Zum Spannungsverhältnis zwischen typisierter Drittvergleichbarkeit von Pensionsrückstellungen und flexibler Arbeitsgestaltung im Alter
Janis Beckedorf *
A. Einleitung
Als Folge des demographischen Wandels steigt die Relevanz, den Arbeitnehmern eine lange Erwerbsbeteiligung zu ermöglichen. Durch flexible Gestaltungen und Anreize kann dies auch durch das Steuerrecht gefördert werden. In diesem Rahmen stellt sich die Frage, wie die derzeitigen Voraussetzungen von Pensionsrückstellungen mit diesem neuen Ziel vereinbar sind und ob diese einer Anpassung bedürfen.
Einschränkend soll auf Pensionsansprüche an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer eingegangen werden.
B. Aktuelle Regelung zu Pensionsrückstellungen
I. Rechtsfolgen wirksamer Pensionsrückstellungen
Eine Pensionsrückstellung ist ein Unterfall der Rückstellungen.1 Dadurch wird die Vermögensminderung in die Periode vorverlagert, in welcher der Aufwand verursacht wurde.2 Der Steuerpflichtige profitiert regelmäßig von der Steuerstundung durch die Bildung von Rückstellungen.3
II. Voraussetzungen von Pensionsrückstellungen
§ 6a EStG ist hinsichtlich Pensionsrückstellungen vorrangig4 gegenüber §§ 5, 6 EStG und regelt, ob, wann und in welcher Höhe eine Pensionsrückstellung gebildet werden kann.
1. Allgemeine Voraussetzungen für Verbindlichkeitsrückstellungen
Neben den Anforderungen des § 6a EStG müssen die allgemeinen Voraussetzungen für Rückstellungen erfüllt sein.5 Es muss eine betrieblich veranlasste Drittverbindlichkeit bestehen, die in der Vergangenheit verursacht wurde und deren Inanspruchnahme wahrscheinlich6 ist.7
Diese vergleichsweise weiten Voraussetzungen werden regelmäßig von Pensionsrückstellungen erfüllt, sodass den Beschränkungen des § 6a EStG praktische Relevanz zukommt.
2. Voraussetzungen von Pensionsrückstellungen gem. § 6a EStG
a) Formalrechtliche Voraussetzungen
Gem. § 6a I Nr. 1 EStG können nur für Pensionszusagen Rückstellungen gebildet werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Des weiteren ist ein Widerruf gem. § 6a I Nr. 2 EStG schädlich. Die Pensionszusagen dürfen gem. § 6a I Nr. 2 EStG nicht von zukünftigen, gewinnabhängigen Bezügen abhängig sein. Dies ist wörtlich zu verstehen, sodass die Abhängigkeit vom Umsatz oder Gewinn vor der Zusage unschädlich ist.8 § 6a I Nr. 3 EStG stellt formelle Anforderungen an eine Pensionszusage.
b) Beginn der Rückstellung
§ 6a II EStG regelt den Zeitpunkt, zu dem frühestens9 eine Rückstellung gebildet werden darf. Maßgeblicher Zeitpunkt ist grundsätzlich der Zusagezeitpunkt.10 Eine Rückstellung kann daher auch während leistungsausschließender Warte- und Vorschaltzeiten gebildet werden.11 Gem. § 6a II EStG darf zudem vor Eintritt des Vorsorgefalles eine Rückstellung erst ab Erreichen eines Mindestalters gebildet werden oder wenn der Anspruch aufgrund der Finanzierung mittels einer Entgeltumwandlung unverfallbar wird.12 Andernfalls wird gem. § 6a II Nr. 2 EStG erst mit Eintritt des Versorgungsfalls eine Rückstellung gebildet.
c) Höhe der Rückstellung
§ 6a III EStG trifft eine spezielle Regelung hinsichtlich des Teilwertes von Pensionsverpflichtungen und damit auch hinsichtlich der Höhe von Pensionsrückstellungen vor Beendigung des Dienstverhältnisses und danach.
Vor Beendigung des Dienstverhältnisses ist der Barwert Ausgangspunkt der künftigen Pensionsleistungen.13 Dieser Wert wird versicherungsmathematisch bestimmt und ist der
* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.
1 Vgl. Weber-Grellert, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz35, 2016, § 6a Rn. 1; Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon1/16, 2016, Pensionsrückstellung Rn. 1.
2 Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Rückstellungen Rn. 1, 3.
3 Vgl. Schubert, in: Grottel/Schmidt/Schubert/Winkeljohann, Beck’scher Bilanz-Kommentar10, 2016, § 249 HGB Rn. 1.
4 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 1; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts, Einkommensteuergesetz191, 2016, § 6a Rn. 32.
5 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 1; Gosch, in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz14, 2015, § 6a Rn. 2.
6 BFH, BStBl. II 2006, 688.
7 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 5 Rn. 350; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 35.
