Das Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt in den Medien

von Amin Kachabia*

A. Einleitung: Abschied vom Trennungsgebot?

Nicht nur die einzelnen Mediengattungen konvergieren immer mehr, auch Werbung und redaktioneller Inhalt nähern sich einander an. Längst bilden sie keinen scharfen Gegensatz mehr.1 Es verwundert daher nicht, wenn der Seat-Weltmeister-Wok bei der „Wok WM“€œ auf Pro Sieben neben dem HRS.de-Wok durch den „Burger King Feuerkreisel“€œ flitzt.2

Dadurch entstehen drei neue Herausforderungen. Erstens partizipiert programmintegrierte Werbung3 am Vertrauen des Rezipienten auf die Objektivität des redaktionellen Inhalts.4 Irrt er über die Kommunikationsabsicht seines Gegenübers5 sinkt seine Akzeptanzschwelle6 und der Werbeeffekt erhöht sich. Das bedingt einen Anstieg des Drucks der Werbung in Inhalte.7 Den Zielkonflikt zwischen Qualitätssicherung durch den Schutz der Autonomie der Medien und Qualitätssicherung durch Werbefinanzierung8 illustriert das Beispiel der Produktplatzierung, bei der Werbebotschaften in den natürlichen Handlungsablauf einer Sendung integriert werden.9 Zweitens hat die Omnipräsenz von Werbung eine veränderte Lebenswirklichkeit zur Folge,10 in der auch eine mediale Rekonstruktion der Wirklichkeit nicht mehr unter Ausschluss werblicher Darstellungen erfolgen kann.11 Drittens konkurrieren nicht nur die Presse und der klassische Rundfunk um Werbeeinnahmen.12 Vermehrt müssen sie sich gegenüber der beständig wachsenden Bedeutung von Werbung im Bereich der Telemedien13 behaupten. Angesichts dieser mehrdimensionalen Herausforderungen bezweifeln Kritiker, dass eine strikte Trennung den neuen Rahmenbedingungen integrierter Werbung gerecht werde.14

B. Das Trennungsgebot als medienübergreifender Grundsatz

I. Ausprägungen des allgemeinen Trennungsgebots

Aus den zersplitterten Einzelregelungen des im gesamten Medienrecht15 anerkannten Trennungsgebots lassen sich drei übergeordnete Modi der Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt herausdestillieren. Wie sich an § 7 RStV zeigt, erscheinen diese faktisch kaum je in ihrer Reinform. Der erste Modus des allgemeinen Trennungsgebots ist das Kennzeichnungsgebot. Es gewährleistet die Erkennbarkeit des Werbecharakters16 und korreliert mit dem Schleichwerbeverbot.17 Darüber hinausgehend gebietet das formelle Trennungsgebot eine tatsächliche Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt.18 Exemplarisch wäre etwa im Fall einer Markierung integrierter Werbung durch ein rotes Ausrufezeichen am Bildrand zwar dem Kennzeichnungs- nicht aber dem formellen Trennungsgebot entsprochen. Die dritte Ausprägung des Trennungsgebots „€“ das Gebot der materiellen Trennung oder Beeinflussungsverbot „€“ beschreibt einen medieninternen Vorgang und lässt sich mangels konkreter Handhabe nur schwer durchsetzen.19

II. Primärziel: Gewährleistung der freien Meinungsbildung

Unter den vielgestaltigen Regulierungszielen des Trennungsgebots20 dominiert ein übergeordnetes Primärziel: die Sicherung des freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozesses.21 Die vielfaltsgefährdenden


* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Beschwerden beim Deutschen Werberat, abrufbar unter: http://www.werberat.de/bilanz-2014, letzter Abruf am 28.03.2015.

2 FAZ.net vom 16.04.2008, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/unerlaubte-werbung-schleich-dich-werbung-1544943-p1.html, letzter Abruf am 28.03.2015.

3 Zur Unterscheidung von medialer und instrumentaler Werbung Petersen, Medienrecht5, 2010, S. 289.

4 Gounalakis, WRP 2005, 1476, 1483; Beater, Medienrecht, 2007, Rn. 640.

5 Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, 2003, Rn. 256.

6 Zur sog. Reaktanz Beater (Fn. 4), Rn. 639.

7 Vgl. Hoffmann-Riem, Regulierung der dualen Rundfunkordnung, 2002, S. 56; siehe auch Engels, Das Recht der Fernsehwerbung für Kinder, 1997, S. 130.

