Im Zweifel abschießen?

Strafrechtliche Aspekte der privaten Drohnenabwehr

<5>Leonard Kilian Jaritz*

A. Einleitung

„Der Blick auf dem Monitor öffnet sich auf ein schier endloses Meer von weißbepuderten Baumkronen, bis zum Horizont ist kein Ende in Sicht. Ich sehe den Wald […], wie ihn sonst nur ein Vogel sehen kann. Die Drohne verleiht meinen Augen Flügel. So habe ich immer mal auf die Welt schauen wollen. […] Das Erhebende am Fliegen ist doch nicht, dem Himmel nahe zu kommen. Sondern sich gerade weit genug von der Erde zu entfernen, um das da unten mal mit etwas Abstand zu betrachten“1 .

Wenige Meter über dem Erdboden und dennoch fernab von der gewöhnlichen Welt: So beschreibt der Journalist Dirk Peitz seine erste Erfahrung mit einer Drohne. Für viele, die sich so regelmäßig in die Lüfte schwingen, liegt hierin der Reiz des Drohnenbetriebs. Eine Drohne kann der verlängerte Arm sein, das dritte Auge. Sie verwirklicht, was lange mit einfachen Mitteln unmöglich war – die Vogelperspektive einzunehmen. Doch die scheinbar grenzenlose Freiheit findet ihre Grenzen in der Skepsis, gar Angst, vieler Menschen, die in ferngesteuerten Flugobjekten eine unberechenbare Gefahr sehen. Es ist daher wahrscheinlich, dass es zukünftig immer mehr Menschen geben wird, die die Drohnen über ihren Köpfen nicht akzeptieren wollen und den Betrieb von Drohnen – etwa über dem eigenen Wohngrundstück – als Gefahr für die eigenen Rechtsgüter ansehen.

Vor diesem Hintergrund wird der vorliegende Beitrag der Frage nachgehen, in welchem Maß Private den Betrieb von Drohnen zu dulden haben und ihnen im Fall von Regelüberschreitungen ein strafrechtliches Notwehrrecht gegen Drohnen und/oder deren Betreiber zusteht. Hierfür soll zunächst allgemein in das Thema eingeführt werden, indem der Begriff „Drohne“ näher bestimmt wird (B.). Anschließend werden Chancen und Risiken des Drohnenluftverkehrs beleuchtet (C.) und eine Bestandsaufnahme möglicher Abwehrmaßnahmen gegen Drohnen präsentiert (D.). Im Anschluss erfolgt eine Einführung in die luftverkehrsrechtliche Bewertung privater Drohnenflüge (E.), die die Grundlage für die sich anschließende strafrechtliche Analyse der Drohnenabwehr am Maßstab des Notwehrrechts gem. § 32 StGB bildet (F.-H.).

B. Begriffsbestimmung

Der Begriff „Drohne“ leitet sich vom niederdeutschen drone ab und hat seine Wurzeln in der lautnachahmenden indogermanischen Sprache, wo dhren als Ausdruck von „brummen“, „murren“ oder „lärmen“ verwendet wurde.2

Während der Duden zur Begriffsklärung zwischen einem „unbemannte[n] militärische[n] Aufklärungs- und Kampfflugzeug“ und einer Drohne als eines „mit vier oder mehr nach unten wirkenden Rotoren ausgestattetes unbemanntes, ferngesteuertes [Modell]fluggerät für zivile Zwecke“3 unterscheidet, verzeichnet das Gabler Wirtschaftslexikon eine allgemeine Definition der Drohne als „unbemanntes Luft- oder Unterwasserfahrzeug, das entweder von Menschen ferngesteuert oder von einem integrierten oder ausgelagerten Computer gesteuert und damit (teil-)autonom wird“4.

Vor dem Hintergrund des LuftVG lässt sich eine „Drohne“ sowohl als Flugmodell i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 9 LuftVG, als auch als unbemanntes Luftfahrtsystem i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 LuftVG einordnen. Diese Problematik wird in Abschnitt E. ausgeführt.

In technischer Hinsicht werden unbemannte Luftfahrtsysteme mit der Bezeichnung UAS (Unmanned Aerial System) abgekürzt. Darüber hinaus wird oftmals auch die Bezeichnung UAV (Unmanned Aerial Vehicle) verwendet, die sich nicht auf das gesamte System einschließlich der Kommunikationsinfrastruktur bezieht, sondern nur das Flugobjekt als solches beschreibt.5

Für die Zwecke dieses Beitrags soll das Wort „Drohne“ schließlich abseits von einer technischen Betrachtung und ohne Berücksichtigung des Aufbaus oder der Anzahl an Rotoren synonym für ein unbemanntes, unbewaffnetes Flugobjekt verwendet werden. Im Vordergrund steht vor allem die Nutzung als ziviles Flugobjekt, mit dem der Luftraum ferngesteuert beflogen werden kann.

C. Chancen und Risiken des Drohnenbetriebs

Ausgehend von dieser allgemeinen Definition, ergeben sich zahlreiche Einsatzgebiete für Drohnen. Über die Nutzung zum Zwecke des Sports und der Freizeitgestaltung hinaus, werden insbesondere mit Kameras ausgestattete Drohnen in verschiedenen Lebensbereichen eingesetzt (z.B. in der Landwirtschaft, in der Film- und Werbeindustrie6 oder begleitend bei Rettungs- und Polizei-Einsätzen7). Zukünftig sollen sogar Paketlieferungen über den Einsatz ferngesteuerter Drohnen


* Der Autor ist Student der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Peitz, ZEIT MAGAZIN v. 1.2.2016, online abrufbar unter http://t1p.de/gpwu.

2 Bibliographisches Institut, Mannheim (Hrsg.), Duden. Das Herkunftswörterbuch, Etymologie der deutschen Sprache3, 2011, S. 157.

3 Duden online, Stichwort: Drohne, online abrufbar unter http://t1p.de/tbn1.

4 Bendel, in: Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Drohne, online abrufbar unter http://t1p.de/nf9f.

5 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Unbemannte Drohnen und Beobachtungssatelliten, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der technologischen Leistungsprofile in der zivilen und militärischen Anwendung, S. 5, online abrufbar unter http://t1p.de/n34f.

6 Lachman, ZEIT ONLINE v. 2.1.2014, online abrufbar unter http://t1p.de/4rlq.

7 Arte FUTURE MAG v. 18.11.2015, online abrufbar unter http://t1p.de/lrkt.

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realisiert werden.8 Demzufolge weisen Drohnen ein hohes und wachsendes Nutzenpotential auf, das einen omnipräsenten Einsatz in naher Zukunft für möglich erscheinen lässt.

Dieser Beitrag fokussiert vor allem auf den Einsatz von Drohnen im privaten Bereich. Der Markt hat sich den vergangenen Jahren zunehmend dem privaten Verbraucher geöffnet, insbesondere durch stetig fallende Preise. So bieten die weltweit führenden Hersteller Modelle mit Kameras bereits ab 62 Euro an.9 Ein weiterer marktöffnender Faktor ist die einfache Steuerung über das Smartphone. Die Anzahl der Drohnen im deutschen Luftraum soll derzeit bei rund 400.000 Stück liegen.10 Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 schätzt der Verbraucher dabei vorwiegend Kameradrohnen, die neue Möglichkeiten zur Umweltbeobachtung eröffnen: Für 54% der Privatpersonen liegt der Reiz einer Drohne in der Anfertigung von Landschaftsaufnahmen aus der Vogelperspektive. Die Beobachtung von Tieren (38%) oder das Anfertigen von Aufnahmen von Familienfesten (20%) sind ebenfalls attraktive Einsatzgebiete. Was der private Nutzer einerseits schätzt, befürwortet er andererseits nur bedingt: Lediglich 24% akzeptieren Drohnen als Modellflugzeuge oder zur Freizeitgestaltung. 8% der Befragten lehnen zivile Drohnen sogar generell ab. Die Gründe hierfür könnten sowohl in der Störung der Privatsphäre, die 84% der Befragten kritisch sehen, als auch in der Belästigung durch Lärm liegen, die 53% der Umfrageteilnehmer befürchten.11

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Drohnen vielfältig einsetzbar sind und auch im Bereich der Privatpersonen auf reges Interesse stoßen. Dennoch zeichnet sich bereits ein Spannungsfeld ab, welches aus der eher geringen Akzeptanz von Drohnen zur Freizeitbeschäftigung und der Angst um die eigene Privatsphäre resultiert. Gerade diese Spannung soll in den nachfolgenden Kapiteln aufgegriffen werden und letztlich Schwerpunkt bei der Betrachtung strafrechtlicher Aspekte sein.\medskip

D. Abwehrmöglichkeiten

Mit der Konjunktur des Drohnenmarktes für Privatpersonen und der zunehmenden Nutzung in Industrie und Wirtschaft geht einher, dass der Einsatz solcher Flugobjekte kritisch hinterfragt wird. Nicht selten mündet eine Reflexion in einer eher ablehnenden Haltung (vgl. dazu bereits Abschnitt C.), sodass auch Abwehrmöglichkeiten nachgefragt werden.

Die Abwehr von Drohnen kann durch aktive und passive Maßnahmen erfolgen. So kann aktiv gegen die Benutzung des Luftraumes durch Drohnen vorgegangen werden, indem das in Frage stehende Objekt aufgehalten bzw. „abgeschossen“ wird. Ein Ansatzpunkt für etwaige Maßnahmen ist die Verbindung zwischen Drohne und Steuereinheit, die auf der Übermittlung von GPS-Daten basiert und durch das Aussenden von Signalen auf bestimmten Funkfrequenzen gestört werden kann. Die Frequenznutzung ist jedoch nach § 55 Abs. 1 TKG erlaubnispflichtig, sodass solche Methoden einer vorherigen Anmeldung bedürfen und folglich im Privatbereich nur eingeschränkt für die Gefahrenabwehr geeignet sind.