8 Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 59.
9 Heger, in: Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz130, 2016, § 6a EStG Rn. 212; Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Pensionsrückstellung Rn. 9.
10 Gosch, in: Kirchhof (Fn. 5), § 6a Rn. 11 f.
11 Gosch, in: Kirchhof (Fn. 5), § 6a Rn. 11 f.; Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 227.
12 Gosch, in: Kirchhof (Fn. 5), § 6a Rn. 11.
13 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 51.
aktuelle Wert aller künftig zu erbringenden Pensionsleistungen.14 In dem Barwert wird die Wahrscheinlichkeit des Versorgungsfalles und eine Abzinsung berücksichtigt.15 Gem. § 6a III 3 EStG erfolgt die Abzinsung zu einem festgelegten Zinssatz.
Es ist davon auszugehen, dass der Pensionsrückstellung jährlich betragsmäßig konstante Jahresbeträge zugeführt werden.16 Bezüglich des Endes des Zuführungszeitraumes bestehen Wahlrechte. Grundsätzlich richtet sich das Ende nach dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles.17 Zum einen besteht die Wahlmöglichkeit, den Zeitpunkt aufgrund einer erwartungsgemäß längeren Beschäftigung des Berechtigten im Betrieb („technischer Rentner“) zu verschieben (R 6a XI 2 EStR).18 Zum anderen besteht die Möglichkeit, den Zeitpunkt auf die frühestmögliche Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung vorzuziehen (R 6a XI 3 EStR).19
Der fiktive Beginn des Zuführungszeitraumes richtet sich grundsätzlich nicht nach dem Zeitpunkt der Zusage, sondern nach dem Beginn des Dienstverhältnisses gem. § 6a S. 2 Nr. 1 S. 2, 5 EStG. Der Zeitpunkt wird ggf. durch eine mit § 6a II EStG vergleichbare Regelung des Mindestalters in § 6a III S. 2 Nr. 1 S. 6 EStG verzögert. Folglich werden im Veranlagungsjahr der Zusage vergleichsweise hohe Rückstellungen gebildet, wenn das Dienstverhältnis in einem früheren Veranlagungsjahr begonnen hat.20
Der Barwert der künftigen Pensionsleistungen abzüglich des Barwerts der künftigen oben beschriebenen Jahresbeiträge stellt den Teilwert der Pensionsverpflichtung gem. § 6a III S. 2 Nr. 1 EStG dar.21
Zudem wird die Höhe der Rückstellung gem. § 6a IV EStG begrenzt: Eine Rückstellung darf grundsätzlich lediglich um die Differenz des Teilwertes zum vergangenen Wirtschaftsjahr angehoben werden. Es besteht grundsätzlich ein Nachholverbot.22 In Ausnahmefällen ist die Bildung einer Rückstellung in Höhe des Teilwerts gem. § 6a III EStG, unabhängig von der Rückstellung im vergangenen Wirtschaftsjahr, zulässig. Dies gilt beispielsweise für das erste Jahr, in dem die Pensionsrückstellung gebildet werden darf (§ 6a IV 3 EStG).
III. Besondere Regelungen für Pensionsrückstellungen von Pensionsverpflichtungen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer
Zwischen einem beherrschenden Gesellschafter und der Gesellschaft kann neben der Organstellung beispielsweise ein Geschäftsführungsvertrag geschlossen werden.23 Daraus folgt, dass auch Pensionsverpflichtungen und damit auch die zugehörigen Rückstellungen steuerlich anzuerkennen sind.24 Allerdings bestehen hierfür, insbesondere bei Beherrschung, strengere Voraussetzungen.25
1. Voraussetzungen
Neben den oben beschriebenen Voraussetzungen dürfen außerdem die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) gem. § 8 III 2 KStG nicht gegeben sein.26 Zur steuerlichen Anerkennung einer Pensionsverpflichtung muss die Verpflichtung betrieblich veranlasst sein und darf nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhen.27 Für eine betriebliche Veranlassung muss die Pensionszusage formell und materiell an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Zusage gegenüber Dritten entsprechen.28 Die zusätzlichen Voraussetzungen, neben den Voraussetzungen des § 6a EStG und einer zivilrechtlichen Wirksamkeit, lassen sich mit den Begriffen ernsthaft, angemessen, erdienbar und finanzierbar zusammenfassen.29 Für eine Beurteilung dieser Vorausset-\linebreak zungen ist der Zeitpunkt der Zusage entscheidend.30
a) Formeller Fremdvergleich
Wie bei der vGA üblich31 ist auch für anzuerkennende Pensionsverpflichtungen eine klare, eindeutige und vorherige Zusage erforderlich.32 Zudem muss das schriftlich Vereinbarte auch tatsächlich durchgeführt worden sein.33
b) Materieller Fremdvergleich
Die Pensionsverpflichtung muss auch einem materiellen Fremdvergleich genügen.34 Maßstab ist ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer (vgl. auch § 43 I GmbHG).35
14 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 306 f.; Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 51.