8 Dazu Hörrmann, ZEuS 2005, 585, 623.

9 Überblick bei Hörrmann, ZEuS, 2005, 585, 589 f.

10 Ladeur, ZUM 2000, 672, 674; krit. Platho, ZUM 2000, 46, 50.

11 Eine künstliche Aussparung der Werbeeffekte widerspräche der Funktion der Medien, Wirklichkeit abzubilden, siehe Gounalakis, WRP 2005, 1476.

12 V. Danwitz, AfP 2005, 417, 420.

13 Zwar bildet die Fernsehwerbung mit etwa vier Milliarden Euro Nettowerbeeinnahmen die einsame Spitze, gefolgt von Tageszeitungen und Anzeigenblättern. Der Anteil von Online-Werbung wächst jedoch beständig an. Anstieg um 9,3 Prozent von 2012 auf 2013, Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, Nettoumsatzentwicklung der Werbeträger 2013, abrufbar unter: http://www.zaw.de/zaw/branchendaten/nettoumsatzentwichlung-positionen-der-werbetraeger-2013/, letzter Abruf am 28.03.2015.

14 Beispielhaft Ladeur, AfP 2003, 385; Mückl, DVBl 2006, 1201, 1209.

15 Paschke, Medienrecht3, 2009, Rn. 537; Castendyk ZUM 2005, 857; „Eckpfeiler“€œ, oder „Magna Charta“€œ des Rundfunkrechts; Hesse, Rundfunkrecht3, 2003, S. 106; a. A. Petersen (Fn. 3), S. 173; Mückl, DVBl 2006, 1201, 1209, die dem Trennungsgebot Prinzipienrang absprechen und ihm einen „deskriptiven Charakter“€œ zuschreiben.

16 Beater (Fn. 4), Rn. 641.

17 Castendyk, ZUM 2010, 29, 31; Himmelsbach, GRUR-Prax 2013, 78, 80; Mallick, Product-Placement in den Massenmedien, 2009, S. 42.

18 Mallick (Fn. 17), S. 42.

19 Castendyk, in: Wandtke (Hrsg.), Medienrecht“², 2003, Rn. 40.

20 Dazu zählen der Verbraucherschutz, Schuler-Harms, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, Rn. 28 f. und der Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs, BGHZ 110, 278, 289; Hesse (Fn. 15), S. 106; Paschke (Fn. 15), Rn. 433; Gersdorf (Fn. 5), Rn. 256.

21 Für alle Medien Mallick (Fn. 17), S. 43; für den Rundfunk Hesse (Fn. 15), S. 106.

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Zwänge der einer anderen Systemrationalität22 gehorchenden ökonomischen Sphäre sollen in bewusster Gegensteuerung so weit zurückgedrängt werden23, dass die Massenmedien ihre Funktion als „Medium und Faktor“€œ24 der Meinungsbildung erfüllen können. Die Gewährleistungsverantwortung des Gesetzgebers für die Sicherung der freien Meinungsbildung wird durch die unterschiedliche Prägung von Rundfunk- und Pressefreiheit determiniert. Um ein höheres Schutzniveau sicherzustellen, verengt sich bei der „dienenden“€œ25 Rundfunkfreiheit der Ausgestaltungsspielraum der „positiven Ordnung“€œ26 mit steigender Gefährdungslage für die freie Meinungsbildung zu einer Regulierungsverpflichtung27 – mit steigender Gefährdungslage für die freie Meinungsbildung.

Die veränderte gesellschaftliche Rezeption von Werbung hat sich auch verfassungsrechtlich niedergeschlagen. So betonte das BVerfG dessen „wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle („€Š)“€œ28 Funktion. Mit der Anerkennung des kommunikativen Inhalts29 geht ein originärer Schutz einher, der über den bloß derivativen Schutz als Finanzierungsquelle hinausreicht. Hier zeigt sich die Janusköpfigkeit der Werberegulierung: Die vielfaltssichernde Funktion als Grundrechtsausgestaltung30 steht der Programmausrichtung nach Massenattraktivität zur effektiven Vermarktung der Werbung entgegen.31 Akzentuiert man indes die staatsabwehrende Funktion der Rundfunkfreiheit, stellt sich schon die Selektion und Platzierung der Werbung als geschützte Gestaltungsentscheidung dar.32

