Einschlägige Verfahren und Möglichkeiten der Vereinheitlichung
Hans Flemming Kilian, LL.B.*
A. Einleitung
Im Jahr 2018 sollen deutsche Haushalte mit Breitbandinternet flächendeckend versorgt sein. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis dahin sämtlichen Haushalten einen Internetanschluss mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50 Mbit/s verfügbar zu machen.1 Der dafür vorzunehmende Netzausbau soll vor allem von den privaten Telekommunikationsanbietern vorgenommen werden. Doch zeigt das Vorhandensein verschiedener Förderprogramme auf Bundes- und Länderebene und der derzeitige Stand des Ausbaus,2 dass dieses ambitionierte Ziel ohne staatliche Unterstützung nicht erreicht wird.\smallskip
Entscheidet sich eine Gemeinde daher, den Breitbandausbau in ihrem Gemeindegebiet vorantreiben zu wollen, wird sie sich mit einer Vielzahl zu beachtender Rechtsnormen konfrontiert sehen. In dieser Arbeit soll der Fokus auf die Vorschriften gelegt werden, die der Gemeinde die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens auftragen. Bei einem ersten Durchsehen der einschlägigen Rechtsnormen dürfte nämlich schnell der Eindruck entstehen, dass „jede zweite“ Regelung die Durchführung eines Vergabe-, Auswahl- oder Ausschreibungsverfahrens vorschreibt. Im Mittelpunkt der Ausarbeitung soll somit die Frage stehen, ob nicht einfach die Durchführung eines Vergabeverfahrens nach dem Kartellvergaberecht ausreichen würde, um die Ziele aller anderen, vorgesehenen Ausschreibungswettbewerbe zu verwirklichen.\smallskip
Dieser Frage gleichsam voraus gehen eine kurze Auseinandersetzung mit dem Breitbandbegriff und die Suche nach all den Vorschriften, die einen Ausschreibungswettbewerb beim staatlich geförderten Breitbandausbau anordnen könnten. Es soll im Detail untersucht werden, in welchen Situationen welche dieser Vorschriften einschlägig ist. Lässt sich beispielweise die Ausschreibung recht frei gestalten, da das Kartellvergaberecht gar keine Anwendung findet? Oder sind in jedem die Fall die Vorgaben des GWB zu beachten?\smallskip
B. Breitband als Beschreibung eines Standards?
Der Begriff „Breitband“ beschreibt keinen spezifischen technischen Standard und ist auch im rechtlichen Bereich nicht definiert. Vielmehr lässt sich feststellen, dass der Begriff meist benutzt wird, um ein Netz mit Internetgeschwindigkeiten der nächsten Generation zu beschreiben (deswegen oft auch die Bezeichnung „Next Generation Access (NGA)-Netz“). So sprach man z.B. vor gut zehn Jahren schon von Breitbandinternet bei einer Downloadgeschwindigkeit von mehr als 128 kbit/s.3 Heute wird unter einem Breitbandnetz eher ein Netz mit einer Downloadrate von mindestens 30 – 50 Mbit/s verstanden.4 Breitbandausbau ist deswegen derzeit mit der Bereitstellung von Glasfaseranschlüssen gleichzusetzen.5
C. Der Ausschreibungswettbewerb als Voraussetzung von Förderung
I. Das Vergabeverfahren im Vergaberecht
Liest man den Begriff „Ausschreibungswettbewerb“, liegt es nahe, als erstes an den Rechtsbereich des Vergaberechts zu denken. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob es bei der staatlichen Förderung des Breitbandausbaus zu Situationen kommt, in welchen das Kartellvergaberecht greift. Das Kartellvergaberecht des GWB findet gem. § 106 I 1 GWB nur Anwendung, wenn die in der Auftragsvergaberichtlinie bzw. Konzessionsvergaberichtlinie festgelegten Schwellenwerte erreicht bzw. überschritten werden. Dies dürfte in der Praxis den Regelfall darstellen.
1. Auftraggeber bzw. Konzessionsgeber
Die Förderleitlinien von EU6 , Bund7 und Ländern8 gehen im Grundsatz davon aus, dass der Breitbandausbau von den Telekommunikationsanbietern am Markt eigenständig und privatwirtschaftlich vorgenommen wird. Sollte es allerdings in absehbarer Zeit nicht zum Bau einer Breitbandinfrastruktur
* Der Autor ist Alumnus der Bucerius Law School, Hamburg.
1 S. Digitale Agenda 2014 – 2017, Broschüre der Bundesregierung für die Öffentlichkeitsarbeit, gemeinsam herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, vom Bundesministerium des Inneren und vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im August 2014 (Digitale Agenda), S. 4.
2 Eine gute Übersicht bietet der interaktive Breitbandatlas des BMVI unter http://www.zukunft-breitband.de/Breitband/DE/Breitbandatlas/BreitbandVorOrt/breitband-vor-ort_node.html (Zugriff 10.03.2017).