Das Flugobjekt kann außerdem direkt „abgeschossen“ werden. Hierfür eignen sich jegliche Schussvorrichtungen wie zum Beispiel Schrotgewehre.12 Diese unterliegen jedoch gem. § 1 Abs. 2 WaffG dem Waffengesetz und ihre Benutzung bedarf somit nach § 2 Abs. 2 WaffG einer Erlaubnis.13 Eine weitere, nicht zulassungspflichtige Möglichkeit ist der Einsatz von Wasserschläuchen zur Abwehr von Drohnen. Alle Schussvorrichtungen sind zwar grundsätzlich leicht zu bedienen, jedoch scheint ihre Wirksamkeit angesichts der Flughöhe und der Fluggeschwindigkeit von Drohnen eingeschränkt.

Greift man auf aktive Maßnahmen zurück, wird das getroffene Flugobjekt in den meisten Fällen wohl beschädigt oder gar zerstört. Demgegenüber haben passive Abwehrmöglichkeiten keinen Einfluss auf die Gebrauchstauglichkeit der Drohne, sondern zielen vielmehr auf den Schutz des in Frage stehenden Objekts ab. Um eine Bedrohung geschützter Rechtsgüter zu vermeiden, können schützenswerte Objekte oder Handlungen in geschlossene Räumlichkeiten verlagert werden. Andernfalls kann ein System zur Erkennung von Drohnen eingesetzt werden, an das sich Schutzmaßnahmen wie das Herunterlassen von Rollläden, das Auslösen eines Alarms oder das Verbreiten von Nebel koppeln lassen.14 Die Installation eines solchen Systems ist jedoch aufwendig und scheint nur bedingt für den privaten Gebrauch geeignet zu sein.

Zwischen aktiven Maßnahmen und passiven Maßnahmen können Schussvorrichtungen verortet werden, die ein Netz auswerfen und so die Drohne zu Boden bringen. Ein Beispiel hierfür ist die Skywall 100, ein System, welches computergestützt Drohnen mithilfe eines Netzes einfängt und anschließend per Fallschirm zur Landung bringt.15 Hier sind Beschädigungen an der Drohne zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch erscheint das Risiko im Vergleich zu einem Abschuss wesentlich geringer.

Demzufolge zeichnet sich ein ambivalentes Bild von Abwehrmöglichkeiten ab: Es stehen zwar grundsätzlich verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, jedoch sind viele erlaubnispflichtig oder in der Praxis nur eingeschränkt von Privatpersonen nutzbar.\medskip

E. Aktuelle Rechtslage: Das Luftverkehrsgesetz und die Luftverkehrsordnung

Der gesetzliche Ausgangspunkt für die Benutzung des Luftraums durch Drohnen ist das Luftverkehrsgesetz. In § 1 Abs. 1 LuftVG kommt insbesondere die Wertung zum Ausdruck,


8 Spehr, FAZ.net v. 28.1.2016, online abrufbar unter http://t1p.de/zaz0.

9 Zum Beispiel der Hersteller Parrot aus Frankreich, dessen Drohne mit Kamera und einem Gewicht von unter 240 Gramm für rund 62 Euro erhältlich ist, vgl. die unter http://t1p.de/65cw abrufbaren Herstellerangaben.

10 FAZ.net v. 21.3.2017, online abrufbar unter http://t1p.de/or5h.

11 Statista Dossier, Zivile Drohnen, S. 18-30, online abrufbar unter http://t1p.de/k9w5.

12 Dieckert, Drohnen und deren Abwehr aus rechtlicher Sicht, online abrufbar unter http://t1p.de/ye80, S. 25.

13 Der unerlaubte Waffengebrauch schließt eine Rechtfertigung i.R.d. § 32 StGB jedoch nicht grundsätzlich aus, vgl. BGH NStZ 1986, 357; BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 1.

14 Vgl. dazu pars pro toto die Herstellerbeschreibung des Drohnenabwehrsystems „DroneTracker“, online abrufbar unter http://t1p.de/w8ln.

15 So die Beschreibung des Herstellers, online abrufbar unter http://t1p.de/t7g7.

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dass der Luftraum grundsätzlich für Luftfahrzeuge frei ist. Die Freiheit des Luftraums ist Voraussetzung für den Luftverkehr, der ohne eine solche Wertung durch Grundeigentümer stark eingeschränkt werden könnte. Oftmals wird dieser Grundsatz daher auch als „magna charta“ des Luftrechts bezeichnet.16 Diese hohe Anerkennung des Luftverkehrs schlägt sich in der Regelungssystematik des Luftverkehrsgesetzes nieder. Der Staat hat demnach vorrangig eine Gewährleistungsverantwortung inne und beschränkt den Luftraum somit nicht, sondern soll den Luftverkehr durch Kontrolle erst ermöglichen. Folglich werden Beschränkungen nur dort getroffen, wo Interessen der Allgemeinheit schützenswert sind.17

Aufbauend auf diesem Grundprinzip entwickelt das LuftVG in § 1 Abs. 2 LuftVG den Begriff des Luftfahrzeugs. Wie in Abschnitt B. bereits angedeutet wurde, lässt sich das Flugobjekt „Drohne“ dem Wortlaut nach sowohl als Flugmodell i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 9 LuftVG als auch als unbemanntes Luftfahrtsystem i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 3 LuftVG einordnen. Während hieraus früher Abgrenzungsschwierigkeiten entstanden, da sich eine Erlaubnispflicht aus § 16 Abs. 1 Nr. 7 LuftVO (in der vor dem 12.5.2012 geltenden Fassung)18 für unbemannte Flugsysteme ergeben konnte, für Flugmodelle jedoch keine Erlaubnispflicht bestand, stellt sich diese Problematik nach neuer Rechtslage nicht mehr, weil die Luftverkehrsordnung vom 30.3.2017 in einem neu eingefügten Abschnitt 5a unbemannte Luftfahrtsysteme und Flugmodelle einheitlich regelt und somit gleichstellt.19

Nach dieser neuen, vereinheitlichten Rechtslage müssen Drohnen mit einem Gewicht ab 0,25 Kilogramm fortan gem. § 19 Abs. 3 LuftVZO n.F. mit einer Plakette des Namens und der Anschrift des Eigentümers versehen werden. Ab dem 1.10.2017 sind Steuerer einer Drohne ab einem Gewicht von 2 Kilogramm gem. § 21a Abs. 4 LuftVO n.F. verpflichtet, auf Verlangen Kenntnisse der Anwendung und der Navigation dieser Fluggeräte, den einschlägigen luftrechtlichen Grundlagen und der örtlichen Luftraumordnung nachzuweisen. Wiegt das Flugobjekt mehr als 5 Kilogramm, muss eine Aufstiegserlaubnis gem. § 21a Abs. 1 Nr. 1 LuftVO n.F. eingeholt werden. Darüber hinaus ist der Betrieb von Drohnen in einer Höhe von über 100 Metern unabhängig von der Masse der Drohne gem. § 21b Abs. 1 Nr. 8 LuftVO n.F. grundsätzlich verboten. Ebenso verboten ist der Betrieb außerhalb der Sichtweite des Steuerers gem. § 21b Abs. 1 Nr. 1 LuftVO n.F., wobei der Steuerer fortwährend und ohne besondere optische Hilfsmittel die Drohne sehen und die Fluglage eindeutig einschätzen können muss. Folglich verschärft die Neuregelung der LuftVZO und der LuftVO die Regeln über die Benutzung von Drohnen. Insbesondere vor dem Hintergrund der privaten Nutzung und den Ergebnissen der im Abschnitt C. erwähnten Umfrage, stellt § 21b Abs. 1 Nr. 7 LuftVO n.F. eine grundlegende Änderung dar: Nach dieser Vorschrift dürfen Drohnen ohne die Genehmigung des Eigentümers über Wohngrundstücken nicht mehr betrieben werden, wenn ihr Startgewicht mehr als 0,25 Kilogramm beträgt oder sie dazu in der Lage sind, optische, akustische oder Funksignale zu empfangen, zu übertragen oder aufzuzeichnen.

Ziel der Neuregelung der Verordnung ist, „zukunftsfähige Entwicklungsmöglichkeiten für den gewerblichen Einsatz [von Drohnen] zu fördern“. Dennoch soll die Nutzung „im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich des Datenschutzes“ reguliert werden, „ohne die Attraktivität des von vielen ausgeübten Hobbys unangemessen einzuschränken“20. Der Gesetzgeber erkennt folglich das hohe Nutzenpotential von Drohnen an, weiß aber gleichzeitig um die Gefahren, die von einem uneingeschränkten Betrieb ausgehen.\medskip

F. Fallbeispiele

Die nachfolgenden Fallbeispiele21 sollen die Grundlage für die späteren strafrechtlichen Überlegungen bilden und zugleich die mit dem Drohnenbetrieb verbundenen Gefahren für Individualrechtsgüter andeuten. Hierbei liegt der Fokus erneut auf der Nutzung durch Privatpersonen, wobei auch ein gewerblicher Beispielsfall beleuchtet werden soll.

Fall 1:\smallskip

Architektin A und ihr Ehemann E leben auf einem Anwesen, welches von einer Mauer und von Bäumen umgeben ist. Sie verbringen ihre freien Tage, wie immer im Sommer, leicht bekleidet auf der Terrasse. Sie schätzen dabei insbesondere, dass keine Einblicke von außen möglich sind. Der Arbeitskollege B, der sich mit A um einen Auftrag gestritten hat und seither auf Kriegsfuß mit dem Ehepaar steht, kennt diese Gewohnheiten. Er entschließt sich Bildaufnahmen anzufertigen, um diese später als Druckmittel einzusetzen. Hierfür startet er eine Kameradrohne und steuert diese in einer Höhe von 7 Metern direkt über die Terrasse der Eheleute. Daraufhin greift A zum Gartenschlauch und bringt die Drohne zu Boden, welche durch den Aufprall vollständig zerstört wird.