C. Medienspezifische Ausprägungen des Trennungsgebots

I. Das Trennungsgebot in der Presse

Historisch wurzelt das Trennungsgebot im Presserecht.33 Bereits 1957 wurde es als „gefestigte Standesauffassung“€œ34 anerkannt. Entsprechend der grundrechtlichen Konzeption als liberales Abwehrrecht akzentuiert die Pressefreiheit das „Primat der Selbstorganisation“€œ.35 Es finden sich daher nur vereinzelt Trennungsvorschriften. Das in § 10 LPG36 statuierte Kennzeichnungsgebot wird dabei wettbewerbsrechtlich unterfüttert.37 Verstöße stellen nach § 21 Abs. 1, 3 LPG bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeiten dar, deren praktische Relevanz jedoch gering ist.38 Größeres Gewicht kommt dem Standesrechts der Presse39 zu, wie es sich in Ziffer 7.1, 7.2 des Pressekodex40 als Ausdruck freiwilliger Selbstregulierung niederschlägt. Verstöße kann der Deutsche Presserat als zentrale „Selbstkontroll-Einrichtung“€œ41 mit Rügen, Missbilligungen, Hinweisen und begründeten Beschwerden sanktionieren.42

II. Das Trennungsgebot im Rundfunk

Der Strauß rundfunkrechtlicher Werbevorschriften könnte bunter kaum sein. Die AVMD-RL hat durch die Liberalisierung der Produktplatzierung einen unionsrechtlichen Impuls gesetzt. Bei der Umsetzung wurde den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit der Inländerdiskriminierung zugebilligt, von der der deutsche Gesetzgeber im 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) keinen Gebrauch gemacht hat.43 Innerhalb dieses Umsetzungsspielraums kommen verfassungsrechtliche Wertungen vollumfänglich zum Tragen.44 Untergesetzlich präzisieren die ARD/ZDF-Werberichtlinien und die LMA-Werberichtlinien die Durchführung der Trennungsvorschriften.45

1. Rundfunkrechtliche Ausprägungen des Trennungsgebots

Besonderes Augenmerk gilt der Neufassung des § 7 RStV als Zentralnorm der Werberegulierung.46 Der rechtliche Gehalt des Beeinflussungsverbots nach § 7 Abs. 2 S. 1 RStV ist dunkel.47 Die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Rundfunk und Telemedien anhand des unscharfen


22 Zur systemtheoretischen Betrachtung, Luhmann, Massenmedien4, 2009, insbes. S. 53 ff.

23 Vgl. für den Rundfunk, Fehling, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht3, 2013, Rn. 16.

24 Grundlegend BVerfGE 12, 205, 260; Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, 2002, Rn. 210.

25 Vgl. nur BVerfGE 83, 238, 315 und Müller-Rüster, Product Placement im Fernsehen, 2010, S. 359 ff.

26 Ausgestaltungen des Schutzbereichs sind keine Eingriffe i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG, siehe Fehling (Fn. 23), Rn. 16; vgl. Hoffmann-Riem (Fn. 24) Rn. 158; Schulze-Fielitz, in Dreier, Grundgesetz Kommentar3, 2013, Rn. 216. Zur positiven Ordnung, BVerfGE 31, 314, 325; Gersdorf (Fn. 5), S. 25.

27 Döpkens, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien3, 2015, § 7 Rn. 11 Zimmermann, Der Schutz des publizistischen Systems vor Werbeplatzierungen, im Erscheinen, S. 59.

28 BVerfG NJW 1992, 1153, 115;. die Aufwertung der Wirtschaftswerbung willkommen heißend, Engels/ Giebel, ZUM 2000, 265; kritisch Faßbender, GRUR Int 2006, 965.

29 Schulze-Fielitz (Fn. 26), Art. 5 I, II, Rn. 104; Hoffmann-Riem (Fn. 24) Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 153; Engels/Giebel, ZUM 2000, 265.

30 Hoffmann-Riem (Fn. 24), Art. 5 Rn. 197; Müller-Rüster (Fn. 25), S. 384.

31 Hesse (Fn. 15) 4. Kap. Rn. 126.

32 Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, S. 127 ausführlich zum aussichtlosen Unterfangen, die Werberegulierung der Abwehrfunktion (Programmfreiheit) oder der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit zuzuordnen.

