Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten

Karen Varón Romero*

A. Einführung

Die Schiedsgerichtsbarkeit hat in den vergangenen Jahren nicht zuletzt auf Grund von TTIP und CETA einiges an Kritik einstecken müssen. Von „Schatten-“ oder „Paralleljustiz“ ist oft die Rede, wenn darüber berichtet wird, dass Streitigkeiten anstatt vor einem staatlichen Gericht vor privaten Entscheidungsorganen ausgetragen werden.1

Während die Öffentlichkeit diese Art der außergerichtlichen Streitbeilegung inzwischen vor allem auf Grund der negativen und teilweise gar reißerischen Berichterstattung geradezu dämonisiert,2 erfreut sie sich in (internationalen) Wirtschaftskreisen hingegen einer großen und steigenden Beliebtheit.3 Dennoch existieren nach wie vor Bereiche wirtschaftsrechtlicher Streitigkeiten, in denen der Erfolgszug der Schiedsgerichtsbarkeit teilweise noch auf Widerstand stößt. Dies trifft zum Teil auf das Patentrecht zu. Anknüpfungspunkt der Diskussion ist dabei die Frage, ob solche Streitigkeiten, die unmittelbar oder mittelbar die Nichtigkeit von Patenten betreffen, überhaupt schiedsfähig sind.4 In Deutschland scheint die Debatte um diese Frage zuletzt etwas zum Erliegen gekommen zu sein. Aktuelle Entwicklungen im Rahmen des europäischen Patentrechts könnten sie allerdings erneut anfachen: Nach Jahrzehnte währenden Bemühungen steht die Einführung eines einheitlichen europäischen Patentsystems allem Anschein nach kurz bevor.5

Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, den Einfluss dieser aktuellen Entwicklungen auf die Diskussion um die Schiedsfähigkeit von Patentnichtigkeitsstreitigkeiten zu untersuchen. Dazu wird zunächst das europäische Patentsystem in seiner zukünftigen Ausgestaltung durch das einheitliche Patentsystem (B.) näher beleuchtet. Sodann wird beurteilt, wie sich mit der Einführung solcher europäischen Einheitspatente die Diskussion um die Schiedsfähigkeit sowohl für die Einheitspatente als auch für die der bestehenden nationalen Patente erneut und in teilweise anderer Einkleidung stellen wird (C.).

B. Das zukünftige europäische Einheitspatentsystem

Das Patentrecht ist traditionell stark von (zwingenden) Erwägungen des nationalen Rechts sowie vom Territorialitätsgrundsatz6 geprägt. Mit voranschreitender Globalisierung hat sich das jedoch als nachteilig erwiesen, da international tätige Unternehmen sich zunehmend mit dem Problem konfrontiert sahen, sich für grenzüberschreitenden Patentschutz stets auf die oft kostspieligen, komplizierten und langwierigen nationalen Verfahren der Patenterteilung einlassen zu müssen. Um diese Hindernisse zu beseitigen und auch um die nationalen Schutzstandards einheitlicher zu gestalten, ist die europäische Zusammenarbeit im Bereich des Patentschutzes immer weiter vorangetrieben worden.7

Angestrebt wurde einerseits die Schaffung nicht nur einheitlich erteilter, sondern auch einheitlich wirkender Patente, andererseits die Schaffung eines gemeinsamen Gerichtssystems, um den Gefahren auseinanderdriftender nationaler Rechtsprechung entgegenzutreten. Die zahlreichen Versuche der EU, diese Wünsche zu erfüllen, waren in der Vergangenheit jedoch nicht von Erfolg gekrönt.8 Nun scheint das Ziel eines Einheitspatentsystems aber zum Greifen nahe: Das neue europäische sog. Unitary Patent Package9 bestehend aus einem Einheitspatent sowie einem Europäischen Einheitspatentgericht steht in den Startlöchern.

I. Das Einheitspatent

1. Rechtsgrundlagen und Entstehungsgeschichte

Nachdem eine im Jahr 2009 gestartete neue Initiative zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Patentschutzsystems erneut am Widerstand einiger Staaten zu scheitern drohte,10 entschloss man sich, das System auf den Einsatz des Mechanismus der sog. „Verstärkten Zusammenarbeit“ nach Art. 20 EUV i.V.m. Art. 118, 326 ff. AEUV zu stützen und so zumindest für die teilnahmewilligen Staaten aufzubauen.11 Umgesetzt wurde diese Verstärkte Zusammenarbeit daraufhin in der sog. Einheitspatentverordnung12 sowie in der Verordnung über die anzuwendenden Übersetzungsregelungen13. Beide Verordnungen sind zwar bereits entsprechend Art. 18 I EPVO bzw. Art. 7 I ESPVO am 20.01.2013 in Kraft getreten,14 aber gemäß Art. 18 II bzw. Art. 7 II noch nicht gültig, da das Patentgerichtsübereinkommen seinerseits noch nicht in Kraft getreten ist.15


* Die Autorin ist Studentin der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Vgl. Risse, SchiedsVZ 2014, 265, 266.

2 Vgl. Risse, SchiedsVZ 2014, 265, 266.

3 Burger-Scheidlin, in: Torggler (Hrsg.), Praxishandbuch Schiedsgerichtsbarkeit, 2007, Einleitung Rn. 5 f.

4 Vgl. statt vieler: Holzner, Die objektive Schiedsfähigkeit von Immaterialgüterrechtsstreitigkeiten, 2001, S. 20.

5 Zurzeit geht man davon aus, dass das einheitliche Patentsystem im Laufe des Jahres 2018 starten wird; https://www.epo.org/law-practice/unitary/unitary-patent/start_de.html (zuletzt abgerufen am 28.04.2018).

