Schiedsgericht als letzte Instanz? – Konsequenzen aus dem Fall Pechstein

von Caroline Lasthaus*

A. Gerichtsbarkeit im Sport

I. Bedeutung für den Sport

Sport, der; (…) die nach bestimmten Regeln (im Wettbewerb) aus Freude an Bewegung und Spiel, zur körperlichen Ertüchtigung ausgeübte körperliche Betätigung.1

Bereits aus der Definition des Dudens geht hervor, dass Sport mehr ist als Bewegung und Zweckfreiheit, mehr als eine Liebhaberei, mehr als ein anarchischer Zeitvertreib.

Sport ist Leistungsvergleich. Leistungsvergleich bedeutet Wettkampf und als Grundlage eines jeden Wettkampfs bedarf es der Chancengleichheit, mithin universal geltender Leistungsbedingungen in den jeweiligen Sportarten.2 Damit das aus Vereins- und Verbandssatzungen bestehende sportspezifische Regelwerk auch tatsächlich Chancengleichheit gewährleistet, muss es weltweit einheitlich ausgelegt und angewandt werden; es bedarf also eines autonomen Rechtsprechungssystems.3 In Betracht kommt dazu die Einschaltung eines echten Schiedsgerichts. Ein solches bietet der Sportwelt in der Theorie Rechtssicherheit und Fairness in einem Umfang, der bei der Beurteilung durch verschiedene staatliche Gerichte nicht erreicht werden kann: Die Überprüfung durch die staatliche Justiz führt schlimmstenfalls dazu, dass für Athleten unterschiedlicher Länder unterschiedliche Maßstäbe gelten.4 Darüber hinaus hebt sich die Schiedsgerichtsbarkeit auch aufgrund ihrer Entscheidungsschnelligkeit und der Sachkunde ihrer Richter hervor.5

Angesichts dieser Vorteile ist es wenig verwunderlich, dass die Schiedsgerichtsbarkeit im Sportsektor die dominierende Gerichtsbarkeit darstellt und den ordentlichen Rechtsweg zunehmend in ein Schattendasein gedrängt hat.6 Eine besondere Rolle spielt dabei der in der Schweiz ansässige Court of Arbitration for Sport (CAS): Die weltweit drittgrößte7 Schiedsinstitution wird mittlerweile von allen olympischen Sportverbänden als letzte Instanz für Streitigkeiten mit Sportbezug vorgesehen.8

Zwar sprachen manche Stimmen in der Literatur lange Zeit von einer „routinierten und verfassungsrechtlich unaufgeregten Koexistenz“9 zwischen ordentlichen und Schiedsgerichten. Ein gewisses Spannungsfeld zwischen der Autonomie der Sportverbände und der staatlichen Regulierung zum Schutz der Athleten besteht jedoch seit jeher. Den Sportlern bleibt in der Regel nicht die Wahl, ob sie die in ihren Athletenvereinbarungen enthaltene Schiedsklausel unterschreiben, da es in der hierarchischen Verbandsstruktur national wie international nur einen Spitzenfachverband der jeweiligen Sportart gibt und dieser folglich eine monopolistische Stellung einnimmt (Ein-Platz-Prinzip).10 Die Zulassung zu Trainingseinheiten und Wettbewerben (und somit ihre Berufsausübung) hängt buchstäblich an ihrer Unterschrift. Sportler, wie der Diskuswerfer Robert Harting, der sich erfolgreich weigerte, die Schiedsklausel seiner Athletenvereinbarung zu unterschreiben, ohne vom Sportbetrieb ausgeschlossen zu werden, stellen eine seltene Ausnahme dar.11

Das aktuell durch Claudia Pechstein angeprangerte Missverhältnis im Machtgefüge Athlet/Sportverband und die damit einhergehende Frage bezüglich der Wirksamkeit von Schiedsabreden wurden durch die mediale Aufmerksamkeit lediglich erneut in Erinnerung gerufen.12 Im konkreten Fall wurde die Eisschnellläuferin 2009 aufgrund erhöhter Retikulozytenwerte von der ISU unter Mithilfe der DESG für zwei Jahre gesperrt.13 Unklar war und ist bis heute, ob ihre erhöhten Blutwerte durch Manipulation oder eine Blutanomalie hervorgerufen wurden.14 Ihre Berufung vor dem CAS und die im Anschluss erhobene Beschwerde vor dem Schweizer Bundesgericht wurden allesamt zurückgewiesen. Daraufhin erhob Pechstein Klage vor dem LG München, welches im Rahmen der Prüfung seiner Zuständigkeit die Schiedsvereinbarung für unwirksam befand.15 Dem stimmte das OLG München im Ergebnis zu.16

II. Konkrete Fragestellung

Zwar erscheint eine internationale Sportschiedsgerichtsbarkeit im Hinblick auf die obigen Erwägungen wünschens- und begrüßenswert. Diese ist vor deutschen Gerichten jedoch nur dann nicht zu beanstanden, soweit die Rechtsordnung sie erlaubt. Die genannte Monopolstellung der Verbände wird rechtlich unter verschiedenen Aspekten – beispielsweise dem Kartellrecht17 und der EMRK18 – relevant. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, ob eine Schiedsvereinbarung


* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Duden3, 1999, Band 8, S. 3661.

2 Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsgb.), Praxishandbuch des Sportrechts3, 2014, Einführung Rn. 2.

