Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers

Moritz Benzinger*

A. Einführung

„Not your keys not your coins”:1 Sollte sich dieses Mantra der Krypto-Community in der Insolvenz eines Kryptoverwahrers bewahrheiten, würde dies den wirtschaftlichen Totalverlust für dessen Kunden bedeuten. Verwahrte Kryptowerte sind den kryptographischen Schlüsseln des Verwahrers und nicht den Schlüsseln der Kunden zugeordnet.2 Die Kunden müssten sich – wie alle anderen Gläubiger – mit der Insolvenzquote von durchschnittlich 7 %3 begnügen. Insbesondere vor dem Hintergrund spektakulärer Großinsolvenzen in der Kryptobranche in der jüngeren Vergangenheit – namentlich sei hier nur FTX4 genannt – wird daher die Frage virulent, ob den Kunden eines Kryptoverwahrers nicht in der Insolvenz ein Herausgaberecht an „ihren“ Kryptowerten zusteht oder zustehen sollte.

Daher will nun der europäische Gesetzgeber mit der „Markets in Crypto-Assets Regulation“ (MiCAR)5 Rechtssicherheit schaffen und Kunden von Kryptoverwahrern in der Insolvenz umfassend schützen.6 Anknüpfend an diese absehbaren europarechtlichen Vorgaben hat sich auch der deutsche Gesetzgeber entschieden, im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) in diesem Bereich ergänzend zu der MiCAR tätig zu werden.7 Dabei greift der Gesetzgeber die bestehende und bewährte Rechtsprechung zur Aussonderung und Herausgabe (§ 47 InsO) in Treuhandverhältnissen auf.8 Diese Rechtsprechung wird von Literatur bereits unmittelbar auf das Schicksal von verwahrten Kryptowerten in der Insolvenz des Verwahrers angewendet und gewährt den Kunden von Kryptoverwahrern in bestimmten – aber nicht allen – Fällen ein Herausgaberecht.9

Diese Arbeit geht daher der Frage nach, inwieweit Kunden des Kryptoverwahrers bereits „de lege lata“ in entsprechender Anwendung dieser Rechtsprechung geschützt werden. (C.) In der Folge sollen die Auswirkungen von MiCAR und ZuFinG auf das Schutzniveau der Kunden des Kryptoverwahrers ergründet werden. Dabei werden auch erste rechtliche Unklarheiten ausgeräumt. (D.) Sodann wird die Regelungssystematik von MiCAR und ZuFinG analysiert und bewertet, um einen konkreten Änderungsvorschlag für ein umfassenderes Schutzniveau zu erarbeiten (E.).

B. Das Kryptoverwahrgeschäft

I. Die Verwahrung von Kryptowerten

Um Kryptowerte zu halten, bedarf es eines sog. Wallets. Ein Wallet kann entweder durch den Inhaber der Kryptowerte unmittelbar selbst (sog. private Wallet) oder durch einen Wallet-Provider geführt werden.10

Technisch gesehen besteht somit keine Notwendigkeit, einen Wallet-Provider, wie einen Kryptoverwahrer, zwischenzuschalten. Eigentlich widerspricht es auch dem Gedanken der „Distributed Ledger Technologie“ Intermediäre (wie bspw. Depotbanken oder Kryptoverwahrer) zwischenzuschalten. Transaktionen sollen unmittelbar zwischen den Parteien ermöglicht werden (sog. Disintermediation).11 Wallet-Provider und Kryptoverwahrer sind dennoch äußerst relevant für das Krypto-Ökosystem. Durch hohe Benutzerfreundlichkeit ermöglichen Kryptoverwahrer, die zugleich auch als Kryptobörsen fungieren, einem breiteren Publikum den Handel mit Kryptowerten.12 In Deutschland kann man seine Kryptowerte bei einem der sieben Wallet-Provider verwahren, die bereits eine Erlaubnis für das Kryptoverwahrgeschäft erhalten haben.13 In der Zukunft ist mit einer größeren Auswahl zu rechnen, da die BaFin derzeit eine Vielzahl von Anträgen bearbeitet.14

Wallet-Provider unterscheidet man nach verwahrenden und nicht-verwahrenden Anbietern (engl. custodian and non custodian wallet providers).15

1. Verwahrende Wallet-Provider

Verwahrende Wallet-Provider halten den private Key für den Kunden und haben über diesen eigenständige Verfügungsgewalt.16 Der Kunde kann nun allein durch Eingabe seiner Nutzerdaten (Benutzername und Passwort) Transaktionen vornehmen. Dafür muss der Kunde seinen private Key nicht unmittelbar selbst nutzen, da der Wallet Provider für den Kunden die Authentifizierung und Transaktion durchführt.17 Die Auslagerung der Verwahrung auf einen verwahrenden Wallet-Provider hat damit den wesentlichen Vorteil, dass das


*Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Birch, Not Your Keys, Not Your Coins? Whatever., abrufbar unter: https://tinyurl.com/53thyh9n (alle online Quellen wurden zuletzt am 15. Juli 2023 aufgerufen)

2 Fromberger/Zimmermann, Maume/Maute § 1 Rn. 24.

3 https://tinyurl.com/evfkp47z.

4 Yaffe-Bellany, Embattled Crypto Exchange FTX Files for Bankruptcy, abrufbar unter: https://tinyurl.com/3ktxxuu4

5 Verordnung (EU) Nr. 1114/2023 des europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/1937.

6 Vgl. Art. 75 Abs. 7 MiCAR.

7 Referentenentwurf ZuFinG S. 2, 119 f.

8 Referentenentwurf ZuFinG S. 119 f.

9 Vgl. Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101-2113;d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 2214-2222;Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12-19.

10 Fromberger/Zimmermann, Maume/Maute § 1 Rn. 24.

11 Haentjens/De Graaf/Kokorin, SJLS S. 533 f.; Omlor/Möslein, Ellenberger/Bunte § 34 Rn. 75.

12 d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 2214 (2215); http://tinyurl.com/2ny3fdxu

13 https://portal.mvp.bafin.de/database/InstInfo/sucheForm.do

14 Zum Stand der Anträge Ende 2021 BT Drs. 19/31746 S.

15 Vgl. Fromberger/Zimmermann, Maume/Maute § 1 Rn. 26.

16 Fromberger/Haffke/Zimmermann, BKR 2019, 377 (378).

17 “This means a third party will hold and manage your private keys on your behalf.“ (http://tinyurl.com/2ny3fdxu).