6 Siehe beispielhaft aus der deutschen Rechtsordnung: BGH, GRUR 1968, 195, 196 – Voran.

7 Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2009, Rn. 51 ff.; Osterrieth, Patentrecht, 2015, Rn. 126 ff.

8 Vgl. Luginbühl, GRUR Int 2013, 305 f.

9 Statt vieler: McMahon, IIC 2017, 42.

10 Vgl. Luginbühl, GRUR Int 2013, 305, 306.

11 Vgl. Osterrieth (Fn. 7), Rn. 188 ff.; Eck, GRUR Int 2014, 114 f. Teilnehmende Staaten sind derzeit alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Spanien und Kroatien: https://www.epo.org/law-practice/unitary/unitary-patent/legal-framework_de.html (zuletzt abgerufen am 28.04.2018).

12 Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, ABl. EU 2012 L 361, S. 1. Zitiert als: EPVO.

13 Verordnung (EU) Nr. 1260/2012 vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit bei der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen, ABl. 2012 EU L 361, S. 89. Zitiert als: EPSVO.

14 Haberl/Schallmoser, GRUR Prax 2013, 1.

15 Genaueres dazu unter Abschnitt B. II. 1.

Varón Romero, Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten49

2. Erteilung und Wirkungen

Offiziell trägt das Einheitspatent den Namen „europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“, Art. 2 c) EPVO. Aus diesem Begriff ergeben sich unmittelbar dessen wesentliche Erteilungsvoraussetzungen und Merkmale: Erstens ist das Einheitspatent im Kern ein (klassisches) europäisches Patent16, und zweitens hat es einheitliche Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten.

a) Europäisches Patent als Ausgangspunkt

Wie Art. 3 I EPVO statuiert, bildet die Erteilung eines klassischen europäischen Patents den Ausgangspunkt für den Erhalt eines Einheitspatents.17 Aus der Regelung ergibt sich jedoch zugleich, dass nicht jedes europäische Patent für die „Entwicklung“ zum Einheitspatent taugt, sondern dass notwendig zwei wichtige Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Zum einen muss das Patent bereits für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten erteilt worden sein. Das bedeutet für den Patentanmelder, dass er bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung Patentschutz in allen Teilnahmestaaten der EPVO begehren muss, um sich die Option der einheitlichen Wirkung offen halten zu können. Zum anderen muss die Erteilung mit den gleichen (Patent-)Ansprüchen erfolgt sein.18 Die einheitliche Wirkung erhält das Patent schließlich erst und auch nur dann, wenn der Inhaber innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt einen darauf gerichteten Antrag stellt,19 diesem stattgegeben und die einheitliche Wirkung eingetragen wird.20

b) Einheitliche Wirkung

Wie schon der Name deutlich werden lässt, ist das zweite wesentliche Merkmal des neuen Einheitspatents seine einheitliche Wirkung in den Teilnehmerstaaten. Doch was ist unter „einheitlicher Wirkung“ genau zu verstehen?

Zunächst ist darunter gemäß Art. 3 II, 5 II EPVO zu verstehen, dass das Patent einheitlichen Schutz bietet, d.h. der Umfang des Rechts und seine Beschränkungen in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten gleich sind.21 Die Handlungen, gegen die dieser einheitliche Schutz bestehen soll, sind allerdings nicht weiter in der Verordnung definiert; sie sollen stattdessen nach Art. 5 III EPVO dem nationalen Recht entnommen werden.22

Unter dem Stichwort „einheitliche Wirkung“ ist zudem der einheitliche Bestand des Rechts zu verstehen. Denn das Ziel einheitlichen Patentschutzes würde trotz der Gewährung einheitlichen Schutzes weitgehend leerlaufen, wären die einzelnen nationalen Teile des Patents wie beim klassischen europäischen Patent in ihrem Bestand voneinander unabhängig.23 Das Einheitspatent kann folglich gemäß Art. 3 II EPVO nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten (einheitlich) beschränkt, übertragen, für nichtig erklärt werden oder erlöschen.

II. Das Einheitspatentgericht

1. Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage des Einheitspatentgerichts (EPG) ist das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht.24 Im Gegensatz zu EPVO und EPSVO ist dieses kein Rechtsakt der EU, sondern ein völkerrechtlicher internationaler Vertrag,25 der allerdings nur den Mitgliedstaaten der EU zum Beitritt offen steht.26

Das EPGÜ wurde zwar bereits entsprechend Art 84 I EPGÜ von den Vertragsmitgliedstaaten unterzeichnet, bedarf aber zum Inkrafttreten der nationalen Ratifikation durch mindestens 13 der Vertragsmitgliedstaaten, wobei als weitere Hürde zwingend die Ratifikation durch die drei Mitgliedstaaten, in denen im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung die meisten geltenden europäischen Patente existierten, erforderlich ist.27 Diese drei Staaten sind Deutschland, Großbritannien und Frankreich;28 bisher liegt allerdings lediglich die Ratifikation des letzteren vor,29 sodass das Übereinkommen bisher nicht in Kraft treten und das EPG somit seine Arbeit noch nicht aufnehmen konnte.

2. Stellung und sachliche Zuständigkeit

Als Produkt eines internationalen, nicht EU-rechtlichen Abkommens ist das EPG ein supranationales, gemeinsames


16 Zum Begriff siehe Art. 2 I des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente. Zitiert als: EPÜ.

17 „Ein Europäisches Patent, das mit den gleichen Ansprü­chen für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten erteilt wurde, hat einheitliche Wirkung in den teilnehmenden Mitgliedstaaten, sofern seine einheitliche Wirkung in dem Register für den einheitlichen Patentschutz eingetragen wurde“.

18 Zum Begriff des Patentanspruchs s. v. Falck/Apetz, in: Kilian/Heussen (Hrsg. bis zur 32. EGL), Computerrechtshandbuch33, 2017, Patentrecht Rn. 6 – 13.