33 Zum historischen Hintergrund Baerns, Schleichwerbung lohnt sich nicht!, 1996, S. 10.

34 OLG Celle DB 1958, 652.

35 Ladeur, in: Hamburger Kommentar2, 2012, Abschn. 4 Rn. 30; Paschke, AfP 2012, 501, 505.

36 Hamburgisches Pressegesetz, Vorschriften der anderen Landespressegesetze sind weitestgehend inhaltsgleich.

37 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb33, 2015, § 4 Rn. 3.20; BVerfG NJW 2005, 3201.

38 Soehring/Hoene, Presserecht5, 2013, § 24 Rn. 4a.

39 Soehring/Hoene (Fn. 38), § 24 Rn. 4a; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts5, 2005, Kap. 14, Rn. 19.

40 Pressekodex, abrufbar unter: http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/, letzter Abruf am 28.03.2015.

41 Löffler/Ricker, (Fn. 37), Kap. 14 Rn. 19.

42 Übersicht über die Sanktionen bei Presserat, Statistik 2013, abrufbar unter: http://www.presserat.de/beschwerde/statistiken/, letzter Abruf am 28.03.2015.

43 Zu den strikteren Forderungen der Verbände Potthast, ZUM 2009, 698, 700.

44 Zimmermann (Fn. 27), S. 352; Müller-Rüster (Fn. 25), S. 339.

45 Zu deren Bindungswirkung, Engels/Semrau, ZUM 2014, 946, 954.

46 Vgl. zur Entwicklung des § 7 RStV, der seit seiner Erstfassung 1987 nur marginal verändert wurde, Ladeur in: Hahn/Vesting (Hrsg.), Rundfunkrecht3, 2012, § 7 Rn. 2.

47 Vgl. BGH GRUR, 90, 611, 614; Engels/Giebel, ZUM 2000, 265, 270; Meyer-Harport, Neue Werbeformen im Fernsehen, 2002, S. 80.

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Kriteriums der Linearität48 i.S.v. § 2 Abs. 1 RStV verlagern sich durch die analoge Anwendung auf fernsehähnliche Telemedien gem. § 58 Abs. 3 RStV in den Bereich der Telemedien.

a) Das neue Trennungs- und Kennzeichnungsgebot

Vor dem 13. RÄStV forderte § 7 Abs. 3 RStV eine klare Erkennbarkeit und eine eindeutige Trennung von redaktionellem Inhalt. Nunmehr müssen werbliche Darstellungen nur noch leicht erkennbar und unterscheidbar sein.49 Das zum Absetzungsgebot relativierte formelle Trennungsgebot fordert nur eine durch optische oder akustische Mittel gewährleistete „angemessene“€œ räumliche Trennung vom redaktionellen Inhalt. Das Erkennbarkeitsgebot ist auf ein bloßes Unterscheidbarkeitsgebot reduziert worden.50

Inhalt und Reichweite des Trennungs- und Kennzeichnungsgebots hängen maßgeblich vom Werbebegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV ab. Dem subjektiven Merkmal der Werbeabsicht kommt eine zentrale Filterfunktion zu.51 Sie kann indes nur anhand objektiver Indizien festgestellt werden.52 Dabei können die Art und Weise der Präsentation, die Dauer der Einblendung oder die Kameraführung herangezogen werden.53 Die Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit, die durch die Werbewirkung indiziert wird und das Informationsinteresse sind in wertender Gesamtschau gegeneinander abzuwägen. Bei werblichen Darstellungen als Bestandteil der Realität überwiegt regelmäßig ein besonderes Informationsinteresse. Sie stellen keine Werbung dar.54 So kann beispielsweise das hohe Informationsinteresse einer Vielzahl von Menschen die Mitübertragung einer hohen Werbedichte bei einer Fußballübertragung überwiegen.55 Wird die werbliche Darstellung dagegen über das unvermeidbare Maß inszeniert, fällt auch diese „aufgedrängte“€œ56 Werbung unter den rundfunkrechtlichen Werbebegriff. Ergibt die Abwägung, dass eine Werbeabsicht vorliegt, ist für eine Rechtfertigung eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 3 S. 1, 3 RStV aus journalistischen oder dramaturgischen Gründen kein Raum mehr.57