3 Kluth, GWR 2015, 83; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 165; Steiner, Die Autonomie des Sports, 2003, S. 13.

4 Hail, Spitzensport im Licht des Europäischen Kartellrechts, 2014, S. 145; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 165.

5 LG München, SchiedsVZ 2014, 100, 106; Hail (Fn. 4), S.145; Voit, in: Musielak (Hrsgb.), Kommentar zur Zivilprozessordnung10, 2013, § 1025 Rn. 2; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 223.

6 Heermann, SchiedsVZ 2014, 66; Steiner (Fn. 3), S. 15.

7 Haas, SchiedsVZ 2009, 73, 74.

8 Hofmann/Cherkeh, Sport und Management 2012, 17, 20 f.

9 Steiner, SpuRt 2014, 2.

10 Pfister, in: FS Lorenz, 1991, 171, 173; Zuck, SpuRt 2014, 5.

11 Muresan/Korff, Causa Sport 2014, 199, 200.

12 Zum Fall Pechstein: OLG München, SchiedsVZ 2015, 40.

13 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 217; Monheim, SpuRt 2014, 90.

14 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 101 f.

15 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 104; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 217 f.

16 OLG München, SchiedsVZ 2015, 40, 43.

17 Vgl. OLG München, SchiedsVZ 2015, 40; Stancke, SpuRt 2015, 46, 48.

18 Vgl. Haas, SchiedsVZ 2009, 73.

Lasthaus, Der Fall Pechstein (BLJ 2015, 2)72

zugunsten des CAS trotz fehlenden Wahlrechts unter Berücksichtigung des Grundgesetzes wirksam ist (B.) und welche Konsequenzen sich aus der durch Pechstein erneut aufgeworfenen Debatte ergeben (C.). Sodann wird erörtert, wie ein zukunftsfähiges Sportschiedsgerichtsverfahren gestaltet werden könnte (D.).

B. Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS

Ein Freiwilligkeitsschutz der Athleten könnte sich aus dem deutschen Grundgesetz ergeben. Grundsätzlich gestattet die Privatautonomie den Parteien ihre privaten Rechtsverhältnisse selbst zu gestalten.19 Auch im Zivilprozess können die Parteien ihren Rechtsstreit durch einen Vergleich beenden (§ 278 ZPO). Solange diese Möglichkeit besteht, spricht aus privatautonomer Perspektive nichts dagegen, dass sie sich auch darauf verständigen können, dass eine private Instanz eine Entscheidung trifft, die an die Stelle der Einigung tritt.20

Privatautonomie birgt jedoch stets die Gefahr des Missbrauchs.21 Bei einem Ungleichgewicht zwischen den Parteien kann die Selbstbestimmung des einen Teils schnell die Fremdbestimmung des anderen bedeuten. Bis 1998 schützte § 1025 II ZPO deshalb die unterlegene Partei: Bei Nötigung durch eine wirtschaftlich oder sozial überlegene Partei galt die Schiedsvereinbarung als nichtig.22 Im Rahmen der ZPO-Reform wurde diese Vorschrift allerdings ersatzlos gestrichen.23 Schiedsabreden berühren indes den in Art. 92, 101 I 2 GG garantierten Anspruch auf den gesetzlichen Richter sowie den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG, i.V.m. Art. 2 I GG ergebenden Justizgewährungsanspruch.24 Deshalb wird teilweise gefordert, dass eine Schiedsgerichtsunterwerfung und der damit einhergehende Verzicht auf den ordentlichen Rechtsweg nur „freiwillig“ erfolgen können.25

Aufgrund der Internationalität des Sports weisen viele Schiedsvereinbarungen einen grenzüberschreitenden Bezug auf, weshalb sich aus kollisionsrechtlicher Perspektive die Frage nach dem auf die Vereinbarung anwendbaren Recht stellt. Darum ist zwischen Schiedsvereinbarungen, auf die deutsches Recht unmittelbar anwendbar ist, und solchen, die ausländischem Recht unterliegen, zu differenzieren.

I. Unmittelbare Anwendbarkeit des deutschen Rechts

1. Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das

Privatrecht

Schiedsvereinbarungen gelten als privatrechtliche Verträge über prozessuale Beziehungen.26 Als solche richtet sich ihre Wirksamkeit nach Privatrecht. Verfassungsrechtliche Grundsätze fließen jedoch über §§ 134, 138, 242 BGB in private Rechtsverhältnisse mit ein.27 § 138 BGB kommt dabei die Rolle eines Korrektivs zu, „das der autonomen Rechtsgestaltung dort Grenzen setzt, wo sie Grundprinzipien unserer Rechts- und Sittenordnung übertritt“.28 Ein Freiwilligkeitsschutz könnte sich also aus § 138 I BGB i.V.m. Art. 101 II GG und dem Justizgewährungsanspruch ergeben.29

Zwar wird teilweise angenommen, dass ein solcher Schutz zusammen mit der Streichung des § 1025 II ZPO a.F. entfallen sei und § 138 I BGB nicht herangezogen werden dürfe.30 Diese Ansicht verkennt jedoch, dass § 1025 II ZPO a.F. bereits als Konkretisierung des § 138 BGB galt.31 Das Freiwilligkeitserfordernis ist Ergebnis der Ausstrahlungswirkung des Verfassungsrechts auf das Privatrecht, weshalb dem einfachen Gesetzgeber keine dahingehende Dispositionsbefugnis zukommt.32 Im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse des Sports erscheint die gänzliche Ablehnung eines Freiwilligkeitsschutzes zwar nachvollziehbar, ist jedoch nicht mit der Vorstellung des schützenden Rechtsstaats vereinbar:33 Grundsätzlich gilt, dass sich niemand an einen Schiedsspruch gebunden fühlen muss, dem er sich nicht freiwillig unterworfen hat.34 Ein verfassungsrechtlicher Schutz wirkt somit über § 138 I BGB fort.35