3 So die Bundesnetzagentur in ihrer Veröffentlichung von „Definitionen und Messvorschriften für Qualitätskennwerte für Breitbandige Netzzugänge“, Mitteilung Nr.294/2005, S. 2; ausführlicher zur Entwicklung des „Breitbandstandards“ Büllingen/Stamm, Breitband für jedermann – Infrastruktur für einen innovativen Standort, 2008, S. 39 ff.
4 Vgl. die Vorstellungen der Kommission in Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, Mitteilung vom 3.3.2010, KOM(2010) 2020, S. 16 f.; und der Bundesregierung, Digitale Agenda (Fn. 1), S. 4.
5 Hierzu im Detail Fornefeld/Rokus, Technologische Grundlagen zur Breitband-Versorgung im ländlichen Raum, 2010, S. 18 ff.
6 So ausdrücklich die Kommission in den Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschritten über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau (EU-Breitbandleitlinien), Mitteilung der Europäischen Kommission vom 26.01.2013, 2013/C 25/01, Rn. 4 ff.; allgemeiner die Förderziele der Kommission, Europa 2020 (Fn. 4), S. 16 f.
7 S. die Präambel der Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der Bundesrepublik Deutschland“, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 22. Oktober 2015 (Förderrichtlinie Breitbandausbau); vgl. auch die Präambel der Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Aufbaus einer flächendeckenden Next Generation Access (NGA)-Breitbandversorgung (NGA-RR), BAnz AT 20.07.2015 B2.
8 Beispielhaft genannt seien hier nur die Förderprogramme von Bayern, Richtlinie zur Förderung des Aufbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen im Freistaat Bayern (BbR Bayern), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat vom 10. Juli 2014, Az.:75-O 1903-001-24929/14, Gliederungspunkt 1.1 und Sachsen, Förderrichtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Förderung des Ausbaus von Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen und zur Ausstattung von touristisch relevanten, öffentlichen Bereichen mit öffentlich zugänglichen Hot Spots/WLAN (Richtlinie Digitale Offensive Sachsen), Sächsisches Amtsblatt Nr. 33/2013, S. 796; geändert durch Bekanntmachung vom 19. September 2014, Sächsisches Amtsblatt Nr. 42/2014, S.1268, Gliederungspunkt 4.1.2.
kommen, sehen die Förderleitlinien ein Tätigwerden der betroffenen Gebietskörperschaften vor Ort vor.
Gebietskörperschaften sind gem. § 99 Nr. 1 GWB öffentliche Auftraggeber. Sollten sich mehrere Gemeinden entscheiden den Ausbau in einer Region gemeinsam z.B. als Zweckverband voranzutreiben, fallen auch diese gem. § 99 Nr. 3 GWB unter den persönlichen Anwendungsbereich des Vergaberechts. Nichts anderes gilt für juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die von Gebietskörperschaften oder Verbänden gegründet und beherrscht werden, vgl. § 99 Nr. 2 GWB.
Sollten obig genannte Körperschaften eine Konzession vergeben, fallen sie als öffentliche Auftraggeber gem. § 101 I Nr. 1 GWB auch unter den persönlichen Anwendungsbereich des GWB-Konzessionsvergaberechts.
2. Auftrag oder Konzession
Damit gilt es zu prüfen, ob auch der sachliche Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts eröffnet ist. Das Kartellvergaberecht findet sowohl bei der Vergabe von Aufträgen gem. § 115 GWB, als auch bei der Vergabe von Konzessionen nach § 148 GWB Anwendung. Die vergaberechtliche Qualifizierung der gemeindlichen Ausbauprojekte hängt maßgeblich von der Wahl der unterschiedlichen, dem Auftraggeber zur Verfügung stehenden Organisationsmöglichkeiten ab.