Benzinger, Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers91

Risiko minimiert wird, den privaten Schlüssel zu verlieren.18

Verwahrende Wallet-Provider betreiben ein Kryptoverwahrgeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG und bedürfen daher der Erlaubnis durch die BaFin (§ 32 KWG).19

2. Nicht-verwahrende Wallet-Provider

Auf der anderen Seite eröffnen nicht verwahrende Wallet-Provider dem Kunden lediglich die Möglichkeit, den private Key selbst zu speichern, damit der Kunde eigenständig mit dem Private-Key Transaktionen vornehmen kann.20 Dafür behält der Kunde die Verfügungsgewalt über seinen private Key. Diese Art des Wallets wird eher von professionellen Krypto-Tradern genutzt.21

Grundsätzlich sind auch nicht-verwahrende Wallet-Provider der Regulierung durch das KWG unterworfen.22 Nur solche Provider, die bloß Hard- und Software zur Sicherung der kryptografischen Schlüssel bereitstellen, deren Wallets von den Nutzern eigenverantwortlich betrieben werden und bei denen der Provider keinen bestimmungsgemäßen Zugriff auf die gespeicherten Daten hat, betreiben kein Kryptoverwahrgeschäft im Sinne des KWG.23

Im Folgenden wird sich die Arbeit daher de lege lata nur mit verwahrenden Wallet-Providern auseinandersetzen, die Kryptowerte im Sinne des KWG (§ 1 Abs. 11 S. 4 KWG) verwahren. Diese Kryptoverwahrer weisen die größte praktische Relevanz auf und bereiten rechtlich eine Herausforderung.

II. Arten der Verwahrung

Dabei ist Kryptoverwahrer nicht gleich Kryptoverwahrer. Wie die Verwahrung technisch ausgestaltet ist, hängt vom konkreten Kryptoverwahrer ab. Angeboten werden derzeit zwei verschiedene Aufbewahrungssysteme.24

1. Segregated Wallets

Zum einen können die Kryptowerte des Kunden in sog. Segregated Wallets aufbewahrt werden. Dies bedeutet, dass der Kryptoverwahrer für jeden einzelnen Kunden ein eigenes Wallet mit eigener Wallet-Adresse betreibt. Hierdurch sind die Kryptowerte der Kunden voneinander getrennt.25

Dieses System der Verwahrung ist jedoch mit hohem Aufwand verbunden. Zum einen müssten eine Vielzahl an Wallets eingerichtet werden. Zum anderen muss jede einzelne Kundentransaktion „On-Chain“ erfolgen, d.h. eine Übertragung auf der Blockchain selbst findet statt. Eine „On-Chain-Übertragung“ erfolgt aber nur gegen Zahlung einer Transaktionsgebühr.26 Um diese Transaktionskosten zu sparen, können Kryptowerte auch in einem Omnibus Wallet verwahrt werden:

2. Omnibus Wallets

In den sog. Omnibus Wallets werden die Kryptowerte einer Vielzahl an Kunden gebündelt und in einer einzigen Wallet-Adresse verwahrt.27 Auf der Blockchain sind die jeweiligen Kryptowerte dann nicht dem Kunden, sondern vielmehr dem Verwahrer zugeordnet. Die Zuordnung des jeweiligen Kryptowerts aus dem Deckungsbestand des Kryptoverwahrers zum Kunden erfolgt über ein internes Buchungssystem des Kryptoverwahrers (sog. Internal settlement).28 In der Folge kann der Kryptoverwahrer Transaktionen zwischen seinen Kunden „Off-Chain“ über das interne Buchungssystem durchführen. Aufgrund der geringeren Transaktionskosten nutzen Kryptoverwahrer inzwischen überwiegend Omnibus Wallets.29

C. Insolvenzrecht De Lege Lata

Ist ein Kryptoverwahrer insolvent, stellt sich die Frage, ob die Kunden „ihre eigenen“ Kryptowerte herausverlangen können. Dies ist dann der Fall, wenn den Kunden ein Aussonderungsrechts (§ 47 InsO) an den verwahrten Kryptowerten zusteht. Ein Aussonderungsrecht liegt vor, wenn sich ein „Gegenstand“ in der Insolvenzmasse befindet, an dem ein dingliches oder persönliches Recht eines Dritten (sog. Aussonderungsberechtigter) besteht.30 Hierdurch kann der Aussonderungsberechtigte bestehende materiell rechtliche Ansprüche (aus dinglichen oder persönlichen Rechten) an dem Gegenstand (bspw. § 985 BGB) ausnahmsweise außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend machen.31 Was der Aussonderungsberechtigte konkret verlangen kann, richtet sich nach dem jeweiligen materiell rechtlichen Anspruch.32

I. Gegenstand i.S.v. § 47 InsO

Damit ein Aussonderungsrecht an den verwahrten Kryptowerten bestehen kann, müsste es sich zunächst um einen „Gegenstand“ handeln, der nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 47 InsO).

Bereits die Formulierung „Gegenstand“ in Abgrenzung zu „Sachen“ (definiert als „körperliche Gegenstände“ § 90 BGB) macht deutlich, dass Körperlichkeit keine Voraussetzung


18 Haentjens/De Graaf/Kokorin, SJLS S. 533 f.

19 Renning, BKR 2020, 23 (28).

20 Vgl. https://appinventiv.com/blog/custodial-vs-non-custodial-wallets; Fromberger/Haffke/Zimmermann, BKR 2019, 377 (378).

21 http://tinyurl.com/2ny3fdxu

22 Maume, Maume/Maute § 12 Rn. 83.

23 BT-Drs. 19/13827, S. 109; Patz, BKR 2021, 725 (726).

24 Taganay AGB Ziffer J „Der Plattformanbieter kann für die Verwahrung von Kryptowerten zwischen zwei Arten von Wallets wählen: gemäß der Einzelnutzer-Kontentrennung („Einzelnutzer-Konten“) und der Omnibusnutzer-Kontentrennung („Omnibusnutzer-Konten“) geführte Wallets“.

25 Taganay AGB Ziffer J „Die Kryptowerte des Nutzers werden folglich getrennt von den Kryptowerten der übrigen Nutzer und Tagany’s Eigenbeständen verwahrt.“; Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (14).

26 Vgl. Dietsch, MwStR 2018, 250 (251).

27 Statt vieler: Coinbase Use Agreement “2.7.4. Omnibus Accounts. In order to more securely and effectively custody assets, Coinbase may use shared blockchain addresses, controlled by Coinbase, to hold Supported Digital Assets for Digital Asset Wallets on behalf of customers and/or held on behalf of Coinbase.”

28 Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2111); Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (16).

29 Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (13).