Abwandlung:\smallskip

B steuert die Drohne von der gegenüberliegenden Straßenseite in einer Höhe von 20 Metern vor die Mauer des Grundstücks. A läuft daraufhin auf den B zu und streckt diesen mit mehreren Faustschlägen nieder. A verursacht dabei innere Blutungen und Prellungen.

Fall 2:\smallskip

Der Automobilhersteller H-GmbH entwickelt Motoren für die Rennwagen der Formel 1. Auf dem werkseigenen Testgelände wird eine Studie Probe gefahren. Der Techniker T des konkurrierenden Rennstalls bekommt Informationen zu dieser Testfahrt zugespielt und steuert daher eine Drohne zur Anfertigung von Videoaufnahmen in 110 Metern über das Testgelände. Die Geschäftsführerin der H-GmbH, G, hat wenige Tage zuvor ein Erkennungssystem installieren lassen, das Drohnen automatisch erkennt und mittels einer Abfangdrohne abwehrt. Die Abfangdrohne startet und zerstört die Drohne des T, obwohl das Ausbringen von Nebel ebenfalls dafür ausgereicht hätte, die Drohne zur Umkehr zu zwingen. Für T war die Abwehranlage nicht erkennbar.


16 Grabherr, in: Grabherr/Reidt/Wysk (Hrsg.), Luftverkehrsgesetz Kommentar, 2016, § 1 Rn. 11.

17 Grabherr, in Grabherr/Reidt/Wysk (Fn. 16), § 1 Rn. 11-13.

18 Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes v. 8.5.2012, BGB1. I, S. 1032.

19 Esser, JA 2010, 323, 324.

20 BR-Drucks. 39/17, S. 2.

21 In Anlehnung an Esser, JA 2010, 323, 324.

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G. Rechtsgüterschutz

Das Strafrecht dient dem Schutz von Rechtsgütern.22 Mir Puig schreibt hierzu wörtlich, dass „allein die Notwendigkeit, rechtsgüterverletzende Verhaltensweisen zu steuern und zu vermeiden, […] das Strafrecht legitimieren“23 kann. Daher wird den Überlegungen zu einer strafrechtlichen Rechtfertigung von Abwehrmaßnahmen gegen Drohnen zunächst eine Betrachtung der Rechtsgüter vorangestellt, die durch den Betrieb von Drohnen beeinträchtigt werden können.

I. Von Straftatbeständen flankierte Rechtsgüter

Zunächst wird der Blick dabei auf Rechtsgüter gerichtet, die unmittelbar von Straftatbeständen flankiert werden:

Erstens kann der Betrieb von Drohnen den höchstpersönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen verletzen, dies wird in § 201a StGB pönalisiert.24 Nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt Bildaufnahmen von einer Person herstellt, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet. Von § 201a StGB wird damit die „Bestimmungsbefugnis der Person über Informationen ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“25 geschützt. Die Einschränkung des Schutzbereichs der Norm in räumlicher und inhaltlicher Hinsicht ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, wonach die Norm nur den „letzten persönlichen Rückzugsbereich“26 schützen soll. Vor dem Hintergrund des Falls 1 wird allerdings auch deutlich, dass Bildaufnahmen, die mit Hilfe von Drohnen angefertigt werden, nicht immer in die Wohnung eingreifen. Vielmehr erscheint es ebenso möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlicher, dass Bildaufnahmen von Außenanlagen wie Terrassen oder Balkonen angefertigt werden. Der Gesetzgeber nimmt solche Flächen dann in den Schutzbereich auf, wenn diese „durch eine hohe, undurchdringliche Hecke oder einen hohen Zaun bzw. eine Mauer gegen Einblick durch unberechtigte Personen geschützt“27 sind. Die nötige Gleichstellung mit der Wohnung, die sich daraus ableitet, dass der Wortlaut der Norm die beiden Lebensbereiche mit einem „oder“ verbindet, kann zudem durch ihren Nutzungszweck geleistet werden. Freiflächen sind ebenfalls Rückzugsbereiche, die einen privaten Raum für persönliche Lebensäußerungen schaffen28 und somit inhaltlich gleichgestellt werden können.

Wenn Terrassen und andere an die Wohnung angrenzende Flächen geschützte Bereiche i.S.d. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB sind, dann müsste auch der höchstpersönliche Lebensbereich durch Bildaufnahmen von Personen innerhalb dieser Bereiche betroffen sein. Der Gesetzgeber setzt diesen Lebensbereich mit dem Kernbereich der Persönlichkeit gleich und meint insbesondere Krankheit, Tod oder Sexualität.29 Aus dieser Wertung geht allerdings nicht hervor, warum besondere Rückzugsorte geschützt werden, Bildaufnahmen des persönlichen Lebensbereichs hingegen nicht.30 Hieraus ergibt sich, dass aus der Formulierung „und dadurch“ in § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht folgt, dass jede Anfertigung von Bildaufnahmen in einem geschützten Raum den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.31 Vielmehr bedarf es einer Feststellung im Einzelfall32 oder dem Einbezug von „bestimmten Tatsachen aus dem engeren Familienbereich, [was] besonders die wechselseitigen persönlichen Bindungen, Beziehungen und Verhältnisse aus dem Familienbereich, welche unbeteiligten Dritten regelmäßig nicht ohne Weiteres zugänglich sind und daher Schutz vor dem Einblick durch Außenstehende verdienen“33, betrifft. Im Ausgangsfall erfassen die Bildaufnahmen das leicht bekleidete Ehepaar auf der Terrasse. Die leichte Bekleidung deutet darauf hin, dass ein intimer Bereich der Persönlichkeit betroffen ist. Zudem besteht eine gewisse Nähe zum Kernbereich der Persönlichkeit, der Sexualität, sodass eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches wahrscheinlich scheint. Weiterhin kann auch in diesem Zusammenhang die gesetzgeberische Entscheidung angeführt werden, dass das Persönlichkeitsrecht von Eigentümern oder Mietern von Wohngrundstücken besonders schützenswert ist.

Neben einem strafbaren Verhalten aus § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt ein Hausfriedensbruch nach § 123 Abs. 1 StGB in Betracht, dessen Tatbestand prima facie durch einen Drohnenüberflug erfüllt sein könnte. Allerdings geht die h.M. davon aus, dass § 123 Abs. 1 StGB nur durch ein körperliches Eindringen begangen werden kann, sodass der Überflug mit einer Drohne im Ergebnis nicht unter den Tatbestand fällt.34

Darüber hinaus kommt auch ein Nachstellen gem. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB in Betracht. Dieser Tatbestand ist vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG nicht unbedenklich und fungiert als Auffangtatbestand.35 Demnach ist ein eher restriktiver Umgang mit ihm geboten. Der Gesetzgeber wollte Handlungen, die denen der Absätze 1 bis 4 „in ihrem Handlungs- und Erfolgsunwert“36 nahekommen, aufnehmen, um der fortschreitenden Entwicklung und Vielseitigkeit des Lebens gerecht zu werden.37 Vor diesem Hintergrund erscheint es möglich, dass die Benutzung einer Drohne als ein Nachstellen i.S.d. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB eingeordnet werden kann. Grundsätzlich umfasst das Nachstellen „alle Verhaltensweisen, die darauf gerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherungen an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu


22 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Bd. I: Grundlagen – Der Aufbau der Verbrechenslehre4, 2006, § 2 Rn. 7; BVerfG NJW 1975, 573, 576.

23 Mir Puig, FS Jescheck, 1985, S. 337, 340.

24 Esser, JA 2010, 323, 324.

25 Fischer, StGB62, 2015, § 201a Rn 3.

26 BT-Drucks. 15/2466, S. 5.

27 BT-Drucks. 15/2466, S. 5.

28 Fischer (Fn. 25), § 201a Rn. 6.

29 BT-Drucks. 15/2466, S. 5.

30 Fischer (Fn. 25), § 201a Rn. 14; Bosch, in: Satzger/Schmitt/Widmaier (Hrsg.), StGB, 2009, § 201a Rn. 11-13.

31 Fischer (Fn. 25), § 201a Rn. 14.

32 Fischer (Fn. 25), § 201a Rn. 14b.

33 Graf, in: MüKo/StGB, Bd. 4, §§ 185-2622, 2012, § 201a Rn. 38.

34 Fischer (Fn. 25), § 123 Rn. 15; Schäfer, in: MüKo/StGB, Bd. 3, §§ 80-184g2, 2012, § 123 Rn. 25; Lilie, in: LK/StGB, Bd. 4, §§ 80-145d11, 2005, § 123 Rn. 45; Ostendorf, in: NK/StGB4, 2013, § 123 Rn. 26; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar28, 2010, § 123 Rn. 12; a.A. Esser, JA 2010, 323, 324.

35 Fischer (Fn. 25), § 238 Rn. 6; Eisele, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 238 Rn. 21.

36 BT-Drucks. 16/3641, S. 14.

37 BT-Drucks. 16/3641, S. 14.

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beeinträchtigen“38. Hierunter kann auch die Anfertigung von Bildaufnahmen fallen.39 Folglich können Bildanfertigungen mit Hilfe einer Drohne den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllen.

