Das Übereinkommen von Paris und das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten

A. Einleitung

Am 3.12.1968 stellte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Resolution Problems of the Human Environment1 fest, dass zur Bewältigung von Umweltproblemen globale Gegenmaßnahmen notwendig sind. Zum Schutze der Umwelt müssen also alle Staaten beitragen.2 Deutlicher formuliert wurde diese gemeinsame Verantwortung in den darauffolgenden Jahrzehnten etwa in Prinzip 24 der Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt3 oder Prinzip 27 der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (Rio-Erklärung).4 In einer heterogenen Staatengemeinschaft stellt sich aber die Frage, wie eine gerechte Verteilung der durch den gemeinsamen Umwelt- und Klimaschutz anfallenden Kosten zu gestalten ist.

Das in der Rio-Erklärung von 1992 erstmals ausdrücklich formulierte umweltvölkerrechtliche Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten (auf Englisch principle of common but differentiated responsibilities – CBDR)5 bietet einen für diese Frage geeigneten Lösungsansatz. Es verkörpert den Grundgedanken, dass die Staaten der Welt zwar eine gemeinsam zu tragende Verantwortung gegenüber der Umwelt haben, die konkreten Verpflichtungen für einzelne Staaten oder Staatengruppen aber nicht identisch, sondern differenziert ausfallen. Dieses Prinzip hat bereits in einer Reihe von Umweltschutzinstrumenten Ausdruck gefunden, und die vorerst letzte Etappe der Anwendung und Entwicklung dieses Prinzips stellt das Übereinkommen von Paris (PÜ)6 dar. Dieser Artikel zeigt nachfolgend auf, dass das CBDR-Prinzip das PÜ wesentlich inspiriert hat. Zugleich wird ausgeführt, inwieweit das PÜ die dem CBDR-Prinzip innewohnende Dynamik erfolgreich zum Ausdruck bringt.

B. Das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten

Das CBDR-Prinzip hat sich aus Gerechtigkeitserwägungen im allgemeinen Völkerrecht entwickelt7 und greift die Unterschiede zwischen Staaten auf.8 Es impliziert eine gerechte Lastenverteilung,9 durch welche die für einen funktionierenden globalen Klimaschutz essentielle Einbindung der Entwicklungsstaaten10 gewährleistet wird. Allerdings ist das CBDR-Prinzip selbst inhaltlich nicht näher konkretisiert,11 sodass die Zuteilung von Pflichten multilateraler Klimaschutzverträge bedarf.12

I. Elemente des Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten

Das CBDR-Prinzip besteht aus zwei wesentlichen Strukturmerkmalen: Es normiert erstens eine gemeinsame Verantwortung aller Staaten für einen wirksamen Klimaschutz, und fordert zweitens differenzierte Pflichten zur Erreichung dieses Ziels.13

Die Auswirkungen verschiedener Umweltbelastungen machen vor den Grenzen von Staaten keinen Halt14 und sind somit ein globales Problem.15 Ein Staat alleine kann deshalb keinen wirkungsvollen Klimaschutz betreiben.16 Schließlich sind im Umweltvölkerrecht mittlerweile auch die Konzepte des gemeinsamen Erbes der Menschheit17 und des gemeinsamen Anliegens der Menschheit18 ausformu-


* Der Autor ist Student der Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

1 United Nations General Assembly, Problems of the Human Environment, 3.12.1968, GA Res 2398, UN Doc A/Res/2398 (1968).

2 Hunter/Salzman/Zaelke, International Environmental Law and Policy², 2002, S. 402.

3 United Nations General Assembly, Declaration of the United Nations Conference on the Human Environment, 16.6.1972, UN Doc. A/CONF.48/14/REV. 1(1973); 11 ILM 1416 (1972).

4 Rio Declaration on Environment and Development, 13.6.1992, UN Doc. A/CONF.151/26 (vol. I); 31 ILM 874 (1992).

5 Nachfolgend mit „CBDR-Prinzip“ abgekürzt.

6 Paris Agreement, 12.12.2015, Dec. 1/CP.21, Annex, UN Doc. FCCC/CP/2015/10/Add.1.

7 Halvorssen, Equality Among Unequals in International Environmental Law: Differential Treatment for Developing Countries, 1999, S. 3; Kellersmann, Die gemeinsame, aber differenzierte Verantwortlichkeit von Industriestaaten und Entwicklungsländern für den Schutz der globalen Umwelt, 2000, S. 35 ff.; Sands/Peel/Fabra/MacKenzie, Principles of International Environmental Law⁴, 2018, S. 244.

8 Epiney, Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), 24/2007, 31, 33 f.; Hey, Common but Differentiated Responsibilities, Max Planck Encyclopedia of Public International Law, www.mpepil.com (MPEPIL), Rn. 1; Rajamani/MaljeanDubois, La mise en œuvre du droit international de l’environnement = Implementation of International Environmental Law, 2011, S. 151 ff.

9 Bruneé, in: Ebbeson/Okowa (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, 2009, S. 327; Dupuy/Viñuales, International Environmental Law, 2015, S. 73; Kellersmann (Fn. 7), S. 35; Rajamani, Review of European, Comparative & International Environmental Law (RECIEL), 2000, 120, 123 f.