30 Zur Begrifflichkeit Bäuerle, Braun InsO § 47 Rn. 3.

31 Ganter, MüKoInsO § 47 Rn. 5.

32 Brinkmann, Uhlenbruck InsO § 47 Rn. 3; Ganter, MüKoInsO § 47 Rn. 5; Thole, K. Schmidt InsO § 47 Rn. 1.

Benzinger, Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers92

für die Aussonderung ist. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff des Gegenstands als Oberbegriff. Darunter fallen sowohl Forderungen als auch sonstige Vermögensrechte und immaterielle Güter.33 Allgemein anerkannt ist deshalb, dass auch Daten als Vermögensgegenstand – ungeachtet der sachenrechtlichen Einordnung – unter den Begriff des Gegenstands (§ 47 InsO) fallen.34

Kryptowerte im Sinne des KWG sind als die „digitale Darstellungen eines Wertes“ definiert (§ 1 Abs. 11 S. 4 KWG). Als digitale Darstellung handelt es sich daher letztlich um Daten, die einen Vermögenswert aufweisen. Als solche sind Kryptowerte Gegenstände i.S.v. § 453 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB und § 47 InsO.35

Zudem unterliegen Kryptowerte der Zwangsvollstreckung (§ 857 Abs. 1 ZPO), weshalb sie zur Insolvenzmasse (§§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 S. 1 InsO) gehören können.36 Damit sind Kryptowerte ein taugliches Aussonderungsobjekt.37

II. Anspruch aus dinglichem oder persönlichem Recht

Auch müsste ein Anspruch auf Herausgabe der Kryptowerte bestehen. Ein solcher Herausgabeanspruch könnte sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen Kunden und Kryptoverwahrer ergeben. Auch schuldrechtliche Ansprüche können aussonderungsfähig sein, soweit es sich um einen Herausgabe- (bspw. § 667 Var. 1 BGB) und nicht um einen Verschaffungsanspruch (bspw. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB) handelt. Bei einem Verschaffungsanspruch ist der Gegenstand haftungsrechtlich gerade noch nicht dem Gläubiger zugeordnet, wohingegen dies bei einem Herausgabeanspruch der Fall ist.38

1. Rechtsnatur des Kryptoverwahrvertrags

Ob der Kunde ein Recht auf Herausgabe seiner Kryptowerte gegenüber dem Kryptoverwahrer hat, hängt vom „Kryptoverwahrvertrag“ ab. Idealtypisch entspricht Kryptoverwahrung einer fremdnützigen Treuhand. In dieser Beziehung ist der Kunde der wirtschaftlich Berechtigte, kann aber nicht auf den privaten kryptographischen Schlüssel zugreifen und hat daher keine Verfügungsmacht über seine Kryptowerte. Die Verfügungsmacht liegt allein beim Kryptoverwahrer, der vertraglich gebunden ist, Anweisungen des Kunden zu befolgen.39 In der Regel vereinbaren Kryptoverwahrer mit ihren Kunden daher die fremdnützige treuhänderische Verwahrung der Kryptowerte.40 Aus schuldrechtlicher Perspektive ist diese Treuhandbeziehung eine entgeltliche Geschäftsbesorgung (§ 675 Abs. 1 BGB).41 Damit steht dem Kunden – außerhalb der Insolvenz – ein Anspruch auf Herausgabe der Kryptowerte aus § 667 Var. 1 BGB zu.

Abweichend von diesem Idealtypus wird teils aber durch AGB vereinbart, dass der Verwahrer mit den Kryptowerten der Kunden am Konsensmechanismus bestimmter Blockchains auf eigene Rechnung teilnehmen kann.42 Da der Verwahrer hierdurch auf eigene Rechnung Erträge mit den Kryptowerten seiner Kunden erwirtschaftet (sog. Staking)43, liegt in diesem Fall keine fremdnützige Treuhandverwahrung vor.44

2. Aussonderung bei Treuhand

Nur wenn eine fremdnützige Treuhand vorliegt, steht dem Treugeber ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) an dem Treugut zu.45 Dazu hat die Rechtsprechung konkrete Anforderungen entwickelt, die sicherstellen sollen, dass tatsächlich eine Treuhandbeziehung besteht, in der das Treugut vermögensrechtlich dem Treugeber zuzuordnen ist.46 Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, können verwahrte Kryptowerte ausgesondert werden.

a) Unmittelbarkeit oder Offenkundigkeit

Zunächst muss das Treugut dem Treuhänder „zu treuen Händen anvertraut“ worden sein.47 Dies wird von der Rechtsprechung so interpretiert, dass das Treugut unmittelbar vom Treugeber auf den Treuhänder übergegangen sein muss.48 Davon macht die Rechtsprechung zu Treuhandkonten dann aber eine Ausnahme, wenn ein Konto offenkundig dazu bestimmt ist, fremde Gelder treuhänderisch zu verwalten.49 Dieser Gedanke wird von der depotrechtlichen Literatur auf Treuhanddepots übertragen. Es könne keinen Unterschied machen, ob das Treugut Forderungen oder Wertpapiere sind.50

Ebenso kann es bei funktionaler Betrachtung keinen Unterschied machen, ob Forderungen, Wertpapiere oder


33 Skauradszun, AcP 221 (2021) 353, 365; zu § 453 BGB Westermann, MüKoBGB § 453 Rn. 6; Berger, Jauernig § 453 Rn. 11.

34 Zu personenbezogenen Daten: Thole, K. Schmidt InsO § 47 Rn. 8; Jülicher ZIP 2015, 2063; Leithaus, Andres/Leithaus InsO § 47 Rn. 4; OLG Düsseldorf, NZI 2012, 887.

35 Skauradszun, AcP 221 (2021) 353, 365; Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2108); zu „Gegenstand“ i.S.v. § 453 BGB Westermann, MüKoBGB § 453 Rn. 6.

36 Vgl. Skauradszun, ZIP 2021, 2610 (2614); Effer-Uhe, ZZP 2018, 513 (530); d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 6 (9).

37 So im Ergebnis auch Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (14); d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 2214 (2218); Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2108); a.A. Kütük/Sorge, MMR 2014, 643 (645).

38 Thole, K. Schmidt InsO § 47 Rn. 62, 66; Ganter, MüKoInsO § 47 Rn. 341, 347; NJW-RR 1993, 301 (301).

39 Vgl. Bison blocknox AGB 2.17.: „Verwahrung“ das treuhänderische Halten von Kryptowährungen“ (Stand 27. Oktober 2021); Concedus AGB 5.1: „CONCEDUS Digital Assets verwahrt die Kryptowerte der Privatkunden als Treuhänder“; dazu auch Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2105).

40 Vgl. Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (15).

41 Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (15) Fn. 26; Hoch, Maume/Maute § 7 Rn. 21; Denga, Möslein/Omlor § 13 Rn. 34.

42 Vgl. Bitpanda AGB 6.4. „Der Bitpanda-Kunde stimmt hiermit zu, dass Bitpanda E-Token des Bitpanda-Kunden für Zwecke des Staking einsetzen darf, und dass sämtliche daraus resultierende Erträge (Staking Rewards) einzig Bitpanda zukommen.“.

43 Hierzu ausführlich Fomberger/Zimmermann, Maume/Maute § 1 Rn. 27 ff.

44 Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 21 ff.

45 RGZ 94, 305 (307); BGHZ 156, 356 (360); BGH NJW 1959, 1223 (1224) von „Gewohnheitsrecht“ sprechend; BGH NJW 1998, 2213 (2214).