b) Das Schleichwerbeverbot

Die Reichweite des Schleichwerbeverbots nach § 7 Abs. 7 S. 1 Var. 1 RStV hängt ausschließlich von der Legaldefinition nach § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV ab. Wie im Rahmen des Werbebegriffs ist eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und der Gefährdung für die Unabhängigkeit des Rundfunkveranstalters vorzunehmen. Die Vorgaben in Ziffer 4 Abs. 2 Nr. 1 WerbeRL LM, nach denen eine werbliche Darstellung keine Schleichwerbung ist, wenn sie überwiegend aus programmlich-dramaturgischen Gründen erfolgt, ist im Hinblick auf die Werbeabsicht zumindest missverständlich. Erfolgt eine Darstellung aus programmlich-dramaturgischen Gründen, handelt es sich mangels Werbeabsicht schon gar nicht um Schleichwerbung. Eine zusätzliche Rechtfertigungsmöglichkeit verstößt gegen die Vorgaben des RStV.58 Zwar ist die Schleichwerbung der praktisch häufigste Verstoß gegen das Trennungsgebot. Indem das Trennungsgebot über die Irreführung des Rezipienten hinaus auch die Unabhängigkeit der Medien selbst schützt, ist das Schleichwerbeverbot nur dessen nicht-abschließende Konkretisierung.59

2. Erosion des Trennungsgebots

a) Sonderwerbeformen in Konflikt mit dem Trennungsgebot

Mit der Zulässigkeit der Teilbelegung des ausgestrahlten Bildes (Split Screen) nach § 7 Abs. 4 RStV wurde die zeitliche Trennung aufgegeben.60 Die räumliche Trennung fiel mit der virtuellen Werbung, bei der vor Ort angebrachte Werbung bei der Übertragung digital durch andere Werbung ersetzt und auf die Rezipienten zugeschnitten werden kann.61 Sie ist aber auf solche Bereiche beschränkt, auf denen ohnehin Werbung dargestellt wird.62 Daneben hat sich der Hinweis auf den Sponsor einer Sendung als eigenständige Werbeform etabliert.63 Zwar soll ein warnender Hinweis die Finanzierung transparenter machen, tatsächlich entfaltet er zusätzliche Werbewirkung. Hier offenbart sich die „Lebenslüge des Sponsorings“€œ.64 Erfolgt die werbliche Darstellung während der Sendung, handelt es sich um Produktplatzierung, erfolgt sie vor oder nach der Sendung, liegt Sponsoring vor.65

b) Durchbrechung der Trennungsvorschriften durch Produktplatzierung

aa) Verknüpfung von Kennzeichnung und Irreführungsgefahr

In systematischem Wechselbezug grenzen sich die „gekennzeichnete“€œ Produktplatzierung nach § 2 Abs. 2 Nr. 11 RStV und die „mangels Kennzeichnung“€œ66 das Potential zur Irreführung aufweisende Schleichwerbung gegeneinander ab.67 Mit der Implementierung des Kennzeichnungserfordernisses in die Legaldefinition sind jedoch Probleme im Hinblick auf die Einschlägigkeit des Bußgeldtatbestands nach § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 RStV verbunden, der bei nicht gekennzeichneten


48 Fehling (Fn. 23), Rn. 37.

49 Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 7 Rn. 29a.

50 Holzgraefe, Werbeintegration in Fernsehsendungen und Videospielen, 2010, S. 235 f.

51 Vgl. Blaue, Werbung wird Programm, 2010, S. 216 f.; Gounalakis, WPR 2005, 1476, 1479.

52 Engels (Fn. 7), S. 214, beschreibt die Zurechnung als „Risikoabschätzung“€œ; Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 7 Rn. 14.

53 Vgl. Ziffer 8.3. ARD/ZDF-Werberichtlinien; Zimmermann (Fn. 27), S. 419.

54 Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 7 Rn. 14; Hesse (Fn. 15) Kap. 3 Rn. 61.

55 Platho, MMR 2008, 582, 584.

56 Schaar, Programmintegrierte Fernsehwerbung in Europa, 2001, S. 86; kritisch zum Begriff der „aufgedrängten Werbung“€œ, der die Notwendigkeit einer Abwägung verschleiere, Platho, MMR 2008, 582, 584.

57 Holzgraefe (Fn. 48), S. 246; a.A. Mallick (Fn. 17), S. 149 von Auslegungsspielräumen auch auf Rechtsfolgenseite ausgehend.