10 Halvorssen (Fn. 7), S. 67; Gappa, Grenzausgleichsmaßnahmen als Klimaschutzinstrument: Das Wirkungsgeflecht von Welthandelsrecht und Klimarecht unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit, 2014, S. 88 ff.

11 Epiney, APuZ 24/2007, 31, 33 f.; Kellersmann (Fn. 7), S. 49.

12 KreuterKirchhof, Neue Kooperationsformen im Umweltvölkerrecht: Die Kyoto-Mechanismen, 2005, S. 517.

13 Kellersmann (Fn. 7), S. 48; Sands/Peel/Fabra/MacKenzie (Fn. 7), S. 246 f.

14 Halvorssen (Fn. 7), S. 30; Rajamani, RECIEL 2000, 120, 121.

15 Matsui, International Environmental Agreements: Politics, Law and Economics 2002, 151, 153; Stocker, Das Prinzip des Common Heritage of Mankind als Ausdruck des Staatengemeinschaftsinteresses im Völkerrecht, 1992, S. 32 f.; Markus, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) 2016, 715, 717.

16 Rajamani, RECIEL 2000, 120, 121; Weiss, in: Lang (Hrsg.), Sustainable Development and International Law, 1995, S. 21.

17 Dazu Odenthal, Die Umweltpflichtigkeit der Souveränität: Reichweite und Schranken territorialer Souveränitätsrechte über die Umwelt und die Notwendigkeit eines veränderten Verständnisses staatlicher Souveränität, 1998; Stocker (Fn. 15).

18 Dazu Biermann, Archiv des Völkerrechts (AVR) 1996, 426; Soltau, in: Carlarne/Gray/Tarasofsky (Hrsg.), Oxford Handbook of International Climate Change Law, 2016, S. 202 ff.

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liert worden,19 denen ein Ethos der Gemeinschaftlichkeit zugrunde liegt. Diese Tatsachen fordern von der gesamten Staatengemeinschaft eine Kooperation zum Schutze der Umwelt,20 da ohne globales Handeln „die globale Existenzbedrohung abzuwenden“21 nicht möglich ist. Insofern ist das CBDR-Prinzip auch mit dem umweltvölkerrechtlichen Kooperationsprinzip verknüpft.22

Der zweite Aspekt des CBDR-Prinzips betrifft die unterschiedlichen Verpflichtungen von Staaten. Prinzipiell verweist dieses Element auf den Umstand, dass alle Staaten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten müssen, dieser konkrete Beitrag sich von Staat zu Staat jedoch unterscheiden kann.

Hierbei spielen nachfolgende Überlegungen eine Bedeutung. Die strikte Anwendung des völkerrechtlichen Grundsatzes der souveränen Gleichheit der Staaten auch im Kontext der Verteilung von Lasten zur Förderung des Klimaschutzes würde die faktischen Ungleichheiten zwischen Staaten verleugnen und ungleichen Akteuren gleiche Lasten zuordnen.23 Dies erscheint bereits aus allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen problematisch.24 Darüber hinaus tangiert der Aspekt der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten das Spannungsfeld zwischen Entwicklung und Klimaschutz und soll zur Entladung von Konflikten in diesem Bereich führen.25 Es wird der Forderung von Entwicklungsländern Ausdruck verliehen, dass mit einen Klimaschutz keine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung einhergehen darf.26 Hier schwingt im CBDR-Prinzip der Gedanke intragenerationeller Gerechtigkeit mit.27 Schließlich prägen zwei weitere Überlegungen die Idee einer differenzierten Verantwortung: zum einen der Verursachungsbeitrag zur Klimaschädigung, und zum anderen die Möglichkeiten, auf negative Auswirkungen von Klimaveränderungen reagieren zu können.28 Diese soeben erörterten Aspekte laufen auf eine grundsätzliche Unterscheidung von Verpflichtungen für Staaten auf Grundlage ihres Entwicklungsstandes hinaus.29 Dabei sollen Industriestaaten die Führung im Klimaschutz übernehmen30 und weiterreichende Pflichten haben als die Entwicklungsländer.31

II. Niederschlag im Umweltvölkerrecht vor dem Übereinkommen von Paris

Als Geburtsstunde des CBDR-Prinzips ist die Rio-Erklärung zu benennen. Prinzip 7 dieser Erklärung hat das Prinzip zum ersten Mal ausdrücklich ausformuliert: „In view of the different contributions to global environmental degradation, States have common but differentiated responsibilities.”32

Anschließend fand es noch in Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (KRK)33 sowie Art. 10 Abs. 1 des Kyoto-Protokolls zur KRK34 Erwähnung, aber wie genau eine Differenzierung von Staatenverpflichtungen im Lichte einer gemeinsamen Verantwortung aussehen soll, wird in keinem dieser Verträge näher ausformuliert. Ein genauer Blick auf weitere multilaterale Umweltschutzverträge bietet mehr Aufschluss, da sie Vorschriften enthalten, welche den Industriestaaten durchaus weitreichende Vertragsverpflichtungen auferlegen, also doppelte Standards35 bezüglich des Klimaschutzes für Industrie- und Entwicklungsstaaten erzeugen, und die Bedürfnisse von Entwicklungsländern berücksichtigen.36

