Unternehmensfinanzierung durch Vorzugsaktien

David Anschütz*

Einsatzmöglichkeiten, konzeptionelle Analyse und Novellierung

A. Einleitung

Die für die Praxis wichtigste Aktie besonderer Gattung ist die Vorzugsaktie ohne Stimmrecht (Vorzugsaktie).1 Der Vorzugsaktionär ist ein Aktionär, dem das „wichtigste mitgliedschaftliche Verwaltungsrecht des Aktionärs“,2 das Stimmrecht, nicht zusteht. Im Gegenzug wird er bei der Verteilung des Gewinns bevorzugt, § 139 I AktG. Aufgrund dieser Konzeption kann die Vorzugsaktie als „hybrides Finanzierungsmittel“ eingesetzt werden. Der Gesellschaft wird Eigenkapital ohne korrespondierende Stimmrechte und Überfremdungsgefahr zugeführt.3 Der Anleger hat durch den nachzuzahlenden Vorzug eine sichere, langfristige Rendite. Trotz ihrer Attraktivität prognostizierten Kritiker einen Bedeutungsverlust der Vorzugsaktie.4 Doch obwohl einige Unternehmen in den letzten Jahren Vorzugsaktien vom Markt genommen haben,5 haben noch 14 Unternehmen in den Indizes der Deutschen Börse Vorzugsaktien emittiert.6

Diese Arbeit behandelt die Interessen bei der Emission von Vorzugsaktien und Gründe für deren Einsatz. Dazu wird die Vorzugsaktie als Mittel der Unternehmensfinanzierung beleuchtet (B. ). Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf den Interessen der Parteien und der Auswirkungen der Vorzugsaktie auf Corporate Governance. Zuletzt wird die bevorstehende Novellierung des Aktiengesetzes und deren Konsequenzen für die Vorzugsaktie als Mittel der Unternehmensfinanzierung dargestellt (C.). Die Ausführungen werden durch eine Zusammenstellung der Thesen (D. ) konkludiert. Eine Studie zur praktischen Bedeutung der Vorzugsaktien auf dem Kapitalmarkt begleitet die Arbeit (E.).

B. Einsatz als Mittel der Unternehmensfinanzierung

I. Interessenlage der Investoren

Investoren wollen ihr Geld sicher und profitabel anlegen. Der angestrebte Gewinn umfasst die Vorzugsdividende, eventuelle Mehrdividenden und den möglichen Wertgewinn durch eine Kurssteigerung. In der Einräumung eines Vorzugs beim Liquidationserlös könnte auch eine zusätzliche Absicherung bestehen.7 Dies hängt wie die Mehrdividende von der satzungsmäßigen Ausgestaltung der Vorzugsaktie ab.8 Das Stimmrecht des Aktionärs ist ausgeschlossen. Dessen Verlust wiegt besonders schwer, wenn die Gesellschaft schlecht wirtschaftet oder für den Investor nachteilige Entscheidungen trifft.9 Den Investorenschutz übernimmt in diesem Fall das Wiederaufleben des Stimmrechts nach § 140 II AktG und die kumulative Ausgestaltung der Vorzugsaktie.10 Selbst wenn in einem Geschäftsjahr kein ausschüttungsfähiger Gewinn erwirtschaftet wird, kumulieren die Vorzugsbeträge und müssen bei der nächsten Möglichkeit beglichen werden.11 Vorzugsaktionäre befürworten hohe Ausschüttungen an die Aktionäre und sind nicht an Thesaurierungsmaßnahmen interessiert. Der Investor kann als Eigentümer der Vorzugsaktie nicht an der Verwaltung der Gesellschaft partizipieren. Diese Einschränkung hat je nach Investorengruppe unterschiedliche Auswirkungen.

1. Großinvestor

Großinvestoren haben das Interesse mit hohem finanziellen Aufwand einen erheblichen Anteil an Stimmrechten zur Wahrung ihrer Interessen zu generieren. Zur langfristigen Übernahme des Anlageobjekts wird ein erheblicher Einfluss oder eine Sperrminorität angestrebt. Vorzugsaktien sind für solche Anleger als Form der Investition unattraktiv. Großaktionären können jedoch positive Synergieeffekte durch die Emission von Vorzugsaktien entstehen.

2. Klein- bzw. Mittelanleger

Da mit den angelegten Kapitalsummen ohnehin keine relevanten Stimmrechtsanteile einhergehen, können Vorzugsaktien für Klein- bzw. Mittelanleger interessant sein.12 Sie intendieren nicht die Übernahme, sondern lediglich den wirtschaftlichen Profit aufgrund von Dividenden und Kurssteigerungen.13 Eine aktuelle Studie belegt, dass das Stimmrecht für private Anleger kontinuierlich an Bedeutung verliert.14 Zudem weist die Vorzugsaktie durchaus Attraktivität unter Risiko- und Renditeaspekten auf.15 Ein für den risikoaversen


* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Loges/Distler, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP) 2002, 467; Praxisrelevant“, Temme, in: Eckhardt u.a. (Hrsg.), Köln Hdb GesR, 2014, Kapitel 3 Rn. 79; oder vereinfacht „Vorzugsaktie“.

2 BGHZ 70, 117, 122.

3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 28 IV 4 b) aa).

4 F.A.Z., Vorzugsaktien kommen aus der Mode, 08.10.2005, Nr. 234 / Seite 23, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/aktienarten-vorzugsaktien-kommen-aus-der-mode-1280449.html, letzter Abruf am 03.05.15; Loges/Distler (Fn. 1), 467.

5 Z.B die SAP AG (03.05.2011), die MLP AG (17.11.2000), die Fielmann AG (6.7.2000) und die Koenig&Bauer AG (22.11.2001).

6 Dies ist das Ergebnis einer Studie zur Relevanz der Vorzugsaktie am Kapitalmarkt im Anhang.

7 Vgl. Siebel, Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (ZHR) 161 (1997), 628, 646.

8 G. Bezzenberger, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.),Großkomm AktG, 1999, § 139 Rn. 11; T. Bezzenberger, Vorzugsaktien, 1991, S. 41 ff.