Der zweite Beispielsfall legt zudem die Verletzung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a UWG nahe. Diese Regelung pönalisiert das unbefugte Sichverschaffen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen unter Anwendung technischer Hilfsmittel.40 Unter einem Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis werden „alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat“41 . Ein Produkttest ist üblicherweise nur einem ausgewählten Personenkreis zugänglich und der Hersteller ist regelmäßig darauf bedacht, dass Konkurrenten Neuerungen nicht im Vorfeld der Veröffentlichung erfahren. Folglich ist der Test eines Rennwagens (bzw. dessen Ergebnisse) als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis i.S.d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a UWG einzustufen. Technische Mittel sind jene, die ein Geheimnis beschaffen oder sichern können.42 Insbesondere Kameras werden vom Willen des Gesetzgebers umfasst.43 Vor diesem Hintergrund erfüllen auch Kameradrohnen das Merkmal eines technischen Hilfsmittels, mithin könnte ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a UWG vorliegen.

Die Abbildung von Bauwerken ist darüber hinaus besonders durch das Urhebergesetz (UrhG) geschützt. Nach § 59 Abs. 1 UrhG dürfen Bauwerke nur von der äußeren Ansicht abgebildet werden. Insbesondere die Abbildung von Werken hinter Hecken oder Zäunen ist unzulässig, ebenso Aufnahmen aus Perspektiven „von Balkonen, Dächern oder aus der Luft“44 . Die Anfertigung von Bildaufnahmen mittels einer Drohne aus der Luftperspektive beeinträchtigt demnach ggf. urheberrechtlich geschützte Interessen.

II. Weitere rechtlich geschützte Interessen und Rechtsgüter

Abseits von strafrechtlichen Tatbeständen kommen auch Verhaltensweisen für eine Rechtfertigung durch Notwehr in Betracht, die ein notwehrfähiges und rechtlich geschütztes Interesse „lediglich“ beeinträchtigen und keinem Straftatbestand unterfallen.45 Diese sollen nachfolgend beleuchtet werden.

Vor diesem Hintergrund ist vor allem eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 I GG von Bedeutung. Dieses leitet sich primär aus Art. 2 Abs. 1 GG ab und hat sich zu einem eigenen Grundrecht herausgebildet.46 In einem engen Zusammenhang mit der Menschenwürde stehend, gewährleistet das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eine „engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen“47. Eine besondere Ausprägung dieses Grundrechts bildet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.48 Das Bundesverfassungsgericht umreißt den sachlichen Schutzbereich als die „Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“49. Hiervon werden solche Eingriffe erfasst, die die engere Persönlichkeitssphäre beeinträchtigen können, insbesondere auch Bilder der eigenen Person und Eingriffe in die Privatsphäre des Einzelnen.50

Der Betrieb von Drohnen über Wohngrundstücken wurde durch die Neuerung der LuftVO vom 1.4.2017 grundsätzlich verboten. Hiermit beugt der Gesetzgeber i.V.m. dem Verordnungsgeber gerade solchen Beeinträchtigungen vor, die durch den Betrieb von Kameradrohnen entstehen können. Mit Kameradrohnen geht die Gefahr einher, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und der Bereich der Privatsphäre verletzt werden. Dies ergibt sich daraus, dass die Wohnung als Rückzugsort besonderen Schutz von der Rechtsordnung erfährt. Zudem können der Balkon, die Terrasse oder der Garten als Raum der privaten Entfaltung dienen und somit zur engeren Persönlichkeitssphäre des Einzelnen gehören sind es doch gerade diese Freiflächen, auf denen Privatpersonen ihre Freizeit verbringen, weil sie sich besonders heimisch fühlen. Zudem enthält auch die LuftVO in § 21a Abs. 3 Nr. 1 LuftVO n.F. die Wertung, dass der Datenschutz als besonders schützenswert angesehen wird.

Wie weiter oben bereits dargelegt, fällt der Überflug einer Drohne nicht unter den Straftatbestand des § 123 StGB. Dennoch kann das durch diesen Tatbestand geschützte Rechtsgut durchaus beeinträchtigt sein, denn das individuelle Hausrecht51 wird teilweise als „Stück lokalisierter Freiheitssphäre“52 verstanden, das durch ein Entscheidungsrecht über die räumliche Distanz von Anderen geprägt ist.53 Das Hausrecht gewährleistet so vor allem auch die durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre. Folglich kann das Hausrecht als Instrument zur Wahrung der Privatsphäre betrachtet werden. Wenn der Überflug einer Drohne die grundrechtlich gesicherte Privatsphäre des Einzelnen


38 Eisele, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 238 Rn. 21.

39 Fischer (Fn. 25), § 238 Rn. 17a; Gericke, in: MüKo/StGB, Bd. 4, §§ 185-2622, 2012, § 238 Rn. 38; Eisele, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 238 Rn. 21.

40 Esser, JA 2010, 323, 324.

41 BVerfG, Beschl. v. 14.3.2016 – 1 BvR 2087/03; Janssen/Maluga, in: MüKo/StGB, Bd. 72, 2015, § 17 UWG Rn. 31, 41.

42 Janssen/Maluga, in: MüKo/StGB (Fn. 41), § 17 UWG Rn. 79.

43 BT-Drucks. 10/5058, S. 39.

44 BGH GRUR 2003, 1035, 1037; Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel (Hrsg.), Urheberrecht3, 2013, § 59 Rn. 5.

45 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 6; Erb, in: MüKo/StGB, Bd. 1, §§ 1-372, 2011, § 32 Rn. 34; Herzog, in: NK/StGB (Fn. 34), § 32 Rn. 3; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 3.

46 BVerfGE 95, 267, 303; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland12, 2012, Art. 2 Rn. 36; Kunig, in Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. 1, Präambel, Art. 1-195, 2000, Art. 2 Rn. 30.

47 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 46), Art. 2 Rn. 36; ebenso Kunig, in Münch/Kunig (Fn. 46), Art. 2 Rn. 32.

48 Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 46), Art. 2 Rn. 37; Kunig, in Münch/Kunig (Fn. 46), Art. 2 Rn. 38; hierfür grundlegend BVerfGE 65, 1, 42.

49 BVerfGE 65, 1, 42.

50 BVerfGE 54, 148, 153; 34, 202, 220; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Fn. 46), Art. 2 Rn. 47.

51 Fischer (Fn. 25), § 123 Rn. 2; Schäfer, in: MüKo/StGB (Fn. 34), § 123 Rn. 1.

52 Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 123 Rn. 1.

53 Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 123 Rn. 1.

Jaritz, Drohnen57

beeinträchtigen kann, dann erscheint eine Beeinträchtigung des Hausrechts durch einen Drohnenflug ebenso möglich.

Von einem Drohnenflug geht – für den Fall eines Absturzes – zudem eine mittelbare Gefahr für die körperliche Integrität einher. Der Schutz von Leib und Leben ist essentieller Bestandteil der Rechtsordnung (Art. 2 Abs. 2 GG) und findet im Strafrecht insbesondere Niederschlag in den §§ 211 ff. StGB sowie in den §§ 223 ff. StGB.

Eine abstürzende Drohne kann neben Personenschäden außerdem auch Sachschäden nach sich ziehen. Folglich besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass das Eigentum als Rechtsgut geschädigt wird.

H. Strafrechtliche Rechtfertigung durch Notwehr (§ 32 StGB)

Nachdem damit untersucht wurde, welche Rechtsgüter durch den Betrieb von Drohnen beeinträchtigt sein können, wird nun der Frage nachgegangen, ob eine strafrechtliche Rechtfertigung durch Notwehr nach § 32 StGB in Betracht kommt, wenn der Inhaber eines der skizzierten Rechtsgüter eine Drohne zerstört (Fall 1 und Fall 2) oder den Steuermann der Drohne angreift (Abwandlung von Fall 1). Dabei wird grundlegend davon ausgegangen, dass das Verhalten des möglicherweise Notwehrübenden einem Straftatbestand unterfällt (z.B. nach § 303 StGB oder §§ 223 ff. StGB). Die Untersuchung soll dabei der Struktur einer Notwehrprüfung folgen.

I. Notwehrlage

Eine Rechtfertigung durch Notwehr nach § 32 StGB setzt zunächst das Bestehen einer Notwehrlage voraus. Eine Notwehrlage ist dann gegeben, wenn ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff durch eine andere Person verübt wird.54

1. Angriff

Ein Angriff ist nach h.M. eine Bedrohung rechtlich geschützter Güter durch menschliches Verhalten.55 Im Zusammenhang mit dem Drohnenbetrieb kommt zunächst eine Bedrohung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Das Notwehrrecht umfasst insbesondere auch Angriffe auf die Intim- und Privatsphäre des Einzelnen.56 Darüber hinaus gilt für das Recht am eigenen Bild, dass bereits gegen die Anfertigung von Bildaufnahmen vor einer Verbreitung vorgegangen werden kann.57 Der Betrieb einer Kameradrohne über oder in der Nähe von Wohngrundstücken bedroht jedenfalls diese rechtlich geschützten Interessen.

Der Fall 2 verschiebt diese Rechtsgüter in den gewerblichen Bereich. Über Industrieanlagen und Gewerbeflächen beeinträchtigt der Betrieb einer Kameradrohne das von § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a UWG geschützte Interesse der Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.

Darüber hinaus kommt sowohl in Fall 1 als auch in Fall 2 eine Bedrohung des Hausrechts und der körperlichen Integrität in Betracht. Das Hausrecht als solches ist insbesondere durch die Nähe zu Art. 13 Abs. 1 GG notwehrfähig58 und kann durch den Flug einer Drohne über einem Grundstück beeinträchtigt werden. Ebenso schwer wiegt eine Bedrohung der körperlichen Integrität. Das System aus Drohne und Steuereinheit kann anfällig für Störungen sein, der Steuermann kann die Kontrolle verlieren oder andere Umwelteinflüsse können dafür sorgen, dass die Drohne unkontrolliert zu Boden fällt.59 Hiervon geht eine unmittelbare Bedrohung von Leib und Leben aus. Folglich bedroht auch der Betrieb einer Drohne ohne Kamera rechtlich geschützte Interessen.