Zunächst können Industriestaaten substantielle Verpflichtungen auferlegt werden, während Entwicklungsländer keinerlei konkrete Pflichten zu bewältigen haben.37 Sofern Entwicklungsländer Handlungspflichten treffen, so ergeben sich mehrere Konstellationen. Sie erhalten entweder eine weitaus weniger scharfe Verpflichtung als Industriestaaten38 oder ihnen wird für die Umsetzung eine längere Frist als den entwickelten Ländern eingeräumt.39 Außerdem kann der Umfang der zu leistenden Pflichten auch von der Erfüllungshilfe der Industriestaaten abhängig gemacht werden.40 Eine Unterstützung der Entwicklungsländer kann hierbei


19 KreuterKirchhof (Fn. 12), S. 521; French, International Comparative Law Quarterly (ICLQ) 2000, 35, 45 f.

20 Sands/Peel/Fabra/MacKenzie (Fn. 7), S. 244 f.; Perrez, Cooperative Sovereignty: from Independence to Interdependence in the Structure of International Environmental Law, 2000, S. 259.

21 Kellersmann (Fn. 7), S. 49.

22 KreuterKirchhof (Fn. 12), S. 521; Monien, Prinzipien als Wegbereiter eines globalen Umweltrechts? Das Nachhaltigkeits-, Vorsorge- und Verursacherprinzip im Mehrebenensystem, 2014, S. 186; Magraw/Hawke, in: Bodansky/Bruneé/Hey (Hrsg.), Oxford Handbook of International Environmental Law, 2007, S. 630; Rajamani, RECIEL 2000, 120, 121.

23 Halvorssen (Fn. 7), S. 75.

24 Cullet, Differential Treatment in International Environmental Law, 2003, S. 10.

25 Dupuy/Viñuales (Fn. 9), S. 73.

26 Härtel, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus – Föderalismus als demokratische Rechtsordnung und Rechtskultur in Deutschland, Europa und der Welt, Band IV: Föderalismus in Europa und der Welt, 2012, § 108 Rn. 13; Monien (Fn. 22), S. 181; ausführlich: Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, 1996.

27 Hey, Advanced Introduction to International Environmental Law, 2016, S. 69; Nanda/Pring, International Environmental Law and Policy for the 21st Century², 2012, S. 42.

28 Bartholomäi, Sustainable Development und Völkerrecht: Nachhaltige Entwicklung und intergenerative Gerechtigkeit in der Staatenpraxis, 1997, S. 257; Rajamani, RECIEL 2000, 120, 121; Sands/Peel/Fabra/MacKenzie (Fn. 7), S. 244.

29 Cullet (Fn. 24), S. 45 f.; Kellersmann (Fn. 7), S. 49; KreuterKirchhof (Fn. 12), S. 523, 525.

30 In Prinzip 7 der Rio-Erklärung anerkannt; Kellersmann (Fn. 7), S. 52; Rajamani, RECIEL 2000, 120, 122.

31 Beyerlin/Marauhn, International Environmental Law, 2011, S. 64.

32 Prinzip 7 der Rio-Erklärung.

33 United Nations Framework Convention on Climate Change, 1771 UNTS 107; S. Treaty Doc No. 102-38; U.N. Doc. A/AC.237/18 (Part II)/Add.1; 31 ILM 849 (1992).

34 Kyoto Protocol to the United Nations Framework Convention on Climate Change, UN Doc FCCC/CP/1997/7/Add.1, Dec. 10, 1997; 37 ILM 22 (1998).

35 Cullet, Transnational Environmental Law 2016, 305, 324; Kritisch: Matsui, International Environmental Agreements: Politics, Law and Economics 2002, 151, 156.

36 Prinzipien 6 und 11 Rio-Erklärung; Präambel der KRK; Art. 207 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen; Art. 2 Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht; Art. 10 Abs. 4 Baseler Giftmüllübereinkommen; Art. 11 Abs. 7 lit. d Mondvertrag.

37 So etwa Art. 2 und 3 des Kyoto-Protokolls.

38 Schärfere Pflichten sind für Industriestaaten in Art. 4 Abs. 2 KRK und für OECD-Staaten in Art. 4 Abs. 3 bis 5 KRK geregelt; Vorreiterrolle der Industriestaaten in Art. 3 Abs. 1 KRK ausgedrückt.

39 Art. 5 Montrealer Protokoll zum Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (Montrealer Protokoll).

40 Art. 4 Abs. 7 KRK; Art. 5 Wüstenkonvention; Art. 5 Abs. 5 Montrealer Protokoll; Art. 20 Abs. 4 Biodiversitätskonvention; Art. 10 Abs. 3 Baseler Giftmüllkonvention.

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sowohl auf finanzieller Ebene41 als auch durch den Transfer von Technologie42 erfolgen. Schließlich ist auch Hilfe im Bereich des Ausbaus von Kapazitäten möglich.43

Das CBDR-Prinzip erhält somit den Status eines Verteilungsschlüssels im Umweltvölkerrecht.

