allerdings konnten ausgefallene Gesellschafterdarlehen seit dem Urteil des BFH vom 11.07.2017 ebenfalls nicht als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 EStG steuerlich geltend gemacht werden.126 Der Gesetzgeber wollte jedoch die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter steuerlich nicht beschränken.127 Er nahm daher § 17 Abs. 2a EStG in den Gesetzesentwurf auf, damit ausgefallene Gesellschafterdarlehen weiterhin steuerlich geltend gemacht werden können.128

Allerdings war der geplante § 20 Abs. 2 S. 3 EStG wegen der verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten heftiger Kritik von sowohl der Literatur129 also auch dem Bundesrat ausgesetzt.130 Die geplante Änderung von § 20 Abs. 2 EStG wurde gestrichen.131 Ohne den neuen § 20 Abs. 2 S. 3 EStG konnten jedoch ausgefallen Gesellschafterdarlehen weiterhin über § 20 Abs. 2 EStG steuerlich geltend gemacht werden. § 17 Abs. 2a EStG wurde trotzdem eingeführt – als Lösung zu einem nicht mehr vorhandenen Problem.132


111 BFHE 258, 427 = BStBl II 2019, 208, Rn. 37 (juris); Schallmoser, jM 2018, 38, 39.

112 Gragert, NWB 2018, 2842, 2844 f.

113 Fuhrmann, NWB 2020, 150, 159.

114 Mader/Bernhard, ZSR II 2004, 144; Müller/Uhlmann (Fn. 101), Rn. 189.

115 Mader/Bernhard, ZSR II 2004, 144.

116 Siehe dazu schon B.II.2.

117 BR-Drs. 356/19, S. 30 ff; Graw, jM 2020, 163, 165; Trossen, GmbH-StB 2019, 307, 309; Ott, StuB 2020, 214, 215.

118 Karpen, Gesetzgebungslehre, 2. Auflage, 2008, S. 39; Choi, Die Pflicht des Gesetzgebers zur Beseitigung von Gesetzesmängeln, 2002, S. 45f.

119 Mader/Bernhard, ZSR II 2004, 139.

120 Siehe dazu schon C.I.2.a).

121 Siehe nur Dahm/Hoffmann, DStR 2019, 1239, 1246; Stenert/Stelle, UbG 2018, 181, 182; zuvor auch schon Aigner, DStR 2016, 345, 347 f; Moritz, DStR 2014, 1636, 1643 f; Schmitt-Homann, BB 2010, 351, 355 f; kritisch zuvor Gast (Fn. 1), S. 146 ff.

122 BT-Drs. 19/13436, S. 112f.

123 Ausdrücklich BT-Drs. 19/13436, S. 112; stv. Jochum, FR 2019, 602, 604 f.

124 BT-Drs. 19/13436, S. 16.

125 BT-Drs. 19/13436, S. 111.

126 BFHE 258, 427 = BStBl II 2019, 208, Rn. 32 f. (juris) siehe dazu schon B.II.2.

127 BT-Drs. 19/13436, S. 111.

128 BT-Drs. 19/13436, S. 111.

129 Siehe nur Dahm/Hoffmann, DStR 2020, 81, 82; Jochum, FR 2019, 602, 603 ff; Jachmann-Michel/Grunow, jM 2019, 471, 474 ff; Desens, DStR 2019, 1071, 1074.

130 BR-Drs. 356/19, S. 30 ff.

131 BT-Drs. 19/14873, S. 32.

132 Siehe nur Ratschow, GmbHR 2020, 569, 570; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 355.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen62

Darüber hinaus enthält die Gesetzesbegründung keine weiteren Aspekte, warum § 17 Abs. 2a EStG eingeführt wurde. Allerdings wurde statt dem geplanten § 20 Abs. 2 S. 3 EStG kurze Zeit später § 20 Abs. 6 S. 6 EStG als „Ersatz“ eingeführt.133 Verluste aus dem Ausfall einer Forderung werden darin als steuerbar anerkannt, jedoch ist die Verrechnung auf 10.000 € pro Jahr beschränkt. Ein Jahr später wurde die Verrechnungsbeschränkung durch das JStG 2020134 ohne inhaltliche Begründung auf 20.000 € pro Jahr angehoben.135