2. Durch einen Menschen

Die Bedrohung muss von einem menschlichen Verhalten ausgehen.60 In den hier zur behandelnden Fällen vollzieht sich die Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen oder Güter nicht unmittelbar durch menschliches Verhalten. Vielmehr ist das Steuern der Drohne eine mittelbare Beeinträchtigung, das Flugobjekt ist gewissermaßen der verlängerte Arm oder das dritte Auge des Steuermannes. Vor diesem Hintergrund ist klärungsbedürftig, ob ein solches Verhalten als Angriff i.S.d. § 32 StGB gewertet werden kann.

Hierfür kann zunächst eine Parallele zu den sog. „Kampfhund-Fällen“ gezogen werden. Angriffe von Tieren können i.R.d. Notwehr nicht zurückgeschlagen werden. Die Abwehr ist lediglich von zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründen abgedeckt.61 Das Notwehrrecht kann erst dann bemüht und das Verhalten des Tieres als Angriff i.S.d. § 32 StGB gewertet werden, wenn ein Mensch sich steuernd des Tieres bedient, d.h. das Tier letztlich instrumentalisiert wird.62 Diese Grundsätze lassen sich auch auf den Betrieb einer Drohne übertragen: Hier steuert der Mensch zwar kein Tier, aber eine Sache. Der Steuermann der Drohne agiert durch das Flugobjekt, kann es planvoll lenken und gezielt zu seinem Nutzen einsetzen. Folglich ist eine Beeinträchtigung durch eine Drohne als Angriff durch einen Menschen i.S.d. Notwehrrechts zu betrachten.


54 Ganz h.M., s. zum Beispiel Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 6, 14, 21; Kühl, Strafrecht Allgemeiner Teil7, 2012, § 7 Rn. 20; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB, Bd. 2, §§ 32-5512, 2006, § 32 Rn. 77, 108, 140; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 34; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 2.

55 Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 2; in ähnlicher Formulierung Kühl (Fn. 54), § 7 Rn. 20; Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 6; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 77.

56 OLG Karlsruhe StV 1981, 408, 409; OLG Düsseldorf NJW 1994, 1971, 1972; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 84.

57 BGH NJW 1966, 2353, 2354; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 84; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 93; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 5a.

58 BGH StV 1982, 219, 220; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 85; s. auch Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 90, der das Hausrecht als „unproblematisch“ notwehrfähig einordnet.

59 Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Absturz einer Drohne beim Weltcup-Slalom im italienischen Skiort Madonna di Campiglio, vgl. Fuest, welt.de v. 23.12.2015, online abrufbar unter http://t1p.de/fw48.

60 Kühl (Fn. 54), § 7 Rn. 20; Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 6; RGSt 34, 295, 296; 36, 233, 236; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 99; Herzog, in: NK/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 2.

61 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 6; RGSt 36, 230, 336; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 99; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 57; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 3.

62 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 6; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 99; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 57; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 3; Seier, JuS 1982, 521, 522.

Jaritz, Drohnen58

3. Gegenwärtigkeit des Angriffs

Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert.63 Dabei steht das „Stattfinden“ nicht nur wörtlich zwischen dem Bevorstehen und dem Fortdauern, sondern auch zeitlich. Folglich müssen vor allem der zeitliche Beginn und das Ende eines Angriffs beleuchtet werden.64 Hieraus ergibt sich allerdings nicht, ob der Angriff die Angriffshandlung oder die drohende Rechtsgutsverletzung meint.65 Zieht man die Angriffshandlung als solche heran, dann ergibt sich, dass eine Rechtfertigung durch Notwehr nicht mehr in Frage kommt, wenn der Angreifer seine, die Rechtsgüter bedrohende, Handlung bereits abgeschlossen hat.66 Stellt man hingegen mit der Rechtsprechung auf die drohende Rechtsgutsverletzung ab, dann ist ein Angriff gegenwärtig, solange die Bedrohung in eine Rechtsgüterverletzung umschlagen kann.67

Bei einem Angriff durch eine Drohne hat der Angreifer seine Handlung üblicherweise während des Betriebs der Drohne noch nicht abgeschlossen, weil gerade der Flug der Drohne die Bedrohung darstellt, die durch das weitere Handeln des Angreifers aufrechterhalten wird. Von diesem Stadium der Angriffshandlung kann zudem jederzeit eine Rechtsgutsverletzung eintreten wenn sie nicht schon eingetreten ist. Folglich kann eine Entscheidung zwischen beiden genannten Anknüpfungspunkten (Angriffshandlung oder die drohende Rechtsgutsverletzung) in diesem Zusammenhang dahinstehen: Ein Angriff wird im hiesigen Kontext immer dann unmittelbar bevorstehen, wenn die Drohne in der Nähe zu rechtlich geschützten Interessen gestartet wird bzw. immer dann enden, wenn sie nicht mehr betrieben wird.

In Bezug auf einen gerade stattfindenden Angriff kann erneut auf die aktuelle Wertung des Gesetzgebers verwiesen werden. Der Drohnenflug über Wohngrundstücken ist gem. § 21b Abs. 1 Nr. 7 LuftVO n.F. verboten. Durch diese Neuerung wird die Duldungspflicht bezüglich des Überflugs von Luftfahrzeugen, die sich aus § 1 LuftVG ergibt68, eingeschränkt. Die Wertung des LuftVG bleibt zwar für größere Luftfahrzeuge erhalten, da sonst der Flugbetrieb überhaupt nicht möglich wäre; für Flugmodelle und unbemannte Luftfahrzeuge ergibt sich jedoch ein absolutes Flugverbot über Wohngrundstücken. Daraus kann gefolgert werden, dass ein Angriff grundsätzlich dann stattfindet, wenn die Drohne über einem Wohngrundstück betrieben wird.

Fraglich ist, ob sich dies auch für Fall 2 direkt aus § 21b Abs. 1 Nr. 3 LuftVO n.F. ergibt, wonach über und in der Nähe von Industrieanlagen ein Flugverbot herrscht. Der Begriff einer Industrieanlage ist unbestimmt und bedarf daher der Auslegung. Folgt man zunächst dem Wortlaut und orientiert sich am Wortteil „Industrie“, dann würden nur solche Anlagen unter den Begriff fallen, die „den Wirtschaftszweig, der die Gesamtheit aller mit der Massenherstellung von Konsum- und Produktionsgütern beschäftigten Fabrikationsbetriebe eines Gebietes umfasst“69 betreffen. Bei einem Hersteller von Motoren für Formel 1-Wagen (Fall 2) scheint es naheliegend, dass nicht nur Motoren für den Rennsport getestet werden, sondern auch solche, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. Folglich würde die Teststrecke als industriell genutztes Gebiet eingeordnet werden können und sich ein besonderer Schutz aus § 21b Abs. 1 Nr. 3 LuftVO n.F. ergeben. Demgegenüber könnte jedoch erwogen werden, dass die Rennstrecke keine „Anlage“ darstellt. Eine Anlage i.S.d. Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) ist gem. § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG jede Betriebsstätte und sonstige ortsfeste Einrichtung bzw. gem. § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG Grundstücke, auf denen Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können. Hierzu zählen insbesondere die Anlagen, die im Anhang zur Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen enumerativ aufgeführt werden.70 Im Anhang I zu dieser Verordnung werden unter der Nummer 10.17 Renn- und Teststrecken für Kraftfahrzeuge aufgelistet. Folglich gelten diese als Anlagen i.S.d. Bundesimmissionsschutzgesetzes. Somit kann die Teststrecke in Fall 2 als Industrieanlage gewertet werden und erfährt daher ebenfalls besonderen Schutz durch die LuftVO, sodass ein Angriff auch hier grundsätzlich dann stattfindet, wenn eine Drohne über der Anlage betrieben wird.

4. Rechtswidrigkeit des Angriffs

Für das Bestehen einer Notwehrlage müsste der Angriff zudem rechtswidrig sein,71 d.h. der Angreifer muss sich in einen objektiven Widerspruch zur Rechtsordnung setzen.72 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Angriffshandlung einem Straftatbestand unterfallen muss.73

Die Rechtswidrigkeit des Drohnenbetriebs ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Drohne entgegen § 21b Abs. 1 Nr. 7 LuftVO n.F. über einem Wohngrundstück fliegt. Hier verstößt der Angreifer objektiv gegen eine Verhaltensnorm. Gleiches gilt auch für Drohnenflüge über oder in einem seitlichen Abstand von 100 Metern von Industrieanlagen.

Weniger eindeutig kann die Frage der Rechtswidrigkeit in Fällen beantwortet werden, in denen die Drohne neben Wohngrundstücken bzw. in einem seitlichen Abstand von


63 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 21; Fischer (Fn. 25), § 32, Rn. 17-20; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 140; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 104; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 13-16.

64 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 140.

65 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 140.

66 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 140 mit Bezug zu Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 13. Frister betont in diesem Zusammenhang, dass der Angreifer nach Beendigung seiner Angriffshandlung keinen Einfluss mehr auf die Beeinträchtigung seiner eigenen Rechtsgüter hat und folglich der Gedanke der Solidarität mit dem Angreifer das Notwehrrecht beschränkt. (Vgl. Frister, GA 1988, 291, 307-312).

