Pia Droege*
A. Einleitung
Der Arbeitgeber hat die für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Kosten gem. § 40 I BetrVG zu tragen. Dazu zählen auch Kosten für externe Beratungsleistungen, die der Betriebsrat in Anspruch nimmt. Die Fälle, in denen der Betriebsrat Rechtsgeschäfte mit einem sachverständigen Dritten abschließen kann, sind eng umgrenzt von den §§ 40 I, 80 III und 111 S. 2 BetrVG. Der Betriebsrat kann z.B. bei einer Betriebsänderung in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zur Erarbeitung eines Interessenausgleichs einen Berater beauftragen. Aber wer muss das Beratungshonorar zahlen, wenn der Betriebsrat z.B. einen zu teuren Berater beauftragt hat?
Im Jahre 2012 hatte der BGH1 folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Ein Unternehmen plante verschiedene innerbetriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen, die zum Abbau und zur Verlegung zahlreicher Arbeitsplätze ins Ausland führen sollten. Der Betriebsrat beschloss, sich betriebswirtschaftlich zum Interessenausgleich beraten zu lassen. Der Betriebsratsvorsitzende schloss deshalb im Namen des Betriebsrats mit einem Beratungsunternehmen, das auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert war, einen entsprechenden Vertrag. Am Ende erhielt der Betriebsrat eine Rechnung über eine Gesamtsumme von 87.000 Euro und bat den Arbeitgeber, sie zu begleichen. Der Arbeitgeber verweigerte die Bezahlung, weil er meinte, dass ein Teil der Beratungsleistungen nicht erforderlich gewesen sei.
Die Arbeit untersucht die Frage, inwieweit Betriebsrat und Betriebsratsmitglieder für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten gegenüber einem Berater haften.
Zur Beantwortung der Haftungsfrage muss geklärt werden, ob und inwieweit der Betriebsrat mit einem externen Berater einen wirksamen Beratungsvertrag schließen kann. Wenn festgestellt werden sollte, dass der Betriebsrat nur für den erforderlichen Teil der Beratungskosten haftet, wird es knifflig. Der Arbeitgeber darf dann nämlich zu Recht die Bezahlung teilweise verweigern. Sollen nun der Berater oder die Betriebsratsmitglieder das Haftungsrisiko für den „überschüssigen“ Teil tragen? Vor dem Hintergrund, dass die Betriebsratsmitglieder ihr Amt gem. § 37 I BetrVG unentgeltlich als Ehrenamt ausüben, wäre es für sie eine enorme Belastung für Beraterhonorare in Höhe von mehreren zehntausend Euro haften zu müssen. Sollte nicht eher der spezialisierte Berater das Risiko tragen, die Erforderlichkeit der Beratung falsch bewertet zu haben? In der Folge würde er dann jedoch seine Kosten nicht ersetzt bekommen.
Die Entscheidung des BGH ist mittlerweile 9 Jahre her. Seitdem wurde die Diskussion um die persönliche Haftung der Betriebsratsmitglieder für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten heiß geführt.2 Gerade jetzt während der Corona-Pandemie geht es vielen Unternehmen wirtschaftlich so schlecht, dass sie Betriebsänderungen durchführen müssen. Für Betriebsräte ist deshalb die Frage der Haftung des Betriebsrats und der Betriebsratsmitglieder speziell bei der Inanspruchnahme externer Berater aktueller denn je.
B. Grundvoraussetzungen der Haftung des Betriebsrats für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten: Vermögens- und Rechtsfähigkeit
Haften kann nur derjenige, der auch rechtsfähig ist. Damit der Betriebsrat als möglicher Vertragspartner und Schuldner eines vertraglichen Zahlungsanspruchs in Frage kommt, muss er folglich ein Rechtssubjekt sein. Um auch in der Praxis als Schuldner in Betracht zu kommen, muss der Betriebsrat vermögensfähig sein, da anderenfalls ein gegen ihn gerichteter Zahlungsanspruch nicht durchsetzbar ist.
I. Partielle Vermögensfähigkeit des Betriebsrats
Es besteht Einigkeit darüber, dass der Betriebsrat insoweit vermögensfähig ist, wie das Betriebsverfassungsrecht ihn mit vermögensrechtlichen Ansprüchen ausstattet.3 Der Betriebsrat hat das Recht vom Arbeitgeber gem. §§ 40, 80 III und 111 S. 2 BetrVG von den erforderlichen Kosten für die Beauftragung eines externen sachverständigen Dritten (nachfolgend: Berater) freigestellt zu werden („Freistellungsansprüche“4 ), sodass er insoweit partiell vermögensfähig ist. Um das Bestehen und den Umfang möglicher Freistellungsansprüche zu ermitteln, wird nun ihr Anwendungsbereich und das Erforderlichkeitskriterium untersucht. Das ist notwendig, da der Umfang der Freistellungsansprüche wiederum dazu dient, die Grenzen der partiellen Vermögens- und Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats abzustecken.5 Damit wird der Grundstein für die spätere Untersuchung gelegt, in welchem Bereich der Betriebsrat für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten haftet.
1. Anwendungsbereich der §§ 40, 80 III und 111 S. 2 BetrVG bei der Beauftragung eines sachverständigen Dritten
§ 40 I BetrVG ermöglicht dem Betriebsrat die Beauftragung eines Rechtsanwalts für seine (außer-)gerichtliche Vertretung.6 Gem. § 80 III BetrVG darf der Betriebsrat für eine
* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg.
1 BGH, NZA 2012, 1382 ff.
2 Vgl. die zahlreichen Entscheidungsbesprechungen u.a. von Dzida, NJW 2013, 433 ff.; Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401 ff.; Richardi, RdA 2013, 317 ff.