9 Vgl. G. Bezzenberger, in:Großkomm AktG (Fn. 8), § 139 Rn. 22; Siebel (Fn. 7), 628, 646.

10 Roth, in: Heidel (Hrsg.), AktG, 2014, § 140 Rn. 4; Schröer, in: Goette/Habersack (Hrsg.), MüKoAktG, 2013, § 139 Rn. 13, § 140 Rn. 1.

11 Vgl. Koch, in: Hüffer (Hrsg.), 2014, AktG, § 139 Rn. 9; T. Bezzenberger (Fn. 10), S. 58; G. Bezzenberger, in:Großkomm AktG (Fn. 10), § 139 Rn. 22.

12 Vgl. Reckinger, Die Aktiengesellschaft (AG) 1983, 216, 220 f.

13 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), 2010, AktG, § 139 Rn. 2; Reckinger (Fn. 14), 216, 220.

14 Pellens/Schmidt, Studie deutsches Aktieninstitut, 2014, S. 51; „ohne sonderlichen Wert“, Semler, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), MünchHdb AG, 2007, § 38 Rn. 21.

15 Reckinger (Fn. 14), 216, 220.

Anschütz, Unternehmensfinanzierung durch Vorzugsaktien ( BLJ 2015, 9)10

Anleger16 unattraktives Stimmrecht wird gegen Vorzüge bei der Gewinnverteilung und ein gemindertes Anlagerisiko durch die Nachzahlungspflicht getauscht.17 Der Vorzugsaktie ist eine bessere Dividendenrendite zuzusprechen,18 da der durchschnittliche Vorzugsaktienkurs 3,99 % unter dem der Stammaktie liegt.19 Der leverage des eingesetzten Kapitals und das geringere Anlegerisiko sprechen für eine Investition in Vorzugsaktien.

II. Interessenlage der Gesellschaft

Interesse der Gesellschaft bei der Emission von Vorzugsaktien ist die langfristige Steigerung des Eigenkapitals bei Erhaltung der Stimmrechtsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft.20 Der Stimmrechtsverlust der Vorzugsaktionäre geht mit einer Stimmrechtsbündelung bei den Stammaktionären einher. Dieser Effekt kann besonders für Publikumsgesellschaften zum Schutz vor Überfremdung interessant sein.21 Ferner ist ein finanzierungstechnischer Vorteil, dass im Unterschied zur Fremdfinanzierung keine Verbindlichkeit zur Zinszahlung auf Passivseite steht.22 Die Zahlungspflicht der Vorzugsdividende besteht nur bei tatsächlicher Gewinnausschüttung.23 Dies begründet den Unterschied zur Fremdfinanzierung durch Schuldverschreibung, deren Zinsen unabhängig vom Gewinn anfallen.24 Die Nachzahlungspflicht der Vorabdividende summiert sich zwar; ein Zahlungsanspruch entsteht jedoch erst mit dem Erlass des Gewinnverwendungsbeschlusses. Bei Kapitalengpässen besteht zumindest keine sofortige Zahlungspflicht.25 Nachteilig ist, dass die absoluten Finanzierungskosten von Vorzugsaktien höher sind. Dies liegt an der erforderlichen lukrativeren Ausgestaltung der Vorzugsaktie, um sie für Anleger attraktiv zu gestalten.26 Zudem ist die Finanzierung durch Eigenkapital aus steuerlicher Sicht ungünstiger. Dies liegt daran, dass Fremdkapitalzinsen – anders als Dividenden als „betrieblicher Aufwand“ das zu versteuernde Einkommen (§ 8 III S. 1 KStG) mindern können.27 Positiv ist, dass durch die Finanzierung durch Vorzugsaktien die Eigenkapitalquote steigt. Dies führt zu einem geringeren Risiko für Fremdkapitalgeber. Im Ergebnis sinken so die Fremdfinanzierungskosten.

III. Beschränkung des § 139 II AktG

Gemäß § 139 II AktG dürfen Vorzugsaktien nur bis zur Hälfte des Grundkapitals ausgegeben werden. Dies soll verhindern, dass „Stammaktionäre mit dem ihnen allein zustehenden Stimmrecht die Gesellschaft beherrschen, ohne sich an der Aufbringung des Kapitals ausreichend beteiligt zu haben.“28 Andernfalls könnte im Ergebnis eine „risikofreie Herrschaft“29 entstehen.

IV. Konzeptionelle Vor- und Nachteile der Vorzugsaktie

1. Kontrollerhaltungseigenschaft

Die Vorzugsaktie ist ein nützliches Mittel zur Kontrollerhaltung in Gesellschaften. Im Umkehrschluss zu § 140 II 2 AktG sind Vorzugsaktien, abgesehen vom Wiederaufleben des Stimmrechts, bei einer erforderlichen Kapitalmehrheit nicht zu berücksichtigen. Die Ausgabe von Vorzugsaktien führt dazu, dass nur noch ein bestimmter Anteil des Grundkapitals (mind. 50 %) mit Stimmrechten ausgestattet ist. Im Fall eines 50 % Anteils von Vorzugsaktien am Grundkapital kann ein Stammaktionär mit 25,01 % der Stammaktien bereits eine absolute Mehrheit erzielen.30 Somit kann der Stammaktionär seine Kontrolle an der Gesellschaft sichern bzw. erhöhen.31 Dies führt zum Risiko eines Kontrollverlusts im Falle des Wiederauflebens des Stimmrechts nach § 140 II 1 AktG.