46 Vgl. Thole, K. Schmidt InsO § 47 Rn. 81.

47 MwN Henssler, AcP 196 (1996), 37, 54 f.

48 RGZ 84, 214 (216); RGZ 91, 12 (14).

49 BGH NJW 1959, 1223 (1225).

50 Scherer, EBJS DepotG § 22 Rn. 12; nach Böttcher, NomosK DepotG § 22 Rn. 7 sogar eine „allgemeinen Ansicht“.

Benzinger, Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers93

Kryptowerte verwahrt werden. Daher ist das Merkmal der Offenkundigkeit auch auf Wallets übertragbar.51 Offenkundig wird es sich vor allem dann um ein Treuhand-Wallet handeln, wenn ein Wallet allein der Verwahrung für Kunden dient.52

b) Bestimmtheits- und Trennungsgrundsatz

Für die Aussonderung muss zudem ein konkreter Gegenstand bestimmt oder bestimmbar sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass der konkrete Gegenstand des Aussonderungsberechtigten ausgesondert wird. Ein anderer Gegenstand ist nicht dem Aussonderungsberechtigten, sondern dem Schuldner oder einem anderen Gläubiger haftungsrechtlich zugeordnet und kann daher nicht herausverlangt werden.53

Ein Unterfall des Bestimmtheitsgrundsatzes ist das Vermögenstrennungsprinzip. Der Treuhänder darf das Treugut nicht mit dem eigenen Vermögen vermischen. Eigen- und Fremdvermögen ließe sich nicht mehr trennen und der Treugeber wäre nicht mehr „wirtschaftlicher Eigentümer“ des Treuguts. In diesem Fall besteht deshalb kein Aussonderungsrecht.54 Um zu bestimmen, ob verwahrte Kryptowerte bestimmt oder bestimmbar und ausreichend vom Vermögen des Verwahrers getrennt sind, muss zwischen den Wallet-Arten differenziert werden:

aa) Segregated Wallet

Werden Kryptowerte in einem Segregated Wallet verwahrt, können die Kryptowerte unproblematisch einem Kunden zugeordnet werden. Welche Kryptowerte welchem Kunden gehören, lässt sich über die öffentliche Adresse des Wallets bestimmen. Da Segregated Wallets allein Kryptowerte eines Kunden und keine des Verwahrers zugeordnet sind, ist auch die Vermögenstrennung gewährleistet.55

bb) Omnibus Wallet

Sind die Kryptowerte einem Omnibus Wallet zugeordnet, ist es komplizierter, deren Schicksal zu beurteilen, da die Kryptowerte einer Vielzahl an Kunden einem Wallet zugeordnet sind. Ein weiterer Aspekt der Rechtsprechung zu Treuhandkonten wird relevant. Es schadet nämlich nicht, wenn auf einem Treuhandkonto die Gelder mehrerer Kunden aufbewahrt werden, solange nicht auch zugleich Gelder des Treuhänders auf dem Konto verwahrt werden. Die notwendige Trennung zwischen Fremd- und Eigenvermögen des Treuhänders bleibt in diesem Fall aufrechterhalten. Dann, aber nur dann, lässt es die Rechtsprechung genügen, wenn nur bestimmbar ist, welchem Kunden welcher Anteil an dem Konto zusteht.56


(1) Grundfall

Sind einem Omnibus Wallet allein Kryptowerte von Kunden zugeordnet,57 kann man ohne Weiteres von einem Treuhandwallet ausgehen. Das Vermögen von Verwahrer und Kunden sind in diesem Fall über unterschiedliche Wallet Adressen in hinreichender Weise getrennt.58

Über das interne Buchhaltungssystem des Verwahrers kann bestimmt werden, welcher Anteil der Kryptowerte in dem Wallet welchem Kunden zugeordnet ist.59 Damit sind die Kryptowerte in einem Omnibus Wallet grundsätzlich aussonderungsfähig.60 Zwar kann nur der Anteil des Kunden an den verwahrten Kryptowerten bestimmt werden, die Herausgabe der Kryptowerte kann dann aber entsprechend der von K. Schmidt zu Treuhandkonten entwickelten fiktiven Bruchteilsgemeinschaft erfolgen.61


(2) Vermischung von Kryptowerten

Umstritten ist aber, wie es sich verhält, wenn der Kryptoverwahrer neben den Kryptowerten der Kunden auch eigene Kryptowerte in einem Omnibus Wallet verwahrt.62 Im Wesentlichen hängt der Streit an der Frage, wie sich das von der Rechtsprechung für Treuhandkonten entwickelte Vermögenstrennungsprinzip auf Omnibus Wallets anwenden lässt.63

In der Literatur wird die These aufgestellt, dass die Vermögenstrennung auch dann gewahrt werden kann, wenn sich sowohl Kryptowerte der Kunden als auch des Verwahrers einem Wallet zugeordnet werden. Über das interne Buchhaltungssystem könne einem Wallet faktisch zwei Unterkonten zugeordnet werden. Auf dem einen Unterkonto befänden sich die Kryptowerte des Verwahrers und auf dem anderen Unterkonto befänden sich die Kryptowerte der Kunden.64

Die Unterteilung eines Wallets in zwei Unterkonten über ein internes Buchhaltungssystem erscheint jedoch gekünstelt. Ein Wallet entspricht einem Konto, nicht aber Zweien. Auch ist die Ansicht nicht mit den hohen Anforderungen der Rechtsprechung an die Vermögenstrennung vereinbar:

Bei Treuhandkonten kann der Treugeber sein Guthaben nicht aussondern, wenn der Treuhänder ein Konto nicht nur


51 Vgl. Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (15 f.); implizit anwendend Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2109).

52 Die Konstellation, in welcher der Kryptoverwahrer auch eigene Kryptowerte verwahrt, wird hier, genau wie in der Literatur an einem anderen Prüfungspunkt diskutiert.

53 BGH NJW 1972, 872 (872).

54 BGH NJW-RR 2011, 779 Rn. 16 ff.; kritisch dazu K. Schmidt, FS Wiegand, S. 933, 961.

55 Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2110 f.); Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (16); d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 2214 (2218).

56 mwN K. Schmidt, FS Wiegand, S. 933, 960 f.

57 Dies ist regelmäßig der Fall: Tagany AGB (J) „Tangany hält ihre Eigenbestände jedoch nicht auf Omnibusnutzer-Konten.“; Bison blocknox AGB 4.1. „Aus rechtlichen Gründen verwahren wir eigene Kryptowährungen getrennt von den Kryptowährungen unserer Kunden.“

58 Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 29.

59 Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 29; Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2110 f.); Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (16).

60 Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2110 f.); Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (16); a.A. mit Verweis auf die Beweislast d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 2214 (2218 f.).

61 K. Schmidt, FS Wiegand, S. 933, 960 f.

62 Für Vermögenstrennung durch interne Buchhaltung Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2111); Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (17 f.); a.A. Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 34.

63 Vgl. zu Auslandsverwahrung Schröder/Triantafyllakis, BKR 2023, 12 (15 f.); implizit anwendend Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2109).

64 Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2111).