Es ist daher wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber den § 17 Abs. 2a EStG in Antizipation von § 20 Abs. 6 S. 6 EStG eingeführt hat, um Gesellschaftern die Möglichkeit zu bieten, ausgefallene Darlehen außerhalb dieser Verlustverrechnungsbeschränkung zu realisieren und damit die Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter sicherzustellen. Ein anderer Grund für die Einführung ist nicht ersichtlich.136

4. Ergebnis

Unter legislativen Aspekten ist die aktuelle Rechtslage zur steuerlichen Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen unbefriedigend. § 17 Abs. 2a EStG wendete sich abrupt von der vorherigen Rechtslage ab und führt ein Tatbestandsmerkmal wieder ein, welches sich in der Vergangenheit als schwer handhabbar erwiesen hat.

Eine schwer handhabbare Regelung, die einen Bruch von Entwicklungstendenzen darstellt, ist zwar nicht grundsätzlich schlecht. Manchmal lassen sich unpraktikable Regelungen nicht vermeiden, um „richtige“ Ergebnisse zu erzielen.137 Der einzige ersichtliche Grund für die Existenz von § 17 Abs. 2a EStG ist jedoch die Einführung von § 20 Abs. 6 S. 6 EStG – eine Norm, gegen die es starke verfassungsrechtliche Bedenken gibt.

II. Verfassungsmäßigkeit von


§ 20 Abs. 6 S. 6 EStG

In der Literatur erfährt § 20 Abs. 6 S. 6 EStG heftige Kritik: Gewinne und Verluste werden ungleich behandelt, die Norm verstoße daher gegen das objektive Nettoprinzip.138

1. Inhalt des objektiven Nettoprinzips

Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.139 Im EStG hat sich dieses grundlegende Prinzip in § 2 Abs. 2 EStG einfachgesetzlich niedergeschlagen.140 Steuerlich beachtlich ist das wirtschaftliche Ergebnis einer Erwerbstätigkeit, weshalb neben Bezügen auch Verluste und Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden müssen.141

Es ist zwar ungeklärt, ob das objektive Nettoprinzip Verfassungsrang hat.142 Das BVerfG bewertet das Prinzip jedoch als gesetzgeberische Grundentscheidung, die nach dem gleichheitsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebot umgesetzt werden muss.143 Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes – vom BVerfG werden etwa außerfiskalische Förderungs- und Lenkzwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt.144 Eine rein fiskalisch begründete Durchbrechung rechtfertigt hingegen keine Ausnahme von der gesetzgeberischen Grundentscheidung.145

2. Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip

Mit Einführung der Abgeltungssteuer durch das UntStRefG 2008 wurde die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene bei Einkünften aus Kapitalvermögen aufgegeben.146 Für Forderungen, die nach dem 31.12.2008 gewährt wurden, ist auch der Vermögensstamm von privaten Kapitalforderungen steuerlich verstrickt.147 Wird daher eine nach dem 31.12.2008 erworbene Kapitalforderung gewinnbringend veräußert, ist der Gewinn in vollem Umfang steuerbar.148

Fällt hingegen eine Kapitalforderung vollständig aus, beschränkt § 20 Abs. 6 S. 6 EStG die Verrechnung von Verlusten auf 20.000 € pro Jahr Die Beschränkung verhindert dabei faktisch, dass hohe Verluste vollständig realisiert werden – liegt etwa ein Verlust von 1 Mio. € vor, wird die Verlustverrechnung auf mindestens 50 Jahre gestreckt.149

Die steuerliche Belastung von Einnahmen entspricht daher nicht der Entlastung durch Verluste, mit der Folge, dass Steuerpflichtige bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ungleich behandelt werden.150 Insofern wurde das objektive Nettoprinzip als gesetzgeberische Grundentscheidung nicht


133 Burwitz, NZG 2020, 214, 216; vgl. auch Vogt in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 17, Rn. 584.

134 Gesetz vom 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451.

135 BT-Drs. 19/25160, S. 190.

136 Vgl. Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 356; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729 f.

137 Müller/Uhlmann (Fn. 101), Rn. 298.

138 Siehe nur Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729 f; Dahm/Hoffmann, DStR 2020, 81, 83 ff; Bron, BB 2020, 535, 539 f; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 356; Ott, StuB 2020, 85, 89 f; Fuhrmann, NWB 2020, 150, 156; Dinkelbach/Briesemeister, DB 2020, 579, 582 ff; Bartelt/Geberth, DStR 2019, 47/VI; a.A. Ratschow in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 20, Rn. 469b.