19 Beschluss des Engeren Ausschusses des Verwaltungsrats vom 15. Dezember 2015 zur Genehmigung der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz (SC/D 1/15), ABl. EPA 2016, A39, S. 10, Teil II, Kapitel I, Regeln 5 und 6 I.

20 Vgl. Art. 3 I EPVO.

21 Im Gegensatz dazu entfaltet das „klassische“ europäische Patent nach Art. 2 II, 64 I, III EPÜ stets lediglich dieselbe Wirkung wie ein in dem jeweiligen Vertragsstaat erlassenes, nationales Patent, soweit das EPÜ nichts Anderes vorschreibt; vgl. Osterrieth (Fn. 7), Rn. 170. Deshalb wird dieses häufig vielmehr als „Bündel“ nationaler Patente bezeichnet; vgl. Adolphsen (Fn. 7), Rn. 120; Osterrieth (Fn. 7), Rn. 170.

22 Damit sind die nationalen Umsetzungsgesetze der Mitgliedstaaten zum EPGÜ gemeint, die alle gleichlautend erlassen werden müssen; Eck, GRUR Int 2014, 114, 115 f.

23 Nach geltendem Recht sind für die europäischen Patente die Gerichte derjenigen Staaten, in welchem diese Wirkung entfalten, für den sie betreffenden Teil des Patents (und nur für diesen) genauso wie für die nationalen Patente zuständig. Für europäische Patente mit Wirkung in Deutschland ist also bspw. die Nichtigkeitsklage ebenfalls nach § 65 I 1 PatG vor dem BPatG zu ergeben; statt vieler: Fitzner/Lutz/Bodewig, in: BeckOK Patentrecht7, 2018, PatG § 81 Rn. 4.

24 Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht, ABl. EU 2013 C 175, S. 1. Zitiert als: EPGÜ.

25 Tochtermann, in: Benkard (Begr.), Patentgesetz11, 2015, Internationaler Teil – Das internationale Patentrecht Rn. 157; Haberl/Schallmoser, GRUR Prax 2013, 1.

26 ErwG (14) sowie Art. 84 IV EPGÜ.

27 Art. 84 II, 89 I EPGÜ.

28 Augenstein/Haertel/Kiefer, in: BeckOK Patentrecht (Fn. 23), EPGÜ – Einheitliches Patentrecht und Gemeinsames Patentgericht Rn. 8; Haedicke, GRUR Int 2013, 609 f.

29 Siehe http://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/agreements-conventions/agreement/?aid=2013001 (zuletzt abgerufen am 28.04.2018).

Varón Romero, Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten50

Gericht der Vertragsmitgliedstaaten und somit wie ein nationales Gericht der jeweiligen Vertragsmitgliedstaaten zu behandeln (Art. 1 II EPGÜ). Dies hat zur Konsequenz, dass der EuGH zumindest zu Auslegungsfragen, die europäisches Recht betreffen, angerufen werden kann (und muss, vgl. ErwG (10), Art. 21 EPGÜ),30 nach überwiegender Ansicht nicht aber zu Auslegungsfragen des sonstigen kodifizierten materiellen Patenrechts wie bspw. der Art. 25-30 und der dazugehörigen nationalen Umsetzungsgesetze.31

Gemäß seinem Art. 3 umfasst der Geltungsbereich des EPGÜ und damit der Zuständigkeitsbereich des EPG sowohl die Einheitspatente als nunmehr auch die klassischen europäischen Patente, wobei es hinsichtlich letzterer zwei wichtige Ausnahmen zu beachten gilt (vgl. Art. 83 EPGÜ).32

C. Auswirkungen des einheitlichen europäischen Patentsystems auf die Bewertung der Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten?

I. Schiedsfähigkeit europäischer Patente nach geltendem Recht

Da das EPÜ insoweit keine gegenteilige Regelung trifft, ergibt sich in Anwendung der Grundregel des Art. 2 II EPÜ für die Beurteilung der Schiedsfähigkeit von europäischen Patenten mit deutschem Wirkungsanteil nichts Abweichendes zu dem, was für die nationalen Patente gilt: Folgt man der – zunehmend bestrittenen – h.M. in Deutschland und lehnt die Schiedsfähigkeit von Patentnichtigkeitsstreitigkeiten ab,33 so muss die Schiedsfähigkeit im Bereich der Patentnichtigkeitsstreitigkeiten folglich auch für die klassischen europäischen Patente abgelehnt werden.

II. Schiedsfähigkeit der europäischen Einheitspatente

Neben all den unter Abschnitt B. dargestellten Neuerungen, die das EPG mit sich bringt, tritt eine weitere hinzu, die für den Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit von großem Interesse sein dürfte: Nach Art. 35 I EPGÜ soll ein Mediations- und Schiedszentrum (im Folgenden „das Zentrum“) für Patentsachen geschaffen werden, welches Dienste „für Mediation und Schiedsverfahren in Patentstreitigkeiten, die unter dieses Übereinkommen fallen, zur Verfügung“ stellt (Art. 35 II 1 EPGÜ). Während diese Aussage für sich genommen noch nicht viel zur Debatte der Schiedsfähigkeit beitragen kann ist die Einschränkung, die im Anschluss in letzten Satz des Art. 35 II gemacht wird, das Entscheidende. Dieser legt fest: „im Mediations- und in Schiedsverfahren darf ein Patent jedoch weder für nichtig erklärt noch beschränkt werden“.

Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass sich aus Art. 35 II 3 EPGÜ eine Beschränkung der Schiedsfähigkeit von Patentnichtigkeitsstreitigkeiten ergibt und man im einheitlichen europäischen Patentsystem zumindest die Möglichkeit einer unmittelbaren Nichtigerklärung mit Wirkung erga omnes ablehnt.34 Unklar ist allerdings, wie weit diese Beschränkung genau reichen soll; nicht zuletzt auch deshalb, da zu dieser Frage offizielle Äußerungen bis dato in keiner Form vorliegen.