3 BAG, NZA 1998, 900, 901; Fitting, § 1 Rn. 295; GK-BetrVG-Franzen, § 1 Rn. 73.
4 BAG, NZA 2006, 109; Fitting, § 40 Rn. 92 f.
5 Siehe B.II.
6 Richardi-Thüsing, § 40 Rn. 23.
konkrete Aufgabe einen Berater zur Vermittlung von fachlichen oder rechtlichen Kenntnissen beauftragen,7 wie z.B. Arbeitswissenschaftler, Informatiker, Bilanzsachverständige oder Gewerkschaftsvertreter.8 Ein Rechtsanwalt darf den Betriebsrat i.R.v. § 80 III BetrVG z.B. zu einer komplexen vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Betriebsvereinbarung rechtlich beraten.9 § 111 S. 2 BetrVG erlaubt dem Betriebsrat bei Betriebsänderungen in Großunternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern einen Berater hinzuzuziehen. Der Betriebsrat soll durch die Beratung in die Lage versetzt werden, komplexe Sachverhalte schnell zu analysieren und Alternativkonzepte zu entwickeln.10 Ein Rechtsanwalt kann z.B. mit dem Entwurf für einen schwierigen Interessenausgleich beauftragt werden, nicht aber für einen Sozialplan, da dafür § 80 III BetrVG einschlägig ist.11
§ 80 III BetrVG enthält die zusätzliche Voraussetzung, dass die Zustimmung des Arbeitgebers bzw. ihre gerichtliche Ersetzung eingeholt werden muss. Im Rahmen von § 111 S. 2 BetrVG ist die Zustimmungseinholung nicht erforderlich, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte schnellstmöglich ausüben kann, um so noch rechtzeitig auf die Entscheidung des Arbeitgebers einwirken zu können.12 Für alle Freistellungsansprüche ist stets ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats gem. § 26 II BetrVG notwendig.13
2. Erforderlichkeit als entscheidendes Tatbestandsmerkmal zur Bestimmung des Umfangs des Freistellungsanspruchs
Für die Beantwortung der Frage, ob die Kosten erforderlich waren, sind nicht die subjektiven Bedürfnisse des Betriebsrats maßgeblich, sondern eine umfassende Gesamtabwägung aus ex ante Perspektive.14 Der Betriebsrat muss „die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsrats einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander ab[..]wägen“15. Er ist gem. § 2 I BetrVG verpflichtet, die Kosten so gering wie möglich zu halten (Gebot der Kostenminimierung).16 Hervorzuheben ist, dass der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum besitzt,17 dessen Grenzen „nicht zu eng“18 gezogen werden dürfen, damit er in seiner Amtsführung funktions- und handlungsfähig bleibt.19 Der Betriebsrat muss zwischen der „Erforderlichkeit an sich“, der „Erforderlichkeit des Umfangs“ und der „Erforderlichkeit der Kosten“ der Beratungsleistungen unterscheiden.20
Die Erforderlichkeit ist diejenige Tatbestandsvoraussetzung, die entscheidend für die Bestimmung des Umfangs des Freistellungsanspruchs und somit der Reichweite der Vermögensfähigkeit ist. Für die Kosten, die über die Erforderlichkeitsgrenze hinausgehen, haftet der Betriebsrat nicht, sodass der Arbeitgeber sie nicht tragen muss.21 Möglicherweise haften aber Betriebsratsmitglieder für sie, deshalb sollte der Betriebsrat die Erforderlichkeit der Beratung sehr sorgfältig prüfen. Dabei ist zu beachten, dass die Beurteilung der Erforderlichkeit facettenreich ist und im Einzelfall schwierig sein kann.22
II. Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats
Die Frage, ob der Betriebsrat rechtsfähig ist, war lange Zeit ungeklärt. In einer Grundsatzentscheidung vom 25.10.2012 durfte ausgerechnet der BGH23 über die Rechtsfähigkeit des Betriebsrats gegenüber Beratern24 entscheiden: Soweit der Betriebsrat „innerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises“ handelt, kann er in dem Umfang berechtigt und verpflichtet werden (Ultra-Vires-Lehre).25 Der Betriebsrat ist somit im Innen- und Außenverhältnis teilrechtsfähig. Er kann unter den Voraussetzungen der §§ 40 I, 80 III und 111 S. 2 BetrVG wirksame Verträge mit Beratern schließen.26 Sobald die „Erforderlichkeitsgrenze“27 aber überschritten ist, endet die Rechtsfähigkeit des Betriebsrats. Die Begrenzung der Rechtsfähigkeit auf den Umfang der Vermögensfähigkeit (Intra-Vires-Bereich) ist dadurch gerechtfertigt, dass eine weiterreichende Rechtsfähigkeit für den Berater ohnehin wertlos wäre.28
C. Haftung des Betriebsrats und der Betriebsratsmitglieder für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten
I. Haftung des Betriebsrats
1. Haftung im Intra-Vires-Bereich
a) Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts
Der Betriebsratsvorsitzende kann gem. § 26 II 1 BetrVG aufgrund und im Rahmen eines ordnungsgemäßen Beschlusses (Intra-Vires-Bereich) eine Willenserklärung im Namen des Betriebsrats abgeben. Der Vorsitzende ist dabei Vertreter in der Erklärung, d.h. er gibt zwar eine eigene Willenserklärung ab, aber seine Vertretungsmacht ist beschränkt.29 Er kann den Betriebsrat nur insoweit wirksam verpflichten, als der Inhalt der abgegebenen Willenserklärung dem Betriebsratsbeschluss entspricht.30 Der Betriebsrat kann die vom Vorsitzenden abgegebene Erklärung genehmigen,31 unter
7 Fitting, § 80 Rn. 91.
8 DKW-Wedde, § 80 Rn. 163.
9 BAG, Urt. v. 15.11.2000 – 7 ABR 24/00, juris, Rn. 25.
10 BT-Dr. 14/5741, S. 51; Schaub-Koch, § 244 Rn. 25a.
11 Vgl. BAG, NZA 2017, 514 Rn. 14.
12 BT-Dr. 14/5741, S. 52; Oetker, NZA 2002, 465.
13 GK-BetrVG-Weber, § 40 Rn. 45; GK-BetrVG-Weber, § 80 Rn. 153; GK-BetrVG-Oetker, § 111 Rn. 224.
14 BAG, NZA 2000, 556; 557; Fitting, § 40 Rn. 9.
15 BAG, NZA 2000, 556, 557.
16 BAG, NZA 2015, 1141 Rn. 16; Schiefer/Borchard, DB 2016, 770, 771.
17 Vgl. BAG, NZA 2000, 556; 557; Fitting, § 40 Rn. 9.
18 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 45.
19 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 45; GK-BetrVG-Weber, § 40 Rn. 13.
20 Vgl. BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 27; ausdrücklich Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401; Benecke, NZA 2018, 1361, 1362; Picht, S. 7.
21 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 29, siehe C.II.
22 Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 404; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 580.
23 BGH, NZA 2012, 1382 ff.
24 Siehe zur Rechtsfähigkeit im Verhältnis zum Arbeitgeber bereits BAG, NZA 2003, 53, 54; BAG, NZA 2005, 123, 124.
25 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 16; zust. Lit.: Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 580; Schwarze, JA 2013, 467, 469 f.
26 Vgl. BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 16.
27 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 29.
28 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 28, 30.
29 BAG, NZA 2003, 870, 872; Fitting, § 26 Rn. 22.
30 Fitting, § 26 Rn. 22.
31 Richardi-Thüsing, § 26 Rn. 47 f.
der Voraussetzung, dass der neue Beschluss die Erforderlichkeitsgrenze nicht überschreitet.
b) Fallbeispiel
Zur Veranschaulichung der Haftung im Intra-Vires-Bereich soll ein Fallbeispiel dienen:
Ein Spielwarenunternehmen mit 1000 Arbeitnehmern, das in Deutschland produziert, beschließt seine Produktion nach China zu verlegen, sodass 80 % der Arbeitsplätze bedroht sind. Der Betriebsrat schließt, vertreten durch seinen Vorsitzenden nach ordnungsgemäßer Beschlussfassung durch den Betriebsrat, einen Vertrag mit einem Unternehmensberater. Der auf Betriebsräte spezialisierte Unternehmensberater soll anlässlich der geplanten Betriebsänderung einen Entwurf für einen schwierigen Interessenausgleich erstellen. Die Vertragsparteien vereinbaren einen Tagessatz i.H.v. 1500 Euro.
Die Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs aus § 111 S. 2 BetrVG liegen vor. Insbesondere hat der Betriebsrat nicht die Erforderlichkeitsgrenze überschritten, da er richtig beurteilt hat, dass die Beauftragung an sich und deren Umfang erforderlich war und außerdem ein marktübliches Honorar32 vereinbart hat. Der Betriebsrat kann sich gegenüber dem Unternehmensberater verpflichten und mit seinem Vermögen in Form des Freistellungsanspruchs für das Honorar haften.
Schließlich kann der Betriebsrat den Freistellungsanspruch schuldbefreiend an den Berater abtreten.33 Der Freistellungsanspruch wandelt sich dann in einen Zahlungsanspruch des Beraters gegen den Arbeitgeber um,34 sodass der Arbeitgeber die Kosten zu tragen hat.
2. Keine Haftung im Ultra-Vires-Bereich
Sobald die Grenzen der Freistellungsansprüche aber überschritten werden, endet die Rechtsfähigkeit des Betriebsrats (Ultra-Vires-Bereich). Wenn die Betriebsratsmitglieder beschließen einen Berater zu beauftragen, der Auftrag aber an sich oder in seinem Umfang die Erforderlichkeitsgrenze überschreitet, ist der Beschluss in Teilen unwirksam. Der Betriebsratsvorsitzende hat für die Abgabe der Willenserklärung keine gesetzliche Vertretungsmacht nach § 26 II 1 BetrVG und kann insoweit keinen Vertrag mit einem Berater schließen, der den Betriebsrat zur Zahlung eines Honorars verpflichtet.
Erneut soll ein Fallbeispiel zur Verdeutlichung dienen:
Die Ausgangssituation ist dieselbe wie im ersten Fallbeispiel. Nun beauftragt der Betriebsrat allerdings den Unternehmensberater auch mit einem Entwurf für einen Sozialplan. Er holt vorher nicht die Zustimmung des Arbeitgebers ein. Die Vertragsparteien vereinbaren zudem einen Tagessatz i.H.v. 5000 Euro. Für den Entwurf des Interessenausgleichs benötigt der Berater 20 Tage, sodass Kosten i.H.v. 100.000 Euro anfallen. Für den Entwurf des Sozialplans fallen Kosten i.H.v. 50.000 Euro an.