2. Stimmrechtsbündelungseffekt

Ferner profitiert der Großaktionär von der Emission der Vorzugsaktien. So wird durch die Gesellschaft neues Kapital generiert, über das der Großinvestor verfügen kann. Der Stimmrechtsanteil bleibt gleich, obwohl der relative Anteil am Grundkapital sinkt. Das Stimmrecht der Großaktionäre ist im Verhältnis zur Beteiligung am Grundkapital überproportional. Positiv fällt beim Stimmrechtsbündelungseffekt ins Gewicht, dass das Stimmrecht von Investoren ausgeübt wird, die aufgrund ihres Investitionsvolumens über die notwendige Expertise verfügen. Andererseits besteht das Risiko, dass stimmgewaltige Großaktionäre ihre persönlichen Interessen gegen das Wohl der Gesellschaft durchsetzen.32 Diese Problematik wird durch die oftmals niedrige Hauptversammlungspräsenz verstärkt.33

3. Risikoverschiebung

Grundsätzlich kontrolliert jeder stimmberechtigte Aktionär sein eigenes Verlustrisiko („Grundsatz von Herrschaft und Haftung im Aktiengesetz“)34 . Die Emission von Vorzugsaktien führt zur Verschiebung des prinzipiell ausgewogenen Verhältnisses. Im Ergebnis ist das Verlustrisiko des Großaktionärs durch Verteilung auf die Vorzugsaktionäre geringer.


16 „Stark ausgepräge Risikoaversion“, Pellens/Schmidt (Fn. 16), S. 11.

17 „Wer mehr auf den finanziellen Ertrag blickt, wird eine Aktiengattung wählen, die mit einem Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet ist“, Noack, in: Bayer/Habersack (Hrsg.) Aktienrecht im Wandel II, 2007, 11. Kapitel Rn. 16.

18 Mann, in: Fabozzi (Hrsg.), Fixed Income Securities, 2012, S. 476.

19 Dies ist das Ergebnis der aktuellen, empirischen Untersuchung im Anhang.

20 Siebel (Fn. 9), 628, 646; vgl. Reckinger (Fn. 14), 216, 219.

21 K. Schmidt (Fn. 5), § 28 IV 4. b) aa); Feddersen, in: FS P. Ulmer, 2003, S. 105, 116; dies war bereits im AktG von 1937 intendiert, Bayer/Engelke, in:Bayer/Habersack (Hrsg.), Aktienrecht im Wandel I, 2007, 15. Kapitel Rn. 86.

22 Roth, in: Heidel (Fn. 12), § 139 Rn. 3.

23 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Fn. 15), § 139 Rn. 2.

24 Maul, in: Müller u.a. (Hrsg.), Beck’scheHdb AG, 2009, § 3 Rn. 49.

25 T. Bezzenberger (Fn. 10), S. 58; vgl. Reuter, AG 1985, 104, 105; Reckinger (Fn. 14), 216, 219.

26 Roth, in: Heidel (Fn. 12), § 139 Rn. 3; Christians, AG 1990, 47, 48; aus steuerlicher Sicht: Herzig/Ebeling, AG 1989, 221 f.

27 Vgl. Hey,in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht, 2013, § 8 Rn. 49.

28 Amtliche Begründung zu §§ 115-117 AktG (1937), abgedruckt, in: Klausing, Aktiengesellschaften, 1937, S. 104.

29 Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1937, S. 203.

30 Hennerkes/May, Der Betrieb (DB) 1988, 537, 538; Schröer, in: MüKoAktG (Fn. 12), § 139 Rn. 4; ablehnend als „unvereinbar mit dem Grundsatz der Aktionärsdemokratie: Feddersen (Fn. 24), S. 105, 109 f.

31 Im Falle der Hornbach Holding AG stehen 100 % der Stammaktien im Eigentum der Gründerfamilie. Demnach halten diese alle Stimmrechte und lediglich 50 % am Grundkapital.

32 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Fn. 15), § 139 Rn. 2; Roth, in: Heidel (Fn. 12), § 139 Rn. 3.

33 Roth, in: Heidel (Fn. 12), § 139 Rn. 3.

34 Reuter (Fn. 32), S. 203.

Anschütz, Unternehmensfinanzierung durch Vorzugsaktien ( BLJ 2015, 9)11

Die Vorzugsaktionäre tragen ihr volles Verlustrisiko, haben aber keinerlei Entscheidungsmacht. Trägt der Großaktionär nicht mehr das volle wirtschaftliche Risiko seines Stimmverhaltens.35 , kann das zu größerer Risikobereitschaft führen.

4. Vorzugsaktien in der Corporate Governance-Problematik

a) Reduzierung der „Agency-Kosten“

Das Grundproblem der Corporate Governance ist die Trennung von Eigentum und Kontrolle.36 In der AG sind Eigentum und Kontrolle durch die Hauptversammlung und den Vorstand getrennt.37 Diese Trennung begründet eine Informationsasymmetrie zwischen Vorstand und den Aktionären.38 Durch opportunes Handeln fließen eigene Interessen des Vorstands mit in die Entscheidungsfindung ein.39 Um sicherzustellen, dass seine Rechte angemessen berücksichtigt werden, muss der Aktionär einen erheblichen Informationsaufwand betreiben und den Vorstand konstant überwachen,40 (Monitoring)41 . Der Informationsaufwand des einzelnen Aktionärs steht außer Verhältnis zum Vorteil, den dieser durch eine transparente Informationslage erfährt.42 Nachteile, die mangels Kontrolle und Informationen bei der Gesellschaft entstehen, werden als „Agency-Kosten“ bezeichnet.43 Der Stammaktionär ist wegen der vereinfachter Durchsetzung eigener Interessen mithilfe eines überproportionalen Stimmgewichts, engagiert, der Informationsasymetrie entgegenzuwirken.44 . So wird die Kontrolleffizienz der Aktionäre gesteigert.

b) Nebenwirkungen

Die Verbesserung der Agency-Kosten-Problematik wird in zweierlei Hinsicht relativiert. Zum einen fehlt es u.U. an höherer Renditeerwartung, da der Gewinnanteil entsprechend der Emission von Vorzugsaktien sinkt. 45 Dem ist entgegenzuhalten, dass die persönliche Rendite der Aktionäre auch durch die Möglichkeit der Durchsetzung persönlicher Interessen bereichert wird. Um insgesamt zu profitieren, ist ein höherer Anteil am Gewinn zwar vorteilhaft jedoch nicht zwingend notwendig. Das Problem der Agency-Kosten wird nur von der Vorstandsebene auf die der Großaktionäre verschoben.46 Jedoch gleichen sich die Interessen der Aktionäre untereinander stärker, als die Interessen des Vorstands und der Aktionäre. Großaktionäre erhalten keine flexible Vergütung, sodass einheitlich eine hohe Dividende und langfristige Kurssteigerung der Gesellschaft angestrebt wird.