a) Gestaltungsmöglichkeiten beim Breitbandausbau
Grundlage für die Unterscheidung der verschiedenen, sich anbietenden Förder- und Geschäftsmodelle ist zunächst die Bestimmung der relevanten Stufen der Wertschöpfung.9
Auf der ersten Wertschöpfungsstufe angesiedelt ist die Errichtung der passiven Netzinfrastruktur. Hierunter fallen u.a. das Verlegen von unbeschalteteten Leitungskabeln, die dafür erforderlichen Tiefbauarbeiten und die Errichtung von Verteilerschränken und Schächten. Die zweite Wertschöpfungsstufe stellen der Betrieb und die Wartung dieser passiven Netzinfrastrukturen dar. Die passive Infrastruktur wird mit aktiven Netzelementen (z.B. Routern, Splittern) bestückt und ist dann für die Signalübertragung bereit. Man spricht auch von der aktiven Netzinfrastruktur auf dieser zweiten Ebene. Auf der dritten Wertschöpfungsstufe werden dem Endkunden die Dienstleistungen wie Internet, Telefon und Fernsehen angeboten.10
Denkbar ist ein Tätigwerden der Gemeinde auf jeder dieser Ebenen.11 Die Gemeinde kann als Komplettanbieter am Markt auftreten, sich also sowohl um den Netzaufbau, den Netzbetrieb und das Angebot von Dienstleistungen kümmern (sog. Komplettanbietermodell). Etwas geringer ist das wirtschaftliche Engagement der Kommune, wenn sie nur den kostenintensiven Aufbau der passiven Netzinfrastruktur vornimmt und diese privaten Anbietern gegen Entgelt für den Netzbetrieb zur Verfügung stellt (sog. Infrastrukturanbietermodell). Ganz auf ein wirtschaftliches Engagement verzichtet eine Gemeinde, die nur als Geber von Förderleistungen für den defizitären Netzaufbau und/oder -betrieb auftritt (sog. Fördergebermodell).12 Der Gemeinde steht es hierbei offen, ob sie durch das Gewähren von finanziellen Mitteln (z.B. nicht rückzahlbare Zuschüsse) oder durch die Bereitstellung sächlicher Leistungen (z.B. Tiefbauarbeiten oder die Verlegung von Leerrohren) fördert.13
Fördergelder erhalten die Kommunen aus den Förderprogrammen von Bund und Ländern nur, wenn sie sich für das Fördergeber- oder das Infrastrukturanbietermodell entscheiden.14
b) Vergaberechtliche Qualifikation
Sowohl der öffentliche Auftrag als auch die Konzession setzen nach ihren vergaberechtlichen Definitionen einen entgeltlichen Vertrag voraus. Beim öffentlichen Auftrag geht es gem. § 103 I GWB dabei um die Beschaffung einer Leistung. Bei einer Konzession wird ein Nutzungsrecht übertragen, vgl. § 105 I GWB. Sollte die Abgrenzung nur auf Grund dieser Merkmale schwer fallen, wird allgemeinen zwischen Konzession und Auftrag unterschieden, indem ermittelt wird, wer das überwiegende wirtschaftliche Risiko des Projekts trägt, vgl. § 105 II GWB.15
Bereits vorweggenommen sei an dieser Stelle, dass Aufträge oder Konzessionen, die die Gemeinde durch Eigenbetriebe oder Tochtergesellschaften und ähnliche Unternehmen ausführen lässt, gem. § 108 I GWB – soweit dessen weitere Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen – als Inhouse-Vergaben nicht dem Vergaberecht unterfallen.16
9 S. Bary, NZBau 2014, 208.
10 Vgl. hierzu im Detail Chirico/Gaál, State aid to broadband: primer and best practises, Competition Policiy Newsletter 2011/1, S. 51 f.; hierauf bezugnehmend Bary, NZBau 2014, 208.
11 Vgl. die ausführliche und umfassende Untersuchung denkbarer Fördermodelle und weiterergehende Ideen bei Kühling/Neumann , in: Inderst/Kühling/Neumann/Peitz (Hrsg.), Der Ausbau neuer Netze in der Telekommunikation, 2012, S. 229 ff.
12 Diese Art der Systematisierung geht zurück auf Bary, NZBau 2014, 208 (209); und wurde von anderen Autoren in der Literatur übernommen, so Sonder/Hübner, KommJur 2015, 441 (445 f.).
13 Vgl. ausdrücklich § 2 I NGA-RR; auch Bary, NZBau 2014, 208 (209).
14 Vgl. auf Bundesebene Förderrichtlinie Breitbandausbau (Fn.7) Rn. 3.1 und Rn. 3.2; sowie § 3 I lit. a) und lit b) NGA-RR; auf Landesebene exemplarisch BbR Bayern (Fn. 8) Rn. 2; Richtlinie Digitale Offensive Sachsen (Fn. 8) Rn. 2.
15 So auch schon die Abgrenzung durch die Praxis vor der 9. GWB-Novelle, vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht5, 2014, § 99 GWB Rn. 205 ff.; Wegener, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht2, 2015, § 99 GWB Rn. 49 ff.
16 Vgl. überblicksartig Sonder/Hübner, KommJur 2015, 441 (445 f.).
aa) Das Fördergebermodell
Fördert die Gemeinde ein Unternehmen im Rahmen des Fördergebermodells nur finanziell, liegt kein Beschaffungsvorgang iSd. § 103 I GWB vor. Von einem Beschaffungsvorgang ist nach allgemeiner Ansicht nur zu sprechen, wenn mit dem Rechtsgeschäft ein Beschaffungszweck verfolgt wird.17 Ein solcher liegt wiederum nach der Rechtsprechung des EuGH vor, wenn der öffentliche Auftraggeber im Zuge des Vertragsgeschäftes eine Leistung erhält, die in seinem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse liegt.18 Beim Fördergebermodell erhält die Gemeinde weder Eigentum an der Netzinfrastruktur noch kommt es ihr unmittelbar wirtschaftlich zugute, wenn ein Telekommunikationsunternehmen vor Ort ein Breitbandnetz betreibt. Vielmehr sorgt die Gemeinde nur mit der finanziellen Förderung dafür, dass ein sonst defizitärer Ausbau der Breitbandinfrastruktur von einem Unternehmen in privatwirtschaftlicher Form vorgenommen wird. Ein Auftrag im vergaberechtlichen Sinne liegt damit mangels Beschaffung in diesem Fall nicht vor.19
Doch auch das Vorliegen einer Konzession iSd. § 105 I GWB ist zu verneinen. Voraussetzung für die Übertragung eines Nutzungsrechtes ist – schon denklogisch –, dass der Auftraggeber Rechtsinhaber dieses Nutzungsrechts ist.20 Allerdings sieht das TKG in § 68 I vor, dass die Nutzungsberechtigung des öffentlichen Grunds für Telekommunikationslinien21 beim Bund liegt. Betreiber oder Eigentümer von öffentlichen Telekommunikationsnetzen können sich diese auf Antrag übertragen lassen. Das Wegerecht für Telekommunikationslinien wird folglich nicht im Rahmen einer Konzession von der Gemeinde, sondern einfach auf Antrag vom Bund übertragen. Darüber hinaus verbleibt das Eigentum an möglicherweise bereits verbauter, passiver Netzinfrastruktur bei dem Unternehmen, dass das Netz aufgebaut hat.22 So kann auch bei einer Förderung auf der zweiten Wertschöpfungsstufe kein Nutzungsrecht von der Gemeinde übertragen werden.