1. Inhaltliche Reichweite der Beschränkung

Bei rein objektiver, wertungsfreier Betrachtung des Wortlauts könnte sich aus der Vorschrift eine vollständige Ablehnung der Schiedsfähigkeit von Patentnichtigkeitsstreitigkeiten bezüglich der in den Zuständigkeitsbereich des EPG fallenden Patente ergeben, d.h. sowohl eine Ablehnung der Möglichkeit für das Schiedsgericht, im Schiedsspruch eine Nichtigkeitserklärung mit Wirkung erga omnes auszusprechen, als auch eine Ablehnung der Möglichkeit, das Patent nur mit Wirkung inter partes für nichtig zu erklären.35

Diese Interpretation ist in der Literatur bisher allerdings mehrfach auf Ablehnung gestoßen. Der Wortlaut der Regelung schließe eine Nichtigerklärung mit Wirkung inter partes nicht per se aus.36 Er könne zwar durchaus wie vorstehend interpretiert werden, eine solch enge Auslegung lege jedoch einen viel strengeren Maßstab an, als es derzeit in den Mitgliedstaaten der EU üblich sei und sei deshalb nur schwer vertretbar.37 Gegen eine solche Interpretation spreche auch Regel 11 II des Entwurfs zur Verfahrensordnung des EPG38, nach welchem das EPG auf Antrag der Parteien auch solche (auf eine Einigung beruhenden) Schiedssprüche mittels Urteil bestätigt, die den Patentinhaber zu einer Zustimmung zur Nichtigerklärung des Patents verpflichten.39 Wenn ein solcher Schiedsspruch erlassen und vom EPG gerichtlich bestätigt werden könne,40 so müsse dem Schiedsgericht auch eine Nichtigerklärung mit Wirkung inter partes gestattet


30 Zustimmend Augenstein/Haertel/Kiefer, in: BeckOK Patentrecht (Fn. 23), EPGÜ Art. 1 Rn. 6; Haedicke, GRUR Int 2013, 609, 612; a.A. Amort, EuR 2017, 56, 74 f.

31 Eck, GRUR Int 2014, 114, 116; Haberl/Schallmoser, GRUR Prax 2013, 1, 2; differenzierend Haedicke, GRUR Int 2013, 609, 614 ff.; krit. Osterrieth (Fn. 7), Rn. 290.

32 Vertiefend: Augenstein/Haertel/Kiefer, in: BeckOK Patentrecht (Fn. 23), EPGÜ Art. 83 Rn. 25 – 44; Tochtermann, in: Benkard (Fn. 25), Internationaler Teil – Das internationale Patentrecht Rn. 171 – 174.

33 Vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 35; Münch, in: MüKo ZPO5, 2017, § 1030 Rn. 33; Musielak, in: Musielak/Voit, Kommentar zur ZPO15, 2018, § 1030 Rn. 3; Seiler, in: Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO39, 2018, § 1030 Rn. 6; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2008, Rn. 311 ff.; wohl auch Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren6, 2016, Rn. 821; a.A. unter anderem Geimer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO32, 2018, § 1030 Rn. 14 f.; Pfaff, in: FS Nagel, 1987, S. 289 – 293; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 4 Rn. 11.

34 Vgl. de Miguel Asensión, Rev. arb. com. 2014, 81, 99; de Werra, Arbitragem e Mediação em Matéria de Propriedade Intelectual 2014, 17, 27; Picht, GRUR Int 2018, 1, 6.

35 Vgl. Picht, GRUR Int 2018, 1, 2.

36 Schäfer, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Hrsg.), Arbitration in Germany: the model law in practice2, 2015, S. 914.

37 Vgl. de Miguel Asensión, Rev. arb. com. 2014, 81, 100.

38 Preliminary set of provisions for the Rules of Procedure of the Unified Patent Court, 18th draft of 19 October 2015, updated 15 March 2017, abrufbar unter: https://www.unified-patent-court.org/sites/default/files/upc_rules_of_procedure_18th_draft_15_march_2017_final_clear.pdf (zuletzt abgerufen am 28.04.2018).

39 „Pursuant to Rule 365 the Court shall, if requested by the parties, by decision confirm the terms of any settlement or arbitral award by consent (irrespective of whether it was reached using the facilities of the Centre or otherwise), including a term which obliges the patent owner to limit, surrender or agree to the revocation of a patent or not to assert it against the other party and/or third parties (…)“. Zustimmend wohl Picht, GRUR Int 2018, 1, 7.

40 Wodurch der Schiedsspruch gemäß Art. 82 I EPGÜ in den Vertragsmitgliedstaaten unmittelbar vollstreckbar wird.

Varón Romero, Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten51

werden.41

Untersage man sämtliche Formen der schiedsrichterlichen Entscheidung über die Nichtigkeit eines europäischen (Einheits-) Patents, so laufe das auch dem Zweck der Einführung des Zentrums zuwider, nämlich der Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit bei patentrechtlichen Streitigkeiten.42 Es sei zudem sinnvoll, eine Entscheidung mit inter partes-Wirkung zuzulassen, da die meisten Streitigkeiten über den Bestand eines Patents im Rahmen einer vertraglichen Auseinandersetzung zwischen zwei konkreten Parteien entstehen würden.43

2. Institutionelle Reichweite der Beschränkung

Unklar ist zurzeit auch, wie weit die Beschränkung des Art. 35 II 3 EPGÜ in institutioneller Hinsicht reichen soll. Angesichts der systematischen Stellung der Regelung im EPGÜ wurde vereinzelt vorgebracht, es sei nicht ausgeschlossen anzunehmen, sie beschränke nur die Kompetenz des Zentrums, nicht aber die anderer Schiedstribunale.44 Es sei jedoch auch angebracht in Betracht zu ziehen, ob nicht eine einheitliche Beurteilung der Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten (zumindest hinsichtlich der Einheitspatente) sachgemäßer wäre.45