5. Indexproblematik

Die Vorzugsaktie bildet eine eigene Aktiengattung (§ 11 AktG),47 sodass sie gesondert von der Stammaktie notiert wird.48 Seit Juni 2002 berücksichtigt die Deutschen Börse nur noch eine Aktiengattung für die Kapitalgewichtung.49 Dies ist stets die liquidere Aktie.50 Die Zugehörigkeit zu einem Index an der Deutschen Börse ist für Unternehmen wichtig, da viele Anleger nur in gelistete Aktien investieren. Die Emission von Vorzugsaktien erschwert die Zulassung zu einem Index, da die Höhe des Grundkapitals für die Kapitalgewichtung reduziert wird. Jede Aktiengattung wird quasi wie eine eigene Gesellschaft bewertet.51 Damit besteht das Risiko, dass das Unternehmen im Index nicht berücksichtigt wird, obwohl die Aktiengattungen zusammen die Anforderungen erfüllen würden.52

V. Einsatzmöglichkeiten der Vorzugsaktie

1. Familienunternehmen

Familienunternehmen profitieren besonders von den Charakteristika der Vorzugsaktie,53 da der Vorstand selbst am Unternehmen beteiligt ist und so Gesellschaftsinteressen und Interessen der Mehrheitseigner nahezu gleichlaufen: Beide sind an nachhaltigem Wachstum und langfristiger Rendite interessiert. Die Gründerfamilie kann ihren Einfluss durch die Stimmrechtsbündelung und den Fremdkapitalcharakter der Vorzugsaktie langfristig sichern. Zudem bleiben komplizierte Stimmrechtsregelungen innerhalb der Gesellschaft unberührt.54 Die theoretische Zuneigung von Familienunternehmen zu Vorzugsaktien lässt sich empirisch belegen. So sind 13 von 14 Emittenten an den Indizes der Deutschen Börse Unternehmen, die unter dem beherrschenden Einfluss einer Familie stehen.55 Im extrem Fall wird das Grundkapital zu 50% in Vorzugsaktien emittiert und lediglich die Vorzugsaktien an der Börse notiert. Die Stammaktien bleiben zumindest mehrheitlich im Eigentum der Gründerfamilie56 , welche von Überfremdungssicherung, Stimmrechtsbündelung


35 Feddersen (Fn. 24), S. 105, 111 f.; Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57, 61.

36 Pistor,in:Hommelhoff u.a. (Hrsg.), Hdb Corporate Governance, 2009, S. 236 f.

37 Siehe ausführlich zur Gewaltentrennung in der AG: K. Schmidt (Fn. 5), § 28 V.

38 Ausführlicher zur abstrakten Principal-Agent Problematik, Pistor (Fn. 40), S. 236 f.; Armour/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman u.a. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law 2009, S. 35.

39 Armour/Hansmann/Kraakman (Fn. 42), S. 35; Pistor (Fn. 40), S. 236 f; Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 59.

40 Pistor (Fn. 40), S. 236 f.; Armour/Hansmann/Kraakman (Fn. 42), S. 36.

41 Ausführlich zu dem Begriff: Brealey/Myers/Allen (Fn. 22), S. 320.

42 Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 59.

43 Dies umfasst sowohl die Kosten der nachteilig beeinflussten Entscheidung als auch die Kosten für den Ausgleich des Informationsdefizits, vgl. Armour/Hansmann/Kraakman (Fn. 42), S. 35 f; Brealey/Myers/Allen (Fn. 22), S. 320.

44 Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 59.

45 Vgl. Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 60.

46 Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 59; „second agency problem“, Armour/Hansmann/Kraakman (Fn. 42), S. 36.

47 Schröer, in: MüKoAktG (Fn. 12), § 139 Rn. 4; G. Bezzenberger, in:FS K. Quack, 1991, S. 153.

48 An der Deutschen Börse werden Vorzugsaktien meist mit dem Kürzel „Vz.“ gekennzeichnet (Bsp. BMW AG Vz., Henkel KGaA Vz., Volkswagen AG Vz.). Ferner weißt die Wertpapierkennnummer (WKN) der Vorzugsaktie meistens eine „3“ als letzte Ziffer auf (Bsp. 519003, 604843, 766403 für die drei zuvor erwähnten Unternehmen).

49 Leitfaden zu den Aktienindizes der deutschen Börse, 2.2.1.1; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Fn. 15), § 139 Rn. 2; Feddersen (Fn. 24), S. 105, 109 f.; Merkner/Schmidt-Bendun, DB 2012, 98, 100.

50 Noack (Fn. 18), 11. Kapitel Rn. 20.

51 Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 67.

52 Feddersen (Fn. 24), S. 105, 109 f.

53 Feddersen (Fn. 24), S. 105, 116; Hennerkes/May (Fn. 34), 537, 538.

54 Vgl. K. Schmidt (Fn. 5) § 28 IV 4. b) aa); Spindler, in: K. Schmidt/Lutter (Fn. 15), § 139 Rn. 2; Maul (Fn. 27), § 3 Rn. 49.

55 Ausführliche Liste im Anhang.

56 Diese Kapitalstruktur lässt sich z.B. bei der Jungheinrich AG (Siehe § 6 I a), b) der Satzung der Jungheinrich AG, Stand: 15.07.2011), Villeroy & Boch AG (Siehe § 3 Nr. 1 der Satzung der Villeroy Boch AG, Stand: 22.03.2013), sowie der Hornbach Holding AG (Siehe § 4 II der Satzung der Hornbach Holding AG, Stand: 31.07.2009) feststellen.

Anschütz, Unternehmensfinanzierung durch Vorzugsaktien ( BLJ 2015, 9)12

und optimierte Finanzierungskosten profitiert.

2. Kreditinstitute

Nach derzeitiger Rechtslage ist die Finanzierung durch Vorzugsaktien für Kreditinstitute nachteilig.57 Dies soll nach einem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Aktiengesetzes („AktR-Novelle 2015“)58 vom 07.01.2015 angepasst werden (vgl D). Entscheidend ist, ob die Finanzierung durch Vorzugsaktien zum regulatorischen Kernkapital des Instituts zählt.