2. Umfang eines Freiwilligkeitserfordernisses

Es stellt sich somit die Frage, wie weitreichend § 138 I BGB die Freiwilligkeit schützt, bzw. wann der Abschluss einer Schiedsabrede im Verhältnis Athlet/Verband als sittenwidrig empfunden werden kann, denn vertragliches Handeln ist selten frei von Zwängen und Kompromissen.36

a) Pauschale Nichtigkeit

Einerseits könnte angenommen werden, dass eine Schiedsabrede bei Ungleichgewichtslage ungeachtet der konkreten Ausgestaltung des Schiedsverfahrens per se nichtig ist, solange dem Athleten kein Wahlrecht zwischen Schiedsverfahren und ordentlichem Rechtsweg zukommt (Abschlusskontrolle).37 Diese Ansicht vertrat das LG München im Fall Pechstein und lehnte seine Begründung an das Körbuch-Urteil des BGH an:38 Danach kann eine Schiedsklausel, die nach Beitritt in einen Verein in dessen Satzung aufgenommen wird, aufgrund mangelnder Freiwilligkeit nicht geltend gemacht werden,


19 BVerfG, NJW 1996, 2021; Ellenberger, in: Palandt (Begr.), Kommentar zum BGB74, 2015, überbl v § 104 Rn. 1, § 138 Rn. 1.

20 Voit, in: Musielak (Fn. 5), § 1025 Rn. 1.

21 Ellenberger, in: Palandt (Fn. 19), § 138 Rn. 1.

22 Haas, ZGR 2001, 325, 331; Monheim, in: Vieweg (Hrsgb.), Facetten des Sportrechts, 2009, 93, 104.

23 Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282.

24 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 105; Monheim (Fn. 22), 93, 104.

25 Statt vieler: LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 105.

26 BGHZ 49, 384, 386; Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1355.

27 BVerfG, NJW 1990, 1469, 1470; LG München I SchiedsVZ 2014, 100, 105; Ellenberger, in: Palandt (Fn. 19), § 138 Rn. 4; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 223.

28 Ellenberger, in: Palandt (Fn. 19), § 138 Rn. 1.

29 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 105; Haas, ZGR 2001, 325, 328.

30 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 561.

31 Eggerstedt, Probleme der Lizenz- und Schiedsgerichtsverträge im deutschen BerufsfuÃball, 2008, S. 128; Haas, ZGR 2001, 325, 332; Kotzenberg, Die Bindung des Sportlers an private Dopingregeln und private Schiedsgerichte, 2007, S. 139.

32 Eggerstedt (Fn. 31), S. 128; Kotzenberg (Fn. 31), S. 140; Monheim, SpuRt 2008, 8, 10.

33 Vgl. Geimer, in: Zöller (Hrsgb.), ZPO31, 2015, Vor § 1025 Rn. 4.

34 BGH, NJW 1978, 1744, 1745; Hail (Fn. 7), 153.

35 Voit, in: Musielak (Fn. 5), § 1029 Rn. 10; Schmidt, ZHR 162, 265, 282.

36 Vgl. Voit, in: Musielak (Fn. 5), § 1029, Rn. 10; Haas, ZGR 2001, 325, 334.

37 Monheim, SpuRt 2008, 8, 10; so auch der DOSB, Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 223.

38 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 106.

Lasthaus, Der Fall Pechstein (BLJ 2015, 2)73

wenn dieser Satzungsänderung vom unterlegenen Vereinsmitglied nicht aktiv zugestimmt wurde.39 Zwar bezieht sich das Körbuch-Urteil auf eine Zustimmungsfiktion. Eine Übertragung auf den Fall einer tatsächlichen Unterzeichnung einer Schiedsklausel erscheint zunächst jedoch unter folgendem Aspekt nachvollziehbar: Im Ergebnis kann es keinen Unterschied machen, ob ein Vereinsmitglied nicht auf die bereits bestehende Mitgliedschaft verzichten kann oder ob der Beitritt unerlässlich ist. Wer aufgrund der Monopolstellung des Vereins nicht ohne bedeutenden Nachteil austreten kann, der hat auch keine Wahl, ob er beitritt.40

b) Weitere Umstände

Andererseits könnte man das Erfordernis eines Freiwilligkeitselements auch weit verstehen und ein solches nur dann als nicht erfüllt ansehen, wenn zusätzlich zur Ungleichgewichtslage noch weitere Umstände hinzukommen, die eine Schiedsabrede im konkreten Fall unsittlich erscheinen lassen (Inhaltskontrolle).41

Das OLG München äußerte sich im Fall Pechstein, abweichend von der Vorinstanz, nur sehr begrenzt zu der Frage der Wirksamkeit nach § 138 I BGB und setzte seinen Schwerpunkt auf eine kartellrechtliche Betrachtungsweise. Es stellte jedoch fest, dass dem Körbuch-Urteil keine Hinweise zu entnehmen seien, dass bereits die soziale Stellung allein ausreiche, um einen Verzicht für unfreiwillig und somit unwirksam zu erachten.42

c) Stellungnahme

Zwar spricht für ein Wahlrecht die Klarheit dieser Voraussetzung im Vergleich zu einer eher schwammigen Einzelfallabwägung.43 Letztlich geht es jedoch weniger um die Frage des klarsten Indizes für eine freiwillige Schiedsgerichtsunterwerfung fernab jeglichen Zwangs, sondern darum, die Grenzen der Parteiautonomie festzusetzen.