Anders liegt es, wenn die Gemeinde eine sächliche Förderung vornimmt. Lässt die Gemeinde die sächlichen Leistungen, z.B. versprochene Tiefbauleistungen, nicht „Inhouse“ ausführen, fällt dieses Vorgehen als Beschaffung einer Bauleistung (§ 103 III 1 Nr. 2 GWB) unter die Definition des öffentlichen Auftrages nach § 103 I GWB.23
bb) Das Infrastrukturanbietermodell
Beim Infrastrukturanbietermodell ist zwischen zwei Komponenten zu unterscheiden: Zum einen geht es um den Bau, zum anderen um die Vermietung der passiven Infrastruktur. Der Unterschied beim Aufbau der passiven Netzinfrastruktur zum Fördergebermodell liegt darin, dass die Gemeinde Eigentümerin der passiven Netzelemente wird. Damit ist ein Beschaffungszweck ohne weiteres gegeben.24
Bietet die Gemeinde ihre passive Netzinfrastruktur einem Betreiber zum Netzbetrieb an, dürfte generell vom Vorliegen einer Dienstleistungskonzession auszugehen sein. Der Begriff der Dienstleistung ist im GWB nur negativ definiert. Eine Dienstleistung liegt demnach vor, wenn es sich bei der erbrachten Leistung weder um eine Bau- noch um eine Lieferleistung handelt, vgl. § 103 IV GWB. Der Betrieb des Netzes bringt keine Baumaßnahmen mit sich. So werden aktive Netzkomponenten, deren Einbau für den Netzbetrieb erforderlich sein kann, nicht, wie passive Netzstrukturelemente, mit Grundstücken oder Gebäuden verbunden.25 Da beim Netzbetrieb auch nicht von einer Warenlieferung oder ähnlichem zu sprechen ist, liegt demnach eine Dienstleistung vor. Sofern der private Netzbetreiber für seine Dienstleistung dann vollständig durch seine Kunden, also die Dienstleistungserbringer auf der dritten Wertschöpfungsstufe, entlohnt wird, ist unproblematisch vom Vorliegen einer Dienstleistungskonzession gem. § 105 I Nr. 2 GWB auszugehen. Die Gegenleistung der Gemeinde für den Netzbetrieb liegt hier allein in der Überlassung des Nutzungsrechts, welches dann vom Netzbetreiber verwertet werden kann.26
An dieser Einordnung ändert sich auch dann nichts, wenn die Gemeinde dem Unternehmen einen Zuschuss (nach dem Fördergebermodell) für den Betrieb des Netzes gewährt. Zwar liegt dann die Gegenleistung nicht mehr allein in der Überlassung des Nutzungsrechtes, doch ist in § 105 I Nr. 2 GWB auch vorgesehen, dass sich die Gegenleistung aus der Überlassung eines Verwertungsrechts und einer Zahlung zusammensetzen kann. Im Regelfall wird sich durch die Förderleistung das Betriebsrisiko – sollte es bei der Gemeinde liegen, wäre ein Dienstleistungsauftrag anzunehmen, vgl. § 105 II – auch nicht auf die Gemeinde verlagern.27
Sollten die beiden Verträge als Gesamtleistung vergeben werden28 , fallen die Vergabe eines Bauauftrags und einer Dienstleistungskonzession zusammen. Für diesen Fall bestimmt § 111 III Nr. 4 GWB, dass die Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen, d.h. § 115 ff. GWB, anzuwenden sind.
17 Vgl. statt vieler Ziekow in: ders./Völlnik (Hrsg.), Vergaberecht2, 2011, § 99 GWB Rn. 44.
18 Vgl. zuletzt EuGH, Rs. C-451/08 – Helmut Müller-GmbH/Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Slg. 2010, I-2707, Rn. 48 f.; EuGH, Rs. C-271/08 – Europäische Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2010, I-7158, Rn. 75.