15 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 307.
16 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 308.
17 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 58.
18 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 58; Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 395 f.
19 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 399.
20 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 53.
21 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 344.
22 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 61.
23 OLG Köln, GmbHR 2000, 432; Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt/Bode, Kommentar zum Einkommensteuergesetz383, 2016, § 6a EStG Rn. 37; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 104; vgl. Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 17; Janssen/Lange, Verdeckte Gewinnausschüttungen, 2010, S. 1567; Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 521.
24 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 521.
25 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 524; Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 17, 19.
26 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 20.
27 Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 103; Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 17.
28 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 521.
29 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 20; Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Pensionsrückstellung Rn. 42.
30 BFH, BStBl. II 2005, 653; Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Pensionsrückstellung Rn. 41.
31 Rengers, in: Blümich/Brandis, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz130, 2016, § 8 KStG Rn. 306.
32 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 539; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1569; Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 49.
33 Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 50; Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 20.
34 Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 49; Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 43.
35 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 530; Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Pensionsrückstellung Rn. 41.
aa) Erdienbarkeit
Eine Pensionszusage muss von einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer erdient werden. Hierzu wurden mehrere Voraussetzungen entwickelt.
(1)Probe- und Wartezeit
Es wird davon ausgegangen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Geschäftsführer keine Pensionszusage erteilen würde, wenn noch keine Erfahrungen hinsichtlich der Eignung des Geschäftsführers bestehen.36 In der Regel soll eine Probezeit zwei bis drei Jahre betragen.37
In neu gegründeten Gesellschaften, deren zukünftige wirtschaftliche Entwicklung noch nicht hinreichend deutlich abgeschätzt werden kann, würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer grundsätzlich keine Pensionszusage einräumen.38 Der Zeitraum für eine Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung soll regelmäßig fünf Jahre betragen.39
(2) Mindestlaufzeit
Ein weiteres Kriterium zur Bestimmung der Erdienbarkeit ist die Mindestlaufzeit. So wird gefordert, dass zwischen Pensionszusage an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und der festgelegten Pensionierung zehn Jahre liegen.40 Für nicht beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer gilt eine Frist von drei Jahren, wenn sie bei der Pensionierung insgesamt zwölf Jahre im Betrieb beschäftigt waren.41
(3) Alter bei Pensionszusage
Bei der Pensionszusage darf der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Höchstalter nicht überschritten haben. Dieses Kriterium knüpft an die Mindestlaufzeit des Dienstverhältnisses nach Erteilung der Pensionszusage an. Das Höchstalter wird für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer pauschal auf 60 Jahre festgelegt.42 Nach Überschreitung dieses Alters kann nicht mehr erwartet werden, dass der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer zehn Jahre bis zu seiner Pensionierung arbeitet.43
bb) Finanzierbarkeit
Die Pensionszusage darf nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen nicht zu einer Überschuldung der Gesellschaft führen.44
cc) Ernsthaftigkeit
Die Vereinbarung eines frühen Anspruchsalters auf Pensionsleistungen kann ein Indiz dafür sein, dass keine ernsthafte Pensionszusage erteilt wurde.45 Für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer erlaubt die Finanzverwaltung unabhängig vom tatsächlichen Anspruchszeitpunkt nur Rückstellungen, die sich bei einem Anspruchsalter von 65 bis 67 Jahren ergeben würden (vgl. R 6a VIII 1 EStR).46 Der BFH hat kürzlich entschieden, dass die Grenzen, wie die R 6a VIII 1, 5 EStR voraussetzt, keine gesetzliche Grundlage haben.47 Stattdessen sei der wahrscheinliche Eintrittszeitpunkt in den Ruhestand entscheidend.48 Fraglich ist, ob die Finanzverwaltung dem BFH folgen wird.49
dd) Angemessenheit
Zum einen muss die Gesamtvergütung angemessen sein, zum anderen muss sich die Angemessenheit auch auf die Pensionszusage beziehen.50
Für die Angemessenheit der Gesamtvergütung ist die Vergütung des Geschäftsführers inklusive der Pensionszusage maßgeblich.51 Die Pensionszusage ist dabei mit einer konstanten fiktiven Jahresnettoprämie anzusetzen.52 Die Jahresnettoprämie ist der Betrag, welcher gegenüber einer Versicherungsgesellschaft für eine solche Zusage aufzubringen wäre.53
Ebenso muss die Pensionszusage angemessen sein. Diesbezüglich gilt, dass die Pensionszusage nicht 75 % der letzten Aktivbezüge übersteigen darf.54 Wenn der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage, aber keine Aktivbezüge erhält (Nur-Pensionszusage), führt dies gemäß dem BFH zu einer unangemessenen Pensionszusage.55 Laut BFH soll diese Einschränkung allerdings nicht anwendbar sein, wenn die Zusage auf einer Entgeltumwandlung beruht.56 Die Finanzverwaltung will hingegen Zusagen anerkennen, soweit sie arbeitsrechtlich zulässig und betrieblich veranlasst sind.57
36 BFH, BStBl. II 2005, 882; Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23),\linebreak § 6a EStG Rn. 51.
37 BMF, 14.12.2012, Rs. IV C 2 S 2742/10/10001, BStBl. I 2013, 58;\linebreak Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 51.