Das BVerfG nimmt bei Vertragsschlüssen zwischen Parteien mit erheblichem Machtgefälle an, dass staatliche Regelungen eingreifen müssen, um den Grundrechtsschutz der unterlegenen Seite zu gewährleisten: Zwar ließe sich der Verfassung nicht unmittelbar entnehmen, wann ein solches Machtgefälle zu bejahen sei, man müsse jedoch beachten, dass der Schutz der schwächeren Partei gleichzeitig die Beschränkung der Freiheit des anderen bedeute.44 Dies spricht dafür, eine Beschränkung der Vertragsfreiheit der überlegenen Verbände im Rahmen von § 138 I BGB nur in den Fällen zuzulassen, in denen der Sportler auch tatsächlich schutzwürdig erscheint. Ein solcher Schutz kann indessen nur dann geboten sein, wenn das Schiedsverfahren derart ausgestaltet ist, dass dieser Nachteile erfährt, die der ordentliche Rechtsweg nicht bereithalten würde. Ob also eine Inhalts- oder eine Abschlusskontrolle vorzunehmen ist, hängt davon ab, ob ein Schiedsverfahren stets Nachteile für die schwächere Partei birgt, oder ob von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von ordentlicher und Schiedsgerichtsbarkeit auszugehen ist und sich Nachteile nur aus dem konkret vereinbarten Schiedsgericht ergeben.45

Der in der Streichung des § 1025 II a.F. ZPO sowie in der Gesetzesbegründung des Schiedsverfahrensrechts klar zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille legen eine differenzierende Betrachtungsweise nahe.46 Danach stelle die Schiedsgerichtsbarkeit keine bedenkliche Ausnahme vom Rechtsschutzsystem dar.47 Dieser Einschätzung des Gesetzgebers bezüglich der grundsätzlichen Gleichwertigkeit ist zuzustimmen: Sinn und Zweck des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes ist es, eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes und eine verbindliche Entscheidung in angemessener Zeit zu ermöglichen.48 Darüber hinaus soll die Unabhängigkeit des Richters nach Art. 97 GG gewährleistet sein. Ein echtes Schiedsgericht gem. §§ 1034 ff. ZPO erfüllt diese Voraussetzungen; gem. § 1036 ZPO ist in der Theorie insbesondere die Unabhängigkeit der Richter gesichert. Bezüglich der Schnelligkeit des Verfahrens und der Sachkunde bietet es sogar Vorteile gegenüber dem ordentlichen Gericht. Die Entscheidung ist darüber hinaus nach der New York Convention in den meisten Ländern durchsetzbar.49 Eine beidseitige Schiedsvereinbarung ist somit nicht automatisch für eine Seite nachteilig. Auch der Rechtsprechung des BGH lässt sich entnehmen, dass dieser grundsätzlich die Gleichwertigkeit der Schiedsgerichte unterstellt: In einem Urteil aus dem Jahr 2005 ging er z.B. davon aus, dass eine zwischen einem Verbraucher und einer Bank im Rahmen einer Kontoeröffnung geschlossene Schiedsvereinbarung als solche keine unangemessene Benachteiligung darstelle.50

Neben der grundsätzlichen Gleichwertigkeit von Schiedsgerichten und ordentlichen Gerichten kann gegen eine pauschale Nichtigkeit mangels Wahlrecht außerdem angeführt werden, dass ein Rechtsgeschäft, welches durch widerrechtliche Drohung zustande gekommen ist und somit die unfreie Willensbildung für eine Vertragsseite bedeutet, im BGB nicht als unwirksam eingestuft wird. Stattdessen wird dem Bedrohten ein Anfechtungsrecht eingeräumt, § 123 I Var. 1 BGB. Dem kann entnommen werden, dass die gestörte Willensbildung allein nicht ausreicht, um eine Nichtigkeit zu begründen.51 Dies spricht dafür, dass weitere Umstände neben der gestörten Vertragsparität hinzukommen müssen, um eine Nichtigkeit gem. § 138 I BGB anzunehmen.

Es lässt sich somit festhalten, dass die Annahme einer pauschalen Nichtigkeit von Schiedsvereinbarungen im Verhältnis Athlet/Verband bei Abwesenheit eines Wahlrechts ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatautonomie der überlegenen Verbände wäre. Somit ist eine Abwägung der Interessen der Athleten auf der einen und der Interessen der Sportverbände auf der anderen Seite unter Beachtung des