VI. Kursverhältnis der Vorzugs- zur Stammaktie

1. Theoretische Analyse

Der rationalen Analyse der Anlageobjekte entspräche, dass der Kurs der Vorzugsaktie über dem der Stammaktie liegt. Die Vorzugsdividende weist aufgrund des kumulativen Nachzahlungsanspruchs ein geringeres Anlagerisiko auf und der Anleger erhält eine möglicherweise lukrativere, bevorzugte Dividende. Das Stimmrecht hingegen hat keinen direkten pekuniären Wert59 und verliert vor allem für private Anleger stetig an Bedeutung.60

2. Empirische Nachweise

Eine aktuelle empirische Ermittlung61 beweist Gegenteiliges. Indexübergreifend kursieren die Vorzugsaktien bei den 14 Emittenten 3,99 % unter dem Kurswert der Stammaktien. Die Kursdifferenzen schwanken von -32,44%62 bis zu einer Differenz von +31,41%.63 Die Gründe für die extremen Kursschwankungen sind verschieden. So lassen sich generelle Faktoren aufführen, die im Unterschied zur rationalen Analyse auf eine werthaltigere Stammaktie schließen lassen. Nicht zu unterschätzen ist der psychologische Einfluss des Stimmrechtsverlusts.64 Als Vorzugsaktionär ist man Kapitalgeber und kann über den Verbleib seines Geldes nicht entscheiden. Die Abwälzung des Kostenrisikos von Stammaktionären auf Vorzugsaktionäre kann ausbeuterisch sein.65 Zusätzlich herrscht eine Marktenge für Vorzugsaktien. Die rare Verbreitung auf dem Kapitalmarkt verhindert die Vertrauensbildung der Investoren in das Anlageobjekt.66Die Ausgestaltung ist, wie im Falle der RWE AG ohne Mehrdividende oftmals unprofitabel, sodass der Vorzugsaktienkurs 31,83% unter dem der Stammaktie liegtÄú.67 Der alleinige Profit im Fall von fehlenden Gewinnen scheint kein vertretbares Äquivalent zum Stimmrechtsverlust zu sein. Ferner sind die Kursschwankungen auch das Ergebnis des Marktzyklus. Die durch die Emission von Vorzugsaktien verursachte Überproportionalität des Stimmrechts lässt den Erwerb von Stammaktien attraktiver werden. Die Risikoverschiebung und der Stimmrechtsbündelungseffektes machen die Investition in Stammaktien für Investoren interessant, die verstärkt eigene Interessen durchsetzen können. Letztlich muss der Wert der Vorzugsaktie für jedes Unternehmen individuell bestimmt werden. Die oben aufgeführten Gründe erklären die statistische Tendenz, dass Stammaktien entgegen der rationalen Investitionsentscheidung als werthaltiger angesehen werden. Der Markt wertet die Vorzugsdividende nicht dem Verlust des Stimmrechts entsprechend.68 , sondern entscheidet nach der Attraktivität des Unternehmens und Ausgestaltung der Vorzugsaktie.

VII. Aktuelle Lage am Kapitalmarkt

Die durchgeführte Studie zeigt, dass 14 Unternehmen an den vier Indizes der Deutschen Börse Vorzugsaktien emittiert haben. Als Beispiel zur praktischen Ausgestaltung der Vorzugsaktie dient die Hornbach Holding AG. Diese ist am SDAX gelistet und hält 76,4 % der Stammaktien der Hornbach Baumarkt AG.69 Gemäß § 4 II der Satzung ist das Grundkapital zu gleichen Teilen in jeweils vier Millionen Stamm- bzw. Vorzugsaktien geteilt.70 Dies entspricht der Grenze in § 139 II AktG. Um die Stimmrechte komplett in der Familie Hornbach zu halten, ist lediglich die Vorzugsaktie der Hornbach Holding AG börsennotiert. Gemäß § 25 der Satzung wird zunächst eine Vorabdividende von 4 % ausgezahlt, anschließend eine Dividende von 4 % an die Stammaktionäre. Der restliche Gewinn wird auf beide Aktionärsgattungen verteilt, wobei die Vorzugsaktionäre eine Mehrdividende in Höhe von 2 % erhalten.

C. Die Aktienrechtsnovelle 2015

Die Novellierung des Aktiengesetzes soll die Eigenkapitalfinanzierung von Kreditinstituten erleichtern71 und einen Engpass bei der Kreditvergabe (Kreditklemme) vermeiden.72 Neue Ausgestaltungsmöglichkeiten eröffnen die Möglichkeit, diese als regulatorisches Eigenkapital anzurechnen.73 Nach der Finanzmarktkrise 2008 wurde 2010 das Rahmenwerk Basel III verabschiedet. Ziel von Basel III ist es die Eigenkapitalanforderungen an Banken durch Qualität und Transparenz


57 Beschluss der Bundesregierung über einen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes (AktR-Novelle 2015), S. 27, Quelle: http://gesetzgebung. beck.de/node/1009625, (zuletzt abgerufen: 23.03.2015); vgl. auch: Bayer,AG 2012, 141, 152, der die Situation als „problematisch“ bezeichnet.

58 Zur Entwicklungsgeschichte siehe: http://gesetzgebung. beck.de/node/1009625. Dort sind alle aufgeführten Schritte abrufbar, (zuletzt abgerufen: 23.03.2015).

59 Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 62; zumindest aber kann dieser vom Dividendenvorzug kompensiert werden, Kruse/Berg/Weber, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB) 1993, 23, 27.

60 Pellens/Schmidt (Fn. 16), S. 51.

61 Siehe dazu im Anhang.

62 Dies entspricht der Kursdifferenz der Vorzugs- und Stammaktie der BMW AG (Stand: 22.03.2015).

63 Die Vorzugsaktie der Drägerwerk AG & Co. KGaA ist 31,41% mehr wert als die Stammaktie (Stand: 22.03.2015).

64 Reckinger (Fn. 14), 216, 221.

65 Vgl. Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 61.

66 Vgl. Kruse/Berg/Weber (Fn. 63), 23; Doerks, Kursunterschied zwischen Stamm- und Vorzugsaktien, 1992,S. 264, „psychologische Hemmschwelle.“

67 Vgl. Kruse/Berg/Weber, (Fn. 63), 23, 28; vgl. auch: Doerks (Fn. 71),S. 116 f.; § 18 I Nr. 1-4 der Satzung der RWE AG vom 14.05.2014.