67 BGHR § 32 Abs. 2 Angriff 5; BGH NJW 1973, 255; BGH NStZ 2000, 365.

68 Grabherr, in: Grabherr/Reidt/Wysk (Fn. 16), § 1 Rn. 14.

69 Duden online, Stichwort: Industrie, online abrufbar unter http://t1p.de/fj45.

70 Schmidt-Kötters, in: Giesberts/Reinhardt (Hrsg.), BeckOK Umweltrecht, 2007, § 4 BImSchG, Rn. 71.

71 Kühl (Fn. 54), § 7 Rn. 20; Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 14; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 108; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 34; Herzog, in: NK/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 2; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 2.

72 Kühl (Fn. 54), § 7 Rn. 20; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 108; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 41; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 19/20.

73 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 110.

Jaritz, Drohnen59

mehr als 100 Metern von Industrieanlagen fliegt. Wie die Abwandlung des ersten Falles andeutet, kann eine Drohne auch außerhalb eines Grundstücks betrieben werden und dennoch die Interessen und Rechtsgüter des Grundstücksinhabers beeinträchtigen: Bildaufnahmen müssen nicht zwangsweise mit Hilfe eines Überflugs über das Grundstück angefertigt werden. Nach dem heutigen Stand der Technik kann eine Drohne auch in bedeutender Entfernung von einem geschützten Bereich betrieben werden und dennoch Rechtsgutsverletzungen, wie die Aufnahme von Bildern, ermöglichen.

Diesem Spannungsfeld könnte man mit Vermutungsregeln und Indizien bezüglich der Rechtswidrigkeit eines Angriffs begegnen. Stellt man dabei rein subjektiv auf das Empfinden des „Opfers“ ab, würde das Notwehrrecht von der Willkür des Einzelnen abhängen. Die Schneidigkeit des Notwehrrechts gebietet jedoch, dass objektive Kriterien zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit herangezogen werden.

Erste Anhaltspunkte könnten zunächst die Nähe der Drohne zu den eigenen Rechtsgütern und die Flughöhe sein. Bewegt das Flugobjekt sich beispielsweise sehr dicht an der Grenze zu einem Wohngrundstück, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass der Steuermann rechtswidrig handelt. Wird die Drohne in einiger Entfernung vom Grundstück betrieben, scheint eine solche Auslegung des Verhaltens zu streng. Als problematisch erweist sich jedoch, dass der möglicherweise in Notwehr Handelnde wohl kaum einen Einblick in die Sphäre des Angreifers hat und regelmäßig nicht einschätzen kann, mit welcher Technik die Drohne ausgestattet ist. Eine hochauflösende Kamera könnte auch noch aus beachtlicher Entfernung Bildaufnahmen anfertigen.

Darüber hinaus könnte das Flugverhalten herangezogen werden. Die Drohne kann sich im Schwebeflug befinden, das Grundstück umrunden oder nahe der Grundstücksgrenze vorbeifliegen. Dabei ist auch die Geschwindigkeit der Drohne von indizieller Bedeutung. Ein Vorbeiflug mit schneller Geschwindigkeit könnte weniger schwer wiegen als ein langsamer Rundflug. Demgegenüber lässt ein Schwebeflug vermuten, dass der Steuermann der Drohne eine beobachtende Position einnimmt. Letztlich könnte das Flugverhalten also Anhaltspunkte für die Motive des Steuermannes liefern und somit die Rechtswidrigkeit entscheidend prägen.

Zu berücksichtigen sind ferner zeitliche Aspekte und die Häufigkeit des Kontakts mit der Drohne. Fliegt die Drohne nur einmal am Grundstück vorbei oder mehrmals innerhalb einer kurzen Zeit? Wird die Drohne in regelmäßigen Abständen gesichtet? Wie lange dauert der Flug? Die Antworten auf diese Fragen können jeweils darauf hindeuten, dass der Steuermann der Drohne verwerfliche Motive verfolgt. So liegt die Rechtswidrigkeit beispielsweise nahe, wenn ein Einbrecher sorgfältig die Gegebenheiten auf einem Grundstück auskundschaftet und dafür täglich für mehrere Minuten das Grundstück umrundet.

Bedeutend für die Rechtswidrigkeit kann auch sein, ob der Angegriffene die Ausstattung der Kamera erkennt. Fliegt zum Beispiel eine Drohne erkennbar ohne Kamera vor dem Grundstück, könnte dies darauf hinweisen, dass der Betrieb keine Beeinträchtigungen der Privatsphäre mit sich bringt und deshalb nicht rechtswidrig ist.

Schlussendlich lässt sich kein abstraktes Urteil über die Rechtswidrigkeit eines Drohnenflugs in der Nähe von geschützten Rechtsgütern und Interessen treffen. Auch die Rechtsordnung hat hierauf noch keine eindeutige Antwort gefunden. Vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Betrieb einer Drohne außerhalb der Grenzen eines Privatgrundstücks als rechtswidrig eingestuft werden kann. Grundsätzlich muss im Rahmen der skizzierten Abwägung die Wertung des LuftVG beachtet werden, dass der Luftraum frei ist. Zu strenge und verteidigerfreundliche Vermutungsregeln würden den Umgang mit Drohnen stark einschränken und bedürfen daher einer besonderen Prüfung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die Attraktivität des Drohnenbetriebs als Freizeitgestaltung erhalten wollte.74 Im Zweifel ist eine Rechtswidrigkeit des Drohnenbetriebs außerhalb von Wohngrundstücken bzw. außerhalb der seitlichen Mindestabstandsfläche von Industrie-anlagen i.S.v. § 21b Abs. 1 Nr. 3 LuftVO n.F. daher zu verneinen.

II. Notwehrhandlung

Eine Rechtfertigung durch § 32 StGB setzt neben dem Bestehen einer Notwehrlage auch voraus, dass der Verteidiger eine Notwehrhandlung vornimmt, die sich gegen den Angreifer richtet.75 Die Handlung muss zudem erforderlich sein und darf nicht durch besondere Umstände eingeschränkt werden.76 Im Folgenden sollen diese Merkmale einer gerechtfertigten Verteidigungshandlung näher untersucht werden.

1. Verteidigungshandlung zulasten des Angreifers

Die Verteidigungshandlung muss zulasten des Angreifers gehen, d.h. es darf nur in dessen Rechtsgüter eingegriffen werden, um die Schneidigkeit des Notwehrrechts zu legitimieren.77 Dies wird in Fällen, in denen sich eine Person gegen einen Angriff durch eine Drohne richtet, regelmäßig gegeben sein, weil die Notwehrhandlung sich typischerweise entweder gegen das Eigentum oder direkt gegen die Person richten wird.

2. Erforderlichkeit

Die Erforderlichkeit ist – wie sich unmittelbar aus § 32 Abs. 2 StGB ergibt – das zentrale Element der Notwehrprüfung. Das Merkmal der Erforderlichkeit definiert Roxin wie folgt: „Erforderlich ist jede geeignete, unter mehreren zur Auswahl stehenden Verteidigungsarten mildeste, nicht mit dem unmittelbaren Risiko eigener Beeinträchtigung verbundene Abwehr“78. Steht dem Verteidiger nur eine einzige Möglichkeit der Abwehr zur Verfügung, so ist


74 BR-Drucks. 39/17, S. 2.

75 BGHSt 4, 245, 248; Fischer (Fn. 25), § 32 Rn. 24; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 155; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 122; Herzog, in: NK/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 54; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 31.

76 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 42, 53; Fischer (Fn. 25), § 32, Rn. 28, 36; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 129, 201; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 34, 48.

77 Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 31.

78 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 42. Diese Definition entspricht, mit Abweichungen in der Formulierung, der h.M., vgl. statt vieler Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 129.

Jaritz, Drohnen60

dieses Mittel stets erforderlich.79 Die Schneidigkeit des Notwehrrechts gebietet jedoch dann die Wahl des mildesten Mittels, wenn mehrere Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Das mildeste Mittel ist jenes, welches die Rechtsgüter des Angreifers am geringsten beeinträchtigt.80 Dieser Grundsatz wird dahingehend eingeschränkt, dass der Verteidiger sich nicht auf unzureichende Abwehrhandlungen verlassen muss.81 Ebenso wenig muss er die Flucht oder das Ausweichen einerseits oder das Herbeirufen fremder Hilfe andererseits wahrnehmen.82 Die Erforderlichkeit einer Abwehrhandlung wird nach objektiven Maßstäben aus einer Sicht ex ante beurteilt, wobei die Maßstäbe eines verständigen und besonnenen Beobachters heranzuziehen sind.83 Die Erforderlichkeit wird nach zwei Gesichtspunkten beurteilt: a) ist das Mittel geeignet, den Angriff zu beenden und b) ist es erforderlich i.e.S., d.h. ist es das Mittel, dass die Rechtsgüter des Angreifers am geringsten beeinträchtigt.84

Zunächst soll die Erforderlichkeit in den Fällen untersucht werden, in denen die Drohne über einem geschützten Grundstück betrieben und anschließend durch den Verteidiger zerstört wird (Fall 1 und Fall 2). In diesen Fällen wird es oftmals so liegen, dass sich dem möglicherweise Notwehr-übenden zwei Möglichkeiten eröffnen: Entweder er gibt seine Tätigkeiten auf und zieht sich in einen geschützten Bereich zurück oder er stellt sich dem Angriff entgegen. Dieses Entgegenstellen kann sich darin äußern, dass er die Drohne zu Boden bringt oder, dass er dem Angreifer die Steuereinheit entreißt vorausgesetzt, dass dieser sich in seinem Sichtfeld befindet.