139 BVerfG, BVerfGE 152, XX, Rn. 99 (juris); BVerfG, BVerfGE 105, 73 = BStBl II 2002, 618, Rn. 198 (juris) m.w.N. aus der Rspr; Hey in: Tipke/Lang (Fn. 25), § 8, Rn. 54.

140 Stv. Hey in: Tipke/Lang (Fn. 25), § 8, Rn. 54.

141 BVerfG, BVerfGE 105, 73 = BStBl II 2002, 618, Rn. 198 (juris) m.w.N. aus der Rspr; Hennrichs, in: FS Lang, 2011, S. 246.

142 Zuletzt offen gelassen BVerfG, BVerfGE 122, 210, Rn. 63 (juris) m.w.N. aus der Rspr.

143 Hey in: Tipke/Lang (Fn. 25), § 8, Rn. 55; Schwarz, in: FS Isensee, 2007, S. 958f.

144 BVerfG, BVerfGE 122, 210, Rn. 58 (juris); Hey in: Tipke/Lang (Fn. 25), § 8, Rn. 55.

145 BVerfG, BVerfGE 145, 106 = BStBl II 2017, 1082, Rn. 104 (juris); BVerfG, BVerfGE 116, 164, Rn. 70 (juris) m.w.N aus der Rspr; siehe auch Hey in: Tipke/Lang (Fn. 25), § 8, Rn. 55.

146 Stv. Jachmann-Michel/Grunow, jM 2019, 471, 474 m.w.N.

147 Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 54f; BFHE 259, 535, Rn. 10 (juris) m.w.N; Frey/Tomaszowski, BB 2019, 1377, 1377.

148 Stv. Ratschow in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 20, Rn. 350.

149 Vgl. Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729.

150 Stv. Dahm/Hoffmann, DStR 2020, 81, 82; Bartelt/Geberth, DB 2019, 2603, 2605.

Volhard, Die steuerliche Behandlung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen63

folgerichtig umgesetzt.151

3. Rechtfertigung

Der Gesetzgeber rechtfertigt die Beschränkung durch JStG 2019 wie folgt: Es erscheine „sachgerecht“, Verluste aus dem Ausfall einer Kapitalforderung bis zu einem bestimmten Betrag anzuerkennen – für Kleinanleger habe die Beschränkung auch keine Auswirkung, da Verluste bis 10.000 € sofort in vollem Umfang verrechnet werden können.152 Für Anleger, die Verluste von mehr als 10.000 € haben, sei die Beschränkung gerechtfertigt, da diese Anleger durch den niedrigen Abgeltungssteuersatz von 25 % begünstigt sind.153

Überzeugen kann die Begründung nicht: Der Gesetzgeber rechtfertigt nicht, warum er überhaupt die Verlustverrechnung auf 10.000 € pro Jahr begrenzen will. Vielmehr liest sich die Gesetzesbegründung so, als würde der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen „einen Gefallen tun“, indem er Verluste aus dem Ausfall einer Kapitalforderung steuerlich anerkennt. Es ist jedoch aufgrund des objektiven Nettoprinzips geboten, Verluste steuerlich anzuerkennen, wenn die spiegelbildlichen Erträge besteuert werden.154

Angreifbar ist auch die Aussage, dass Großanleger durch den Abgeltungssteuersatz „begünstigt“ sind. Damit meint der Gesetzgeber wohl, dass der Abgeltungssteuersatz im Vergleich zu dem individuellen Steuersatz typischerweise geringer ist, wenn ein Anleger mehr als 10.000 € verliert. Allerdings ist der Vergleich zu der Besteuerung von den übrigen Einkünften in Hinblick auf das geschlossene System der Abgeltungssteuer „schon im Ansatz verfehlt“.155 Der pauschale Steuersatz von 25 % ist im System der Abgeltungssteuer gerechtfertigt und unter anderem durch die Quellensteuer und die steuerliche Vorbelastung auf Ebene der Kapitalgesellschaft bedingt.156 Zudem würde sich die Folgefrage stellen, warum der gleiche Steuersatz für Kleinanleger auch ohne Verlustverrechnungsbeschränkung gerechtfertigt ist.157