68 Feddersen (Fn. 24), S. 105, 108 f.; Pellens/Hillebrandt (Fn. 39), 57, 58.

69 Nachweise der Aktionärsstruktur im Anhang.

70 Stand der Satzung: 31.07.2009.

71 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 27, 28; Müller-Eising, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (GWR) 2014, 229, 232.

72 Götze/Arnold/Carl, Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG) 2012, 321, 324.

73 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 28.

Anschütz, Unternehmensfinanzierung durch Vorzugsaktien ( BLJ 2015, 9)13

zu verbessern.74 Seit der Umsetzung des CRD IV-Pakets sind die Regelungen zu Eigenmitteln in der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 verordnet. Dies dient der europaweiten Vereinheitlichung und Etablierung strenger Eigenmittelanforderungen (vgl. Art. 92 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013).75 Vorzugsaktien können regulatorisches Eigenkapital in Form von „hartem Kernkapital“ oder „zusätzlichem Kernkapital“ bilden.

I. „Hartes Kernkapital“

Gemäß Artikel 28 I h) i) der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 darf ein Kapitalinstrument, als hartes Kernkapitals „keine Vorzugsbehandlung in Bezug auf die Reihenfolge der Ausschüttungen“ vorsehen. Nach derzeitiger Definition des Vorzugs ist eine solche Privilegierung zwingend erforderlich, um den Wegfall des Stimmrechts zu rechtfertigen.76

II. „Zusätzliches Kernkapital“

Gemäß Artikel 52 I l) iii) der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 muss es für Emittenten der Kapitalinstrumente des „zusätzlichen Kernkapitals“ möglich sein, die Ausschüttungen auf die Instrumente „jederzeit nach eigenem Ermessen für unbefristete Zeit und auf nicht kumulierter Basis ausfallen zu lassen.“ Nach der jetzigen Rechtslage ist die Nachzahlungspflicht der Vorzugsaktie zwingend.77

III. Darstellung und Folgen der geplanten Änderungen

1. Mehrdividende als Vorzug

In § 139 I 2 Var. 2 AktG n.F. wird festgelegt, dass der Vorzug neben der Vorabdividende auch in einem „erhöhten Gewinnanteil (Mehrdividende)“ liegen kann.78 Nach derzeitiger Rechtslage sind Vorzug und Mehrdividende strikt zu trennen. Der Vorzug muss nach dem Entwurf also nicht mehr zwingend die Priorität bei der Auszahlung beinhalten, sondern kann auch lediglich in monetären Vorteilen liegen. Demnach soll die Gewährung einer Mehrdividende ein taugliches Äquivalent für den Verlust des Stimmrechts sein.79 Dies ermöglicht den Kreditinstituten die Anrechnung der Vorzugsaktie als Instrument des „harten Kernkapitals“ nach Artikel 28 I h) i der Verordnung (EU) Nr. 575/2013.80

2. „Nicht kumulative Vorzugsaktie“

Zudem soll in § 139 I 1 AktG n.F. das Wort „nachzuzahlenden“ gestrichen werden.81 Demnach sieht der Gesetzentwurf die Einführung der „nicht kumulativen Vorzugsaktie“ vor,82 das heißt, die stimmrechtslose Vorzugsaktie muss nicht mehr zwingend mit einem nachzuzahlenden Vorzug ausgestattet sein.83 § 140 II 2 AktG n.F. konstituiert nach dem Entwurf ein Wiederaufleben des Stimmrechts bei nicht kumulativen Vorzugsaktien mit Zahlungsausfall, also nach einem Jahr.84 Da die Rückstände aus den letzten Jahren nicht zu begleichen sind, erlischt es aber auch wieder schneller.85 Somit kann durch „nicht kumulative Vorzugsaktien“ nun „zusätzliches“ Kernkapital i.S.v. Artikel 52 I l) iii) der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 generiert werden.

IV. Bewertung der Novelle

1. Allgemeine Gedanken

Die Neuregelung erlaubt es dem Unternehmen, kernkapitalfähige Vorzugsaktien auszugeben, ohne dass die Stimmrechte der Altaktionäre verwässern.86 Letztendlich hängt es von der Ausgestaltung der Vorzugsaktie in der Satzung ab, ob diese als „hartes Kernkapital“ oder „zusätzliches Kernkapital“ angerechnet werden können. Da kein zwingender Grund für die Nachzahlungspflicht ersichtlich ist.87 ist die geplante Einführung der „nicht kumulativen Vorzugsaktie“ folgerichtig.88 Die Entscheidung, ob der Kapitalmarkt diese Form der Aktie akzeptiert, wird richtigerweise dem Markt selbst überlassen. Auch die flexible Gestaltung des Vorzugs in Betracht der Anforderungen der Basel-III-Richtlinie zur Eigenmittelausstattung ist begrüßenswert.89 Den Kreditinstituten wird eine zusätzliche Möglichkeit gegeben, den erhöhten Anforderungen des Basel-III-Rahmenwerks zur Beschaffung von regulatorischem Eigenkapital gerecht zu werden. Dies erhöht die Sicherheit der Gläubiger und stabilisiert das Bankensystem. Die Beschaffung von regulatorischem Eigenkapital durch die Emission von Stammaktien ist bezüglich der Kontrollerhaltung innerhalb der Gesellschaft kapazitätsmäßig begrenzt. Eine alternative Finanzierung, die dieses Problem behebt, entspricht den Marktbedürfnissen. Die mangels Nachzahlungspflicht geminderte Attraktivität aus Investorensicht müssen Banken durch eine lukrative Ausgestaltung der Mehrdividende ausgleichen. Der Gesetzgeber geht hier einen Schritt in die richtige Richtung. Der Bundesrat


74 Basel-III-Leitfaden, S. 9; Höche, in: Habersack u.a. (Hrsg.), Bankenregulierung, 2013,S. 14.

75 Kirchhartz, in: Erne (Hrsg.), Bank- und Börsenrecht, 2014, § 1 Rn. 167.

76 Koch, in: Hüffer (Fn. 13), § 139 Rn. 5; T. Bezzenberger (Fn. 10), S. 43; Semler (Fn. 16), § 38 Rn. 18.

77 G. Bezzenberger, in:Großkomm AktG (Fn. 10), § 139 Rn. 22; Schröer, in: MüKoAktG (Fn. 12), § 139 Rn. 13.

78 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), Art. 1 16. b), § 139 I AktG n.F.