19 So auch Bary, NZBau 2014, 208 (209); Sonder/Hübner, KommJur 2015, 441 (445).
20 Vgl. für die Baukonzession nach der alten Rechtslage statt aller Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 15), § 99 GWB Rn. 241; Ziekow in: ders./Völlnik (Fn. 17), § 99 GWB Rn. 205.
21 „Telekommunikationslinien [sind] unter- oder oberirdisch geführte Telekommunikationskabelanlagen einschließlich ihrer zugehörigen Schalt- und Verzweigungseinrichtungen, Masten und Unterstützungen, Kabelschächte und Kabelkanalrohre“, so die Legaldefinition in § 3 Nr. 26 TKG.
22 Vgl. hierzu im Detail Münch, VIZ 2004, 207 (207 ff.).
23 S.auch Bary, NZBau 2014, 208 (209); Sonder/Hübner, KommJur 2015, 441 (445).
24 Eigentum ist ein gemeinhin anerkannter Beschaffungszweck, vgl. statt vieler Willenbruch in: ders./Wieddeking, Kompaktkommentar Vergaberecht2, 2011, § 99 GWB Rn. 11; Ziekow in: ders./Völlnik (Fn. 17), § 99 GWB Rn. 205.
25 Vgl. OLG München, NZBau 2011, 380 (383); auch Bary, NZBau 2014, 208 (210).
26 Vgl. im Detail auch OLG München, NZBau 2011, 380 (383 f.); OLG Karlsruhe, NZBau 506 (507 f.); zustimmend Bary, NZBau 2014, 208 (210 f.).
27 Vgl. im Ganzen hierzu OLG München, NZBau 2011, 380 (383 f.); OLG Karlsruhe, NZBau 506 (507 f.); sehr differenziert Bary, NZBau 2014, 208 (210 f.).
28 § 111 I GWB lässt eine Vergabe als Gesamtauftrag ausdrücklich zu.
cc) Das Komplettanbietermodell
Beim Komplettanbietermodell kann die Gemeinde auf der ersten Wertschöpfungsstufe, wie auch beim Infrastrukturanbietermodell, einen Bauauftrag vergeben. Auf der zweiten und dritten Stufe kann jedoch nur ein Dienstleistungsauftrag und keine Konzession vergeben werden. So wird der Auftragnehmer beim Komplettanbietermodell für seine Leistung nur durch die Gemeinde und nicht durch eigene Kunden entlohnt. Das wirtschaftliche Risiko des Netzbetriebs und der Diensterbringung trägt die Gemeinde.29\smallskip
dd) Zusammenfassung
Der sachliche Anwendungsbereich des Vergaberechts ist nur in bestimmten Konstellationen eröffnet. Die Abgrenzung von öffentlichen Auftrag und Konzession ist im Regelfall ohne große Schwierigkeiten mit den gesetzlichen Abgrenzungskriterien des § 105 GWB möglich.\smallskip
3. Der Ausschlusstatbestand des § 116 II bzw. § 149 Nr. 8 GWB
Ist der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts bei obig untersuchten Konstellationen grundsätzlich eröffnet, können die GWB Vergabevorschriften dennoch nicht anzuwenden sein. In der Vorschrift des § 116 II ist für Aufträge bzw. in § 149 Nr. 8 GWB für Konzessionen ein Ausnahmetatbestand für Vergaben im TK-Sektor vorgesehen. Die beiden Vorschriften nehmen Aufträge und Konzession vom Vergaberecht aus, welche „hauptsächlich den Zweck haben, dem öffentlichen Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen“.
Der Ausnahmetatbestand hat einen deutlich engeren Anwendungsbereich, als es auf den ersten Blick scheint. Als erstes sei hervorgehoben, dass die Vorschrift expressis verbis nur solche Aufträge und Konzessionen erfasst, die „dem [..] Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb von Kommunikationsnetzen […] ermöglichen“. Vom Vergaberecht ausgenommen sind damit also nur die Aufträge und Konzessionen, die ein öffentlicher Auftraggeber vergibt, der selbst Netzbetreiber bzw. -bereitsteller oder Dienstbetreiber ist oder sein will.30 Vom Ausnahmetatbestand können also nur Aufträge bzw. Konzessionen, die im Rahmen des Komplet- und Infrastrukturanbietermodells vergeben werden, erfasst sein.
Eine weitere Verengung des Anwendungsbereiches folgt aus der definitionsgemäßen Fassung des Begriffes des „öffentliches Kommunikationsnetzes“. Unter dem Begriff des Kommunikationsnetzes sind nach der einschlägigen Definition in Art. 2 lit. a) der Kommunikations-Rahmen-RL Übertragungssysteme zu verstehen, die die Übertragung von Signalen ermöglichen. Um Signale übertragen zu können, braucht es jedoch (s.o.) sowohl aktive als auch passive Netzinfrastrukturelemente. Damit dürfte auch das Infrastrukturanbietermodell aus dem Anwendungsbereich der Ausnahmevorschriften fallen, da die Gemeinde hier nur die passive Netzinfrastruktur bereitstellen will, nicht jedoch auch die aktiven Komponenten.