39 BGH, NJW 2000, 1713.

40 Monheim (Fn. 22), 93, 102.

41 Pfister (Fn. 2), 6. Teil Rn. 154; Voit, in: Musielak (Fn. 5), § 1029 Rn. 10; Eggerstedt, (Fn. 31), S. 129.

42 OLG München, SchiedsVZ 2015, 40, 43.

43 Monheim (Fn. 22), 93, 108.

44 BVerfG, NJW 1990, 1469, 1470.

45 Haas, ZGR 2001, 325, 334 f.

46 Haas, ZGR 2001 325, 334.

47 Drucksache 13/5274, 12.07.1996, S. 34.

48 BVerfG, NJW 1981, 39, 41; BGH, NJW 1989, 1477.

49 Pfister (Fn. 2), 3. Kapitel Rn. 154.

50 BGH, SchiedsVZ 2005, 95, 97; Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 283.

51 Niedermaier, SchiedsVZ 2014, 280, 282.

Lasthaus, Der Fall Pechstein (BLJ 2015, 2)74

zuständigen Schiedsgerichts im konkreten Einzelfall vorzunehmen.52 Die international einheitliche Geltung rechtlicher Regeln für Wettbewerbe, Doping-Bekämpfung und andere Streitigkeiten liegt nicht allein im Verbandsinteresse, sondern stellt auch für die Athleten ein konstituierendes Element ihres Berufs dar.53 Die Verfügung über den gesetzlichen Richter erfolgt nicht ersatzlos und ist darüber hinaus bei fairer Ausgestaltung des Schiedsverfahrens durchaus im Athleteninteresse.54 Solange das zuständige Schiedsgericht hinsichtlich seiner Verfahrensausgestaltung der eines staatlichen Gerichts gleichkommt und die rechtsstaatlichen Mindeststandards einhält, wird der Justizgewährungsanspruch nicht verletzt und die Schiedsabrede ist nicht gem. § 138 I BGB unwirksam.55

3. Anwendung auf den CAS

Somit stellt sich die Frage, ob das Verfahren vor dem CAS dem ordentlichen Gerichtsverfahren hinsichtlich der rechtsstaatlichen Mindeststandards gleichkommt. Zwar wird der CAS seit seiner Abkopplung vom IOC vom Schweizerischen BG als echtes Schiedsgericht anerkannt.56 Seine Ausgestaltung wird jedoch unter anderem stark für die Schiedsrichterliste, die Kostenregelungen sowie die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens kritisiert.57

Das Schiedsgericht wird von einem oder drei Schiedsrichtern gebildet.58 Im Falle eines Schiedsrichters wird dieser von den Parteien gemeinsam gewählt;59 bei dreien nominiert jede Partei je einen Schiedsrichter,60 der Dritte wird von den zwei gewählten Schiedsrichtern gemeinsam ausgesucht.61 Die in Frage kommenden Schiedsrichter stehen auf einer geschlossenen Liste,62 welche ca. 300 Schiedsrichter aus 87 Ländern umfasst.63 Was zunächst vielfältig und ausgewogen wirkt, steht tatsächlich unter überwiegendem Verbandseinfluss: Nur 1/5 der Schiedsrichter soll mit Rücksicht auf die Athleteninteressen gewählt werden.64 Erstellt wird die Liste durch den International Council of Arbitration for Sport, welcher sich unter anderem aus Funktionären von Sportverbänden zusammensetzt.65 Die Sportler haben darauf keinen Einfluss.66 Bei einem derartigen Übergewicht der Verbände besteht die Gefahr, dass die Schiedsrichter zumindest zum überwiegenden Teil verbandsnah sind und nicht von der rechtsstaatlich erforderlichen Neutralität ausgegangen werden kann.67

Anders als die ZPO sieht das Verfahren vor dem CAS zudem kein öffentliches Verfahren vor.68 Die Nichtöffentlichkeit kann für den Sportler aus Vertraulichkeitsgründen einen Vorteil darstellen. Bevorzugt er jedoch die damit verbundene demokratische Kontrolle gereicht es ihm zum Nachteil.69

Des Weiteren steht das Verfahren des CAS aufgrund seiner Prozesskosten in der öffentlichen Kritik.70 Zwar sind Schiedsverfahren oft kostengünstiger als staatliche Gerichte.71 Anders als auf dem ordentlichen Rechtsweg ist vor dem CAS jedoch keine Prozesskostenhilfe vorgesehen.72 Dies könnte einkommensschwache Athleten von einer Anrufung des CAS abhalten.

Die Ausgestaltung des CAS – insbesondere die Bestellung der Schiedsrichter – birgt somit erhebliche Nachteile für die Sportler und eine Schiedsabrede zugunsten des CAS im strukturellen Ungleichgewicht Sportler/Verband ist folglich gem. § 138 I BGB sittenwidrig.

II. Anwendbarkeit ausländischen Rechts

Auf Schiedsvereinbarungen mit grenzüberschreitendem Bezug ist allerdings nicht stets deutsches Recht anwendbar und die aufgeworfene Frage der Freiwilligkeit stellt sich nicht in allen Rechtsordnungen.73 Gerade Vereinbarungen zugunsten des CAS unterliegen oft schweizerischem Recht. Nach diesem kann sich bei unter Zwang geschlossenen Schiedsabreden zwar nach Art. 27 II ZBG die Unwirksamkeit ergeben. Eine solche wurde bei Vereinbarungen zwischen Athleten und Verbänden in der Vergangenheit jedoch noch nie bejaht.74 Kommt das deutsche Gericht bei Anwendung des ausländischen Rechts somit zur Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS, so ist ausschlaggebend, inwieweit die behandelten deutschen Wertungen Berücksichtigung finden.