III. Bedeutung des CBDR-Prinzips für das Umweltvölkerrecht

Das CBDR-Prinzip hat indes eine beträchtliche Bedeutung. Zwar ist sein konkreter rechtlicher Status nach wie vor umstritten,44 häufig wird es aber, in Anlehnung an die Prinzipientheorie von Dworkin,45 rechtstechnisch als Prinzip aufgefasst.46 Ihm wird insoweit eine robuste Position im Umweltvölkerrecht eingeräumt;47 eine normative Wirkung des Prinzips wird ausdrücklich anerkannt.48

Dabei hat das CBDR-Prinzip mehrere wichtige Auswirkungen. Zunächst erstellt es ein materielles Leitbild von internationaler Zusammenarbeit,49 da es mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten bricht,50 dadurch aber die Möglichkeit verstärkter internationaler Zusammenarbeit eröffnet, sodass der Kooperation im Umweltvölkerrecht eine herausragende Stellung beigemessen wird. Da das CBDR-Prinzip außerdem auf die individuellen Umstände der Staaten abstellt, nimmt es fortgehend Bezug zu den sich ändernden sozio-ökonomischen Umständen und erhält dadurch eine dynamische, entwicklungsoffene Komponente.51 Da das internationale Klimaschutzrecht von Beginn an auf eine graduelle Entwicklung ausgelegt war,52 dient die dem CBDR-Prinzip zugrunde liegende Dynamik einer solchen Weiterentwicklung. Schließlich beeinflusst das CBDR-Prinzip Vertragsverhandlungen und bedingt die Auslegung von Verträgen53.

Die dem CBDR-Prinzip insgesamt innewohnende Gestaltungskraft wird auch durch den Begriff des „normdirigierenden Prinzips“54 verdeutlicht.

IV. Zusammenfassung

Das CBDR-Prinzip verweist auf die zwingend erforderliche internationale Kooperation im Umweltvölkerrecht und ermöglicht eine vertiefte, schrittweise zustande kommende Zusammenarbeit zwischen Staaten. Der aktuellste dieser Schritte ist das Übereinkommen von Paris, welches sich, wie sogleich aufgezeigt wird, vollständig im Lichte des CBDR-Prinzips bewegt.

C. Das Übereinkommen von Paris als Ausdruck des Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten

Das PÜ wurde am 12.12.2015 auf der 21. Konferenz der Parteien zur KRK in Paris verabschiedet. Da es schon weniger als ein Jahr später, am 4.11.2016, in Kraft trat,55 wurde damit ein wichtiger Impuls in Richtung eines effektiven Klimaschutzes angestoßen. Mittlerweile haben von den 197 Signatarstaaten 183 das Abkommen ratifiziert.56 Darunter befinden sich auch alle wichtigen Industrie- und Schwellenländer.57 Lediglich die Vereinigten Staaten von Amerika haben am 4.8.2017 offiziell ihren Austritt aus dem PÜ erklärt.58

Art. 2 Abs. 2 PÜ bezieht sich ausdrücklich auf das CBDR-Prinzip: „This Agreement will be implemented to reflect equity and the principle of common but differentiated responsibilities and respective capabilities, in the light of different national circumstances.”59


41 Art. 10 Montrealer Protokoll; Art. 4 Abs. 3, Art. 4 Abs. 4 KRK, den Finanzierungsmechanismus regelt Art. 11 KRK; das Kyoto-Protokoll bestätigt diese Verpflichtung in Art. 11 Abs. 2 lit. a und lit. b; Art. 5 Abs. 3 Montrealer Protokoll; Art. 20 Abs. 2, 21 Biodiversitätskonvention.

42 Prinzip 9 Rio-Erklärung; Art. 4 Abs. 5, 4 Abs. 7 KRK; Art. 16 Abs. 2, 19 Abs. 1 und 2 Biodiversitätskonvention; Art. 8 Internationaler Vertrag für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft; Art. 10, 5 Abs. 2 Montrealer Protokoll.

43 Art. 13 Abs. 2 lit. c Internationaler Vertrag für pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft.

44 Cullet (Fn. 24), S. 86 ff.; Cullet, in: Viñuales (Hrsg.), The Rio Declaration on Environment and Development: A Commentary, 2015, S. 236; Deleuil, Review of European, Comparative & International Environmental Law (RECIEL) 2012, 271, 274 ff.; Gappa (Fn. 10), S. 110, 127 f.; Honkonen, The common but differentiated responsibility principle in multilateral environmental agreements: regulatory and policy aspects, 2009, S. 297; Honkonen, Review of European, Comparative & International Environmental Law (RECIEL) 2009, 257, 258; Rajamani, Differential Treatment in International Environmental Law, 2006, S. 158; Rajamani, RECIEL 2000, 120, 124.

45 Zu Prinzipien im Recht: Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 29 ff.

46 So Beyerlin/Marauhn (Fn. 31), S. 70; Glass, Die gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortlichkeit als Bestandteil eines umweltvölkerrechtlichen Prinzipiengefüges: Konkretisierungsvorschläge für künftige Übereinkommen zum Schutz globaler Umweltgüter, 2008, S. 22; Schröter, Strukturprinzipien des Umweltvölkerrechts und ihr Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels, 2015, S. 249.

47 Joyner, C. (2002). Remarks by Christopher C. Joyner. Proceedings of the ASIL Annual Meeting, 96, 358 f.

48 Deleuil, RECIEL 2012, 271, 276; Matsui, International Environmental Agreements: Politics, Law and Economics 2002, 151, 166; So auch: Boisson/MaljeanDubois, Jurisclasseur Environnement et Développement Durable 2016, 1, 13 f.