Der Spielwarenunternehmer weigert sich, die gesamten Kosten i.H.v. 150.000 Euro zu zahlen. Er meint, dass der Betriebsrat mit der Beauftragung des Beraters die Erforderlichkeitsgrenze mehrfach überschritten habe. Damit liegt der Arbeitgeber richtig. Der Betriebsrat hat zum einen bei seiner Beurteilung verkannt, dass der Umfang der Beauftragung des Beraters i.R.d. § 111 S. 2 BetrVG nicht erforderlich war, da der Entwurf eines Sozialplans nicht zu den Aufgaben eines Beraters nach § 111 S. 2 BetrVG zählt. Der Unternehmensberater hätte zwar i.R.d. § 80 III BetrVG als Sachverständiger hinzugezogen werden können. Da der Betriebsrat aber vorher nicht die Zustimmung des Spielwarenunternehmers eingeholt hat, liegen die Voraussetzungen des § 80 III BetrVG nicht vor. Für die Beraterkosten i.H.v. 50.000 Euro hat der Betriebsrat keinen Freistellungsanspruch.
Geht man mit dem LAG Rheinland-Pfalz35 davon aus, dass ein Tagessatz i.H.v. 1900 Euro erforderlich ist und lässt man außer Betracht, dass die Entscheidung bereits 9 Jahre alt ist und deshalb heutzutage aufgrund des Inflationsausgleichs eigentlich ein höherer Tagessatz noch als erforderlich anzusehen wäre, sind die Kosten für den Interessenausgleich i.H.v. 62.000 Euro (20 x 3.100 Euro) und für den Sozialplan in vollständiger Höhe, d.h. 50.000 Euro, nicht erforderlich.
Der Vertrag ist somit teilweise wirksam gem. § 139 BGB. Der Freistellungsanspruch besteht nur für den wirksamen Teil i.H.v. 38.000 Euro (20 x 1.900 Euro). Für den Teil haftet der Betriebsrat.
In Höhe von 112.000 Euro besteht der Freistellungsanspruch allerdings nicht. Der Betriebsrat kommt wegen mangelnder Rechtsfähigkeit im Ultra-Vires-Bereich nicht als Vertragspartner und Haftungssubjekt in Betracht. Sodann stellt sich die Frage, ob die einzelnen Betriebsratsmitglieder im Ultra-Vires-Bereich haften können.
II. Haftung der Betriebsratsmitglieder
Da das BetrVG keine Haftungsnorm für die Haftung von Betriebsratsmitgliedern für vertragliche Forderungen von Beratern enthält, liegt eine Regelungslücke für den Intra- und Ultra-Vires-Bereich vor. Insbesondere für den Ultra-Vires-Bereich wird die analoge Anwendung von Haftungsnormen aus dem BGB, HGB und AktG diskutiert. Dabei dreht sich die Diskussion um die brisante Frage, wer das Haftungsrisiko dafür tragen soll, dass der Betriebsrat nicht wirksam verpflichtet werden konnte, weil die Grenzen der Freistellungsansprüche überschritten worden sind: der Berater oder die Betriebsratsmitglieder?36
32 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 7.11.2011 – TaBV 29/11, juris, Rn. 55.
33 BAG, NZA 2009, 1223 Rn. 20; GK-BetrVG-Weber, § 40 Rn. 22.
34 Ebd.
35 LAG Rheinland-Pfalz, 7.11.2011 – TaBV 29/11, juris, Rn. 55.
36 Vgl. bereits Gamillscheg, FS Otto 2008, S. 93, 98.
1. Keine Statushaftung gem. § 128 HGB analog
a) Haftung im Intra-Vires-Bereich
Im Intra-Vires-Bereich ist eine Haftung aller Betriebsratsmitglieder aus § 128 HGB analog aufgrund fehlender vergleichbarer Interessenlage ausgeschlossen.37 Eine akzessorische Haftung würde bedeuten, dass die Betriebsratsmitglieder aufgrund ihres Status als Amtsinhaber persönlich, unbeschränkt, unmittelbar, primär und auf das Ganze haften würden.38
Erstens hat der Berater kein schutzwürdiges Interesse an einer „Doppelhaftung des Betriebsrats als Gremium und seiner Mitglieder“39. Telos des § 128 HGB ist es u.a., die Gläubiger davor zu schützen, dass ihnen kein solventer Schuldner zur Verfügung steht, da Personengesellschaften wie die OHG und die KG keinen Kapitalerhaltungsvorschriften unterliegen.40 Der Berater erhält hingegen mit dem Arbeitgeber den Schuldner, mit dem er gerechnet hat.41 Er hat anders als im Personengesellschaftsrecht kein schutzwürdiges Interesse daran, die Betriebsratsmitglieder als zusätzliche Schuldner für seine Honorarforderung zu erhalten.42
Zweitens verbietet das Benachteiligungsverbot gem. § 78 S. 2 BetrVG, dass Betriebsratsmitglieder gegenüber anderen Arbeitnehmern bei der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeiten benachteiligt werden.43 Solange Beschlüsse der Amtsinhaber sich im Intra-Vires-Bereich bewegen, wäre eine analoge Haftung gem. § 128 HGB eine unrechtmäßige Benachteiligung der Betriebsratsmitglieder gem. § 78 S. 2 BetrVG.44
Drittens verfolgen Gesellschafter einer Personengesellschaft anders als Betriebsratsmitglieder einen gemeinsamen eigennützigen Zweck, vgl. § 705 BGB, § 105 I HGB.45 Die Gesellschafter haften persönlich, um die Kreditwürdigkeit ihrer Gesellschaft zu sichern und den gemeinsamen Zweck zu erreichen.46 Die Betriebsratsmitglieder haben sich zwar freiwillig für das unentgeltliche Amt wählen lassen, jedoch handeln sie als Repräsentanten der Belegschaft47 nicht eigen- sondern fremdnützig.
Die Interessenlage von Betriebsratsmitgliedern, die im Intra-Vires-Bereich Beschlüsse für die Beauftragung eines Beraters fassen, ist somit nicht vergleichbar mit der eines persönlich haftenden Gesellschafters gem. § 128 HGB.
b) Haftung im Ultra-Vires-Bereich
Die Haftung der Betriebsratsmitglieder im Ultra-Vires-Bereich kann nicht über § 128 HGB analog begründet werden.48 Zum einen besteht für den Ultra-Vires-Bereich keine Verbindlichkeit des Betriebsrats, für die die Betriebsratsmitglieder akzessorisch haften könnten. Zum anderen wäre die Haftung gem. § 128 HGB analog nur im Ultra-Vires-Bereich mit der Eigenschaft der akzessorischen Haftung, nach der die Schuldner stets auf das Ganze haften müssen, unvereinbar.
2. Keine Haftung des handelnden Betriebsratsmitglieds im Ultra-Vires-Bereich analog § 54 S. 2 BGB, § 11 II GmbHG, § 41 I 2 AktG
Im Ultra-Vires-Bereich wird von einigen eine akzessorische Haftung49 des Betriebsratsmitglieds, das den Vertrag für den Betriebsrat abschließt, analog § 54 S. 2 BGB, § 11 II GmbHG, § 41 I 2 AktG befürwortet.50 Da das handelnde Betriebsratsmitglied in der Regel der Vorsitzende oder sein Stellvertreter ist, wird im Folgenden zur Vereinfachung vom Betriebsratsvorsitzenden gesprochen. Gegen eine analoge Anwendung sprechen auch hier die o.g. Argumente gegen eine akzessorische Haftung im Ultra-Vires-Bereich.
3. Haftung des handelnden Betriebsratsmitglieds im Ultra-Vires-Bereich gem. § 179 I BGB analog
a) Herleitung durch grundlegendes BGH-Urteil vom 25.10.2012 – III ZR 266/11
Der BGH hat im Ultra-Vires-Bereich die Haftung des Betriebsratsvorsitzenden aus § 179 I BGB analog bejaht.51 Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob der Betriebsratsvorsitzende für den Teil des Honorars eines gem. § 111 S. 2 BetrVG beauftragten Beraters, das die Erforderlichkeitsgrenze in zeitlichem Umfang überschritt, haften musste.