Benzinger, Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers94

zu Treuhandverwahrung von Kundengeldern, sondern auch für eigene Gelder nutzt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Vermögen der Bank und des Kunden dann nicht mehr unterscheidbar ist. Der bloße Wertbetrag, der dem Kunden weiterhin zugeordnet werden könnte, ist selbst nicht aussonderbar.65 Wahrt die Bank die Vermögenstrennung nicht, ist auch nicht relevant, ob Einzahlungen auf dem Treuhandkonto noch in voller Höhe unterscheidbar vorhanden sind.66

Übertragen auf Wallets bedeutet dies, dass die Vermögenstrennung nur dann gewahrt ist, wenn sich allein Kryptowerte von Kunden auf einem Wallet befinden.67 Selbst wenn bei einem gemischten Wallet weiterhin bestimmbar ist, welcher Anteil der Kryptowerte jeweils dem Kunden oder dem Verwahrer gehört, gewährleistet dies nicht die Vermögenstrennung.68 Welche konkreten Kryptowerte ursprünglich zum Vermögen des Verwahrers oder der Kunden gehörten, ließe sich nicht mehr bestimmen.

Daher ist die Vermögenstrennung zwischen Verwahrer und Kunden nur dann gewahrt, wenn deren Kryptowerte auf unterschiedlichen Wallets verwahrt werden.69


(3) Zwischenfazit

Treuhandverwahrte Kryptowerte können nur dann aussondert werden, wenn sie auf anderen Wallets gehalten werden als die Kryptowerte des Verwahrers. Die notwendige Vermögenstrennung kann nämlich nicht über ein internes Buchhaltungssystem gewährleistet werden.

c) Abredewidriges Verhalten des Kryptoverwahrers

Nicht aussondern kann der Kunde hingegen dann, wenn der Kryptoverwahrer die Bindung des Treuhandvertrags missachtet. Dies ist der Fall, wenn die Kryptowerte von Kunden und Verwahrer unzulässigerweise vermischt werden, kein ordnungsgemäßes internes Buchhaltungssystem geführt wird oder der Kryptoverwahrer ohne Zustimmung des Kunden über dessen Kryptowerte verfügt.70 Nur, wenn die Treuhand auch tatsächlich gelebt wird, rechtfertigt dies eine Zurechnung der Kryptowerte zum Vermögen der Kunden.71

Damit liegt das Schicksal der Kryptowerte in der Hand des Verwahrers. Achtet der Verwahrer die Treuhandabrede, kann der Kunde aussondern, tut er dies nicht, kommt bei einer entgeltlichen Verfügung an einen Dritten, allein eine – oftmals nicht erfolgversprechende – Ersatzaussonderung (§ 48 InsO) in Betracht. Auch die dem Kunden zustehenden Schadensersatzansprüche (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) sind weitgehend wertlos, da sie als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) der Insolvenzquote unterliegen.72

3. Insolvenzgläubiger ohne fremdnützige Treuhand

Wurde zwischen Kryptoverwahrer und Kunde keine fremdnützige Treuhand vereinbart, weil der Kryptoverwahrer mit den Kryptowerten der Kunden auf eigene Rechnung Erträge erwirtschaftet (Staking), hat der Kunde lediglich einen allgemeinen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Verwahrer und ist damit Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO).73 In der Folge unterliegt der Kunde der Insolvenzquote. Wirtschaftlich gesehen steht der Kunde damit deutlich schlechter, als wenn eine fremdnützige Treuhand vereinbart worden wäre.

Insoweit besteht ein Interessenkonflikt zwischen Kunde und Kryptoverwahrer. Der Verwahrer hat ein Interesse, durch die Nutzung der Kryptowerte, auf eigene Rechnung Erträge zu erwirtschaften. Dies kollidiert mit dem Interesse des Kunden in der Insolvenz auszusondern. Anlegern ist daher zu raten, entweder Kryptowerte in einem privaten Wallet oder erst nach sorgfältiger Durchsicht der AGB bei einem Verwahrer zu halten.74

III. Fazit De Lege Lata

Zwischen Kryptoverwahrer kann entweder eine quasi-dingliche fremdnützige Treuhand75 oder eine bloße schuldrechtliche Geschäftsbesorgung vereinbart werden. Kommt der Kryptoverwahrer im Rahmen der Treuhand all seinen Pflichten nach und verwahrt eigene Kryptowerte separat von denen der Kunden, können die Kunden in der Insolvenz nach geltendem Recht die Kryptowerte aussondern (§ 47 InsO). Verhält sich der Kryptoverwahrer hingegen abredewidrig und gewährleistet entweder die Vermögenstrennung oder Bestimmbarkeit nicht, kann der Kunde nicht aussondern.76 Dann kommen, genau wie wenn keine Treuhand vereinbart wurde, nur Ansprüche in Betracht, die der Insolvenzquote unterliegen. Daher lässt sich zwar die Rechtsprechung zu Treuhandverhältnissen übertragen, weil aber wegen entgegenlaufender Interessen des Verwahrers nicht immer ein Treuhandverhältnis besteht und das Aussonderungsrecht vom Verhalten des Verwahrers abhängt, kommt man de lege lata dennoch teils zu unbefriedigenden Ergebnissen. Damit besteht nur in gewissen Konstellationen ein hinreichendes Schutzniveau.

D. Gesetzgebungsverfahren

Deshalb sehen sowohl der europäische als auch der deutsche Gesetzgeber Regelungsbedarf in diesem Gebiet. Mit der „Markets in Crypto Assets Regulation“ (MiCAR), die bereits im Gesetzblatt veröffentlicht wurde, und dem Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG), das inzwischen als Regierungsentwurf vorliegt, sollen die Rechte der Kunden von Kryptoverwahrern in der Insolvenz gestärkt werden.77


65 BGH NJW 1972, 872 (872); Henssler, AcP 196 (1996) 37, 58.

66 BGH NZI 2011, 371 Rn. 23.

67 Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 34.

68 Vgl. BGH NJW 1972, 872 (872); Henssler, AcP 196 (1996) 37, 58.

69 Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 34; mit der Beweislast begründend d’Avoine/Hamacher, ZIP 2022, 2214 (2219).

70 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 779 Rn. 16; Holzer, ZIP 2009, 2324 (2329).

71 Holzer, ZIP 2009, 2324 (2328).

72 Vgl. Holzer, ZIP 2009, 2324 (2329).

73 Vgl. Büteröwe, K. Schmidt InsO § 38 Rn. 1.

74 Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 21 ff.