49 Kellersmann (Fn. 7), S. 52.

50 Kellersmann (Fn. 7), S. 35 ff.; KreuterKirchhof (Fn. 12), S. 538; Stone, American Journal of International Law (AJIL) 2004, 276, 276 ff.; a.A.: Jahrmarkt, Internationales Klimaschutzrecht: Der Weg zu einem Weltklimavertrag im Sinne gemeinsamer, aber differenzierter Verantwortlichkeit, 2016, S. 315; Beyerlin/Marauhn (Fn. 31), S. 63.

51 Gappa (Fn. 10), S. 88; KreuterKirchhof (Fn. 12), S. 538 f., 558; Carlarne/Gray/Tarasofsky in: Carlarne/Gray/Tarasofsky (Hrsg.), Oxford Handbook of International Climate Change Law, 2016, S. 15; so auch French, ICLQ 2000, 35, 49 f.

52 Schiele, Evolution of International Environmental Treaties: The Case of Climate Change, 2014, S. 102.

53 French, ICLQ 2000, 35, 41.

54 Vitzthum/Proelß, Völkerrecht⁷, Abschnitt 5, Rn. 99.

55 Secretary-General of the United Nations, Paris Agreement, Paris, 12 December 2015, Entry into Force, C.N.735.2016.TREATIES-XXVII.7.d (Depositary Notification).

56 Stand: 1.11.2018, siehe: https://unfccc.int/process/the-paris-agreement/status-of-ratification (letzter Zugriff: 1.11.2018).

57 Germanwatch, Wendepunkt auf dem Weg in eine neue Epoche der globalen Klima- und Energiepolitik – Die Ergebnisse des Pariser Klimagipfels COP 21, 2016, S. 4.

58 Siehe https://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2017/08/273050.htm (letzter Zugriff: 10.11.2018).

59 Art. 2 Abs. 2 PÜ.

Sebis, Das Übereinkommen von Paris und das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten95

I. Gemeinsame Verantwortlichkeit

Bereits die Menge an Signatarstaaten und Ratifizierungen verdeutlicht, dass dieses Abkommen insgesamt ein globales Übereinkommen60 ist und deshalb jeden Staat in seinen Wirkungsbereich einbeziehen will.61 Die Präambel des PÜ bestätigt ausdrücklich, dass der Schutz des Klimas ein gemeinsames Anliegen der Menschheit ist.62 Insoweit sind auch alle Staaten an die Erreichung des Ziels einer globalen Erwärmungsobergrenze aus Art. 2 Abs. 1 PÜ – aufgrund der (umstrittenen) Rechtsverbindlichkeit des PÜ63 – gebunden. Außerdem müssen alle Staaten gemäß Art. 3 PÜ Selbstverpflichtungen (Nationally Determined ContributionsNDCs) übermitteln und diese ab 2020 alle fünf Jahre intensivieren.64 Darüber hinaus kommt in der durch die Industriestaaten zur Umsetzung des Vertrages zugesicherten Unterstützung für die Entwicklungsländer der Gedanke globaler Solidarität zum Ausdruck.65 Eine „solidarspezifische Bindung und Rückbindung der Pflichten an das gemeinsame Ziel“66 liegt vielen umweltvölkerrechtlichen Verträgen67 zugrunde und verdeutlicht das im PÜ errichtete „Solidarpaket“.68

Insgesamt drückt das PÜ die gemeinsame Verantwortlichkeit im Sinne einer Global Partnership69 deutlich aus.

II. Differenzierte Verantwortlichkeit

Das differenzierende Element des CBDR-Prinzips findet auf mehreren Ebenen Ausdruck,70 wobei sich die Zuteilung von Pflichten staaten- und themenspezifisch an faktischen Bedürfnissen und Kapazitäten orientiert statt an einer abstrakten Kategorisierung.71 Zwar spielen Staatenkategorien noch eine gewisse Rolle,72 allerdings werden diese nirgends definiert.73 Unter anderem wird dies als „prinzipienbasierte“ Herangehensweise an das CBDR-Prinzip aufgefasst.74 Nachfolgend werden im Überblick diejenigen Abschnitte des Übereinkommens von Paris untersucht, die sich der Differenzierung von Verpflichtungen maßgeblich widmen.

1. Reduzierung der Emissionen

Art. 4 bis 6 PÜ behandeln die Reduktionsverpflichtungen der Staaten. Diese sind, im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll, nicht spezifisch vorgegeben.75 Das bedeutet, dass jeder Staat grundsätzlich selbst über den zu leistenden Beitrag disponieren kann.76 Art. 4 PÜ enthält dabei eine Reihe von Verhaltensstandards, welche die Ausgestaltung der Selbstverpflichtung in ein Korsett schnüren.77 Indes entfalten die eingereichten NDCs für Staaten verbindliche Wirkung.78

Völkerrechtlich geschuldet sind gemäß Art. 3, 4 Abs. 2 PÜ die Definition und Konkretisierung des eigenen Klimaschutzbeitrages.79 Diese Verpflichtungen sollen immer die höchsten möglichen Anstrengungen der Parteien widerspiegeln, Art. 4 Abs. 3 PÜ, und dies „in the light of different national circumstances.“80 Letztere Wendung ist ein Zusatz zum CBDR-Prinzip und geht auf die gemeinsame Stellungnahme der Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China zum Klimawandel81 zurück82 und könnte die Einbeziehung zusätzlicher Kriterien zur Bestimmung, wie die höchst mögliche Anstrengung eines Staates aussehen kann, möglich machen.83