Auf den Betriebsratsvorsitzenden als Vertreter in der Erklärung werden die §§ 164 ff. BGB entsprechend angewandt.52 § 179 I BGB müsse in zweifacher Analogie angewendet werden, weil der Wortlaut besage, dass der Vertretene den Vertrag genehmigen könne und der Betriebsrat als Vertretener im Ultra-Vires-Bereich den Vertrag als nicht Rechtsfähiger nicht genehmigen könne.
Die Interessenlage der Parteien bei einem rechtsgeschäftlichen Handeln des Betriebsratsvorsitzenden sei vergleichbar mit der eines anderen vollmachtlosen Vertreters. Der Berater habe auf die Vertretungsmacht und auf das Zustandekommen des Vertrags vertraut, weil der Betriebsratsvorsitzende durch seine Erklärung für den Betriebsrat zu handeln zugleich
37 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 47; Picht, S. 84 f.; Schmitt, S. 718 f.
38 Vgl. Baumbach/Hopt-HGB-Roth, § 128 Rn. 1; MüKoHGB-Schmidt, § 128 Rn. 1.
39 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 47.
40 BGHZ 154, 370 Rn. 11; EBJS-Hillmann, § 128 Rn. 1; Baumbach/Hopt-HGB-Roth, § 128 Rn. 1; Schmitt, S. 715 f.
41 Schmitt, S. 718.
42 Ebd.
43 Vgl. Richardi-Thüsing, § 78 Rn. 21; NK-ArbR-Waskow, § 78 Rn. 16.
44 Picht, S. 84.
45 Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1464; Picht, S. 84; Schmitt, S. 718.
46 Siehe Fn. 38.
47 Fitting, § 1 Rn. 284; Richardi, Einl. Rn. 101.
48 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 47; Dommermuth-Alhäuser-Heup, BB 2013, 1461, 1464; Picht, S. 84 f.; Schmitt, S. 741 f.; a.A. Uffmann, AP BetrVG 1972, § 40 Nr. 110 (Anmerkung 2, II.3.).
49 Vgl. zur Handelndenhaftung als akzessorische Haftung MüKoBGB-Leuschner, § 54 Rn. 6.
50 Rosset, S. 110 ff.; weitergehend Richardi-Thüsing, § 40 Rn. 46; a.A. BGH, NZA 2012, 1381 Rn. 47; Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1464; Picht, S. 86; Schmitt, S. 729; Triebel, S. 141.
51 BGH, NZA 1382 Rn. 32 ff.
52 MüKoBGB-Schubert, § 179 Rn. 11.; GK-BetrVG-Raab, § 26 Rn. 32.
erklärt habe, über Vertretungsmacht zu verfügen. 53 Der Teil des Rechtsgeschäfts, der außerhalb der Rechtsfähigkeit des Betriebsrats liegt, ist unwirksam, weil der Betriebsratsvorsitzende aufgrund seiner fehlenden Vertretungsmacht den Betriebsrat nicht wirksam verpflichten konnte. Telos des § 179 BGB sei es, das Vertrauen des Beraters zu schützen, da der Vorsitzende den Mangel seiner Vertretungsmacht in der Regel besser erkennen könne als der Berater. Im Interesse des Verkehrsschutzes müsse der Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator) deshalb gem. § 179 I BGB verschuldensunabhängig auf das Erfüllungsinteresse oder auf Schadensersatz haften.
Zudem sei die Interessenlage der Parteien vergleichbar54 mit der Fallgruppe, in der der Vertretene nicht existiere und auf die § 179 I BGB nach überwiegender Ansicht analog angewendet werde.55 Bereits das Reichsgericht habe § 179 I BGB analog auf den Fall angewendet, dass der Vertretene zwar existiert, aber zur Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht in der Lage war, weil er insoweit nicht rechtsfähig war.56
Insbesondere sei eine weitergehende Haftungsbeschränkung nicht notwendig, um eine vergleichbare Interessenlage zu gewährleisten, da das Betriebsratsmitglied hinreichend geschützt sei.57
§ 179 I, II BGB beschränke die Haftung des Betriebsratsvorsitzenden auf das negative Interesse, wenn er beweist, dass er keine Kenntnis davon hatte, dass die Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs nicht vorlagen und er dementsprechend keine Vertretungsmacht hatte.58 Die fehlende Kenntnis sei dann zu bejahen, wenn das Betriebsratsmitglied von der Üblichkeit des vereinbarten Honorars ausging, weil es z.B. den Berater gefragt oder vorher eine Marktabfrage durchgeführt habe.59
§ 179 III BGB schließe überdies die Haftung für den Fall aus, dass dem Berater bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, dass der Vertreter keine Vertretungsmacht hatte. Die Beweislast dafür trage zwar das Betriebsratsmitglied. Jedoch sei die Kenntnis oder das Kennenmüssen davon, dass die Höhe des vereinbarten Honorars nicht erforderlich war, dann ohne weiteres zu bejahen, wenn der Berater auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert sei.60
Außerdem sei der Betriebsrat durch seinen weiten Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob und in welchem Umfang die Beauftragung des Betriebsrats erforderlich gewesen sei, noch weiter geschützt.61 Zudem werde die Erforderlichkeit aus ex-ante Perspektive beurteilt. Der Rahmen, in dem das Betriebsratsmitglied Vertretungsmacht habe, sei deshalb groß und das Risiko gem. § 179 I BGB analog haften zu müssen, klein.
Darüber hinaus könne der Betriebsrat in Zweifelsfällen Rechtsrat zur Erforderlichkeit der Beratung einholen. Wenn die Einschätzung des Rechtsanwalts sich im Nachhinein als falsch herausstelle, habe das Betriebsratsmitglied einen Regressanspruch gegen den Anwalt. Folglich werde die Haftung aus § 179 I BGB analog durch den Regressanspruch kompensiert.
Obendrein könne das Betriebsratsmitglied mit dem Berater einen vertraglichen Haftungsausschluss vereinbaren, um das Haftungsrisiko gänzlich auszuschließen.
Außerdem könne der Betriebsrat auch im Anwendungsbereich der §§ 40 I, 111 S. 2 BetrVG die Zustimmung des Arbeitgebers einholen, um sicherzugehen, dass der Arbeitgeber mit der Beauftragung an sich und dem Umfang des Auftrags einverstanden ist und die Kosten übernimmt.
Aus dem Ehrenamtsprinzip gem. § 37 I BetrVG ergebe sich weiterhin nicht, dass der Gesetzgeber eine generelle Haftungsprivilegierung für Betriebsratsmitglieder schaffen wollte. Es sei zweifelhaft, ob eine Haftungsbeschränkung gegenüber dem Berater gerechtfertigt werden könne, da er nicht Teil des Sonderverhältnis Arbeitgeber-Betriebsrat sei. Ferner sei aus dem Gesetz nicht ersichtlich, dass das Haftungsrisiko einseitig dem Berater aufzubürden sei.62
Die Interessenlage sei somit vergleichbar, sodass § 179 I BGB analog ohne weitere Einschränkungen auf den Betriebsratsvorsitzenden, der außerhalb seiner Vertretungsmacht einen Vertrag schließt, anzuwenden ist.
b) Kritik am Haftungsmodell des BGH
Die Entscheidung des BGH und die damit verbundene Haftungsausweitung für Betriebsratsmitglieder hat in der Literatur und Praxis hohe Wogen geschlagen, die sich immer noch nicht geglättet haben. Einige sind der Ansicht, dass § 179 BGB analog nicht anwendbar ist. Stark umstritten und Kern der Diskussion ist, ob eine weiterreichende Haftungsbeschränkung geboten ist.
aa) Teile der Literatur: § 179 BGB analog nicht
anwendbar
Einige halten § 179 BGB analog bereits grundsätzlich für nicht anwendbar, da die Interessenlage nicht vergleichbar sei.63 Vor allem würden die Betriebsratsmitglieder die Reichweite des Freistellungsanspruchs und somit den Bereich, in dem der Betriebsrat verpflichtet werden kann, grundsätzlich nicht besser einschätzen können als der Berater. Der Vertragspartner sei regelmäßig auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert und könne aufgrund seiner Erfahrung die Erforderlichkeit besser beurteilen.
53 Vgl. hier und folgend BGH, NJW 1989, 894; BeckOK-BGB-Schäfer, § 179 Rn. 1; Erman-Maier-Raimer, § 179 Rn. 1.
54 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 34 f.