38 BFH, BStBl. II 2013, 41; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1593.
39 BMF, 14.12.2012, Rs. IV C 2 S 2742/10/10001, BStBl. I 2013, 58;\linebreak Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 51.
40 BFH, BStBl. II 2013, 39; Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 51; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4),\linebreak § 6a Rn. 105; Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 545;\linebreak Höfer, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht – Kommentar zum Einkommensteuerrecht115, 2016, § 6a Rn. 304; Stuhrmann, in:\linebreak Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 51.
41 BFH, DStRE 2004, 1287, 1289; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1672; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a 105; Stuhrmann, in: \linebreak Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 58.
42 BFH, BFH/NV 2009, 1841; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 105; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1670; Höfer, in:\linebreak Littmann/Bitz/Pust (Fn. 40), § 6a Rn. 304; Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 545; Bisle, SteuK 2011, 207, 208.
43 Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1670.
44 BFH, BStBl. II 2005, 659; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1652; \linebreak Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 52.
45 Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1665.
46 Höfer, in: Littmann/Bitz/Pust (Fn. 40), § 6a Rn. 300.
47 BFH, DStR 2014, 633, 634.
48 Vgl. BFH, DStR 2014, 633, 633 f.
49 Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 39.
50 Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 104.
51 Höfer, in: Littmann/Bitz/Pust (Fn. 40), § 6a Rn. 306.
52 Höfer, in: Littmann/Bitz/Pust (Fn. 40), § 6a Rn. 306; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 104; Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 44.
53 Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 44; BFH, DStR 1999, 1393, 1395.
54 BFH, BStBl. II 2004, 940; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1733; Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 21.
55 BFH, BStBl. II 2013, 41; BFH, BStBl. II 2008, 523; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1751; Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 21.
56 BFH, BStBl. II 2008, 523; BMF, 16.06.2008, Rs. IV C 6-C 2176/07/10007, BStBl. I 2008, 681; Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Pensionsrückstellung Rn. 43.
57 BMF, 16.06.2008, Rs. IV C 6-C 2176/07/10007, BStBl. I 2008, 681.
2008 entschied der BFH, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn eine Pensionszusage nicht vom Ausscheiden aus dem Betrieb abhängig gemacht werde.58 Allerdings forderte der BFH, dass das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit auf die Pension angerechnet werde.59 Daraus folgt die Beschränkung, dass eine Pension auf das laufende Gehalt anzurechnen ist.60
2. Rechtsfolgen
Werden die obigen Voraussetzungen eingehalten, ist eine Rückstellung zu bilden, die keine vGA darstellt. Sind die obigen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer zu unterscheiden: Erfüllt die Rückstellung die Voraussetzungen des § 6a EStG nicht, ist die Rückstellung insoweit aufzulösen. Wurden die Bestimmungen des § 6a EStG eingehalten und die Voraussetzungen der vGA erfüllt, kann die Rückstellung gebildet werden. Außerbilanziell muss jedoch die aus der Rückstellung resultierende Gewinnminderung im Rahmen der vGA gem. § 8 III 2 KStG hinzugerechnet werden.61
C. Zugrundeliegende Prinzipien der Vorschriften zu Pensionsrückstellungen
I. § 6a EStG zugrundeliegende Prinzipien
Ursprünglich war es möglich, die Pensionslast im Zusagejahr in voller Höhe zu passivieren, wenn eine Pensionszusage für bereits geleistete Arbeit erteilt wurde.62 Diese Rückstellungsmodalität brachte ein hohes Missbrauchsrisiko mit sich, da eine Gesellschaft in gewinnstarken Jahren durch neue Pensionszusagen den Gewinn und damit die Steuerlast reduzieren konnte.63 § 6a EStG begrenzt diese Gestaltungsmöglichkeit.64 Nun müssen Pensionsrückstellungen über mehrere Jahre aufgebaut werden.65 Die Idee der Manipulationsverhinderung findet sich in der heutigen Fassung noch wieder. So schützt die Einschränkung der Nachholung von Rückstellungen beispielsweise vor Rückdatierungen.66 Eine klare und deutliche Zusage schützt daneben vor bewusst mehrdeutigen Formulierungen, die nicht vorgesehene Spielräume für die Gesellschaft ermöglichen.