Im Ergebnis sind damit nur die Aufträge, die die Gemeinde im Rahmen des Komplettanbietermodells vergeben kann, unter den Ausschlusstatbestand des § 116 II GWB zu fassen. Für alle anderen obig benannten Aufträge und Konzessionen bleibt es bei der Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts.
4. Zusammenfassung
Vergabeverfahren nach den Vorschriften des Vergaberechts sind nicht der Regelfall, wenn die Gemeinde sich darum bemüht, den Breitbandausbau vor Ort voranzutreiben. Vielmehr bilden die Bauaufträge, die im Rahmen der sächlichen Förderung und des Infrastrukturanbietermodells vergeben werden und die Vergabe einer Dienstleistungskonzession zum Netzbetrieb beim Infrastrukturanbietermodell als Vorgänge, welche unter den Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts fallen und bei denen folglich ein Vergabeverfahren durchzuführen ist, die Ausnahme.
II. Das Auswahlverfahren im Förderrecht
Doch kennt nicht nur das Vergaberecht den Ausschreibungswettbewerb. Vielmehr finden sich der Begriff des Ausschreibungswettbewerbs oder wesensverwandte Begriffe auch in anderen gesetzlichen Vorschriften. Wie schon anklang, gibt es für die Gemeinden die Möglichkeit Fördergelder aus von Bund und Ländern aufgelegten Breitbandförderungsprogrammen zu beantragen. Neben bestimmten Vorgaben für die Wahl eines der denkbaren Organisationsmodelle (s.o.), findet sich in den die Förderung ausgestaltenden Leitlinien auch die Verpflichtung die Förderungsleistungen in einem wettbewerblichen Verfahren auszuschreiben.31 In den Förderprogrammen der Länder wird meist bestimmt, dass die einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnungen (d.h. VOL/A) sinngemäß anzuwenden sind. Die Vorschriften auf Bundesebene sind offener gehalten und verlangen nur die Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens, welches „mit dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinien in Einklang [steht]“.32
III. Das Auswahlverfahren im Beihilfenrecht
Inwieweit staatliche Unterstützungsleistungen beim Breitbandausbau als Beihilfe iSd. Art. 107 I AEUV zu fassen sind, wurde in der Literatur schon umfangreich untersucht33 und bildet nicht den Schwerpunkt dieser Arbeit. Vielmehr
29 S. Bary, NZBau 2014, 208 (212); ähnlich auch Sonder/Hübner, KommJur 2015, 441 (446).
30 Vgl. zur identischen Regelung im bisherigen Recht in § 100a GWB-2013 besonders deutlich Bary, NZBau 2014, 208 (211); ders., Kommunaler Netzausbau in der Telekommunikation, Nationale und europäische Rahmenbedingungen für den Infrastrukturausbau, 2014, S. 372, Schellenberg in: Pünder/ders. (Fn. 15), § 100a GWB Rn. 24.
31 S. § 5 III NGA-RR; auch Förderrichtlinie Breitbandausbau (Fn. 7) Rn. 4.4; auf Landeseben seien beispielhaft genannt Richtlinie Digitale Offensive Sachsen (Fn. 8) Rn. 7.4.1; etwas weniger streng BbR Bayern (Fn. 8) Rn. 5.1.
32 So ausdrücklich § 5 IV NGA-RR, die Förderrichtlinie Breitbandausbau (Fn. 7) verweist in Rn. 5.3 auf die Vorschriften zum Ausschreibungswettbewerb.
33 S. nur Holznagel/Deckers/Schramm, NVwZ 2010, 1059 (1060 ff.); Kliemann/Stehmann, in: von der Groeben/Schwarz/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht7, 2015, Art. 107 AEUV Rn. 769 ff.; sehr ausführlich Fechtner, Breitband-Förderung im Lichte des EG-Beihilfenrechts, 2009, S. 56 ff.
interessiert, ob die Gemeinde auch durch Vorgaben des Beihilfenrechts dazu verpflichtet ist, einen Ausschreibungswettbewerb durchzuführen.