55 BGHZ 63, 45, 48; Staudinger-Schilken, § 179 Rn. 22; MüKoBGB-Schubert, § 179 Rn. 10.
56 RGZ 106, 68, 71 ff.
57 BGH, NJW 2012, 1382 Rn. 44.
58 BGH, NJW 2012, 1382 Rn. 40.
59 Ebd.
60 BGH, NJW 2012, 1382 Rn. 42.
61 Hier und folgend BGH, NJW 2012, 1382 Rn. 45.
62 BGH, NJW 2012, 1382 Rn. 46.
63 Hier und im Folgenden Bell/Helm, ArbRAktuell 2013, 39, 43; Picht, S. 87 ff., 99 f..; Schmitt, S. 757 ff.; 778; Franzen, FS Hoyningen-Huene, S. 87, 96 f.; Belling, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 110 (Anmerkung 1, II.3.).
Die Vertreter der Ansicht wollen das Betriebsratsmitglied ggf. aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht bei den Vertragsverhandlungen haften lassen.64 Gegen eine Haftung aus culpa in contrahendo spricht aber, dass § 179 BGB lex specialis ist.65 Außerdem trifft den Vorsitzenden keine grundsätzliche Aufklärungspflicht über die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats und seiner beschränkten Vertretungsmacht, da hier im Regelfall kein unbilliges Informationsgefälle66 zwischen beratender Partei und Betriebsrat vorliegt.67
bb) Stellungnahme: Modifikation der Haftung aus § 179 BGB analog durch Haftungsbeschränkung erforderlich
Zu Recht kritisieren weite Teile der Literatur, dass § 179 I BGB analog uneingeschränkt angewendet werden soll.68 Grund dafür ist, dass die Interessenlage der Parteien bei einem rechtsgeschäftlichen Handeln des Betriebsratsvorsitzenden im Ultra-Vires-Bereich nur bedingt vergleichbar ist mit der eines sonstigen vollmachtlosen Vertreters i.S.d. § 179 BGB.
Prinzipiell ist § 179 BGB analog nach Ansicht der Autorin zwar die richtige Haftungsgrundlage. Das Risiko der fehlenden Vertretungsmacht aufgrund des fehlenden Freistellungsanspruchs darf nicht generell dem Vertragspartner aufgebürdet werden. Zum einen ist nicht jeder Vertragspartner auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert und kann per se die Sachlage richtig einschätzen. Das gilt insbesondere für Berater mit technischem Fachwissen, wie z.B. Ingenieuren. Zum anderen müssen sich die Berater bei der Beurteilung der Erforderlichkeit auf die Sachverhaltsschilderungen des Betriebsratsvorsitzenden verlassen. Hierbei besteht die Gefahr der unvollständigen oder gar fehlerhaften Darstellung, aufgrund der der Berater die Erforderlichkeit falsch einschätzt.69 In den beiden Fällen kann der Betriebsratsvorsitzende die Reichweite seiner Vertretungsmacht ähnlich gut beurteilen wie der Vertragspartner, sodass hier die Interessenlage grundsätzlich ähnlich ist.
Aufgrund der folgenden Gründe muss aber mittelbar die Haftung des Betriebsratsvorsitzenden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden. Anderenfalls sind die ehrenamtlich tätigen Betriebsratsmitglieder einem zu hohen Haftungsrisiko ausgesetzt. Die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Betriebsrats würde dadurch zu sehr beeinträchtigt und das Ehrenamt nicht hinreichend geschützt werden. Außerdem ist eine verschuldensunabhängige Haftung unvereinbar mit der Lage des Betriebsratsvorsitzenden als Vertreter in der Erklärung. In vielen Fällen ist der spezialisierte Berater ohnehin weniger schutzwürdig als die Betriebsratsmitglieder. Ohne eine Haftungsprivilegierung wäre die Interessenlage aufgrund der betriebsverfassungsrechtlichen Besonderheiten nicht vollständig vergleichbar. Selbst aus dem Lager derjenigen, die dem BGH bei der uneingeschränkten Anwendung des § 179 I BGB zustimmen,70 regt sich Kritik an einigen vom BGH vorgetragenen Aspekten.
(1) Problem: Ohne Haftungsbeschränkung keine
vergleichbare Interessenlage
Besonders hervorzuheben ist, dass die Haftungsrisiken für die Betriebsratsmitglieder trotz der Einschränkungen des BGH noch sehr hoch sind.71 Der BGH führt zu § 179 III BGB aus: In Bezug auf die (fehlende) Marktüblichkeit des vereinbarten Honorars dürfte indes im Fall der auf die Beratung von Betriebsräten spezialisierten [Beraterin] eine solche Kenntnis beziehungsweise zumindest das Kennenmüssen [der fehlenden Vertretungsmacht] ohne weiteres zu bejahen sein.72Der Haftungsausschluss gilt nur für die Höhe der Kosten, nicht jedoch für den Umfang der abgerufenen Beratungsleistungen. Häufig wird aber insbesondere der Umfang der erforderlichen Beratungsleistungen falsch eingeschätzt, wie das Urteil des BGH zeigt (siehe Sachverhaltsdarstellung in der Einleitung). Die Beweislast dafür, dass der Umfang dennoch erforderlich war und der Vorsitzende Vertretungsmacht hatte und nicht gem. § 179 I BGB haften muss, trägt das Betriebsratsmitglied. Es wäre außerordentlich schwierig, den Beweis dafür zu erbringen, sodass das Risiko, dass das Betriebsratsmitglied haften muss, hoch ist.73
Gleiches Beweisproblem tut sich auf, wenn der Vertragspartner nicht auf die Beratung von Betriebsräten spezialisiert ist.74 Das Betriebsratsmitglied muss dann beweisen, dass der Vertragspartner von der fehlenden Vertretungsmacht wusste oder hätte wissen müssen. Zwar muss man zugeben, dass der Betriebsrat in der Regel einen spezialisierten Berater oder Rechtsanwalt beauftragen wird, sodass immerhin die Haftung wegen Überschreitung der erforderlichen Honorarhöhe in vielen Fällen ausgeschlossen ist. Immer dann hingegen, wenn der Vertragspartner nicht spezialisiert ist, ist das Risiko, dass der Haftungsausschluss gem. § 179 III BGB analog nicht eingreift und das Betriebsratsmitglied haftet, hoch.
Einige schlagen vor, dass der Arbeitgeber deshalb eine Art Directors & Officers Versicherung abschließen könnte.75
64 Belling, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 110 (Anmerkung 1, II.2.); Picht, S. 100 ff.; Schmitt, S. 783 ff.
65 Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1465; MüKoBGB-Schubert, § 179 Rn. 63.
66 Vgl. zu den Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht MüKoBGB-Bachmann, § 241 Rn. 134 ff.
67 Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1465; vgl. Benecke, NZA 2018, 1361, 1366 die sogar einen informatorischen Nachteil des Betriebsratsmitglieds sehen.
68 Benecke, NZA 2018, 1361 ff.; Bergmann, NZA 2013, 57 ff.; Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461 ff.; Hayen, ArbuR 2013, 95 ff.; Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989 ff.; Molkenbur/Weber, DB 2014, 242 ff.; Müller/Jahner, BB 2012, 440 ff.; Preis/Ulber, JZ 2013, 579 ff.; Richardi-Thüsing, Vorb. § 26 Rn. 14.
69 Ebd.
70 Dzida, NJW 2013, 433 ff.; Hoppe, ArbRAkutell 2012, 619 ff.; Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401 ff.; Kloppenburg, jurisPR-ArbR 2013, Anm. 1; Lüders/Weller, DB 2015, 2149 ff.; Ratayczak, AiB 2013, 385 ff.; Richardi, RdA 2013, 317 ff.; Schaumberg, NJ 2013, 80 ff.; Schuster/Schunder, NZA 2020, 92 ff.; Schwarze, JA 2013, 467 ff.; Thüsing/Fütterer, EWiR 2012, 783; Uffmann, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 110 (Anmerkung 2); Walker, FS Hoyningen-Huene, S. 535 ff.; Zange, BB 2013, 380 ff.