3. Stellungnahme

a) Wortlaut des Art. 35 II 3 EPGÜ

Das Argument, der Wortlaut schließe eine Nichtigerklärung mit Wirkung lediglich inter partes nicht aus, kann nicht recht überzeugen. Ein ausdrückliches Verbot mag zwar fehlen; die Regelung spricht allerdings auch nicht davon, dass in Mediations- und Schiedsverfahren ein Patent nur nicht mit allgemeinverbindlicher Wirkung für nichtig erklärt oder beschränkt werden darf. Der weit gehaltene Wortlaut ist m.E. – solange keine gegenteilige Äußerung von offizieller Seite oder des EPG/des Zentrums selbst vorliegt – vielmehr dahingehend zu interpretieren, dass ein vollumfängliches Verbot der Nichtigerklärung der dem Rechtsprechungsmonopol des EPG unterstehenden Patente statuiert werden sollte.

Daran vermag auch das Vorbringen, eine solche Auslegung sei im Vergleich mit der aktuellen Beurteilung der Frage der Schiedsfähigkeit von Patentnichtigkeitsstreitigkeiten in den meisten Mitgliedstaaten zu restriktiv, nichts zu ändern. Das EPGÜ und seine zugehörigen Rechtsakte sind Teil eines umfassenden und autonomen Rechtssystems und sollten damit grds. autonom nach den allgemeinen Regeln46 ausgelegt werden.47 Die nationale Beurteilungspraxis der Mitgliedstaaten kann (und sollte) zwar unterstützend herangezogen werden.48 Dies kann jedoch nicht dahingehend gedeutet werden, dass stets das „arithmetische Mittel“ oder die von der Mehrheit der Rechtsordnungen gewählte Lösung angewandt werden muss. Vielmehr kann auch eine andere – wie in diesem Fall ggf. restriktivere – Lösung gewählt werden, wenn dies als sachgemäß empfunden wird.49

b) Systematische Gesichtspunkte

Etwas komplizierter gestaltet sich die Bewertung im Zusammenspiel mit Regel 11 II des Verfahrensordnungs-Entwurfs. Ob ein Schiedsspruch eine Partei dazu verurteilt, der Löschung eines Patents zuzustimmen, oder ob das Patent direkt für nichtig erklärt wird, mag in der Tat auf das gleiche Resultat hinauslaufen.

Regel 11 II muss jedoch aufmerksam gelesen werden. Die Möglichkeit der gerichtlichen Bestätigung eines Schiedsspruchs mit einer solchen Verurteilung als Inhalt wird nicht jedem Schiedsspruch eröffnet, sondern lediglich dem sog. arbitral award by consent, d.h. nur dem (aus vollstreckungstaktischen Gründen)50 in Schiedsspruchform gegossenen Vergleich.51 Wenn aber der Schiedsspruch, der die Verpflichtung zur Aufgabe oder zur Zustimmung zur Löschung des Patents ein arbitral award by consent ist, so kann dies mit der Situation der gerichtlichen Nichtigerklärung nicht als gleich eingestuft werden.52 Anders als bei einem ordinären Schiedsspruch steht bei einem solchen nicht die Entscheidung über den Rechtsstreit durch das Schiedsgericht als Rechtsprechungsorgan im Vordergrund, sondern vielmehr die Parteiautonomie der Verfahrensbeteiligten.53 Denn dort muss die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Herbeiführung des Erlöschens des Patents als Ausdruck der Handlungsfreiheit des Patentinhabers verstanden werden, die auch außerhalb eines Rechtsstreits nach den allgemeinen Grundsätzen akzeptiert werden müsste und würde.54 Die Zulässigkeit eines solchen Schiedsspruchs tritt auch nicht in Widerspruch mit Art. 35 II 3 EPGÜ. Ein arbitral award by consent, welcher die Partei zur Löschung eines Patents verpflichtet, ist keine (unmittelbare) Nichtigerklärung durch das Schiedsgericht, auch wenn es letztendlich die Grundlage für dessen Vernichtung bildet.

c) Zweck der Errichtung des Zentrums

Des Weiteren kann auch den Argumenten, die mit dem Sinn und Zweck der Errichtung des Zentrums für eine


41 Vgl. Haubner, InTer 2014, 239, 246; Picht, GRUR Int 2018, 1, 8.

42 Haubner, InTer 2014, 239, 245.

43 De Werra, Arbitragem e Mediação em Matéria de Propriedade Intelectual 2014, 17, 27 f.

44 Schäfer, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Fn. 36), S. 914; ähnlich auch de Miguel Asensión, Rev. arb. com. 2014, 81, 100.

45 Vgl. De Miguel Asensión, Rev. arb. com. 2014, 81, 100.

46 Art. 31 ff. Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK); vgl. auch Augenstein/Haertel/Kiefer, in: BeckOK Patentrecht (Fn. 23), EPGÜ Art. 41 Rn. 4 (dort zwar nur zur Verfahrensordnung, diese Grundsätze dürften aber auch auf das EPGÜ anwendbar sein).

47 Vgl. Haedicke, GRUR Int 2013, 609, 614; Yan, Das materielle Recht im Einheitlichen Europäischen Patentsystem und dessen Anwendung durch das Einheitliche Patentgericht, 2017, S. 176.