II. Drittvergleich
Hinsichtlich Pensionsrückstellungen für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer bestehen weitere Anforderungen, welche oftmals den Maßstab eines Geschäftsführers, der keine Verbindung zum Vertragspartner hat, anlegt.67
1. Strukturelle Notwendigkeit zusätzlicher Voraussetzungen
Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer bestehen mehrere zu trennende Beziehungen zwischen Gesellschafter-Geschäftsführer und Gesellschaft.68 Zum einen kann ein ausgeschütteter Gewinn zu Einkünften aus Kapitalerträgen gem. § 20 EStG führen. Zum anderen können Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem. § 19 EStG vorliegen.69 Es ist zu verhindern, dass allein aufgrund von Steuervorteilen eine vorteilhaftere Einkunftsart gewählt werden kann. Damit der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer nicht besser oder schlechter als ein einfacher Geschäftsführer oder Gesellschafter steht, bietet sich ein Vergleich zur hypothetischen Situation an, in der der Geschäftsführer ein fremder Dritter ist.70
2. Typisierungen
§ 6a EStG typisiert die steuerliche Behandlung von Pensionsrückstellungen. Beispielsweise legt § 6a EStG den Abzinsungssatz fest und wie sich der maßgebliche Teilwert berechnet.71 Zwischen Pensionszusage und Erlöschen des Pensionsanspruchs liegen regelmäßig mehrere Jahrzehnte. Daher wäre ohne Typisierung die Höhe der Rückstellungen von langfristigen Prognosen abhängig. Die Komplexität sowie die Ungenauigkeiten derartiger Prognosen würde die Überprüfung erschweren. Ebenso bestünde die Gefahr, dass Ungenauigkeiten der Prognose zur Erhöhung der Rückstellung und damit zur Steuerminderung ausgenutzt würden. Indem jedoch Aspekte gesetzlich typisiert werden, wird eine ungenaue, manipulationsanfällige und schwer überprüfbare Prognose bezüglich dieser Aspekte überflüssig. Im Gegenzug muss durch die Typisierung eine Gleichbehandlung von ungleichen Sachverhalten hingenommen werden.
Da der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer in der Gesellschaft zwei Positionen in einer Person vereinigt, kann er Interessenskonflikte zu seinem eigenen Vorteil lösen.72 Damit diesen Geschäftsführern durch ihre Gestaltungsfreiheit kein ungerechtfertigter Steuervorteil zukommt, sind besondere Voraussetzungen erforderlich.73 Diese sind beispielsweise die unter B.III.1 beschriebenen Erdienbarkeit, Finanzierbarkeit, Ernsthaftigkeit und Angemessenheit. Diesen Voraussetzungen liegt der Vergleich mit der Entscheidung eines gewissenhaften und ordentlichen Geschäftsführers zugrunde.74 Hätte dieser eine Pensionszusage erteilt, ist regelmäßig auch Erdienbarkeit, Finanzierbarkeit, Ernsthaftigkeit und Angemessenheit gegeben.75 Auch diese Voraussetzungen stellen Typisierungen dar,
58 BFH, DStR 2008, 1037.
59 BFH, DStR 2008, 1037.
60 Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1794 f.; Matheis/Wiedemann, FD-StR 2008, 259922.
61 Otto, in: Blomeyer/Otto/Rolfs, Betriebsrentengesetz – Arbeits-, Zivil- und Steuerrecht6, 2015, Kapitel F. Rn. 310.
62 BFH, BStBl. III 1953, 102; Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 2.
63 Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 2.
64 Kauffmann, in: Frotscher/Geurts (Fn. 4), § 6a Rn. 2.
65 Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 1.
66 Zum Verbot von Rückdatierungen Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 215.
67 Wirfler, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Fremdvergleich Rn. 1; Uckermann/Heilck, NZA 2014, 1187, 1189.
68 Wassermeyer, DStR 1991, 1065, 1065 f.
69 Rauh, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Geschäftsführer Rn. 1.
70 Zum Vergleich mit fremden Dritten Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht22, 2015, § 11 Rn. 74.
71 Vgl. Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Pensionsrückstellung Rn. 1, 10.
72 Vgl. Uckermann/Heilck, NZA 2014, 1187, 1189; Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 19.
73 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 19.
74 Heger, in: Blümich (Fn. 9), § 6a EStG Rn. 530; Lahme, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon (Fn. 1), Pensionsrückstellung Rn. 41.