79 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 28; vgl. Müller-Eising (Fn. 81), 229, 230.

80 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 28; Müller-Eising (Fn. 81), 229, 232.

81 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), Art. 1 16. a), § 139 I AktG n.F.

82 Im US-Amerikanischen Recht ist diese bereits etabliert, Merkt, US-Gesellschaftsrecht, 2013, Rn 509.

83 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 28; Müller-Eising (Fn. 81), 229, 230; Ziemons, GWR 2013, 283, 285; Götze/Arnold/Carl (Fn. 82), 321, 323; „aus der Nachzahlungspflicht wird eine Nachzahlungsoption“, Sünner, Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2012, 107, 108.

84 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), Art. 1 17. a), § 140 II n.F. Dieser Zusatz wurde nach Kritik aus der Lehre zu früheren Referentenentwürfen hinzugefügt und begrüßt, Götze/Arnold/Carl (Fn. 82), 321, 323. In der aktuellen Begründung als „Folgeänderung“ bezeichnet, AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 29.

85 Zustimmend zur Regelung, Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2012, 380, 382; vgl. Müller-Eising, GWR 2012, 77, 79.

86 Ziemons, Betriebs-Berater (BB) 2012, 523, 525.

87 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 28; Bayer (Fn. 62), 141, 152; Hemeling, in:FS U. Schneider, 2011, S. 471, 476.

88 Die Ausschüsse des Bundesrats befinden dies gar als „begrüßenswert“, 3. Begr. zu Artikel 1 Nummer 16 a, Nummer 17 a, BR-Drs. 22/1/15. Diese Empfehlung wurde durch Beschluss des Bundesrats übernommen, BR-Drs. 22/15 Beschluss.

89 Götze/Arnold/Carl (Fn. 82), 321, 324; Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2011, 217, 219; Seibert/Böttcher, ZIP 2012, 12, 17; etwas verhaltener: Müller-Eising (Fn. 97), 77, 80, dessen Bewertung sich jedoch auf den Regierungsentwurf von 2012 bezieht.

Anschütz, Unternehmensfinanzierung durch Vorzugsaktien ( BLJ 2015, 9)14

schlägt ferner eine „dauerhaft stimmrechtslose Vorzugsaktie“ für Kreditinstitute im Sinne des § 1 KWG vor.90lich ein Finanzierungsmittel des Finanzsektors sein.

2. Neue Attraktivität durch Gestaltungsfreiheit

Der § 139 I 2, 3 AktG n.F. kann sich als vorteilhaft für Investoren erweisen und die Attraktivität der „kumulativen Vorzugsaktie“ steigern. Der Wortlaut des § 139 I AktG „nachzuzahlender Vorzug“ ergibt, dass die Mehrdividende vom Vorzug zu trennen und nicht von der Nachzahlungspflicht umfasst ist.92 . § 139 I 3 AktG n.F. stellt den Unternehmen zur Disposition in welchem Umfang der Vorzug von der Nachzahlungspflicht umfasst sein soll.93 Der Gesetzesentwurf ist an dieser Stelle dem Referentenwurf weit voraus, der im § 139 I 3 AktG n.F. noch den „Vorzug“94 als nachzahlungspflichtig statuierte, falls die Satzung nichts anderes bestimmt. Dies würde nach der neuen Gesetzeslage sowohl die Mehrdividende als auch den Vorzug umfassen und die Unternehmen aufgrund der weitreichenden Vermutung zu einer Änderung ihrer Satzungen zum Erhalt des status quo nötigen.95 Der Gesetzesentwurf stellt hier richtigerweise auf die „Vorabdividende“ ab.96 Demnach ist die Vorabdividende nachzahlungspflichtig, wenn nicht die Satzung etwas anderes bestimmt. Diese Ausgestaltungsoption erlaubt den Unternehmen die Vorzugsaktie noch attraktiver zu gestalten. Möglich ist z.B. eine Nachzahlungspflicht bezüglich der Mehrdividende und Vorabdividende. Damit würde sogar ein Wiederaufleben des Stimmrechts bei Ausbleiben der Mehrdividende einhergehen. Dies würde dem Gedanken der sicheren, nachhaltigen Rendite für Vorzugsaktionäre entsprechen, das Instrument als stabile Investition verbleiben lassen und die Attraktivität der Vorzugsaktie erhöhen.

D. Fazit und Zusammenfassung in Thesen

Vorzugsaktien sind ein flexibel einsetzbares Mittel der Unternehmensfinanzierung.

Der Rückgang der Vorzugsaktie liegt daran, dass die Vorzugsaktie in Unternehmen eingesetzt wurde, für die sie als Mittel der Finanzierung ungeeignet war.

Vorzugsaktien sind ein geeignetes Finanzierungsmittel für Familienunternehmen und bilden ein interessantes Anlageobjekt für risikoaverse Kleinanleger.

Die Emission von Vorzugsaktien trägt zur Verringerung des Principal Agent-Problems bei, indem „Agency-Kosten“ reduziert werden.

Die These, dass der Markt Vorzugsaktien generell niedriger bewertet als Stammaktien, ist zumindest teilweise widerlegt. Die Gründe für Kursunterschiede hängen regelmäßig mit der Ausgestaltung der Vorzugsaktie, psychologischen Faktoren sowie dem Erfolg des Unternehmens zusammen.