71 Preis/Ulber, JZ 2013, 589, 580; Schulze, AiB 2013, 7, 11; Uffmann AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 110 (Anmerkung 2, IV.); a.A. Schwarze, JA 2013, 467, 470: Haftungsrisiko sei „erträglich“.
72 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 42.
73 Vgl. Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989, 1992.
74 Ebd.; Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1466 f.
75 Bergmann, NZA 2013, 57, 61; Molkenbur/Weber, DB 2014, 242, 26.
Angesichts der hohen Kosten einer D&O Versicherung und den wenigen Fällen, in denen eine Haftung möglich ist, ist zu bezweifeln, ob die Kosten für die D&O Versicherung als erforderliche Geschäftsführungskosten i.S.d. § 40 I BetrVG zu qualifizieren sind.76 Da nicht alle Arbeitgeber eine D&O Versicherung abschließen werden, ergeben sich für die betroffenen Betriebsräte Haftungsrisiken.
Zudem führt die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf das negative Interesse gem. § 179 II BGB nicht zu einer Minimierung des Haftungsrisikos für das handelnde Betriebsratsmitglied, weil das negative und das positive Interesse bei Beratungsverträgen ohnehin meistens identisch ist,77 sodass sich im Falle einer persönlichen Haftung die Summe im sechststelligen Bereich78 bewegen kann.
Darüber hinaus kann in der Praxis nur in wenigen Fällen die Haftung durch eine vertragliche Vereinbarung mit dem Berater von vornherein direkt ausgeschlossen werden. Einige halten die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses zwar für möglich und begründen das zum einen damit, dass der Berater aufgrund seiner Erfahrung die Erforderlichkeit einschätzen könne und deshalb bereit sei, einen Haftungsausschluss zu vereinbaren.79 Zum anderen weisen sie darauf hin, dass ein Vertragspartner gut auffindbar sei, der bereit ist, einen Haftungsausschluss zu vereinbaren, weil es einen großen Markt an Beratern gebe.80 Die Verhandlungssituation wird jedoch falsch eingeschätzt: Es bedarf vielmehr großer „Eigeninitiative und Durchsetzungskraft“81 des Betriebsratsvorsitzenden, um einen Haftungsausschluss zu vereinbaren, da ihm im Normalfall ein vorformulierter Vertrag des Beraters vorgelegt wird.82 Zumindest wird der Berater wohl kaum ohne zusätzliches Entgelt einen Haftungsausschluss vereinbaren, weil sich mit dem Haftungsausschluss das Haftungsrisiko auf ihn verschiebt.83
Außerdem ist es realitätsfern anzunehmen, dass der Arbeitgeber dem Wunsch nach einem Berater in dem Umfang und der Kostenhöhe, in der sich der Betriebsrat die Beauftragung vorstellt, ohne Weiteres zustimmt und dadurch das Haftungsrisiko aufgrund der Billigung des Arbeitgebers ausgeschlossen wird.84 Insbesondere bei der Beauftragung eines Beraters gem. § 111 S. 2 BetrVG, d.h. bei einer anstehenden Betriebsänderung, handelt es sich um eine konfliktgeladene Situation, in der beide Betriebsparteien gegenläufige Interessen verfolgen. Da die Zustimmung des Arbeitgebers außerhalb des Verfahrens des § 80 III BetrVG nur selten gerichtlich ersetzt werden kann,85 wird der Betriebsrat nur in Ausnahmefällen die Zustimmung einholen können und wenn, dann wahrscheinlich nur zu einer Beauftragung mit einem geringeren (Kosten-)umfang, als es die Erforderlichkeitsgrenze gebieten würde. Selbst mit einer Zustimmung des Arbeitgebers wird also die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Betriebsrats zu sehr eingeschränkt. Im Gegensatz zum umfassend beratenden Arbeitgeber kann der Betriebsrat nur unzureichend Beratungsleistungen in Anspruch nehmen und weniger Wissen vermittelt bekommen. Aufgrund dessen steht er in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber entsprechend schlechter da und wird in der Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten zum Nachteil der Arbeitnehmer behindert. Darüber hinaus widerspricht eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers,86 der mit § 111 S. 2 BetrVG das zeitaufwändige Verfahren des § 80 III BetrVG vermeiden und eine Beschleunigung des Verfahrens bei der Hinzuziehung von Beratern bewirken wollte, um damit die „praktische Wirksamkeit“87 der Beteiligungsrechte des Betriebsrats abzusichern.88 Den Zweck des Gesetzes hat zwar auch der BGH erkannt,89 ihn durch seinen Vorschlag aber ohne Weiteres beiseitegeschoben.
Wichtig ist es zu betonen, dass der Betriebsrat aufgrund des hohen Haftungsrisikos in seiner Funktionsfähigkeit zu sehr eingeschränkt wird, weil er nicht vollumfänglich von seinem Recht einen Berater hinzuzuziehen Gebrauch machen kann.90 Wenn die Betriebsratsmitglieder bereits für leicht fahrlässige Fehleinschätzungen der Erforderlichkeit der Beratungsleistung einem hohen Haftungsrisiko ausgesetzt sind, werden sie aus Angst vor dem Haftungsrisiko Beschlüsse zur Beauftragung von Beratern fassen, die weit unter der Erforderlichkeitsgrenze liegen. Sie werden auf jeden Fall verhindern wollen, dass sie persönlich für Summen haften müssen, die ihrem Jahresgehalt entsprechen.
Der Betriebsrat kann zwar Rechtsrat einholen, der ist aber ausdrücklich den „Zweifelsfällen“91 vorbehalten und muss an sich auch erforderlich sein. In vielen Fällen, die die Grenze zum Zweifelsfall gerade so noch nicht überschreiten, aber bereits hohe Summen umfassen, ist der Hinweis nicht hilfreich. Somit muss der Betriebsrat die Erforderlichkeit in der Regel selbst beurteilen und verantworten.92 Durch weniger Beratungsleistungen wird der Betriebsrat in der Erfüllung seiner Pflichten behindert (s.o.).
Entscheidend ist, dass ein solch hohes Haftungsrisiko unvereinbar mit dem Ehrenamt ist, das die Betriebsratsmitglieder gem. § 37 I BetrVG unentgeltlich ausüben.93 Das Ehrenamtsprinzip trägt erheblich zu einer „ordnungsgemäßen und sachdienlichen“94 Betriebsratsarbeit bei, da es sicherstellt, dass die Betriebsratsmitglieder äußerlich und innerlich unabhängig bleiben.95 Es verbietet jede zusätzlich zur im Arbeitsvertrag festgesetzten Vergütung gewährte Leistung,
76 Vgl. DKW-Däubler, § 111 Rn. 183a; i.E. Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1467 f.; Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 407; Walker, FS v. Hoyningen-Huene, S. 535, 544.
77 Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 570.
78 Dzida, NJW 2013, 433.
79 Franzen, FS Hoyningen-Huene, S. 87, 93.
80 Dzida, NJW 2013, 433, 434.
81 Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 406.
82 Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 406; i.E. Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989, 1991.
83 Siehe Fn. 79.
84 Vgl. Dzida, NJW 2013, 433, 435; a.A. Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 405: „bester Zeitpunkt“.
85 Vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 405.
86 BT-Dr. 14/5741, S. 52.
87 Uffmann, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 110 (Anmerkung 2, I.).
88 Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 406; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 580.
89 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 19.
90 Vgl. Uffmann, AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 110 (Anmerkung 2, IV.).
91 BGH, NZA 2012, 1382 Rn. 45.
92 Jaeger/Steinbrück, NZA 2013, 401, 406.
93 Belling, S. 241 f.; Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1467; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 582; Richardi-Thüsing, Vorb. § 26 Rn. 14.