Der Rückzug in einen geschützten Bereich würde einer Flucht gleichkommen. Derjenige, der flüchtet, weicht einer bedroh-lichen Lebenssituation aus und beugt sich somit einem Angriff auf seine Rechtsgüter, den er aufgrund des Bestehens einer Notwehrlage eigentlich nicht hinnehmen müsste. Darüber hinaus eignet sich der Rückzug nicht zur Beendigung des Angriffs. Eine Handlung ist dann geeignet, wenn der Eingriff in die Rechtsgüter beendet werden kann.85 Dies ist durch einen Rückzug nicht der Fall: Wer eine Drohne über seinem Grundstück beobachtet, kann sich zwar durch den Rückzug in die Wohnung einer Beeinträchtigung von Leib und Leben oder einer Bildaufnahme von der eigenen Person entziehen, dies bedeutet jedoch nicht, dass weitere Bedrohungen der eigenen Rechtsgüter ausgeschlossen sind. So liegt es nahe, dass eine Drohne auch dann in die Privatsphäre des Einzelnen eingreifen kann, wenn sie an den Fenstern des Hauses oder der Wohnung vorbeifliegt.

Vor diesem Hintergrund verbleibt dem Verteidiger stets nur die aktive Verteidigung durch den Abschuss der Drohne oder dem Entreißen der Steuereinheit. Beide Maßnahmen sind grundsätzlich geeignet, den Angriff zu beenden. Es folgt dementsprechend eine Prüfung der Erforderlichkeit im engeren Sinne, wofür stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.86

Sollten dem Verteidiger beide Mittel zur Verfügung stehen, dann sind die Auswirkungen der Verteidigungshandlungen unterschiedlich. Der Abschuss einer Drohne zieht wohl in den meisten Fällen eine Beschädigung oder Zerstörung des Flugobjekts nach sich. Dies ist grundsätzlich auch bei einem Entreißen der Steuereinheit möglich, jedoch besteht hier die Möglichkeit, dass die Drohne sicher zur Landung gebracht wird freilich unter dem Vorbehalt, dass der Verteidiger überhaupt die Fähigkeiten hierzu besitzt und nicht durch den Angreifer gestört wird. In den gebildeten Beispielsfällen eröffnet sich A und G nur eine geeignete Verteidigungshandlung: Der Abschuss der Drohne. Demzufolge ist dieses Mittel jedenfalls erforderlich.87

Anders könnte es in der Abwandlung des Ausgangsfalles liegen. Hier richtet sich die Verteidigungshandlung körperlich gegen den Steuermann der Drohne. Auch in diesem Fall muss sich der Verteidiger nicht auf einen Rückzug einlassen. Er hat jedoch die Wahl zwischen einer aktiven Verteidigung, die sich gegen den Steuermann richtet und einer Maßnahme, deren Folgen die Drohne treffen.

Grundsätzlich muss der Verteidiger nicht automatisch das Mittel wählen, welches die Rechtsgüter des Angreifers am geringsten beeinträchtigt. Er muss nur dann das mildere Mittel wählen, wenn sich beide Handlungsalternativen in gleicher Weise zur Abwendung des Angriffs eignen.88 Im vorliegenden Fall führen beide Verteidigungsmöglichkeiten dazu, dass der Drohnenflug kurzfristig beendet wird und somit die Bedrohung von geschützten Rechtsgütern verhindert wird. Sie sind also gleich geeignet und der Verteidiger muss das mildere Mittel von beiden wählen.89 Hierbei wird auf die Gefährdung der Rechtsgüter des Angreifers abgestellt und nicht auf die tatsächlich eingetretene Rechtsgutsbeeinträchtigung.90 In der abgewandelten Fallkonstellation kommt die Gefährdung eines Sachwerts, beispielsweise die Zerstörung der Drohne durch Wegnahme der Steuereinheit, und die Beeinträchtigung der Person des Steuerers, d.h. ein Personenschaden in Betracht. Stehen sich die Wegnahme des Angriffswerkzeugs und körperliche Gewalt gegenüber, dann ist die erstere Handlungsmöglichkeit vorzuziehen.91 Aus dieser Wertung des BGH ergibt sich, dass die Verursachung von Sachschäden weniger schwer wiegt als das Hervorrufen von Personenschäden und daher das mildere Mittel darstellt. Folglich darf sich die Verteidigung eines Drohnenangriffs regelmäßig nicht gegen den Steuermann selber richten, sondern in erster Linie gegen die Drohne als solche. Hierbei


79 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 172; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 36.

80 BGHSt 3, 218; 26, 256; Fischer (Fn. 25), § 32 Rn. 30; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 175.

81 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 43;BGHSt 25, 229, 230; BGH NJW 1980, 2263; BGH NStZ 1982, 285.

82 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 49; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 181.

83 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 46; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 180; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 129.

84 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 42; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 167.

85 BGHSt 27, 336, 337; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 167.

86 BGH NJW 1969, 802; Herzog, in: NK/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 61.

87 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 172; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 36.

88 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 172.

89 BGHSt 3, 217, 218; 42, 97, 100; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 175.

90 BGHSt 27, 313, 314.

91 BGH NStE Nr. 6 zu § 32 StGB.

Jaritz, Drohnen61

ist die Zerstörung der Drohne allerdings dann nicht erforderlich, wenn der Verteidiger die Möglichkeit und Fähigkeiten besitzt, um die Drohne wegzunehmen. Die Wegnahme ist im Regelfall der Zerstörung vorzuziehen.92

Obwohl die Umstände des Einzelfalls maßgeblich für die Beurteilung der Erforderlichkeit sind, können grundsätzlich zwei Regeln aus den Betrachtungen abgeleitet werden: Die Zerstörung der Drohne wird regelmäßig erforderlich sein, um den Angriff abzuwehren. Richtet sich der Verteidiger gegen den Steuermann, dann ist eine solche Handlung nur erforderlich, wenn kein milderes Mittel wie zum Beispiel die Wegnahme der Steuereinheit zur Verfügung steht.

Liegen die Voraussetzungen einer Notwehrlage vor und richtet sich der Verteidiger mit einer erforderlichen Maßnahme gegen den Angreifer, dann müsste zusätzlich der Verteidigungsvorsatz gegeben sein.93 Das subjektive Rechtfertigungselement soll jedoch in diesem Beitrag nicht näher thematisiert werden.

3. Gebotenheit

In Fällen, in denen der Verteidiger nur körperliche Gewalt anwenden kann, um den Angriff zu beenden, könnte die Gebotenheit das Notwehrrecht beschränken.94 Vor dem Hintergrund, dass die Gebotenheit in Einzelfällen zu Einschränkungen des Notwehrrechts führen kann und daher besonders abhängig von den Umständen des konkreten Sachverhalts ist, soll dieses Merkmal hinter den allgemeinen Betrachtungen zurückstehen.

4. Sonderproblem: Antizipierte Notwehr

Ein Sonderproblem ergibt sich in Fällen, in denen Drohnen durch eine automatisierte Schutzanlage zerstört werden (Fall 2). Solche Fälle eröffnen das Problemfeld der sogenannten antizipierten Notwehr, bei der der Verteidiger selbst zwar die Verteidigungshandlung vornimmt, die Verteidigungswirkung allerdings erst unmittelbar durch den Angreifer ausgelöst wird.95 Grundsätzlich können Selbstschutzanlagen vom Verteidiger installiert werden und vom Notwehrrecht umfasst sein.96 Ein rechtliches Problem ergibt sich daraus, dass die Verteidigungshandlung von keinem weiteren Willensentschluss abhängt. Vielmehr wird immer die zuvor installierte Verteidigungsmaßnahme ausgelöst, ungeachtet der Umstände des Angriffs.97 Kunz sieht in dieser „mangelnden Individualisierbarkeit“ das „Risiko von [einer] Fehl- oder Überreaktion“98 verankert. Dies führt zu der Frage, ob der Verteidiger oder der Angreifer das Risiko einer unangemessenen Gegenwehr zu tragen hat.99

Vorgeschaltet ist zunächst die Frage, ob der Angreifer das Risiko überhaupt erkennen konnte. Ist dies der Fall, dann verzichtet der Angreifer bewusst auf den Schutz der Rechtsordnung vor einer unangemessenen Verteidigungshandlung und begibt sich somit in eine Situation der eigenverantwort-lichen Selbstgefährdung.100 An die Erkennbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen.101 Im vorliegenden Fall 2 ist die Abwehranlage für T nicht zu erkennen. Somit schließt sich die Frage an, ob er das Risiko zu tragen hat, dass zu intensiv in seine Rechtsgüter eingegriffen wird.

Dieses Problem der Erforderlichkeit beantwortet Kunz damit, dass er die Beurteilung der Erforderlichkeit auf den Zeitpunkt der Errichtung des Verteidigungsautomaten vorverlagert – unter der Prämisse, dass die Installation ein Teil der Verteidigung und keine Vorbereitungshandlung ist.102 Er zieht daraus den Schluss, dass der Verteidiger unterschiedlich intensiv wirkende Schutzmaßnahmen staffeln muss. Kommt es dann zum intensivsten Eingriff in die Rechtsgüter des Angreifers, dann ist dieser auf die Hartnäckigkeit des Angreifers zurückzuführen.103 Im Fall 2 hätte G demzufolge der Abfangdrohne das Auswerfen einer Nebelbombe vorschalten müssen, um die Erforderlichkeit einer möglicherweise folgenden Zerstörung der Drohne des T zu wahren.

Demgegenüber lehnen andere Autoren eine Einschränkung des Notwehrrechts vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit ab. So wendet sich Müssig gegen die von Kunz vertretene Auffassung mit den Worten: „Bei Kunz bleibt im Ergebnis nur eine prognostische Bestimmung dieses Rahmens [der Rahmen der Erforderlichkeit, Anm. d. V.]; dies jedoch bedeutet die Ausblendung des entscheidenden Notwehrkriteriums: der Notwehrlage“104. Demzufolge fehlt der Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Erforderlichkeit, wenn diese auf den Zeitpunkt der Errichtung der Schutzanlage vorverlagert wird: Das spätere Angriffsverhalten kann schlechthin nicht prog-nostiziert werden. Im Fall 2 kann die G bei der Installation der Schutzanlage nicht antizipieren, dass der T kein sonderlich hartnäckiger Angreifer ist und bereits durch eine mildere Maßnahme zur Umkehr bewegt worden wäre. Folglich trägt nicht die G als Verteidigerin, sondern der Angreifer T das Risiko einer zu intensiven Verteidigung.