75 Vgl. Mahlow, DB 2005, 2651.
sodass es möglich ist, dass eine Pension tatsächlich erdient wurde, aber das Außerachtlassen der Zehnjahresfrist eine steuerliche Anerkennung der Zusage versagt. Auch stellt die Beschränkung der Pension auf 75 % der letzten Aktivbezüge aufgrund der Marginalisierung der Umstände des Einzelfalls eine weitere Typisierung, ausgehend von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer, dar.76
III. Vermeidung von Steuerstundungseffekten
Ein weiteres Ziel von § 6a EStG ist, Steuerstundungseffekte zu reduzieren.77 Dazu werden modifizierte Typisierungen eingesetzt, die einen strengeren Maßstab anlegen, als ihn ein ordentlicher und sorgfältiger Geschäftsführer anlegen würde, und damit Rückstellungen und Steuerstundungseffekte minimieren.
Beispielsweise ist denkbar, dass ein Arbeitnehmer ein geringeres Gehalt in Kauf nimmt, damit die Pensionszusage seinem letzten Aktivgehalt entspricht. Regelmäßig sprechen die Interessen eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers nicht gegen eine derartige Gestaltung.78 Jedoch gilt für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nach Ansicht des BFH, dass eine Pensionszusage, die über 75 % der letzten Aktivbezüge liegt, unzulässig ist.79 Diese Einschränkung lässt sich allerdings nicht mit einem Drittvergleich erklären, da sie auf einem angemessenen Verhältnis der aktiven und passiven Bezüge basiert.80 Sie bezweckt jedoch, dass der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer nicht übermäßig von Steuerstundungseffekten profitiert.
IV. Zweck der Pensionszusage
Entscheidend hinsichtlich der Einordnung der Voraussetzungen von Pensionsrückstellungen ist der Zusagegrund. Zum einen könnte der Zusagegrund von Pensionen mit der Vorsorge des Arbeitgebers begründet werden.81 Zum anderen ließe sich der Grund allein in der Höhe der Entlohnung des Arbeitnehmers sehen.82 Zur Bestimmung des Zusagegrundes sind normativ die Voraussetzungen und faktisch die wirtschaftliche Behandlung von Pensionen zu beachten.
1. Normative Argumente
Das Erfordernis einer Probezeit des Geschäftsführers spricht für die Einordnung der Pension als Vorsorgeleistung.83 Die Probezeit rechtfertigt sich aus der Anerkennung längerer Betriebszugehörigkeit.84 Würde man die Pensionszusage hingegen als Teil des Gehalts ansehen, so könnten nur zukünftige Leistungen beachtlich sein.85 Auf Leistungen während der Probezeit könnte nicht abgestellt werden, da diese bei Zusage bereits in der Vergangenheit lägen.
Wenn ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer parallel zum Bezug seiner Pension weiterhin Aktivbezüge aufgrund seiner Tätigkeit im Betrieb erhält, muss sich der Geschäftsführer die Aktivbezüge der Pension anrechnen lassen, da andernfalls eine vGA vorliegen würde.86 Diese Voraussetzung kann nur mit der Auffassung begründet werden, der Grund der Zusage liege in der Vorsorge des Arbeitgebers. Solange der Geschäftsführer noch arbeitet, besteht kein Vorsorgebedarf, welcher zu decken ist.87 Geht man vom Entgelt als Zusagegrund aus, führt eine längere Beschäftigung des Geschäftsführers zu einer Kürzung seines früheren Entgelts. Für eine solche Kürzung fehlt jedoch regelmäßig ein sachlicher Grund, da ein Arbeitnehmer für ein höheres Entgelt arbeitet, obwohl er bereits Anspruch auf die Pension hat. Somit spricht das Erfordernis einer Anrechnung im Falle einer „Pension neben Gehalt“ für die Auffassung, die Vorsorge des Arbeitgebers als Zusagegrund anzusehen.
Auf der anderen Seite ist für eine Prüfung der Angemessenheit von Pensionszusagen die Gesamtvergütung maßgeblich.88 Die Gesamtversorgung setzt sich dabei aus den Aktivbezügen und der fiktiven Jahresnettoprämie zusammen.89 Die Summierung von Entgelt und Jahresnettoprämien der Pensionszusage spricht dafür, beides als Entlohnung anzusehen.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die steuerlichen Voraussetzungen von Pensionsrückstellungen auf beiden Begründungsversuchen basieren.
2. Faktische Argumente
Auf faktischer Ebene spricht die Erfahrung der heutigen Arbeitswelt gegen die Annahme, dass ein Arbeitgeber freiwillig Altersvorsorge für den Arbeitnehmer übernimmt und ihm eine Pension zusagt. Vielmehr wird die Pension wirtschaftlich als Teil des Entgelts gesehen.90 Folglich sind faktisch Pensionen mit der Entlohnung des Arbeitnehmers zu begründen.