Die „Aktienrechtsnovelle 2015“ stellt eine gelungene Neuregelung dar. Die flexibleren Finanzierungsmöglichkeiten werden durch Kreditinstitute frequentiert benutzt werden, um den hohen Anforderungen des Art. 92 I der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 gerecht zu werden.

Die „nicht kumulative Vorzugsaktie“ wird jedoch mangels Attraktivität für den Anleger ein Finanzierungsinstrument des Finanzsektors bleiben. Kreditinstitute sind gezwungen, sich das Kernkapital durch eine lukrative Ausgestaltung der Vorzugsaktie zu „erkaufen“ und die fehlende Nachzahlungspflicht für den Investor auszugleichen.

Die dispositive Erweiterung des Vorzugsbegriffs wird sich attraktivitätssteigernd für die „kumulative Vorzugsaktie“ erweisen. Die Regelung des Gesetzesentwurfs ist hier dem Referentenentwurf deutlich voraus. Zukünftig sind Kombinationen aus nachzuzahlenden Mehr- und Vorabdividenden denkbar.

E. Anhang – Studie zum aktuellen Stand des Kapitalmarkts

Zur genaueren Untersuchung der Vorzugsaktie, sind im Folgenden die Ergebnisse einer Analyse der Unternehmen in den vier großen Indizes der Deutschen Börse aufgelistet. Die Ergebnisse sind anhand der angegebenen Quellen recherchiert worden. Ziel der folgenden Untersuchung ist die Signifikanz der Vorzugsaktie in den an der Deutschen Börse notierten Familienunternehmen herauszuarbeiten. Zudem sollten die Kursunterschiede empirisch ermittelt werden.

(Quelle: www.finanzen.net, Stand der Kurswerte: 22.03.2015, 16:33.)


90 BR-Drs. 22/15, 3. zu Artikel 1 Nummer 16 a, Nummer 17 a.

92 So auch: Hemeling (Fn. 99), S. 471, 475; Koch, in: Hüffer (Fn. 13), § 140 Rn. 4.

93 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 28, Art. 1 16. b), § 139 I S. 3 AktG n.F.

94 Referentenwurf zur Änderung des Aktiengesetzes (RefE-AktG) vom 08.05.2014, Art. 1 14. b), Quelle: http://gesetzgebung. beck.de/node/1009625, (zuletzt abgerufen: 23.03.2015).

95 Bspw. § 27 II Nr. 3 der Satzung der VW AG (Stand: Juni 2014) spricht lediglich von einer „höheren Dividende“ zur Festlegung der Mehrdividende. Wenn das Gesetz festlegt, dass ein „erhöhter Gewinnanteil“ auch ein tauglicher „Vorzug“ ist, würde dies vom Wortlaut her die Mehrdividende mit unter die Nachzahlungspflicht aus § 139 I AktG fassen; ähnlich: Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, NZG 2014, 863, 864.

96 AktR-Novelle 2015 (Fn. 62), S. 28, Art. 1 16. b), § 139 I S. 3 AktG n.F.

Anschütz, Unternehmensfinanzierung durch Vorzugsaktien ( BLJ 2015, 9)15

I. DAX-30

Vier von 30 Unternehmen im DAX haben Vorzugsaktien emittiert. Der Kurs der Vorzugsaktie liegt im Durschnitt 11,80 % unter dem der Stammaktie.

Gesellschaft Branche Stammaktienkurs Vorzugsaktienkurs Differenz
BMW AG Automobilproduktion 116,85 € 88,23 € 32,44 % –
Henkel AG & Co. KGaA Konsumgüter 97,15 € 110,01 € 13,24 % +
RWE AG Energieversorgung 24,60 € 18,66 € 31,83 % –
Volkswagen AG Automobilproduktion 241,33 € 250,62 € 3,85 % –

II. MDAX

Drei von 50 Unternehmen im MDAX haben Vorzugsaktien emittiert. Der Kurs der Vorzugsaktie liegt im Durchschnitt 7,4 % unter dem der Stammaktie.

Gesellschaft Branche Stammaktienkurs Vorzugsaktienkurs Differenz
Fuchs Petrolclub SE Chemie 34,20 € 38,67 € 13,07 % +
MAN SE Fahrzeugbau 97,01 € 96,29 € 0,75 % –
Metro AG Handel 31,64 € 23,52 € 34,52 % –

III. TecDAX

Zwei von 30 Unternehmen im TecDAX haben Vorzugsaktien emittiert. Der Kurs der Vorzugsaktie liegt im Durschnitt 12,39 % über dem der Stammaktie.

Gesellschaft Branche Stammaktienkurs Vorzugsaktienkurs Differenz
Drägerwerk AG & Co. KGaA Medizin-, Sicherheits- und Tauchtechnik 83,25 € 109, 40 € 31,41 %
Sartorius AG Biotechnologie, Mechatronik 130,00 € 121,90 € 6,64 %

IV. SDAX

Fünf von 50 Unternehmen im SDAX haben Vorzugsaktien emittiert. Der Kurs der Vorzugsaktie liegt im Durschnitt 9,16 % unter dem der Stammaktie.

Gesellschaft Branche Stammaktienkurs Vorzugsaktienkurs Differenz
Biotest AG Biotechnologie 103,75 € 108,55 € 4,63 % +
Hornbach Holding AG Hält 76,4 % der Aktien der Hornbach-Baumarkt AG. nicht börsennotiert 72,67 € keine Angabe
Jungheinrich AG Maschinenbau, Intralogistik nicht börsennotiert 62,24 € keine Angabe
Sixt SE Transport 41,79 € 33,99 € 22,95 % –
Villeroy & Boch AG Keramik nicht börsennotiert 15,06 € keine Angabe

V. Fazit und Ergebnisse

13 von 14 Aktiengesellschaften, die Vorzugsaktien emittie- ren, stehen unter beherrschendem Einfluss einer oder mehrerer Gründerfamilien bzw. weisen familiäre Strukturen auf. Dies konnte anhand der jeweiligen Aktionärsstrukturen der Unter- nehmen ermittelt werden. Der Kurs der Vorzugsaktie liegt im übergreifenden Durschnitt 3,99 % unter der Stammaktie.