1. Eingriffsnormen

Dem oben dargestellten Schutz des Athleten über § 138 I BGB kommt mangels erforderlicher überindividueller Zielrichtung dieser Regelung kein internationaler Geltungsanspruch im Sinne einer Eingriffsnorm zu.75

2. Ordre public

Die verfassungsrechtlichen Wertungen, die über § 138 I BGB Einfluss auf das Privatrecht nehmen, könnten jedoch die Beurteilung der Wirksamkeit einer Sportschiedsgerichtsklausel zugunsten des CAS gem. Art. 6 EGBGB beeinflussen. Der ordre public kommt immer dann zum Tragen, wenn das Ergebnis der anzuwendenden Normen im konkreten Fall


52 Vgl. Heermann, JZ 2015, 362, 364.

53 Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1355.

54 Voit, in: Musielak (Fn. 5), § 1029 Rn. 10; Kotzenberg (Fn. 31), S. 141.

55 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 225; Kotzenberg (Fn. 31), S. 142.

56 BGE, SchiedsVZ 2004, 208.

57 OLG München, SchiedsVZ 2015, 40, 42.

58 R40.1/R50 CAS-Regeln.

59 R40.2 Abs. 2 CAS-Regeln.

60 R40.2, R53 CAS-Regeln.

61 R40.2 Abs. 3 CAS-Regeln.

62 R33 CAS-Regeln.

63 http://www.tas-cas.org/en/arbitration/list-of-arbitrators-general-list.html, letzter Abruf am 09.06.2015.

64 OLG München, SchiedsVZ 2015, 40, 44.

65 R33 CAS-Regeln, S4 ICAS-Regeln.

66 Vgl. LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 107; Monheim, SpuRt 2014, 90, 92.

67 OLG München, SchiedsZV 2015, 40, 44; Hail (Fn. 4), S.156 f.

68 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 110.

69 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 106.

70 LG München I, SchiedsVZ 2014, 100, 106.

71 Eggerstedt (Fn. 31), S. 117.

72 Münch, in: Krüger, Rauscher (Hrsgb.), Münchener Kommentar zur ZPO4, 2013, vor. 1025 Rn. 67; Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1355.

73 Vgl. zum schweizerischen Recht: Göksu, Causa Sport 2014, 356, 363.

74 Göksu, Causa Sport 2014, 356, 359; vgl. auch Schulze, IJVO 2008, 1, 13 f.

75 Vgl. BGHZ 135, 124, 139; Looschelders, in: Heidel et al. (Hrsgb.), Nomos Kommentar BGB Allgemeiner Teil/EGBGB2, Band 1, 2011, § 138 Rn. 12.

Lasthaus, Der Fall Pechstein (BLJ 2015, 2)75

mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Wegen des Grundsatzes der Gleichwertigkeit in- und ausländischen Rechts ist der ordre public jedochnur sehr zurückhaltend anzuwenden.76

Nach Art. 6 S. 2 EGBGB greift dieser insbesondere bei Grundrechtsverletzungen. Dabei bedarf es einer differenzierenden Betrachtung dahingehend, ob das jeweilige Grundrecht für den konkreten Sachverhalt Geltung beansprucht.77 Eine Grundrechtsverletzung durch die Anwendung einer ausländischen Norm kann nur dann angenommen werden, wenn ein ausreichender Inlandsbezug gegeben ist.78 Ein solcher könnte bei deutschen Sportlern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit bejaht werden.79 Die genannten deutschen Wertungen können somit über den ordre public berücksichtigt werden und stehen bereits der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen und nicht erst der Anerkennung des Schiedsspruchs im Weg.

C. Konsequenzen des Falls Pechstein

Auf Grundlage der oben angestellten Erwägungen erscheint nicht die Einschaltung von Schiedsgerichten an sich, sondern die konkrete Ausgestaltung des CAS mit dem Grundgesetz unvereinbar. Hinzu kommt freilich, dass nicht nur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, sondern auch im Hinblick auf das Kartellrecht und die EMRK Zweifel an der Zulässigkeit der behandelten Schiedsvereinbarungen entstehen.80 Hervorzuheben ist auch, dass das Verfahren um den Fall Pechstein noch nicht beendet ist; abzuwarten bleibt die Entscheidung des BGH.

Sollte es jedoch bei einer Entscheidung dahingehend bleiben, dass Schiedsvereinbarungen zugunsten des CAS in Fällen gestörter Vertragsparität im Ergebnis nach deutschem Recht unwirksam sind, so würde dies bedeuten, dass Sportler trotz Schiedsvereinbarung den ordentlichen (deutschen) Rechtsweg einschlagen könnten. Dies hätte unter anderem große rechtliche Unsicherheiten im auf Chancengleichheit ausgelegten Sport zur Folge, welche dieser so nicht verkraften könnte. Soll der CAS weiterhin die letzte Instanz im Sportsektor darstellen, so ist trotz vieler rechtlicher Unsicherheiten zumindest auf lange Sicht eine Reform unumgänglich.81

D. Lösungsansätze

Die Ansätze, den Schutz der Sportler und die Besonderheiten des Sports in einen zukunftsfähigen Ausgleich zu bringen, sind zahlreich.

I. Wahlrecht des Athleten

Einerseits könnte man dem Athleten, auch wenn dies über das rechtsstaatlich Notwendige hinausgeht, ein Wahlrecht einräumen.