Diese allgemein gültigen Verpflichtungen werden darüber hinaus von differenzierenden Vorschriften flankiert, die den Entwicklungsländern zugutekommen. In Art. 4 Abs. 1 PÜ wird den Entwicklungsländern eine längere Zeitspanne zum Erreichen des Emissionshöhepunktes zugesprochen.84 Die Einreichung von sukzessiv ambitionierteren Selbstverpflichtungen wird für Entwicklungsländer durch Art. 4 Abs. 5 PÜ unter den Vorbehalt der Unterstützung durch Industriestaaten gestellt.

2. Anpassung

Auch in den Vorschriften zur Anpassung nach Art. 7, 8 PÜ haben alle Staaten zunächst gleiche Obliegenheiten. Art. 7 Abs. 1 PÜ fordert von der gesamten Staatengemeinschaft eine Anpassung an den Klimawandel, den Ausbau adaptiver Kapazitäten sowie die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit


60 Christoff, Environmental Politics 2016, 765, 780 f.; KreuterKirchhof, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2017, 97, 98.

61 Jahrmarkt (Fn. 50), S. 275.

62 Präambel des PÜ: „Acknowledging that climate change is a common concern of humankind […].”.

63 Christoff, Environmental Politics 2016, 765, 775; Jahrmarkt (Fn. 50), S. 264; ausführlich zur Rechtsnatur des PÜ: Bodansky, Review of European, Comparative & International Environmental Law (RECIEL) 2016, 142 ff.; Franzius, FEU Research Paper No. 3/2017, S. 1 ff.; Nückel, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2017, 525 ff.

64 Der verpflichtende Fünfjahresrhythmus wird in Art. 4 Abs. 9 PÜ eingeführt, die Steigerung der Bemühungen in Art. 4 Abs. 3 PÜ; der Beginn der nächsten Verpflichtungsperiode beginnend ab 2020 ist in Art. 23, 24 der Annahme des Übereinkommens von Paris, Konferenz der Vertragsparteien zur KRK, 21. Sitzung, UN Doc. FCCC/CP/2015/10/Add. 1 (Entscheidung 1/CP.21) geregelt.

65 Barrett, in: Stavins/Stowe (Hrsg.), The Paris Agreement and Beyond: International Climate Change Policy Post-2020, Harvard Project on Climate Agreements, 2016, S. 78; KreuterKirchhof, DVBl 2017, 97, 102 f.

66 Frauenkron, Das Solidaritätsprinzip im Umweltvölkerrecht, 2008, S. 390.

67 Ibid.

68 Germanwatch (Fn. 57), S. 11 ff.

69 Prinzip 7 der Rio-Erklärung: „States shall cooperate in a spirit of global partnership […].”.

70 So MaljeanDubois, Review of European, Comparative & International Environmental Law (RECIEL) 2016, 151, 156 f.

71 KreuterKirchhof, DVBl 2017, 97, 100 f.

72 Franzius, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2017, 515, 518.

73 MaljeanDubois, RECIEL 2016, 151, 156; Rajamani, International and Comparative Law Quarterly (ICLQ) 2016, 493, 513; Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 294.

74 Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 294.

75 Böhringer, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) 2016, 753, 761; Jayaraman, Review of Agrarian Studies 2015, 42, 51 f.; Nückel, ZUR 2017, 527 ff.; Sands/Peel/Fabra/MacKenzie (Fn. 7), S. 322.

76 Falkner, International Affairs 2016, 1107, 1115; Klinsky et al., Global Environmental Change 2016, 170, 170 f.; Markus, ZaöRV, 715, 746; Mayer, Revue juridique de l’environnement 2016, 13, 15.

77 Frank, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2016, 352, 355; Voigt, Questions of International Law (QIL) Zoom-in 26, 2016, 17, 19 f.

78 Frank, (ZUR) 2016, 352, 355.

79 Morgenstern/Dehnen, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2016, 131, 134; Rajamani, ICLQ 2016, 493, 498

80 Art. 4 Abs. 3 PÜ.

81 Verfügbar unter https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/2014/11/11/us-china-joint-announcement-climate-change (letzter Zugriff: 2.11.2018).

82 Bodansky, American Journal of International Law (AJIL) 2016, 288, 299; MaljeanDubois, RECIEL 2016, 151, 153.

83 MaljeanDubois, RECIEL 2016, 151, 153 f.

84 Doelle, Climate Law 2016, 1, 7.

Sebis, Das Übereinkommen von Paris und das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten96

gegenüber negativen Klimaeinflüssen. Zudem muss jede Partei Informationen bezüglich der getroffenen Anpassungsmaßnahmen kommunizieren, Art. 7 Abs. 10 PÜ.