75 Ganter, MüKoInsO § 47 Rn. 356c.

76 Vgl. Holzer, ZIP 2009, 2324-2329.

77 Ref-E ZuFinG S. 2, 55, 119.

Benzinger, Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers95

I. Rechtliche Vermögenstrennung

1. Vermögenstrennungspflicht

Daher sind verwahrte Kryptowerte vom Kryptoverwahrer rechtlich – im Einklang mit der jeweils geltenden Rechtsordnung – derart vom Vermögen des Kryptoverwahrers zu trennen, dass die Gläubiger des Kryptoverwahrers in der Insolvenz nicht auf die Kryptowerte der Kunden zugreifen können (Art. 75 Abs. 7 S. 3 MiCAR).78 Ein konkretes Herausgaberecht der Kunden an den verwahrten Kryptowerten wird nicht ausdrücklich in der MiCAR statuiert. Dies würde der Systematik der MiCAR widersprechen, da die MiCAR keine unmittelbare privatrechtliche Wirkung hat, sondern allein aufsichtsrechtliche Pflichten festlegt.79

2. Rechtliche Zuordnung in der Insolvenz

Damit bleibt es Aufgabe der Kryptoverwahrer, die Beziehung mit ihren Kunden so zu gestalten, dass die Kryptowerte in der Insolvenz derart von ihrem Vermögen getrennt sind, dass die Kryptowerte nach nationalem Recht herausverlangt werden können. Nach deutschen Insolvenzrecht ist dies de lege lata – wie bereits dargelegt – nur durch die Aussonderung (§ 47 InsO) in Treuhandbeziehungen möglich. Damit entsteht eine Pflicht zur fremdnützigen Treuhand, die den bereits dargelegten Interessenkonflikt über die wirtschaftliche Nutzung der verwahrten Kryptowerte auf Rechnung des Verwahrers zwischen Kunden und Verwahrer auflöst.

Darüber hinaus hat sich der deutsche Gesetzgeber entschieden, weitere Rechtsklarheit zu schaffen. Nach § 46i Abs. 1 S. 1 KWG-E gelten „für einen Kunden verwahrte Kryptowerte […] als dem Kunden gehörig“. Damit zieht die Norm ausweislich ihrer Begründung „die haftungsrechtlichen Konsequenzen aus dem Treuhandcharakter des Verwahrgeschäfts, der den Kunden als wirtschaftlich Berechtigten ausweist.“80 Die vermögensrechtliche Zuordnung der Kryptowerte und kryptografischen Schlüssel zum Kunden erfolgt dabei lediglich als Fiktion.81 Eine Fiktion nutzt der deutsche Gesetzgeber deshalb, um die Debatte zur Rechtsnatur und den güter- und güterzuordnungsrechtlichen Fragen offenzulassen.82 Ausdrücklich wird auch in § 46i Abs. 1 KWG-E kein Aussonderungsrecht des Kunden angeordnet. Da die Kryptowerte aber fiktiv zum Vermögen des Kunden gehören, sind diese in der Insolvenz massefremd. Damit schafft § 46i Abs. 1 KWG-E die Voraussetzungen für ein Aussonderungsrecht.83

3. Tatsächliche Vermögenstrennung als Voraussetzung für rechtliche Vermögenstrennung?

In ersten Interpretationsversuchen der Literatur zu § 46i Abs. 1 KWG-E während der Referentenentwurfsphase wurde von Skauradszun und Haneke vertreten, dass die vermögensrechtliche Fiktion des § 46i Abs. 1 KWG-E und damit in der Folge auch die Aussonderung nicht an die Bedingung geknüpft seien, dass eine tatsächliche Vermögenstrennung (§ 26b Abs. 1 S. 1 KWG-E) gewahrt wird.84 Der Kryptoverwahrer könne sich abredewidrig verhalten und sogar über einen Teil des Kryptowerte Bestands verfügen, ohne dass dies die Aussonderung hindere.85 Dies lasse der Wortlaut von § 46i Abs. 1 KWG-E zu, der ein pflichtgemäßes Verhalten des Verwahrers nicht ausdrücklich voraussetze:

„Der im Rahmen eines Kryptoverwahrgeschäfts für einen Kunden verwahrte Kryptowert gilt als dem Kunden gehörig.“86

Mit gewichtigen Argumenten ließ sich diese Literaturansicht aber bestreiten. Inhaber von Kryptowerten würden in der Insolvenz besser geschützt als solche Anleger, die Bankguthaben oder Wertpapieren treuhänderisch verwahren lassen.87 Bei Bankguthaben oder Wertpapieren müsste die Vermögenstrennung weiterhin gewährleistet sein.88 Zu diesem Schluss kam auch Skauradszun, hielt die Diskrepanz aber – ohne weitere Begründung – für „vertretbar“.89

Ein weiterer Aspekt war, dass rechtsdogmatisch nicht ersichtlich ist, woraus sich eine rechtliche Zuordnung zum Kundenvermögen rechtfertigt. Nur aus der Treuhandabrede konnte sich eine solche Zuordnung rechtfertigen.90 Dann aber, wenn die Treuhandabrede mangels Vermögenstrennung nicht tatsächlich gelebt ist, ist nicht ersichtlich, weshalb die Kryptowerte dem Vermögen der Kunden und nicht des Verwahrers (Schuldners) zugeordnet sind. Der BGH hat hierzu passend formuliert: „Respektiert der Treuhänder die treuhänderische Bindung des Kontos [oder Wallets] nicht, kann dies auch von seinen Gläubigern nicht verlangt werden.“91

Zutreffend hat der Gesetzgeber daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu Treuhandabreden die Begründung des Regierungsentwurfs nachgeschärft. Nur solche Kryptowerte, „die nach Maßgabe des § 26b Absatz 1 Satz 1 KWG-E getrennt von den Werten und Schlüsseln des Instituts und anderer Kunden verwahrt werden und die darum dem Kunden individuell zugeordnet werden können“92 sind demnach dem Kundenvermögen zugeordnet. Darüber hinaus wäre es aber wünschenswert gewesen, nicht nur in der Begründung nachzuschärfen, sondern auch den Wortlaut von § 46i Abs. 1 KWG-E anzupassen:

„Der im Rahmen eines Kryptoverwahrgeschäfts für einen Kunden nach Maßgabe des § 26b Abs. 1 verwahrte Kryptowert gilt als dem Kunden gehörig.“93


78 Missverständlich noch zur Vorgängernorm Art. 67 Abs. 10 MiCAR „Verpflichtung der Mitgliedsstaaten“ Skauradszun/Schweizer/Kümpel, ZIP 2022, 2101 (2112).

79 Vgl. Burchardi, EuZW 2021, 1013 (1018).

80 Ref-E ZuFinG S. 119.

81 Stellungnahme des VID zum ZuFinG S. 6.

82 Ref-E ZuFinG S. 120.

83 Skauradszun, RDi 2023, 269 Rn. 5.

84 Skauradszun, RDi 2023, 269 Rn. 9; Haneke, BeckOK InsR § 47 Rn. § 92i.1.

85 Skauradszun, RDi 2023, 269 Rn. 17.

86 Ref-E ZuFinG S. 34.

87 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 779 Rn. 17.

88 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 779 Rn. 17.