1. Das Vergabeverfahren als Altmark-Kriterium
Sofern es sich bei dem Ausbau von Breitbandinfrastruktur um eine Dienstleistung von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse (DAWI) handelt34 , ließe sich dem Beihilfenverbot des Art. 107 I AEUV entgehen, wenn bei der Förderung die Altmark-Trans Rechtsprechung des EuGH Anwendung findet.35 Damit die Altmark-Trans Rechtsprechung Anwendung finden kann, muss entweder ein „Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge“ oder „eine Analyse der Kosten erfolgen, die einem typischen, gut geführten Unternehmen unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns [beim Ausbau] entstehen würde“36 (viertes Altmark Kriterium37). Da eine Kostenanalyse erfahrungsgemäß sehr aufwendig und vor allem kostenbehaftet ist, dürfte die Wahl auf die Durchführung eines Vergabeverfahrens fallen.38 Den Anforderungen des vierten Altmark-Kriteriums wird genügt, wenn ein Vergabeverfahren, das „im Einklang“ mit den Vorgaben der EU-Vergaberichtlinien steht, durchgeführt wird.39
2. Das Auswahlverfahren der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)40
Gemäß Art. 52 I der AGVO sind Investitionsbeihilfen für den Ausbau von Breitbandversorgung iSd. Art. 107 III AUEV mit dem Binnenmarkt vereinbar, also gerechtfertigt, sofern die in der Freistellungsverordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Als eine Voraussetzung für die Vereinbarkeit verlangt Art. 52 IV AGVO die Durchführung eines „eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien wettbewerblichen Auswahlverfahrens“. Die Ausschreibung hat sich dabei nach den Grundsätzen des europäischen und nationalen Vergaberechts zu richten.41
D. Der Ausschreibungswettbewerb als Förderungsinstrument
Das allgemeine Vergaberecht des GWB findet, wie die Ergebnisse obiger Untersuchung zeigen, nur in wenigen Fällen der Breitbandförderung Anwendung. Wäre es im Sinne einer effektiven Förderung des Breitbandausbaus zuträglich, den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts im Breitbandbereich weiter zu fassen? Oder reichen die Vorgaben des Beihilfen- und Förderrechts zur Ausgestaltung des dort vorgesehenen Ausschreibungsverfahrens aus?
I. Vorgaben des Beihilfenrechts und der Förderricht-linien
Weder das Beihilfenrecht noch die Förderrichtlinien schreiben zwingend die Durchführung eines Vergabeverfahrens nach den Regeln des Kartellvergaberechts vor. Vielmehr ist jeweils nur ein transparentes, offenes und nicht diskriminierendes Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Dies heißt allerdings nicht, dass in den jeweils einschlägigen Vorschriften keine weiteren Vorgaben zur Verfahrensausgestaltung getroffen werden.
So verpflichten die Förderrichtlinien von Bund und Ländern die Gemeinde dazu, technologieneutral, offen und transparent auszuschreiben. Die Ausschreibung muss auf dem zentralen Portal des Bundes für Breitbandausschreibungen (www.breitbandausschreibungen.de) veröffentlicht werden. Darüber hinaus wird in den §§ 5 VI, 6 II NGA-RR festgelegt, welche Angaben die Angebote der Bewerber mindestens umfassen müssen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass sich Bewerber in ihrem Angebot verpflichten müssen, anderen Netzbetreibern uneingeschränkt offenen und diskriminierungsfreien Zugang zur Breitbandinfrastruktur zu gewährleisten.
Das Beihilfenrecht trifft sehr ähnliche42, teilweise sogar noch detailliertere Vorgaben: In Art. 52 IV AGVO wird der Grundsatz der Technologieneutralität festgeschrieben. Absatz 5 der Vorschrift verpflichtet dazu dem Netzbetreiber aufzutragen, Konkurrenten auf passiver und aktiver Netzebene ein möglichst umfassenden und physisch entbündelten Zugang zu gewährleisten. Weiter ins Detail gehen die Bestimmungen der EU-Breitbandleitlinien: In Rn. 78 d) werden Vorschläge für die Aufstellung von qualitativen Zuschlagskriterien gemacht (z.B. geografische Abdeckung, Nachhaltigkeit der Technologien, usw.).
Für die Ausschreibung von Beihilfen- und Förderleistungen beim Breitbandausbau stellen also bereits die Vorschriften aus dem Beihilfen- und Förderrecht detaillierte Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung eines Ausschreibungswettbewerbs auf.
II. Vorteile des Kartellvergaberechts
Aus dem Kartellvergaberecht selbst ergeben sich keine spezifischen Vorgaben zur Verfahrensausgestaltung in Bezug auf das Ziel der Breitbandförderung.43 Vielmehr gelten die allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts, § 97 GWB. Insbesondere
34 Dies ist jedenfalls der Fall, wenn es noch keine angemessene Internetversorgung in dem entsprechenden Gebiet gibt, vgl. im Detail Horn, VergabeR 2013, 337 (339); auch Holznagel/Beine, MMR 2015, 567 (571).
35 Vgl. EU-Kommission, EU-Breitbandleitlinien (Fn. 6), Rn 18; Kliemann/Stehmann, in: von der Groeben/Schwarz/Hatje (Fn. 33), Art. 107 AEUV Rn. 798 ff.
36 S. EuGH, Rs. C-280/00 – Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747, Rn. 93.
37 Vgl. anstelle vieler Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 15), Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 157 ff.
38 Ähnlich auch die Argumentation bei Bary (Fn. 30), S. 291 f.; auch die Kommission favorisiert allgemein die Durchführung eines Vergabeverfahrens, vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vom 11.01.2012 (DAWI-Mitteilung), 2012/C 8/02, Rn. 63 ff.
39 Vgl. Kommission, DAWI-Mitteilung (Fn. 38), Rn. 63 f., in der allerdings noch auf die alten Vergaberichtlinien von 2004 verwiesen wird; im Detail auch Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 15), Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 158 f.
40 Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. L 187, S. 1.