Entwickelte Staaten werden in Art. 7 PÜ indes nicht erwähnt, es werden nur Regelungen zugunsten von Entwicklungsstaaten niedergelegt.85 Bezüglich der Informationspflichten profitieren sie gemäß Art. 7 Abs. 10 PÜ zunächst davon, dass die periodischen Berichte für sie keine unverhältnismäßige Bürde darstellen dürfen. Art. 7 Abs. 6 PÜ bekräftigt, dass im Rahmen von Unterstützung und internationaler Zusammenarbeit besonders auf Entwicklungsstaaten geachtet werden muss. Außerdem wird in Art. 7 Abs. 13 PÜ dauerhafte Hilfe für Entwicklungsstaaten zur Erfüllung von Art. 7 PÜ gefordert.

3. Erfüllungshilfe

Bereits Art. 3 PÜ zeigt auf, dass Entwicklungsstaaten zur Erfüllung der Verpflichtungen des Übereinkommens Unterstützung benötigen. Eine solche Unterstützung wird an diversen Stellen des PÜ wiederholt, erfährt durch die Vorgaben finanzieller und technologischer Unterstützung für die Entwicklungsländer in Art. 9 und 10 PÜ jedoch den deutlichsten Ausdruck.

Insbesondere Art. 9 PÜ fällt dabei aufgrund seiner asymmetrischen Pflichtenverteilung ins Gewicht, denn nach Art. 9 Abs. 1 PÜ sind primär entwickelte Staaten dazu verpflichtet, Entwicklungsländern bei der Emissionsreduzierung und Anpassung finanziell beizustehen. Art. 9 Abs. 2 PÜ ermutigt darüber hinaus weitere Staaten, an der Klimafinanzierung teilzuhaben. Dies ist eine interessante Neuentwicklung im Vergleich zu vorangegangenen Klima- und Umweltschutzinstrumenten, da nun auch andere Vertragsparteien auf freiwilliger Basis zur Finanzierung beitragen können.86

Im Ergebnis enthalten die Vorschriften zur finanziellen Unterstützung die deutlichste Zweiteilung der Staatengemeinschaft und zugleich die geringsten Neuerungen im Vergleich zur KRK.

4. Transparenz- und Überprüfungssystem

Um die Durchsetzung der NDCs sowie der Klimaschutzbemühungen zu ermöglichen, wird im PÜ ein ausführliches Kontrollsystem eingeführt.87 Dabei findet eine Überprüfung staatlicher Maßnahmen auf mehreren Ebenen statt.

Zunächst ist in Art. 13 PÜ ein umfassendes Transparenzsystem vorgesehen, welches zu Vertrauen zwischen den Staaten und Öffentlichkeitsbeteiligung führen soll. Allerdings ist es in diesem Zusammenhang schwerer, eine differenzierte Behandlung von Staaten zu rechtfertigen. Ziel dieser Vorschriften ist es nämlich, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen,88 was durch unterschiedliche Pflichten unterminiert würde.89 Nichtsdestotrotz werden die Bedürfnisse weniger entwickelter Staaten weiterhin berücksichtigt. So sollen etwa unverhältnismäßige Bürden für Staaten vermieden werden, Art. 13 Abs. 3 PÜ. Außerdem wird denjenigen Parteien Flexibilität bezüglich ihrer Pflichten eingeräumt, die eine solche benötigen.90 Entwickelte Staaten müssen Bericht über die von ihnen gewährte technologische und finanzielle Hilfe ablegen, während Staaten, die eine solche Hilfe freiwillig im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 PÜ bieten, Berichte abgeben können, Art. 13 Abs. 9 PÜ.

Außerdem werden die im Rahmen des Transparenzsystems eingereichten Informationen von einem technischen Expertengremium überprüft, Art. 13 Abs. 11 f. PÜ. Dieses Gremium soll den bisherigen Grad der Umsetzung der NDCs überprüfen, Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen und die Beständigkeit der bereitgestellten Informationen verfolgen.91 Außerdem soll denjenigen Entwicklungsländern, die es benötigen, Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten geboten werden, Art. 13 Abs. 11 PÜ. Laut Art. 13 Abs. 12 PÜ soll die Überprüfung schließlich unter Berücksichtigung der Kapazitäten der jeweiligen Staaten erfolgen. Darüber hinaus richten Art. 14, 15 PÜ ein Überprüfungs- und Vertragseinhaltungssystem ein, in dessen Rahmen Prüfungen laut Art. 14 Abs. 1 PÜ auf eine gerechte Weise („in the light of equity“) stattfinden sollen.

Das genaue Verhältnis zwischen diesen Überprüfungsmechanismen ist noch nicht genau geklärt und bedarf daher einer genaueren Konturierung durch nachfolgende Konferenzen,92 doch auch hier deutet sich an, dass den besonderen Bedürfnissen der Entwicklungsländer Rechnung getragen und ihnen Unterstützung geboten wird.

III. Die Dynamik des CBDR-Prinzips

Die soeben betrachteten Mechanismen des Übereinkommens von Paris dürfen allerdings nicht einzeln betrachtet werden, sondern ergeben erst im Zusammenhang ein stimmiges Gesamtwerk, das auf einen effizienten Klimaschutz ausgerichtet ist. Dabei bedingen sich die Elemente der NDCs, des Transparenzsystems und der Überwachung gegenseitig und führen zu einem sich ständig weiterentwickelnden, dynamischen Mechanismus,93 dessen eingebaute Nichtrückschrittsklausel94 eine graduelle Verbesserung des Klimaschutzes zum Ziel hat. Bottom-up-Elemente der NDCs werden durch Top-down-Elemente des strengen Überwachungssystems ergänzt.95


85 Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 299.