Zwar hob der Gesetzgeber die Verrechnungsbeschränkung im JStG 2020 auf 20.000 € an. Dies ändert jedoch nichts an den verfassungsrechtlichen Problematiken, es verringert nur die Anzahl der Fälle.158

Insgesamt liefert der Gesetzgeber keinen Grund, warum er die Verlustverrechnung beschränkt. Er stellt lediglich darauf ab, dass Großanleger durch den Abgeltungssteuersatz begünstigt sind. Es liegt daher nahe, dass § 20 Abs. 6 S. 6 EStG fiskalisch motiviert ist, was nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG keine Ausnahme von der folgerichtigen Umsetzung des objektiven Nettoprinzips rechtfertigt.159

4. Ergebnis

§ 20 Abs. 6 S. 6 EStG verstößt ohne rechtfertigenden Grund gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da es das objektive Nettoprinzips nicht folgerichtig umsetzt. Es bestehen daher erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität.160

III. Stellungnahme

Die aktuelle Rechtslage zur steuerlichen Geltendmachung von ausgefallenen Gesellschafterdarlehen ist misslungen. Mit § 17 Abs. 2a EStG wird das Tatbestandsmerkmal der „Krise“ wieder eingeführt, das ich in der Vergangenheit als untauglich erwiesen hat. An der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG bestehen erhebliche Zweifel. Dadurch würde auch der einzig ersichtliche Grund für die Einführung von § 17 Abs. 2a EStG entfallen.

E. Fazit und Ausblick

Mit § 17 Abs. 2a EStG kehrt der Gesetzgeber in weiten Teilen zu der Rechtslage der Eigenkapitalersatzrechtsprechung zurück. Es bleibt abzuwarten, ob die Regelung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG dem BVerfG vorgelegt wird. Richtungsweisend könnte dabei die Vorlage des BFH an das BVerfG vom 04.06.2021 sein (Az. VIII R 11/18). In dieser geht der BFH davon aus, dass die Verlustbeschränkung nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (jetzt § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG) verfassungswidrig ist.161

Insgesamt fällt es schwer, der aktuellen Rechtslage etwas Positives gegenüber der vorherigen Rechtslage abzugewinnen. De lege ferenda wäre § 17 Abs. 2a EStG und § 20 Abs. 6 S. 6 EStG zu streichen und damit zu der vorherigen Rechtslage zurückzukehren. Unabhängig davon sollte die systematische Rechtfertigung von § 17 EStG angesichts der eingeführten Substanzbesteuerung in § 20 Abs. 2 EStG sowie der Absenkung der Beteiligungsgrenze kritisch hinterfragt werden.162


151 Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729; Dahm/Hoffmann, DStR 2020, 81, 83; Fuhrmann, NWB 2020, 150, 156; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 356; Ott, StuB 2020, 85, 89 f.

152 BT-Drs. 19/15876, S. 61.

153 BT-Drs. 19/15876, S. 61.

154 Dahm/Hoffmann, DStR 2020, 81, 84; Wiese/Göttel, GmbHR 2018, 1169, 1172.

155 So Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729.

156 Dinkelbach/Briesemeister, DB 2020, 579, 584; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729.

157 Dinkelbach/Briesemeister, DB 2020, 579, 584; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729.

158 Bleschick in: Kirchhof / Seer (Hrsg.), Kommentar zum EStG, 20. Auflage, § 17, 177d m.w.N.

159 BVerfG, BVerfGE 145, 106 = BStBl II 2017, 1082, Rn. 104 (juris); BVerfG, BVerfGE 116, 164, Rn. 70 (juris) m.w.N aus der Rspr; siehe auch Hey in: Tipke/Lang (Fn. 25), § 8, Rn. 55.

160 So auch Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 729; Dahm/Hoffmann, DStR 2020, 81, 83; Fuhrmann, NWB 2020, 150, 156; Förster/Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 356; Ott, StuB 2020, 85, 89 f; a.A. Ratschow in: Blümich, EStG (Fn. 24), § 20, Rn. 469.

161 BFH, BeckRS 2021, 1258, Rn. 33.

162 Gosch in: Littman/Bitz/Putz, EStG (Fn. 39), § 17, Rn. 2; Hey in: Tipke/Lang (Fn. 25), § 8, Rn. 547; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 730 f; Strohm, jM 2019, 116.