48 Vgl. Picht, GRUR Int 2018, 1, 3; Haedicke, GRUR Int 2013, 609, 614.

49 Vgl. Yan (Fn. 47), S. 188.

50 Voit, in: Musielak/Voit (Fn. 33), § 1053 Rn. 1; Seiler, in: Thomas/Putzo (Fn. 33), § 1053 Rn. 1.

51 Vgl. Schütze (Fn. 33), Rn. 580 f.; sowie Schulze, Grenzen der objektiven Schiedsfähigkeit im Rahmen des § 1030 ZPO: eine Betrachtung des Rechts der Schiedsfähigkeit nach der Schiedsverfahrensrechtsreform, 2003, S. 41, zum funktionsmäßig entsprechenden Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut des deutschen Rechts (§ 1053 ZPO).

52 Im Ergebnis ähnlich: Chrocziel/Kasolowsky/Whitener/Waldeck, International Arbitration of Intellectual Property Disputes – A Practitioner’s Guide, 2017, Kap. 3 Rn. 13; a.A. wohl de Miguel Asensión, Rev. arb. com. 2014, 81, 100; sowie Picht, GRUR Int 2018, 1, 8.

53 Vgl. Schulze (Fn. 51), S. 42.

54 Siehe nur § 20 I Nr. 1 PatG. Der Verzicht auf das Einheitspatent richtet sich nach nationalem Recht; Luginbühl, in: Singer/Stauder (Hrsg.), EPÜ7, 2016, Art. 142 Rn. 35.

Varón Romero, Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten52

Möglichkeit der Nichtigerklärung mit Wirkung inter partes durch das Schiedsgericht plädieren, nicht gefolgt werden.

aa) Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit bei patentrechtlichen Streitigkeiten

Zutreffend wird erkannt, dass mit der Schaffung des Zentrums eine schiedsgerichtliche Beilegung von Streitigkeiten in Bezug auf die europäischen Patente in gewisser Weise gefördert werden soll. Dabei scheint jedoch der Irrtum aufgekommen zu sein, dies solle für alle Arten der Schiedsgerichtsbarkeit gelten, denn auch hier ist bei aufmerksamer Lektüre der einschlägigen Vorschrift (Regel 11 I des Verfahrensordnungs-Entwurfs)55 eine Einschränkung deutlich erkennbar: Nur wenn das EPG davon überzeugt ist, eine Einigung zwischen den Parteien könne noch erzielt werden, verweist es diese an das Zentrum. Es soll also die Beilegung des Rechtsstreits im Wege des Vergleichs gefördert werden. Dies kann aber nicht dadurch konterkariert werden, dass man die Nichtigerklärung der Patente mit Wirkung inter partes durch das Schiedsgericht untersagt.

Zudem dürfen auch im Hinblick auf das Zentrum die allgemeinen Erwägungsgründe zur Schaffung des Einheitspatents und des EPG nicht vergessen werden:56 die Herstellung einheitlichen Patentschutzes57 und die Stärkung der Rechtssicherheit58. Ließe man es zu, dass eine schiedsrichterliche Nichtigerklärung mit Wirkung nur zwischen den Prozessparteien erlassen wird, so würde dies mit den Zielen des Patent Package in Widerspruch treten.59 Dies gilt primär jedoch nur hinsichtlich des Einheitspatents; was das klassische europäische Patent angeht, stellt sich die Lage hingegen etwas anders dar. Aus der Aufnahme in das Unitary Patent Package geht zwar hervor, dass auch der Rechtsschutz dieser Patente grds. einheitlicher werden soll.60 Allerdings dürfen in diesem Kontext die Ausnahmeregelungen des Art. 83 EPGÜ nicht außer Acht gelassen werden, die den einheitlichen Patentschutz in diesem Bereich deutlich abschwächen.

Sollen die Ziele, die mit der Schaffung des EPG verfolgt werden, tatsächlich effektiv umgesetzt werden, so muss die Einschränkung des Art. 35 II 3 EPGÜ letzten Endes auch für alle Schiedsverfahren gelten und nicht nur für diejenigen, die innerhalb des Zentrums durchgeführt werden. In der Tat lässt die systematische Stellung der Einschränkung eine hierzu gegensätzliche Interpretation, wie sie offenbar von Böckstiegel vertreten wird,61 zu; Regel 11 II des Verfahrensordnungs-Entwurfs indes deutet wiederum darauf hin, dass alle Schiedsverfahren von den Vorschriften erfasst sein sollen. Dies wird auch vom Wortlaut des Art. 35 II 3 EPGÜ unterstützt, denn dieser spricht nur allgemein von Mediations- und Schiedsverfahren, nicht explizit von Mediations- und Schiedsverfahren des Zentrums.

bb) Praktikabilität

Es ist de Werra zweifellos insoweit zuzustimmen, als dass eine Möglichkeit der Entscheidung über den Bestand des Patents, soweit sie notwendig wird, bei derselben Stelle, bei der das Verletzungs- oder Lizenzverfahren anhängig ist, für alle Beteiligten effizienter ist als eine Aussetzung des Schiedsverfahrens bis zur Entscheidung des staatlichen Gerichts.62 Dies könnte zugegebenermaßen ebenfalls den Erfolg des „leichteren, weniger kostspieligen und rechtssicheren Zugang[s] zum Patentsystem“63 gefährden. Angesichts des vorstehend Erläuterten ist eine „bloß“ zeitliche Verzögerung des Verfahrens den Verantwortlichen allerdings wohl als das geringere Übel erschienen, das mangels besser geeigneter verfügbarer Lösungsmöglichkeiten zunächst hinzunehmen sein wird. Dringend erwünscht bleibt eine Lösung des Problems von Seiten des EPG, bspw. durch eine zeitlich prioritäre Behandlung dieser Fälle, dennoch.