86 Castro, Transnational Environmental Law (TEL) 2016, 379, 383; Doelle, Climate Law 2016, 1, 15; Germanwatch (Fn. 57), S. 11, 18; Rajamani, ICLQ 2016, 493, 512; Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 299.

87 Doelle, Climate Law 2016, 1, 2 f.; Franzius, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2017, 515, 519 f.; Sands/Peel/Fabra/MacKenzie (Fn. 7), S. 322, 330.

88 Falkner, International Affairs 2016, 1107, 1116; Jacoby/Chen/Flannery, Transparency in the Paris Agreement, MIT Joint Program on the Science and Policy of Global Change, Report 308, 2017, S. 4.

89 Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 300.

90 Art. 13 Abs. 2, 3 PÜ.

91 Art. 13 Abs. 12 PÜ.

92 Bodansky, AJIL 2016, 288, 313.

93 Morgenstern/Dehnen, ZUR 2016, 131, 137; Voigt, Review of European, Comparative & International Environmental Law (RECIEL) 2016, 161, 169; Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 303.

94 Böhringer, ZaöRV 2016, 753, 762.

95 Amelung, Das „Paris-Agreement“: Durchbruch der Top-Down-Klimaschutzverhandlungen im Kreise der Vereinten Nationen, Otto-Wolff-Discussion-Paper Nr. 03/2016, S. 40; Böhringer, ZaöRV 2016, 753, 762; Castro, TEL 2016, 379, 383; Falkner, International Affairs 2016, 1107, 1120; Jahrmarkt (Fn. 50), S. 265; Rajamani, ICLQ 2016, 493, 502, 511; Savaresi, University of Edinburgh School of Law Research Paper 2016/03, 1, 6; Schlacke, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2016, 65, 66.

Sebis, Das Übereinkommen von Paris und das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten97

Insofern bedingen sich die Mechanismen des Übereinkommens von Paris gegenseitig, das verbindende Element ist das CBDR-Prinzip. Ausgedrückt durch eine nuancierte Selbstdifferenzierung der staatlichen Verpflichtungen96 sowie einen hohen Grad an Solidarität zwischen den entwickelten Staaten und Entwicklungsländern legt es die Voraussetzungen für eine global angemessene, fortschreitende Weiterentwicklung des Klimaschutzes und ist damit das Drehmoment für die Dynamisierung des Klimaschutzregimes. Im Übrigen wurde die strikte Dichotomie, die noch im Kyoto-Protokoll vorherrschte, aufgegeben97 und durch eine fließende Herangehensweise abgelöst.98

Diese Umsetzung des CBDR-Prinzips wird in der Literatur teils als Weiterentwicklung des CBDR-Prinzips angesehen,99 teils als Neuinterpretation,100 teils wird behauptet, das PÜ fände keine Lösung bezüglich des Problems der Lastenteilung.101 Auf jeden Fall zeigt sich in der Dynamik des PÜ102 die dynamische, entwicklungsoffene Komponente des CBDR-Prinzips und die wichtige Rolle, die es in der Weiterentwicklung des internationalen Klimaschutzrechts einnimmt.

D. Zusammenfassung

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das gesamte PÜ durch das CBDR-Prinzip geleitet wird.103 Die Selbstdifferenzierung, umfangreiche Erfüllungshilfe sowie vielfältigen Erleichterungen für Entwicklungsländer können zu einer sehr feingliedrigen Zuteilung von Pflichten unter dem gemeinsamen Ziel des Klimaschutzes führen. Dabei werden sowohl das gemeinsame als auch das differenzierende Element des CBDR-Prinzips deutlich hervorgehoben. Die durchgehende und abgestufte Anwendung des CBDR-Prinzips bricht mit der bisher lediglich binären Struktur des Klimaregimes und leitet ein multipolares, fließendes Verhältnis zwischen Staaten ein. Seit der Resolution Problems of the Human Environment hat sich im internationalen Klimaschutzrecht viel bewegt, doch das Übereinkommen von Paris, das CBDR-Prinzip umfassend anwendend und anerkennend, stellt den bislang zukunftsweisendsten und differenziertesten Meilenstein dieser Entwicklung dar.


96 Huggins/Karim, Transnational Environmental Law (TEL) 2016, 427, 428; Morgenstern/Dehnen, ZUR 2016, 131, 133; Rajamani, ICLQ 2016, 493, 513; Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 301.

97 Castro, TEL 2016, 379, 382.

98 Bodansky, AJIL 2016, 288, 300.

99 KreuterKirchhof, DVBl 2017, 97, 100.

100 Bodansky, AJIL 2016, 288, 300; Rajamani, ICLQ 2016, 493, 509; Sands/Peel/Fabra/MacKenzie (Fn. 7), S. 322.

101 Schlacke, ZUR 2016, 66.

102 Dagnet\slash Waskow\slash Elliott\slash Northrop\slash Thwaites\slash Mogelgaard\slash Krnjaic\slash Levin\slash McGray, Staying on Track from Paris: Advancing the Key Elements of the Paris Agreement, World Resources Institute, 2016, S. 43; Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 303.

103 MaljeanDubois, RECIEL 2016, 151, 156; Voigt/Ferreira, TEL 2016, 285, 303.