D. Notwendigkeit einer flexiblen Arbeitsgestaltung im Alter
Die Voraussetzungen an Pensionszusagen müssen den praktischen Bedürfnissen gerecht werden. Im Rahmen der Wachstumsstrategie Europa 2020 setzten sich die EU-Staaten zum Ziel, die Erwerbsbeteiligung von 55- bis 64-Jährigen zu erhöhen.91 Tatsächlich ist in Deutschland die Erwerbsbeteiligung dieser Altersgruppe gestiegen.92 Weiterhin gestaltet es sich jedenfalls für 55- bis 64-Jährige als schwierig, eine neue Beschäftigung zu finden.93
76 Vgl. Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 45.
77 Vgl. Schuler, DStR 2001, 2129.
78 Vgl. Bode/Grabner, DB 1996, 544, 549.
79 BFH, BStBl. II 2004, 940.
80 Schuler, DStR 2001, 2129, 2130.
81 BFH, DStR 2008, 1037; vgl. BFH, BStBl. II 1993, 311.
82 Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1796.
83 BFH, BStBl. II 1995, 419; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1595.
84 BFH, BStBl. II 1995, 419.
85 Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1595.
86 BFH, DStR 2008, 1037.
87 Vgl. BFH, DStR 2008, 1037; Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1795.
88 Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 45; Rengers, in: Blümich (Fn. 31), § 8 KStG Rn. 747; Förster/Heger, DStR 1994, 507, 509.
89 BFH, BStBl. II 2004, 937; Rengers, in: Blümich (Fn. 31), § 8 KStG Rn. 747; Metz/Lindner, DStR 2014, 2037, 2038.
90 Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1675.
91 Europäische Kommission, Europa 2020, 2010, S. 13.
92 Statistisches Bundesamt, Ältere Menschen in Deutschland und in der EU, 2011, S. 44.
93 Statistisches Bundesamt (Fn. 92), S. 46.
Zusätzlich macht es der durch den demographischen Wandel94 verursachte Fachkräftemangel erforderlich, die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen zu erhöhen.
Folglich sollte auch das Steuerrecht Anreize schaffen, dass Arbeitnehmer länger im Erwerbsleben bleiben. Pensionszahlungen werden teilweise mehrere Jahrzehnte vor dem Ruhestand zugesagt. Zu diesem Zeitpunkt kann noch nicht von einer konkreten Planung des Ruhestands ausgegangen werden. Daher ist eine wesentliche Anforderung an die Besteuerung von Pensionszusagen, dass flexible Gestaltungen der Erwerbstätigkeit und des Übergangs in den Ruhestand ermöglicht werden.
E. Bewertung der Voraussetzungen von Pensionsrückstellungen von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern
Es stellt sich folglich die Frage, inwiefern die steuerlichen Voraussetzungen an Pensionszusagen – insbesondere die nicht kodifizierten, sondern die durch Rechtsprechung, Finanzverwaltung und Lehre entwickelten Anforderungen – eine Erwerbsbeteiligung im Alter unterstützen oder hindern.
I. Vereinbarkeit einer flexiblen Arbeitswelt mit den Voraussetzungen an Pensionsrückstellungen
Die Voraussetzung der oben beschriebenen Probezeit von zehn Jahren führt dazu, dass beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern keine steuerrechtlich anerkannte Pensionszusage mehr erteilt werden kann, wenn sie beispielsweise wenige Jahre vor Pensionseintritt bei einer Gesellschaft angestellt werden.95 Damit können sie nicht mehr die steuerlichen Vorteile von Pensionszusagen nutzen.
Eine weitere Beschränkung von Pensionszusagen an ältere beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich aus dem Erfordernis eines Höchstalters des begünstigten Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Pensionszusage. Diese Typisierung verhindert eine steuerliche Anerkennung von Zusagen oder Änderungen ab einem Alter von 60 Jahren.96 Durch das Höchstalter und die Probezeit wird eine Neuplanung der Arbeit eines älteren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers, welche zu einer längeren Erwerbstätigkeit führen kann, erheblich erschwert.
Die Voraussetzung, dass die Pension maximal 75 % der letzten Aktivbezüge betragen darf, schränkt ebenfalls eine flexible Arbeitsgestaltung im Alter ein. Es wird steuerlich nicht anerkannt, wenn ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer länger im Unternehmen tätig sein möchte und dafür sogar geringere Aktivbezüge in Kauf nimmt.
Wie oben dargestellt, muss sich der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer seine Aktivbezüge auf seine Pension anrechnen lassen, wenn dieser neben seiner Pension weiter im Unternehmen tätig ist. Folglich wird entweder die bisher erdiente Pensionszusage steuerlich nicht anerkannt oder die Pensionsverpflichtung wird durch die Anrechnung der Aktivbezüge zum Nachteil des Geschäftsführers reduziert.97 Beides mindert die Attraktivität einer Erwerbsbeteiligung im Alter.
Diese Beispiele zeigen, dass Voraussetzungen an Pensionszusagen von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer hemmend auf eine flexible Arbeitsgestaltung im Alter wirken können.