92 LG Bremen StV 1983, 427, 428.

93 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 111; BGHSt 2, 111, 114; 5, 245, 247; Fischer (Fn. 25), § 32 Rn. 25; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 262; Herzog, in: NK/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 127.

94 Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass das Notwehrrecht in besonderen Konstellationen eingeschränkt werden kann (vgl. u.a. Kühl (Fn. 54), § 7 Rn. 157; Fischer (Fn. 25), § 32, Rn. 36; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 201). Uneinigkeit besteht darüber, ob diese Beschränkung als „Gebotenheit“ bezeichnet wird oder unter den Begriff der „sozialethischen Einschränkungen“ fällt. (Vgl. hierzu statt vieler Roxin (Fn. 22), § 15, 55-59).

95 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 198.

96 Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 51; Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 197.

97 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 198-199.

98 Kunz, GA 1984, 539, 546.

99 Andere Autoren verorten das Problem der antizipierten Notwehr bereits innerhalb der Notwehrlage bei der Gegenwärtigkeit (vgl. Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch (Hrsg.), Strafrecht Allgemeiner Teil Lehrbuch12, 2016, § 15 Rn. 23) und stellen dafür die Verteidigungshandlung in den Vordergrund. Dieser Ansicht kann jedoch nicht zugestimmt werden, da die Installation einer automatisierten Schutzanlage nur bedeutet, dass sich „in Wehr“ und nicht „zur Wehr“ gesetzt wird (so Kunz, GA 1984, 539, 540); wie hier auch Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 150 und Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 115.

100 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 200; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 174; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 37.

101 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 200.

102 Kunz, GA 1984, 539, 549.

103 Kunz, GA 1984, 539, 551; Erb, in: MüKo/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 178-179; Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 32 Rn. 37.

104 Müssig, ZStW 115 (2003), 224, 228.

Jaritz, Drohnen62

Der Ansatz von Kunz wird insbesondere durch kriminalpolitische Erwägungen getragen, die der Errichtung tödlicher Schussanlagen oder der Gefährdung unbeteiligter Dritter entgegenwirken sollen.105 Darüber hinaus scheint es vor dem Hintergrund der Schneidigkeit des Notwehrrechts angemessen, dass dem automatisierten intensivsten Eingriff mildere Maßnahmen vorgeschaltet werden. Folglich wird die Anwendung eines Verteidigungsautomaten kaum je erforderlich sein.106

Dem kann entscheidend entgegengehalten werden, dass dem Verteidiger verboten wird, sich gegen einen erwarteten und wahrscheinlichen Angriff in, und später auch zur, Wehr zu setzen.107 Wer damit rechnet, dass Drohnen über einem empfindlichen Bereich betrieben werden, dem sollte nicht auferlegt werden, dass er zunächst zum Gartenschlauch greifen muss, wenn er auch eine Abfangdrohne besitzt.

Abseits von dogmatischen Erwägungen lassen sich die kriminalpolitischen Erwägungen, die gegen die strafrechtliche Legitimierung des Einsatzes von Selbstschussanlagen o.ä. vorgebracht werden, nicht auf die Abwehr von Drohnen übertragen, da die Gefährdung unbeteiligter Dritter hier nahezu ausgeschlossen scheint: Zum einen werden handelsübliche Anlagen nur durch fliegende Objekte ausgelöst.108 Zum anderen kommt es lediglich dann zum Abschuss der Drohne, wenn diese sich über einem besonders geschützten Gebiet befindet. Innerhalb dieses Gebietes müssen die dort lebenden oder arbeitenden Menschen damit rechnen, dass Drohnen zu Boden fallen könnten bzw. werden durch den Anlagenbetreiber entsprechend informiert werden. Darüber hinaus kann das verbleibende Restrisiko durch das Auslösen eines Alarms weiter reduziert werden.

Auch Erwägungen der Erforderlichkeit stützen eine Untersagung der Notwehr gegen Drohnen mit einer automatisierten Anlage letztlich nicht. In der Praxis wird es oftmals so liegen, dass der Angriff einer Drohne unvorhergesehen geschieht. Ein kurzer Überflug reicht bereits aus, um Bild- oder Filmaufnahmen anzufertigen. Vor diesem Hintergrund ist es mit dem Prinzip eines effektiven Rechtsgüterschutzes unvereinbar, wenn ein Verteidiger zunächst mildere Mittel vorschalten soll, die dem Angreifer letztlich mehr Zeit für einen Angriff gewähren.109

I. Fazit

Der Betrieb einer Drohne über einem Privatgrundstück oder der Drohnenflug über und in einem seitlichen Abstand von 100 Metern von Industrieanlagen stellt selbst dann einen rechtswidrigen Angriff i.S.d. § 32 StGB dar, wenn die jeweilige Drohne nicht mit einer Kamera bestückt ist. Wird eine Drohne hingegen neben einem Grundstück bzw. außerhalb der skizzierten Schutzzone um Industrieanalagen betrieben, liegt von vornherein nur dann ein Angriff vor, wenn die Drohne mit einer hinreichend leistungsfähigen Kamera bzw. einem geeigneten Richtmikrofon ausgestattet ist, um Individualrechtsgüter zu beeinträchtigen.110 Über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Drohnenbetriebs kann in solchen Fällen nur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung entschieden werden. Maßgebliche Kriterien für die Bewertung können dabei die Entfernung der Drohne zum betroffenen Grundstück, das Flugverhalten der Drohne (Vorbei-, Schwebe- oder Rundflug) oder die Dauer und Häufigkeit des Auftauchens der Drohne sein. Angesichts der gesetzgeberischen Grundwertung, den Luftraum prinzipiell freizuhalten, muss der potentiell Notwehrübende außerhalb der in § 21b LuftVO genannten Konstellationen im Zweifel von der Rechtmäßigkeit des Drohnenbetriebs ausgehen.

Liegt im Einzelfall ein rechtswidriger Angriff vor, darf der betroffene Rechtsgutsinhaber die ihn beeinträchtigende Drohne zum Absturz bringen, wobei von den situativ gleichgeeigneten Abwehrmitteln dasjenige zu wählen ist, das die Substanz der Drohne am wenigsten beschädigt. Versprechen Abwehrmaßnahmen, die sich gegen die Drohne richten, keinen Erfolg, darf subsidiär auch Notwehr gegen die Person geübt werden, die die Drohne steuert.

Schließlich ist festzuhalten, dass eine Drohnenabwehr durch automatisierte Drohnenabwehrsysteme jedenfalls im Luftraum über einem Wohngrundstück bzw. innerhalb der von § 21b Abs. 1 Nr. 3 LuftVO n.F. statuierten Schutzzone über und um Industrieanlagen auch unter Berücksichtigung der Debatte um die antizipierte Notwehr als zulässig zu bewerten ist.


105 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 202; vgl. auch Herzog (NK/StGB [Fn. 45], § 32 Rn. 72): „Keinesfalls zulässig und erforderlich sind Verteidigungsanlagen, die von vornherein auf ein Niederschießen von Angreifern abzielen“.

106 So Kunz, GA 1984, 539, 553; Roxin (Fn. 22), § 15 Rn. 51; Herzog, in: NK/StGB (Fn. 45), § 32 Rn. 72.

107 Rönnau/Hohn, in: LK/StGB (Fn. 54), § 32 Rn. 202.

108 Grundsätzlich besteht zwar die Möglichkeit, dass zum Beispiel der Drachen eines spielenden Kindes ebenso wie der Flug einer Drohne zum Auslösen der Anlage führt. Dem beugt der marktführende Hersteller allerdings damit vor, dass Drohnen nicht allein durch Kameras, sondern auch und anhand ihrer Datenübertragung oder drohnentypischer Geräusche identifiziert werden (vgl. pars pro toto die Herstellerangaben des Unternehmens Dedrone über den Funktionsumfang des „DroneTrackers“, online abrufbar unter http://t1p.de/w8ln).

109 Diese Erwägungen sind freilich darauf beschränkt, dass die automatisierte Schutzanlage nur die Grenzen eines Grundstücks sichert. Würde der Schutzbereich vor die Grundstücksgrenzen verlagert werden, dann geht dies mit untragbaren Gefahren für Dritte einher.

110 Irrt der Notwehrübende sich über die technische Ausstattung der von ihm abgewehrten Drohne, so liegt ein Erlaubnistatumstandsirrtum vor. Das gleiche gilt beispielsweise in Fällen, in denen der Eigentümer eines Wohngrundstücks eine Drohne als ziviles Flugobjekt einordnet und nicht erkennt, dass es sich eigentlich um eine Polizeidrohne handelt. Die heute h.L. und die Rspr. folgen zur Lösung solcher Fallkonstellationen der eingeschränkten Schuldtheorie und lassen analog § 16 Abs. 1 StGB das Vorsatzhandlungsunrecht entfallen, sodass (vorausgesetzt, es liegt eine zulässige Verteidigungshandlung vor) eine Strafbarkeit ausscheidet, vgl. hierzu BGHSt 3, 105, 107; 49, 34, 44 sowie Kühl (Rn. 54), § 13 Rn. 73, Roxin (Rn. 22), § 14 Rn. 64 und Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn. 34), § 16 Rn. 18.