94 Fitting, § 37 Rn. 1.
95 Vgl. BAG, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 90; Fitting, § 37 Rn. 7;
Thüsing/Denzer, Rn. 5, Weinspach, FS Kreutz, S. 485, 495.
die im Zusammenhang mit der Amtswahrnehmung steht.96 Zudem wahrt es die moralische Integrität und den „sozialen Anstand“97 der gewählten Betriebsratsmitglieder und stellt sicher, dass der Betriebsrat von der Belegschaft unterstützt und akzeptiert wird.98 Das Ehrenamtsprinzip ist Voraussetzung für eine Betriebsratstätigkeit, bei der die Interessen der Belegschaft im Vordergrund stehen.99
Ohne Reformation des Ehrenamtsprinzips wäre es unangemessen die ehrenamtlich tätigen Betriebsratsmitglieder einem solch hohen Haftungsrisiko auszusetzen, da sie für ihre fremdnützige Tätigkeit keine zusätzlichen Leistungen erhalten.100 Außerdem wäre ihre Unabhängigkeit bedroht, wenn sie bei leichtester Fahrlässigkeit hohen Haftungsrisiken ausgesetzt sind.101 Das hohe Haftungsrisiko könnte Arbeitnehmer obendrein davon abschrecken, sich im Betriebsrat zu engagieren.
Da sich das Benachteiligungsverbot gem. § 78 S. 2 BetrVG nur auf rechtmäßige Betriebsratstätigkeit erstreckt, verstößt das Haftungsmodell des BGH immerhin nicht gegen ein weiteres zentrales Prinzip des Betriebsverfassungsrechts.102 Doch die Belastung für die ehrenamtlich tätigen Betriebsratsmitglieder ggf. persönlich haften zu müssen, ist so schwerwiegend und einschüchternd, dass eine Haftungsbeschränkung geboten ist.
Hinzu kommt, dass eine verschuldensunabhängige Haftung nicht mit der prekären Lage des Betriebsratsvorsitzenden als Vertreter in der Erklärung vereinbar ist.103 Er ist an den Beschluss des Betriebsrats gebunden und hat keinen eigenen Beurteilungsspielraum bei seinem rechtsgeschäftlichen Handeln. Im Ultra-Vires-Bereich begeht er durch die Umsetzung des Beschlusses zwangsläufig eine „pflichtgemäße Pflichtwidrigkeit“104. Für den Vorsitzenden bedeutet das, dass er das Haftungsrisiko des gemeinsam gefassten Beschlusses allein trägt.105 Das erscheint nicht sachgerecht. Man könnte das Problem durch eine gesamtschuldnerische Haftung der den Beschluss tragenden Betriebsratsmitglieder lösen.106 Schon 1986 hat das BAG eine solche gesamtschuldnerische Haftung vorgeschlagen, ohne aber eine Haftungsgrundlage zu nennen.107 Anspruchsgrundlage könnte dafür § 670 BGB analog sein, wenn man die für den Beschluss stimmenden Betriebsratsmitglieder als Auftraggeber und das ausführende Betriebsratsmitglied als Auftragnehmer ansieht.108 Der Anspruch des Beraters gegen den Betriebsratsvorsitzenden ist zwar kein freiwilliges Vermögensopfer und somit kein Aufwand. Nach allgemeiner Ansicht sind betrieblich veranlasste Eigenschäden des Arbeitnehmers gleichwohl über § 670 BGB ersatzfähig.109 Somit könnte der Betriebsratsvorsitzende gem. § 426 I BGB Regress bei den dem Beschluss zustimmenden Mitgliedern nehmen und müsste zumindest nicht allein die Kosten tragen. Nichtsdestotrotz bleiben die Haftungssummen für die den Beschluss tragenden Betriebsratsmitglieder hoch.
Darüber hinaus ist der spezialisierte Berater meistens weniger schutzwürdig als die Betriebsratsmitglieder, weil er aufgrund seiner Erfahrung die Reichweite der Vertretungsmacht des Betriebsratsvorsitzenden besser einschätzen kann.110 Für die Betriebsratsmitglieder hingegen ist z.B. eine Betriebsänderung eine Ausnahmesituation, mit der sie kaum Erfahrung haben.111 Vor dem Hintergrund ist es angemessen, dem Berater das Haftungsrisiko aufzubürden. Das gilt u.a. für den Fall, dass der Betriebsrat den erforderlichen Umfang der Beratungsleistungen durch leichte oder mittlere Fahrlässigkeit falsch eingeschätzt hat. Zusätzlich trägt der spezialisierte Berater nach dem Modell des BGH das Risiko bereits dann, wenn die Höhe des Honorars nicht erforderlich war, da dann die Haftung des Betriebsratsvorsitzenden gem. § 179 III BGB ausgeschlossen ist.
(2) Lösung: Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit entsprechend des Rechtsgedankens aus § 31a BGB
Aus eben genannten Gründen sollte nach hier vertretener Ansicht die Haftung des Betriebsratsvorsitzenden gem. § 179 BGB analog entsprechend des Rechtsgedanken aus § 31a BGB mittelbar im Verhältnis zum Berater beschränkt werden.112 Die Norm aus dem Vereinsrecht beschränkt die Haftung des ehrenamtlich tätigen Vereinsvorstands im Innenverhältnis zum Verein auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.
(a) Keine analoge Anwendung des § 31a BGB im Verhältnis zum Berater möglich
Die Interessenlage müsste für eine analoge Anwendung vergleichbar sein. Wie man anhand §§ 31a, 31b, 521 und 599 BGB erkennen kann, wollte der Gesetzgeber ehrenamtliche und unentgeltliche Tätigkeiten haftungsrechtlich privilegieren.113 Mit § 31a BGB wollte der Gesetzgeber die Haftungsrisiken für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände durch die Haftungsprivilegierung auf ein zumutbares Maß begrenzen.114 Damit soll die Bereitschaft eine ehrenamtliche Tätigkeit zu übernehmen gefördert werden. Einerseits ist das Betriebsratsamt ebenso wie das eines Vereinsvorstands ein Ehrenamt, was für eine vergleichbare Interessenlage spricht.115 Andererseits ist § 31a II 1 BGB darauf ausgerichtet, das Vereinsmitglied gegenüber dem Verein von einem
96 BAG, NZA 2010, 1025, 1027; Fitting, § 37 Rn. 8; ErfK-Koch, § 37 Rn. 1; GK-BetrVG-Weber, § 37 Rn. 16.
97 Fischer, NZA 2007, 484, 489.
98 Jacobs/Frieling, ZfA 2015, 241, 243.
99 Ebd.; Fitting, § 37 Rn. 1.
100 Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989.
101 Belling, S. 246 f.
102 Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1467.
103 Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 582; Bell/Helm, ArbRAktuell 2013, 39, 41, die aber die analoge Anwendung von § 179 BGB ablehnen.
104 Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 582.
105 Ebd.
106 Vgl. ausführlich Picht, S. 106 ff.; Schmitt, S. 789 ff.; Walker, FS v. Hoyningen-Huene, S. 535, 546; zweifelnd Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 583.
107 BAG, NZA 1987, 100 Rn. 37.
108 Walker, FS v. Hoyningen-Huene, S. 535, 546.
109 BAG, NZA 2011, 406 Rn. 26.
110 Franzen, FS v. Hoyningen-Huene, S. 87, 96 f.; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 582; ähnlich bereits Linsenmaier, FS Wißmann, S. 378, 391.
111 Ebd.
112 Vgl. ähnlich für eine Haftungsbeschränkung Belling, S. 246 ff.; Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1467; Fitting, § 1 Rn. 309; Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989, 1992 f.; Picht, S. 83; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 583.
113 Vgl. Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 583.
114 BT-Drucks. 16/10120 S. 1 ff.; Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1467; Fitting, § 1 Rn. 309; MüKoBGB-Leuschner, § 31a Rn. 1; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 583.
115 Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989, 1993.
verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch freizustellen.116 Das passt nicht zur Haftung nach § 179 I BGB, die verschuldensunabhängig ausgestaltet ist.117 Außerdem wirkt sich die Haftungsbeschränkung nach § 31a BGB nur auf das Innenverhältnis zwischen dem Verein und seinem Vorstand aus.118 Das Interesse des Beraters seine Kosten erstattet zu bekommen, wird dabei nicht berührt, da er im Außenverhältnis das Vereinsmitglied unbeschränkt in Anspruch nehmen kann. Wendet man § 31a BGB analog auf das Verhältnis Betriebsratsvorsitzender-Berater an, hätte der Berater keinen Schuldner, sodass ihm seine Kosten nicht erstattet werden. Der Rechtsverkehr würde bei einer analogen Anwendung von § 31a BGB nicht geschützt werden, sodass die Interessenlage nicht vergleichbar ist und § 31a BGB nicht analog angewendet werden kann.