41 So Nowak, in: Immenga/Mestmäcker (Fn. 15), Art. 14 AGVO Rn. 32; ebenfalls und darüber hinaus zu den Vorgaben der AGVO für den Breitbandsektor im Einzelnen Freund/Bary, MMR 2015, 230 (234).
42 Vgl. nur Art. 52 IV, V AGVO; und die EU-Breitbandleitlinien (Fn. 6) Rn. 78.
43 So auch Bary, NZBau 2014, 208 (212); etwas detaillierter Horn, VergabeR 2013, 337 (341).
zu nennen ist hier der Grundsatz der Beschaffungsfreiheit und die Möglichkeit Sekundärzwecke wie ökologische, soziale oder innovationsbezogene Kriterien in die Ausschreibung miteinzubeziehen. Auf Grund dieser offenen Gestaltung des Vergaberechts dürfte es ohne weiteres möglich sein, die durch das Beihilfen- und Förderrecht zur Förderung der Breitbandinfrastruktur aufgestellten Verfahrensanforderungen wie Technologieneutralität und Zugangsoffenheit in ein Vergabeverfahren unter dem GWB zu integrieren.
Allerdings fragt sich, welche Vorteile sich daraus ergäben, würden in Zukunft alle Aufträge und Konzessionen im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau nach den Vorgaben des Kartellvergaberechts und nicht nur nach den Vorgaben des Beihilfen- oder Förderrechts ausgeschrieben werden. Vor allem dürfte an den ausdifferenzierteren Rechtschutz im Bereich des Kartellvergaberechts zu denken sein, vgl. § 155 ff. GWB. Außerhalb des Kartellvergaberechts wären Konkurrenten ansonsten wie im Haushaltsrecht praktisch auf den Sekundärrechtschutz verwiesen.44 Der Rechtsschutz für Wettbewerber wäre damit ein Vorteil der Anwendung des Kartellvergaberechts. Mittelbar könnte dies den Effekt einer besseren Vergabepraxis durch die Gemeinden haben. Auf der anderen Seite sollte man nicht die hohe Komplexität und daraus resultierende Fehleranfälligkeit45 eines Vergabeverfahrens nach dem GWB unterschätzen und die begrenzten Ressourcen der Gemeinden im Hinterkopf behalten. Die Gemeinden müssten mehr Personal für die Durchführung des Vergabeverfahrens abstellen als bei einer bloßen Ausschreibung im Sinne des Förderrechts. Geht ein Konkurrent im Wege des Primärrechtschutzes gegen eine Ausschreibung vor, verzögert sich die Zuschlagserteilung für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens und damit auch der Baubeginn.
E. Fazit
Es mochte vielleicht auf den ersten Blick so erscheinen, dass die Gemeinde in jedem Fall ein Ausschreibungsverfahren durchzuführen hat, wenn sie sich für die Förderung des Breitbandausbaus vor Ort entscheidet. Doch hat die vorangegangene Untersuchung gezeigt, dass es ganz auf das gewählte Organisationsmodell und dessen Ausführung ankommt, um bestimmen zu können, wann und vor allem nach welchen Vorgaben auszuschreiben ist.
Festhalten lässt sich, dass in den meisten Fällen nicht von einer formalisierten Ausschreibung nach den Vorgaben des Kartellvergaberechts sondern nur von einer, zwar vom Kartellvergaberecht geprägten, aber deutlich offeneren Ausschreibung nach den Bestimmungen des Beihilfenrechts auszugehen ist. Eher selten dürfte der Fall sein, dass überhaupt keine Ausschreibung durchzuführen ist, da die Gemeinde regelmäßig Fördergelder aus den Förderprogrammen von Bund und Ländern zur Umsetzung des Breitbandausbaus vor Ort beantragen wird und auch diese in Parallele zu den Vorgaben des Beihilfenrechts die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens vorschreiben.
Die Idee, die unterschiedlichen Verfahren unter den weiten Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts in Zukunft zu einem Verfahren, das allen Voraussetzungen genügt, zu bündeln, sollte indes verworfen werden. Die Vorteile, die sich durch eine solche Bündelung ergeben würden (verbesserter Rechtschutz), werden von den mit ihr verbundenen Nachteilen (höhere Komplexität und Fehleranfälligkeit) deutlich überwogen. Im Übrigen scheint es sinnvoll, Vorgaben wie Open-Access Anforderungen oder den Grundsatz der Technologieneutralität im Wege der TK-Regulierung im Breitbandbereich zu etablieren.
44 Zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte statt vieler Dittmann, in: Ziekow/Völlink (Fn. 17), Vor § 102 GWB Rn. 15 ff.
45 Hier sei nur auf die hohe Zahl von Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern und -senaten verwiesen. Allein 2015 waren dies mehr als 860 Verfahren. Gut 26 % der Verfahren wurden mit einer Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers beendet, vgl. http://www.forum-vergabe.de/fileadmin/user_upload/Downloads/1999-2015_Statistik_Nachpruefungsverfahren.pdf (Zugriff 10.03.2017).