II. Förderung einer flexiblen Arbeitsgestaltung im Alter durch Orientierung an der Entlohnung als Zusagegrund
Das Ziel, eine höhere Erwerbsbeteiligung im Alter herzustellen, kann eine Neuorientierung der steuerlichen Behandlung von Pensionszusagen erforderlich machen.98 Eine Neuorientierung bietet zudem die Chance, die stetig gewachsene Komplexität99 der Voraussetzungen an Pensionszusagen von beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern zu reduzieren und Pensionsansprüche wieder attraktiver zu machen.
Für eine kohärente Neuordnung ist es dienlich, wenn alle Voraussetzungen auf einem Zusagegrund basieren. Dafür ist zu wählen, ob die Vorsorge des Arbeitgebers oder die Entlohnung der Zusagegrund sein soll.
Ein Kriterium ist, welcher die beiden Zusagegründe eine höhere Flexibilität der Arbeit im Alter ermöglicht.100
Das Erfordernis einer Probezeit des Gesellschafters vor einer Pensionszusage basiert wesentlich auf der Annahme, Pensionen würden aufgrund der Vorsorge des Arbeitgebers zugesagt.101 Gleichzeitig behindert die Probezeit eine flexible Gestaltung.102 Ebenso ist Ausgangspunkt der Anforderung, dass Aktivbezüge auf eine parallel bezogene Pension anzurechnen sind.103 Beide Voraussetzungen haben eine Beschränkung der Flexibilität zur Folge.104
Im Gegensatz dazu führt die Annahme, dass eine Pension als Teil des Entgelts anzusehen ist, zu einer Betonung der Angemessenheit der Gesamtbezüge.105 Die Gesamtbezüge ergeben sich aus den Aktivbezügen zuzüglich der fiktiven Jahresnettoprämie für die Pensionsansprüche.106 Zur Beurteilung dieser Angemessenheit ist es gerade erforderlich, die Pension auf vergleichbare Bezüge wirtschaftlich umzurechnen, sodass der Angemessenheitsprüfung der Gesamtbezüge ein Vergleich von Pensionsverpflichtung und Zusage inhärent ist. Diese Angemessenheitsprüfung führt nicht zu einer Einschränkung der Flexibilität.107
94 Statistisches Bundesamt, Demographischer Wandel in Deutschland, 2011, S. 8.
95 Vgl. Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 22.
96 Weber-Grellert, in: Schmidt (Fn. 1), § 6a Rn. 22.
97 BFH, DStR 2008, 1037; Schwinger/Stöckler, DStR 2015, 15, 17.
98 Vgl. Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1851.
99 Vgl. Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1851.
100 Europäische Kommission (Fn. 91), S. 22.
101 S. C.IV.1.
102 S. E.I.
103 S. C.IV.1.
104 S. E.I.
105 S. C.IV.1.
106 Stuhrmann, in: Bordewin/Brandt (Fn. 23), § 6a EStG Rn. 44.
107 S. E.I.
Diese Beispiele für Konkretisierungen des Zusagegrundes zeigen, dass die Annahme, der Zusagegrund liege in der Entlohnung, besser mit einer flexiblen Arbeitsgestaltung im Alter vereinbar ist. Zudem spricht die betriebswirtschaftliche Betrachtung von Pensionen für diese Annahme.108
Mit dem auch in Europa 2020 dargelegten steigenden Bedürfnis109 einer flexiblen Gestaltung der Arbeit im Alter ist somit ein weiteres Argument gegen jene Voraussetzungen hinzugekommen, die eine flexible Arbeitsgestaltung im Alter behindern.
Um kohärente Voraussetzungen für die Beurteilung von Pensionsansprüchen zu schaffen, ist es erforderlich, insbesondere jene Voraussetzungen zu ersetzen, die sich lediglich mit der Grundlage der Vorsorge des Arbeitnehmers begründen lassen.110 Im Gegenzug wäre ein verstärkter Fokus auf die Angemessenheit der Gesamtbezüge zu legen und ggf. detailliertere Typisierungen der Angemessenheit vorzunehmen. Auf der anderen Seite könnte diese Angemessenheitsprüfung andere Voraussetzungen wie die Probezeit des Geschäftsführers, das Höchstalter oder die Anrechnung von Aktivbezügen auf die Pension ersetzen.
F. Fazit
Die Untersuchung zeigt, wie gesellschaftliche Veränderungen zu neuen Herausforderungen führen und dadurch Rechtsprechung, Lehre und Finanzverwaltung von der Dynamik insbesondere von nicht kodifizierten Voraussetzungen der Steuertatbeständen Gebrauch machen sollten. Eine Neuordnung bietet zudem die Chance, ein unübersichtliches System der Voraussetzungen von Pensionsrückstellungen neu zu strukturieren.
108 S. C.IV.2.
109 Europäische Kommission (Fn. 91), S. 22.
110 Vgl. Janssen/Lange (Fn. 23), Rn. 1853.