89 Skauradszun, RDi 2023, 269 Rn. 17.

90 Vgl. Lange, NJW 2007, 2513 (2514).

91 Vgl. BGH NJW-RR 2011, 779 Rn. 16.

92 Reg-E ZuFinG S. 162.

93 Vgl. Stellungnahme Gravenbrucher Kreis ZuFinG S. 5.

Benzinger, Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers96

4. Ausnahme von der vermögensrechtlichen Fiktion

Die vermögensrechtliche Fiktion und damit das Aussonderungsrecht greifen dann nicht, wenn „der Kunde die Einwilligung zu Verfügungen über den Wert für Rechnung des Instituts oder Dritter erteilt hat.“ (§ 46i Abs. 1 S. 1 KWG-E). Damit soll ausweislich der Begründung sichergestellt werden, dass nur solche Verwahrverhältnisse von der Fiktion erfasst werden, die dem Kunden eine „echte wirtschaftliche Berechtigung vermitteln“.94 Beachtet man diese Zielsetzung, dann sind auch solche Verhältnisse, in denen der Kryptoverwahrer mit den Kryptowerten der Kunden durch Teilnahme am Konsensverfahren einer Blockchain Erträge erwirtschaften kann (Staking), von der vermögensrechtlichen Fiktion ausgenommen. Dies ist zwar keine „Verfügung“ (§ 46i Abs. 1 S. 1 KWG-E) im klassischen sachenrechtlichen Sinne, sondern die Ziehung von Nutzungen (§ 100 BGB), doch liegt auch hier die wirtschaftliche Berechtigung – zumindest in Teilen – beim Kryptoverwahrer. Versteht man § 46i Abs. 1 KWG-E deshalb, wie nach hier vertretener Ansicht, als Fortführung der Rechtsprechung zu Treuhandverhältnissen, dann kann auch in diesem Fall keine vermögensrechtliche Zurechnung zum Kunden erfolgen. Die vermögensrechtliche Zuordnung rechtfertigt sich nur daraus, dass der Kunde alleiniger wirtschaftlicher Berechtigter ist. Dies ist aber, wenn der Verwahrer mit den Kryptowerten auf eigene Rechnung Erträge erwirtschaftet, gerade nicht der Fall. Dementsprechend ist „Verfügung“ i.S.v. § 46i Abs. 1 S. 2 KWG-E weit auszulegen. Dies hindert den Verwahrer aber nicht daran, für seine Kunden „Staking“ auf deren Rechnung anzubieten. Dann liegt die wirtschaftliche Berechtigung allein beim Kunden und der Zweck von § 46i Abs. 1 S. 2 KWG-E wird nicht tangiert.95

II. Einhaltung der tatsächlichen Vermögenstrennung

1. Tatsächliche Vermögenstrennungspflicht nach dem KWG-E

Um die tatsächliche Vermögenstrennungspflicht nach § 26b Abs. 1 S. 1 KWG-E einzuhalten, muss der Kryptoverwahrer – genau, wie dies nach der Rechtsprechung zu Treuhandkonten notwendig ist – seine Kryptowerte auf anderen Wallets halten, als die Kryptowerte seiner Kunden. Besonders relevant wird dies für Omnibus-Wallets, weshalb im KWG-E die Verpflichtung der Vermögenstrennung bei der Verwahrung in Omnibus-Wallets („gemeinschaftliche Verwahrung“) besonders hervorgehoben wird (§ 26b Abs. 1 S. 2 KWG-E).96 Diese ist dann eingehalten, wenn dem Wallet allein Kryptowerte von Kunden zugeordnet sind und sich der Anteil – nicht aber bestimmte Kryptowerte – des Kunden an den gemeinschaftlich verwahrten Werten jederzeit bestimmten lässt. Diese ebenfalls von der Rechtsprechung zu Treuhandkonten inspirierte Regelung97 billigt damit implizit auch die Praxis der Omnibus-Verwahrung von Kryptowerten.

Grundsätzlich kann die Vermögenstrennungspflicht auch bereits aus dem Treuhandvertrag hergeleitet werden,98 nun kann die tatsächliche Vermögenstrennungspflicht aber durch die jeweilige Aufsichtsbehörde – in Deutschland durch die BaFin – mittels Verwaltungsgeldbußen durchgesetzt werden (Art. 111 Abs. 1 lit. d MiCAR; § 57 Abs. 1 KWG-E). Diese Verwaltungsgeldbußen mitigeren das Risiko für den Kunden, dass in der Treuhandbeziehung die Aussonderung allein vom abredegemäßen Verhalten des Kryptoverwahrers – namentlich der Einhaltung der Vermögenstrennung – abhängt.

2. Tatsächliche Vermögenstrennungspflicht nach der MiCAR

Neben der Regelung im nationalen Recht legt auch die MiCAR die Organisationspflicht fest, eigene Beteiligungen an Kryptowerten getrennt und gesondert gekennzeichnet zu verwahren (Art. 75 Abs. 7 S. 1 MiCAR). Dafür dürfen die Kryptowerte von Verwahrer und Kunden nicht an gleicher Stelle auf der Blockchain eingetragen sein (Art. 75 Abs. 7 S. 2 MiCAR).

Damit stellt sich die Frage, inwieweit es zulässig ist, dass der deutsche Gesetzgeber neben der durch die Verordnung unmittelbar geltenden tatsächlichen Vermögenstrennungspflicht (Art. 75 Abs. 7 S. 1 MiCAR) zusätzlich im nationalen Recht eine tatsächliche Vermögenstrennungspflicht geschaffen hat (§ 26b Abs. 1 KWG-E). Teils wird von einer zulässigen Konkretisierung- und Durchführungsvorschrift ausgegangen.99

III. Zwischenfazit: Tatsächliche Auswirkungen von MiCAR und ZuFinG

Die kodifizierten Trennungspflichten auf europäischer und nationaler Ebene werden in Zukunft von den Kryptoverwahrern zu beachten sein. Soweit zwischen Verwahrern und Kunden noch keine Treuhandbeziehung besteht, durch welche rechtliche Vermögenstrennung gewährleistet werden kann, müssen Kryptoverwahrer ihre AGB ändern. Möglich ist, dass Kryptoverwahrer nun ihre Gebühren anheben werden, um die verlorenen Erträge, die ohne Treuhandbeziehung mit den Kryptowerten von Kunden erwirtschaftet werden konnten, zu kompensieren.

Für Kunden von Kryptoverwahrern wird ein höheres Schutzniveau erreicht. Die Trennungspflichten und die vermögensrechtliche Fiktion legen die Grundlage für eine Aussonderung der Kryptowerte nach deutschem Insolvenzrecht (§ 47 InsO). Kunden werden nun in der Insolvenz eines Kryptoverwahrers umfassender und unabhängig vom konkreten Kryptoverwahrer einheitlich geschützt.