1. Vor dem Konfliktfall

In der Literatur machen sich vermehrt Stimmen breit, die vor allem eine fehlende Informiertheit der Sportler monieren. Das Freiwilligkeitsproblem sei schon dadurch zu lösen, dass der CAS hinreichende Neutralität und überparteilichkeit biete und man die Sportler über die Vorteile eines Sportschiedsverfahrens aufkläre. Diese würden sich dann freiwillig der Sportschiedsgerichtsbarkeit unterwerfen.82

Meines Erachtens spricht gegen diese Ansicht zweierlei: Erstens bedarf es, wie aufgezeigt, keines Wahlrechts. Darüber hinaus wurde der CAS von Claudia Pechstein geradezu gebrandmarkt. Insbesondere das Ergebnis der von ihr durchgeführten Petition zeigt die vorherrschende Skepsis der Sportler gegenüber dem CAS.83 Auch eine geforderte „Aufklärung“ der Athleten hinsichtlich der Vorteile des Schiedsgerichts würde nur begrenzt helfen: In dem Moment, in dem der Athlet eine in der Athletenvereinbarung enthaltene Schiedsklausel unterzeichnet, wird er sich in der Regel keine Gedanken bezüglich ihrer Vor- und Nachteile machen. Ein bitterer Nachgeschmack, den das Verfahren um Pechstein zweifellos hinsichtlich der Neutralität des CAS hinterlässt – und sei es nur ein irrationales Gefühl – wird ausreichen, damit er sich für den ordentlichen Rechtsweg entscheidet.

2. Im Konfliktfall

Alternativ könnte man eine Schiedsvereinbarung erst im Konfliktfall schließen. Existiert eine Streitigkeit bereits, so wird sich der Sportler die Tragweite einer Schiedsabrede viel bewusster machen. Zwar besteht auch dann das Risiko, dass er sich für den ordentlichen Rechtsweg entscheidet. Er wird seine Entscheidung jedoch mit Bedacht treffen. In vielen Fällen wird für ihn die Verfahrensschnelligkeit eine überragende Rolle spielen. Darüber hinaus kann er sich vor staatlichen Gerichten nicht immer sicher sein, dass der zuständige Richter mit der spezifischen Materie des Sportrechts gut vertraut ist. Entsprechende Unkenntnis kann eine erhebliche Entscheidungsunsicherheit mit sich bringen. Sollte man also ein klares Kriterium für die Freiwilligkeit befürworten, so wäre ein Wahlrecht im Konfliktfall sicherlich die interessengerechteste Lösung.

II. Schiedszwang

Nach der hier vertretenen Ansicht ist ein (mit dem deutschen Recht vereinbarer) Schiedszwang jedoch die sicherste Variante, um dem Sport die notwendige einheitliche Rechtsprechung zu bieten.

1. Gesetzliche Anordnung einer Schiedsgerichtsbarkeit im Sport

Einerseits könnte man eine gesetzliche Regelung einführen, die für bestimmte Sportstreitigkeiten den Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs und die Durchführung eines Schiedsverfahrens vorschreibt.84 Eine solche Regelung


76 Kropholler,Internationales Privatrecht6, 2006, S. 246f.; Thorn, in: Palandt (Fn. 19), Art. 6 EGBGB Rn. 4; Rauscher, Internationales Privatrecht mit internationalem Verfahrensrecht4, 2012, Rn. 580.

77 Kropholler (Fn. 76), S. 251; Thorn, in: Palandt (Fn. 19), Art. 6 EGBGB Rn. 7.

78 BGH, NJW 1993, 848, 849; BVerfGE 31, 58, 77.

79 Vgl. Rauscher (Fn. 76), Rn. 592.

80 Vgl. OLG München, SchiedsVZ 2015, 40.

81 Vgl. Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1356.

82 Monheim, SpuRt 2008, 8, 11.

83 Zur Petition vgl. Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 219.

84 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 226; Heermann, SpuRt 2015, 4, 10.

Lasthaus, Der Fall Pechstein (BLJ 2015, 2)76

wäre auf lange Sicht jedoch nur erfolgversprechend, wenn der CAS sein Verfahren tatsächlich ändert.85 Ohne eine Berücksichtigung der rechtsstaatlichen Garantien wäre eine solche Vorschrift unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ebenso angreifbar, wie die oben erörterten Schiedsklauseln. Somit müsste ein solches Gesetz die Interessen der Sportler und die Bedürfnisse der Sportwelt durch eine gründliche Abwägung und unter Nennung der notwendigen Bedingungen eines Schiedsverfahrens in Einklang bringen.86

2. Gesetzliche Regelung, § 11 RefE AntiDopG

Daneben findet der aktuell im Bundestag diskutierte § 11 RefE AntiDopG große Beachtung. Die Norm soll „Zweifel an der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen zwischen Sportlern und Verbänden“ ausräumen.87 Es handelt sich also nicht um eine gesetzlich vorgeschriebene Schiedsgerichtsbarkeit. Der Norm soll bloße deklaratorische Wirkung zukommen. Unklar ist jedoch bereits, ob sich die Vorschrift auf jegliche Schiedsvereinbarungen im Sport bezieht oder nur auf solche, die Dopingfälle betreffen.88

Der Gesetzgeber sollte diese Vorschrift entweder streichen oder aber verfassungskonform gestalten. Wie die gesetzliche Anordnung einer Sportschiedsgerichtsbarkeit kann eine solche Regelung nur dann zukunftsfähig sein, wenn sie die Grundrechte der Sportler in ein ausgewogenes Verhältnis mit der Verbandsautonomie bringt.89 Es bedarf einer Vorschrift, welche die Wahrung der rechtsstaatlichen Garantien im Schiedsverfahren gewährleistet. Die jetzige bloße Feststellung des Einklangs mit der Rechtsstaatlichkeit genügt nicht.90

III. Reform des CAS

All diesen Vorschlägen ist gemein, dass sie bezüglich des CAS nur erfolgsversprechend sind, wenn sich dieser tatsächlich reformiert.