4. Zwischenergebnis

Auch wenn eine solche Interpretation überwiegend abgelehnt wird,64 so legt die Analyse von Art. 35 II 3 EPGÜ unter Berücksichtigung aller Umstände seines Erlasses den Schluss nahe, dass nach dem Willen der Vertragsmitgliedstaaten eine Schiedsfähigkeit von Nichtigkeitsstreitigkeiten hinsichtlich europäischer Patente vollständig ausgeschlossen sein soll. Gestützt wird dies vom Charakter des Unitary Patent Package als einheitliches Normgefüge, welcher es gebietet, seine Vorschriften mit dem Ziel auszulegen, die Einheitlichkeit des Systems so weit wie möglich zu verwirklichen.65 Dies gilt insbesondere für das Einheitspatent; für die klassischen europäischen Patente stellt sich dies angesichts der bereits im Übereinkommen vorgesehenen Durchbrechungen des Grundsatzes der ausschließlichen Zuständigkeit des EPG in Art. 83 EPGÜ hingegen nicht derart eindeutig dar.

III. Auswirkungen auf die Beurteilung der Schiedsfähigkeit der bestehenden nationalen Patente?

Wie bereits erläutert, muss das EPGÜ, um in Kraft treten zu können, von den Vertragsstaaten ratifiziert werden, insbesondere von Deutschland als eines der Staaten mit den meisten europäischen Patenten. Sollte die beim BVerfG erhobene Verfassungsbeschwerde gegen die Gesetze zum Einheitspatentsystem66 erfolglos sein und der Gesetzgebungsprozess daraufhin abgeschlossen werden, so wird der Inhalt des EPGÜ durch das „Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht“67


55 „At any stage of the proceedings, if the Court is of the opinion that the dispute is suitable for a settlement, it may propose that the parties make use of the facilities of the Patent Mediation and Arbitration Centre (“the Centre”) in order to settle or to explore a settlement of the dispute (…)”.

56 Allgemein zur Beachtung der selbstgesteckten Ziele bei der Auslegung des Rechts des einheitlichen Patentsystems: Yan (Fn. 73), S. 184 f.

57 ErwG (1) EPVO.

58 ErwG (5) EPGÜ.

59 A.A. wohl Picht, GRUR Int 2018, 1, 8, mit Vorschlägen für die Wahrung des Dritt- und Verkehrsschutzes bei Annahme der Zulässigkeit von inter partes wirkenden Schiedssprüchen.

60 Vgl. Art. 34 EPGÜ.

61 Schäfer, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (Fn. 36), S. 914.

62 De Werra, Arbitragem e Mediação em Matéria de Propriedade Intelectual 2014, 17, 27 f.

63 ErwG (4) EPVO.

64 Vgl. nur Picht, GRUR Int 2018, 1, 11.

65 Vgl. Haedicke, GRUR Int 2013, 609, 611.

66 Siehe statt vieler die Pressemitteilung des Preparatoy Committee vom 27.06.2017: https://www.unified-patent-court.org/news/message-chairman-alexander-ramsay-june-2017 (zuletzt abgerufen am 28.04.2018).

67 BT-Drucks. 18/11137.

Varón Romero, Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten53

als Zustimmungsgesetz in nationales Recht transformiert.68 Damit wird auch die Regelung des Art. 35 II 3 EPGÜ in die innerstaatliche Rechtsordnung aufgenommen werden. Fraglich ist nun, ob diese nicht eine gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 1030 III ZPO darstellt, die nicht nur die Schiedsfähigkeit der in den Zuständigkeitsbereich des EPG fallenden Patente ausschließt, sondern auch die der bestehenden nationalen Patente.

1. Argumente für ein Sichauswirken

Für eine solche Annahme spricht zunächst, dass Art. 35 II 3 EPGÜ zumindest nach Inkrafttreten des Gesetzes zum EPGÜ den formellen Maßstab, den eine Vorschrift erreichen muss, um als gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 1030 III ZPO qualifiziert werden zu können, erfüllen würde: Ausschlussvorschriften i.S.d. § 1030 III ZPO können entsprechend § 12 EGZPO nur in Form von Rechtsnormen vorliegen. Einschränkend tritt hinzu, dass diese Rechtsnormen solche des deutschen Rechts sein müssen,69 was bei Regelungen aus internationalen Übereinkommen durch das jeweilige Transformationsgesetz erreicht wird.70 Ohne Zweifel ist Art. 35 II 3 EPGÜ eine Rechtsnorm, die, wie bereits festgestellt, durch das Inkrafttreten des deutschen Transformationsgesetzes in die deutsche Rechtsordnung eingegliedert und damit zu nationalem, d.h. deutschem Recht werden würde. Auch das Kriterium, nach dem eine Vorschrift nur dann eine gesetzliche Ausnahmevorschrift i.S.d. § 1030 III ZPO darstellt, wenn sie dem Schiedsverfahren „offen Hindernisse bereitet“,71 wird von Art. 35 II 3 EPGÜ problemlos erfüllt.

Für einen Einfluss des Art. 35 II 3 EPGÜ als mögliche Ausschlussvorschrift i.S.d. § 1030 III ZPO könnte des Weiteren der Vergleich mit Art. 53 GPVO-V sprechen,72 dem letzten gescheiterten Versuch zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Patentsystems vor dem Unitary Patent Package.73 Während Art. 53 S. 1 GPVO-V noch ausdrücklich klarstellte, grds. nur in Fragen des Bestands des Gemeinschaftspatents Einfluss auf das nationale Schiedsrecht nehmen zu wollen,74 fehlt eine solche Aussage in Art. 35 II EPGÜ. Daraus könnte der Schluss zu ziehen sein, die Vorschrift behalte sich vor, auch das auf nationale Patente anwendbare Schiedsverfahrensrecht zu modifizieren.