94 Ref-E ZuFinG S. 120.

95 Zur Rechtslage vor dem ZuFinG ausführlich Meier/Schneider/Schinerl, RDi 2023, 257 Rn. 47 ff.

96 Skauradszun, RDi 2023, 269 Rn. 8.

97 Vgl. mwN K. Schmidt, FS Wiegand, S. 933, 960 f.

98 Vgl. Lange, NJW 2007, 2513 (2514).

99 Skauradszun, RDi 2023, 269 Rn. 18 geht davon aus, dass die Vorschrift als Konkretisierung- und Durchführungsvorschrift zulässig ist.

Benzinger, Das Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Kryptoverwahrers97

E. De Lege Ferenda

Deshalb wird die Regelungsintention ZuFinG und der MiCAR betreffend des Schicksals von Kryptowerten in der Insolvenz weitgehend positiv gewürdigt.100 An mancher Stelle besteht aber noch Regelungsbedarf de lege ferenda.101

I. Umfangreiche Zivilrechtliche Lösung

Im nachfolgenden Regelungsvorschlag soll, da dies ersichtlich den Umfang des ZuFinG gesprengt hätte, nicht darauf eingegangen, dass der Gesetzgeber auch eine umfangreiche zivilrechtliche Lösung in Form von Privateigentum an Datenobjekten102 hätte schaffen können. Hierdurch wäre mittelbar entlang des Schicksals herkömmlichen Eigentums auch das insolvenzrechtliche Schicksal von Kryptowerten in der Insolvenz des Verwahrers geklärt worden.

II. Originär insolvenzrechtliche Lösung

Vielmehr soll sich die hier vorgebrachte Kritik allein gegen die systematische Einordnung in die Finanzmarktregulierung und den damit einhergehenden Folgeproblemen richten. Denn die Fiktion des KWG-E begründet nur für Kryptowerte i.S.v. § 1 Abs. 11 S. 4 KWG ein Aussonderungsrecht. Je nach Gestaltung des Tokens sind Utility Token aber nicht von dieser Definition umfasst.103 Deshalb besteht insoweit eine Schutzlücke für Utility Token. Eine (rechtsunsichere) Aussonderung aufgrund der Treuhandverwahrung ist nach der hier vertretenen Ansicht „de lege lata“ aber weiterhin möglich.

Die MiCAR hat diese Schutzlücke nicht. Deren Definition von Kryptowerten umfasst auch Utility Token (Art. 3 Abs. 9 i.V.m. Abs. 5 MiCAR). Insoweit wird der deutsche Gesetzgeber nicht seinem Anspruch gerecht, dem Schutzniveau der MiCAR gerecht zu werden.104 Aber auch die MiCAR umfasst nicht sämtliche Kryptowerte. Teils sind fungible Kryptowerte (NFT’s) von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen.105

Damit zeigt sich das systematische Problem, dass die Anknüpfung der Gläubigerrechte an die Finanzmarktregulierung durch MiCAR und dem KWG aufweist. Aufgrund der vorwiegend finanzmarktregulierenden Funktion umfasst deren Anwendungsbereich immer nur bestimmte Arten von Kryptowerten, die dieser Finanzmarktregulierung unterworfen sein sollen.106 Damit verbleiben aber immer Schutzlücken für solche Kryptowerte, die nicht unter das jeweilige Regulierungsregime fallen. Hätte man die vermögensrechtliche Fiktion von Kryptowerten nicht im KWG, sondern in der InsO geregelt, könnte man sich von den restriktiven Definitionen der Finanzmarktregulierung lösen und umfassenden Schutz für Kryptowerte gewähren.

Diesen Ansatz hat beispielsweise die Schweiz mit dem Aussonderungsrecht für Kryptowerte nach Art. 242a SchKG gewählt. In dem dortigen Konkursrecht hat man einen wesentlich weiteren Tatbestand geschaffen.107 Man musste keine Rücksicht darauf nehmen, was für aufsichtsrechtliche Folgen dies hat. Eine solche originär insolvenzrechtliche Lösung wäre auch für das deutsche Recht zu befürworten. Die rechtliche und tatsächliche Vermögenstrennungspflicht für Kryptoverwahrer könnte man nach dieser Konzeption im KWG beibehalten. Allein der Normgehalt von § 46i Abs. 1 KWG-E – die vermögensrechtliche Fiktion – sollte mit einer umfassenderen Definition von Kryptowerten in das Insolvenzrecht verlagert werden. In der Folge könnten auch solche Kryptowerte, die nicht dem KWG oder der MiCA unterfallen, aber dennoch bei einem Kryptoverwahrer oder sonstigen fremdnützigen Treuhänder verwahrt werden, unter Einhaltung der in diesem Fall lediglich vertraglich bedingten Vermögenstrennungspflicht, ausgesondert werden.

F. Schlussbetrachtungen

1. Ob bereits de lege lata Kryptowerte in der Insolvenz des Krypoverwahrers herausverlangt werden können, hängt davon ab, ob eine Treuhand vereinbart wurde. Verhält sich der Kryptoverwahrer gemäß der Treuhandabrede und hält eigene Kryptowerte auf einem anderen Wallet als Kryptowerte von Kunden, ist der Kunde durch ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) geschützt. Anderenfalls unterliegt der Kunde als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) der Insolvenzquote. Daher besteht kein einheitliches Schutzniveau für die Kunden von Kryptoverwahrern.

2. Durch den KWG-E und die MiCAR werden eine rechtliche und tatsächliche Vermögenstrennungspflicht kodifiziert. Die vermögensrechtliche Fiktion des § 46i Abs. 1 KWG-E als Schlussfolgerung aus der rechtlichen und tatsächlichen Vermögenstrennung begründet rechtssicher ein Aussonderungsrecht. Im Ergebnis wird ein hohes Schutzniveau für alle Kunden von Kryptoverwahrern in der Insolvenz gewährleistet.

3. Noch bestehen aber (kleine) Schutzlücken für Kryptowerte im KWG-E und der MiCAR. Dies ist der kapitalmarktrechtlichen Lösung geschuldet, die nicht alle Kryptowerte umfasst. Langfristig gesehen wird der Gesetzgeber eine umfangreiche zivilrechtliche Lösung für Kryptowerte schaffen müssen. Nach dieser Lösung wird sich dann auch das Schicksal der Kryptowerte in der Insolvenz des Kryptoverwahrers richten.


100 Stellungnahme des VID ZuFinG S. 6.; Gravenbrucher Kreis ZuFinG S. 2; Deutscher Anwalt Verein Rn. 5.

101 VID ZuFinG S. 6. ff; Gravenbrucher Kreis ZuFinG S. 2 ff.

102 Omlor, WM 2022, 2153 (2154 f.).

103 Schäfer, Fischer/Schulte-Mattler KWG § 1 Rn. 300c.

104 Stellungnahme Gravenbrucher Kreis ZuFinG S. 2.

105 Art. 2 Abs. 3 MiCAR; Erwägungsgrund 10.

106 Vgl. Schäfer, Fischer/Schulte-Mattler KWG § 1 Rn. 300c.

107 Schweizer BBI 2020 S. 264 ff.