Hinsichtlich der Bildung des Schiedsgerichts wird teilweise eine \“Offnung der Schiedsrichterliste insoweit gefordert, als dass Athleten einen Schiedsrichter ihrer Wahl nominieren können. Der Grundsatz, dass an die Unparteilichkeit von Schiedsrichtern keine geringeren Anforderungen als an den staatlichen Richter zu stellen sind,91 gilt aber auch in Bezug auf die Athleten. Auch vor staatlichen Gerichten steht dem Sportler kein Wahlrecht bezüglich seines Richters zu und ein solches würde nur Korruption auf Sportlerseite ermöglichen. Darüber hinaus würde die \“Offnung der Schiedsrichterliste auch negative Auswirkungen auf die Rechtsfortbildung und einheitliche Rechtsprechung haben, indem immer neue Schiedsrichter mit Streitigkeiten vor dem CAS befasst wären.92 Schon sinnvoller erscheint es, gleiche Benennungsrechte für Sportler, Vereine und Verbände zu schaffen. Hierbei kommt jedoch erschwerend hinzu, dass es an einem zentralen Interessenvertreter aller Sportler mangelt, der eine solche Nominierung im Namen aller Sportler vornehmen könnte.93 Deswegen sollte die Besetzung der Schiedsrichterliste von einem neutralen Dritten vorgenommen werden.94 Dies könnte z. B. durch eine Beseitigung des personellen Übergewichts der Verbandsvertreter im ICAS verwirklicht werden.

Um auch einkommensschwächeren Parteien den Weg zum Schiedsgericht nicht zu versperren, sollte zumindest eine Regelung zur Prozesskostenhilfe eingeführt werden. Um jegliche Nachteile für den Sportler auszuschließen, sollte den Parteien die Wahl zwischen \“Offentlichkeit und Nichtöffentlichkeit des Verfahrens zukommen.

All diese Änderungen würden die Vorteile der Sportschiedsgerichtsbarkeit nicht beeinträchtigen: Die Einheitlichkeit der Entscheidung, die Sachkunde der Richter, die Entscheidungsschnelligkeit und die häufig auch geringeren Kosten würden durch die neutrale Besetzung der Schiedsrichterliste oder eine Regelung zur Prozesskostenhilfe nicht negativ beeinflusst.95

E. Fazit

Der Fall Pechstein zeigt, dass sich – zumindest aus deutscher Sicht – noch keine verfassungsmäßige Koexistenz zwischen dem CAS und den ordentlichen Gerichten eingespielt hat. Zwar sind Schiedsvereinbarungen in einem strukturellen Ungleichgewicht nicht grundsätzlich unwirksam. Die Unwirksamkeit kann aber zu bejahen sein, wenn der CAS sein Verfahren nicht im Einklang mit unserem Rechtsstaatsgebot gestaltet. Soll dieser – und mit ihm eine einheitliche Entscheidungsfindung und Rechtsfortbildung, die für den Sport von existenzieller Bedeutung sind – der Sportwelt in Zukunft erhalten bleiben, so ist zu hoffen, dass er seine Zusammensetzung und sein Verfahren in der genannten Weise anpasst. Sollte der CAS sich gegenüber einer Reform sperren, könnte ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten trotz Schiedsvereinbarung sportartübergreifend vielen Sportverbänden drohen.

Der ISU-Präsident, Ottavio Cinquanta, hatte auf die Frage, ob er keine Schadensersatzansprüche durch Claudia Pechstein fürchte, einmal gesagt: „Wer ins Restaurant geht und einen guten Wein bestellt, der muss ihn auch bezahlen können.“96

… um bei der Restaurantmetapher des Ottavio Cinquanta zu bleiben…

In Deutschland wird der ISU und ihrem Präsidenten nun kein erlesener Rebsaft kredenzt, sondern vielmehr eine Suppenkelle gereicht, mit der sie auslöffeln können, was sie Frau Pechstein eingebrockt haben. Und die Rechnung serviert kein Sommelier und auch kein Schiedsgericht, sondern ein staatlicher Richter…


85 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 226.

86 Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 226; Heermann, SpuRt 2015, 4, 10.

87 Referentenentwurf des BMJV, BMG und BMI v. 10.11.2014, www.bmg.bund.de, 43.

88 Heermann, SpuRt 2015, 4, 5.

89 Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1357; Heermann, JZ 2015, 362, 365.

90 Vgl. Bleistein/Degenhart, NJW 2015, 1353, 1357; Heermann, SpuRt 2015, 4, 10.

91 Steiner, SpuRt 2014, 2.

92 Monheim (Fn. 22), 93, 113.

93 Monheim (Fn. 22), 93, 114 f.

94 Monheim (Fn. 22), 93, 115.

95 Muresan/Korff, Causa Sport 2014, 199, 210.

96 Vgl. Stein, Interview mit Claudia Pechstein, Die Welt online, 06.01.2012.