(b) Übertragung des Rechtsgedankens des § 31a BGB im Verhältnis zum Berater möglich
Nichtsdestotrotz ist es möglich, dessen Wertungen auf die Betriebsratsmitglieder zu übertragen, weil aus § 31a BGB – entgegen der Ansicht des BGH – 119 ein allgemeiner Rechtsgedanke hergeleitet werden kann, dass ehrenamtliche Tätigkeiten generell haftungsrechtlich zu privilegieren sind.120
Gegen eine Übertragung der Wertungen soll nach einer anderen Ansicht sprechen, dass das BGB eine unentgeltliche Tätigkeit nicht automatisch mit einer Haftungsprivilegierung verbindet.121 Das zeige sich an der umfassenden Haftung des unentgeltlich tätigen Beauftragten (vgl. § 664 I BGB).122 Außerdem werde der Rechtsverkehr bei einer Übertragung des Rechtsgedankens nicht hinreichend geschützt.123
Dagegen spricht jedoch, dass für die Haftungsprivilegierung nach § 31a BGB nicht die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit maßgeblich ist, da auch Tätigkeiten mit einer Vergütungshöhe bis zu 720 Euro noch unter den Schutz der Haftungsprivilegierung fallen. 124 Maßgeblich ist vielmehr, dass die Betriebsratsmitglieder ihr Amt – ebenso wie Vereinsmitglieder und -vorstände – als Ehrenamt ausüben.125 Der gesetzgeberische Wille war es, mit § 31a BGB Rechtssicherheit für das Ehrenamt zu schaffen und ideelle Zwecke zu schützen. Der Gedanke kann auf die Betriebsratsmitglieder übertragen werden. Insbesondere im Betriebsverfassungsrecht hat das Ehrenamt eine hohe Stellung inne. Deshalb sollte nach der hier vertretenen Ansicht die Haftung des Betriebsratsvorsitzenden gem. § 179 BGB analog mittelbar auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden.
gg) (c) Anknüpfungspunkt der Haftungsbeschränkung
Auch wenn Teile der Literatur eine Haftungsbeschränkung befürworten, wurde bisher nicht zu Ende gedacht, an welche Handlung die Haftung und ihre Beschränkung dann anknüpft. Problematisch ist, dass die Haftung aus § 179 I BGB verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. In Betracht kommt das rechtsgeschäftliche Handeln des Betriebsratsvorsitzenden im Außenverhältnis,126 der durch die Erklärung (eigentlich verschuldensunabhängig) konkludent behauptet, er habe Vertretungsmacht, weil die Beauftragung des Beraters erforderlich und innerhalb des gesetzlichen Wirkungskreises des Betriebsrats war. Jedoch ist es gem. § 26 II 1 BetrVG seine Pflicht, die vom Betriebsrat gefassten Beschlüsse mit genau dem Inhalt auszuführen. Man würde dem Betriebsratsvorsitzenden daher eine Prüfpflicht hinsichtlich der Wirksamkeit des Beschlusses auferlegen, wenn er verschuldensabhängig dafür haften würde, dass er den Beschluss durch die Erklärung gegenüber dem Vertragspartner umgesetzt hat. Eine Prüfpflicht widerspräche hingegen der Stellung des Betriebsratsvorsitzenden, der ausgenommen der §§ 27, 28 BetrVG keine Pflichten hat, die über die der anderen Betriebsratsmitglieder hinausgehen.127 Die Beurteilung der Erforderlichkeit obliegt vielmehr dem Betriebsrat als Gremium und innerhalb des Gremiums jedem einzelnen Betriebsratsmitglied, das dazu verpflichtet ist Beschlüsse zu fassen, die innerhalb des gesetzlichen Wirkungskreises liegen.128 Die rechtsgeschäftliche Erklärung des Vorsitzenden ist kein tauglicher Anknüpfungspunkt.
Allerdings ist Grundlage der Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden der Beschluss des Gremiums, das die Verpflichtungsfähigkeit des Betriebsrats falsch eingeschätzt hat. Deshalb muss das Abstimmungsverhalten der einzelnen Betriebsratsmitglieder Anknüpfungspunkt für die Haftung sein. Wenn die dem Beschluss zustimmenden Betriebsratsmitglieder vorsätzlich oder grob fahrlässig die Reichweite des Freistellungsanspruchs verkannt haben und die Haftung nicht gem. § 179 III BGB ausgeschlossen ist, haftet der Betriebsratsvorsitzende zunächst auf die Summe im Ultra-Vires-Bereich gem. § 179 I BGB analog i.V.m. dem Rechtsgedanken aus § 31a BGB. Er hat dann einen Regressanspruch gem. §§ 670, 426 I BGB gegen alle Betriebsratsmitglieder, die für den Beschluss gestimmt haben. Wenn die Betriebsratsmitglieder nur durch leichte oder mittlere Fahrlässigkeit die Erforderlichkeit verkannt haben und der Vorsitzende den Berater in der Form beauftragt hat und der Arbeitgeber sich weigert, einen Teil der Kosten zu tragen, haften der Vorsitzende und die anderen Betriebsratsmitglieder nicht. Folglich muss der Berater die Kosten selbst tragen.
hh) (d) Zwischenergebnis
Der Schutz des Rechtsverkehrs muss aufgrund der hohen Stellung des Ehrenamtsprinzips gem. § 37 I BetrVG im
116 Franzen, FS v. Hoyningen-Huene, S. 86, 99; Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989, 1993; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 583; Walker, FS v. Hoyningen-Huene, S. 535, 543.
117 Ebd.
118 Hier und folgend Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989, 1993; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 583.
119 BGH, NJW 2012, 1382 Rn. 45.
120 Dommermuth-Alhäuser/Heup, BB 2013, 1461, 1467 wollen die Haftungsbeschränkung an § 254 BGB analog anknüpfen, weil der Berater das Rechtsfähigkeitsrisiko trage; Lunk/Rodenbusch, NJW 2014, 1989, 1993 lösen das Problem über eine teleologische Reduktion des § 179 BGB; Picht, S. 82, 104; Preis/Ulber, JZ 2013, 579, 583.
121 Walker, FS v. Hoyningen-Huene, S. 535, 543.
122 Ebd.
123 Ebd.; Franzen, FS v. Hoyningen-Huene, S. 87, 99.
124 Hier und folgend Picht, S. 82.
125 Ebd.
126 Vgl. hierzu und folgenden Gedanken Picht, S. 106 ff., der sie aber auf die verschuldensabhängige Haftung aus c.i.c. bezieht.
127 Vgl. Picht, S. 107.
128 Fitting, § 26 Rn. 22 ff.; Herrschel, RdA 1959, 81, 82; GK-BetrVG-Raab, § 26 Rn. 33; Richardi-Thüsing, Vorb. § 26 Rn. 14.
Betriebsverfassungsrecht und dem in § 31a BGB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, ehrenamtliche Tätigkeiten haftungsrechtlich zu privilegieren, zurückstehen. Der Rechtsgedanke aus § 31a BGB, dass ehrenamtlich tätige Personen nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften, wird somit mittelbar auf das Verhältnis zum Berater übertragen.
D. Fazit
Der Betriebsrat kann in dem Bereich für Beraterkosten haften, in dem er rechtsfähig ist. Die Rechtsfähigkeit des Betriebsrats ist begrenzt durch seinen gesetzlichen Wirkungskreis und die partielle Vermögensfähigkeit. Die Vermögensfähigkeit ist wiederum durch die Reichweite der Freistellungsansprüche, und insbesondere durch das Erforderlichkeitskriterium begrenzt.
In dem Bereich, in dem der Betriebsrat nicht verpflichtet werden kann, haftet laut BGH das handelnde Betriebsratsmitglied als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB analog. Nach hier vertretener Ansicht sollte die Haftung des Betriebsratsvorsitzenden gegenüber dem Berater auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden, was über eine Übertragung des Rechtsgedankens aus § 31a BGB hergeleitet wird. Anknüpfungshandlung für die Haftung ist die Beschlussfassung durch die Betriebsratsmitglieder. Der Betriebsratsvorsitzende hat gem. §§ 670, 426 I BGB einen Regressanspruch gegen die Betriebsratsmitglieder, die dem Beschluss zugestimmt haben.