2. Argumente gegen ein Sichauswirken und Stellungnahme

Gegen eine Interpretation des Art. 35 II 3 EPGÜ als gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 1030 III ZPO spricht jedoch bereits der Kontext, in welchem sie erlassen wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte, die zur Annahme berechtigen, dass die Vertragsmitgliedstaaten mit dieser Norm nicht nur die Frage der Schiedsfähigkeit von Patentnichtigkeitsstreitigkeiten in Bezug auf die klassischen europäische Patente und die neuen Einheitspatente zu beantworten beabsichtigten, sondern auch eine Regel für die nationalen Rechte festlegen wollten.75 Eine Übertragbarkeit des Ausschlusses auf die nationalen Patente mag zwar auf rein sprachlicher Ebene noch unter den Wortlaut der Norm subsumierbar sein. Allerdings gelingt das nur, wenn man darüber hinwegsieht, dass das Übereinkommen selbst unter dem Wort „Patent(e)“ gemäß Art. 2 lit. g) nur europäische Patente und/oder europäische Patente mit einheitlicher Wirkung verstehen will.

Auch der Vergleich mit Art. 53 GPVO-V vermag daran nicht zu rütteln. Zwar enthielt dieser jenen expliziten Hinweis darauf, dass das nationale Schiedsverfahrensrecht vom europäischen Recht zum Gemeinschaftspatent nicht beeinflusst werden sollte; er wurde jedoch selbst als eigentlich überflüssig bewertet.76 Man scheint folglich bereits im Rahmen der GPVO davon ausgegangen zu sein, dass eine Positionierung auf europäischer Ebene zur Schiedsfähigkeit von Patentnichtigkeitsstreitigkeiten nicht schlichtweg auf die nationale Ebene übertragen werden kann. Dass man im EPGÜ nun von einem solchen Hinweis wie in Art. 53 GPVO-V abgesehen hat, kann nach hier vertretener Auffassung nicht als Abkehr von diesem Grundsatz gesehen werden; viel wahrscheinlicher ist, dass man eine Interpretation, die aus Art. 35 II 3 EPGÜ auch eine mögliche Beschränkung der Schiedsfähigkeit der bestehenden nationalen Patente herauslesen will, stattdessen gar nicht (mehr) in Betracht gezogen hat.

Die Beschränkung des Art. 35 II 3 EPGÜ hat folglich keine Auswirkungen auf die Debatte im deutschen Recht für bestehende nationale Patente. Sie ist für diese keine gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 1030 III ZPO.

D. Fazit

Die Schiedsgerichtsbarkeit ist aus dem heutigen Wirtschaftsleben kaum noch wegzudenken.77 Obwohl ihre Stellung als gleichwertiges Rechtsprechungsorgan weitestgehend anerkannt ist,78 bleibt der Umfang ihres „Machtbereichs“ Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten. Dies gilt insbesondere für die Frage nach der Beurteilung der Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten. Sie ist nicht einfach zu beantworten und bietet sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene Stoff für kontroverse Diskussionen.

Spannend bleibt es insbesondere auf der europäischen Ebene. Auch wenn noch abzuwarten sein wird, ob das


68 Vgl. BVerfGE 1, 396, 411; Nettesheim, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG81, 2017, Art. 59 Rn. 96.

69 Münch, in: MüKoZPO (Fn. 33), § 1030 Rn. 52; Baumann, Patentstreitigkeiten vor Schiedsgerichten: eine rechtsvergleichende Betrachtung ausgewählter Probleme nach deutschem und schweizerischem Recht, 2008, S. 205.

70 Vgl. Gruber, in: MüKoZPO (Fn. 33), EPZPO § 12 Rn. 1.

71 Wolf/Eslami, in: BeckOK ZPO28, 2018, § 1030 Rn. 11; Münch, in: MüKoZPO (Fn. 33), § 1030 Rn. 31.

72 Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent, KOM (2000) 412 endg., ABl EU C 337 E/45, S. 278. Zitiert als: GPVO-V. Art. 53 (Schiedsverfahren): „Die Bestimmungen dieses Kapitels über die Zuständigkeit und das Gerichtsverfahren berühren nicht die Anwendung nationaler Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Schiedsgerichtsbarkeit. Ein Gemeinschaftspatent kann jedoch in einem Schiedsverfahren nicht für nichtig oder ungültig erklärt werden.“

73 Für Details zur GPVO siehe Yan (Fn. 73), S. 66 – 68.

74 Vgl. auch die Erklärung von Baumann (Fn. 69), S. 108.

75 Vgl. speziell für Deutschland BT-Drucks. 18/11137, S. 88, der keinen dahingehenden gesetzgeberischen Willen erkennen lässt.

76 Baumann (Fn. 69), S. 108.

77 Statt vieler: Ruess, SchiedsVZ 2010, 23.

78 Vgl. Zypries, SchiedsVZ 2009, 1, 2.

Varón Romero, Schiedsfähigkeit von Patentstreitigkeiten54

Unitary Patent Package angesichts der zuletzt eher negativen Entwicklungen in Deutschland und Großbritannien wirklich eines Tages seine Arbeit aufnehmen wird, so steht fest, dass mit diesem neuen System das europäische Patentrecht regelrecht auf den Kopf gestellt werden wird. Viele Fragen sind allerdings noch ungeklärt. Obgleich sich aus den einschlägigen Vorschriften des Regelungssystems eine mögliche, eher restriktive Beantwortung herauslesen lässt der m.E. aber zuzustimmen ist, gilt dies auch die Frage der Schiedsfähigkeit derjenigen Patente, die dem Kompetenzbereich des EPG zugeordnet worden sind. Man darf gespannt sein, wie das Gericht und sein Schiedszentrum diese Frage beantworten werden. Doch ungeachtet dessen, wie diese Antwort ausfällt, die seit Langem herbeiersehnte Lösung im Streit um die Schiedsfähigkeit der bestehenden nationalen Patente kann sie nach hier vertretener Auffassung (leider) nicht bieten.