58 Holzgraefe, MMR 2011, 221, 224.

59 Schaar (Fn. 54), S. 102; Mallick (Fn. 17), S. 152.

60 Mallick (Fn. 17), S. 154; Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 7 Rn. 33.

61 Dazu Engels/Giebel, ZUM 2000, 265, 273, Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 7 Rn. 73.

62 Holnagel/Stenner ZUM 2004, 617, 621.

63 Mallick (Fn. 17), S. 156; vgl. Fehling (Fn. 23), Rn. 85.

64 Platho, ZUM 200, 46, 50, dortige Fn. 54.

65 Zimmermann (Fn. 27), S. 421; a.A. Castendyk, ZUM 2010, 29, 31, der nach der Willensrichtung des Werbenden abgrenzen will.

66 Die Formulierung wurde durch den 13. RÄStV ergänzt.

67 Die Aufnahme des Kennzeichnungserfordernisses in die Legaldefinition stellt eine entscheidende Abweichung zu den Vorgaben der AVMD-Richtlinie dar, dazu Holgraefe, (Fn. 48), S. 151.

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Produktplatzierungen nicht greift.68 Systematisch wäre auch § 7 Abs. 7 S. 6 RStV, der festlegt wann eine Kennzeichnungspflicht für Produktplatzierungen entfällt, überflüssig, wenn eine Kennzeichnung bereits Tatbestandsvoraussetzung der Produktplatzierung wäre. Angesichts der eindeutigen Gesetzesbegründung69 und des Wortlauts, ist am paradoxen, aber trennscharfen Tatbestandsmerkmal der Kennzeichnung festzuhalten.70 Nach der neuen Systematik bilden Produktplatzierung und Schleichwerbung Alia.71 Aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV folgt, dass das Nichtvorliegen einer Irreführung bei entsprechender Kennzeichnung fingiert wird. Rechtliche Fiktion und Realität stehen im Widerspruch, wenn der Rezipient den werblichen Charakter trotz mangelnder Kennzeichnung erkennt. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Schutzgut der freien Meinungsbildung ist allerdings der umgekehrte Fall gravierender, dass Rezipienten die werbliche Darstellung trotz hinreichender Kennzeichnung nicht erkennen.

bb) Zulässigkeitsvoraussetzungen

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 11 RStV grundsätzlich verbotene Produktplatzierung ist nur nach Maßgabe der §§ 7, 15, 44 RStV zulässig. Jüngst hat sich das BVerwG zur Ausnahmevoraussetzung der nicht zu starken Herausstellung i.S.d. § 7 Abs. 7 S. 2 Nr. 3 RStV in seiner „Hasseröder“€œ-Entscheidung geäußert.72 Eine Herausstellung sei erst dann zu stark, wenn der Werbezweck das Sendungsgeschehen dominiere und der redaktionelle Geschehensablauf in den Hintergrund träte. Der Wortlaut indiziere, dass nicht schon jegliche Herausstellung unzulässig sei.73 Damit wird einem restriktiven Verständnis, nach dem die Platzierung nicht häufiger als bei hinweggedachten Werbezwecken dargestellt wird, eine Absage erteilt.74 Systematisch wird das Verbot der Werbedominanz in Abgrenzung zur Dauerwerbesendung, bei der der Werbecharakter erkennbar im Vordergrund steht, abgeleitet.75

Zwar sind an Schleichwerbung und Produktplatzierung unterschiedliche Anforderungen zu stellen.76 Dem widerspricht es jedoch nicht, den für die Schleichwerbung verworfenen Maßstab der programmlich-dramaturgischen Rechtfertigung für die Produktplatzierung fruchtbar zu machen.77 Hat man im Blick, dass nach Ziffer 4 Abs. 3 Nr. 4 WerbeRL LM die drei-sekündige Einblendung eines „P“€œ zur Kennzeichnung ausreicht, erstaunt es nicht, dass der Rezipient durch einen so generellen Hinweis „€“ wird er überhaupt wahrgenommen „€“ völlig im Unklaren darüber bleibt, ob die Darstellung zufällig, aus dramaturgischen Gründen oder in Werbeabsicht erfolgt ist. Dies ist nicht mit der nach § 7 Abs. 7 S. 4 RStV auf „eine“€œ Produktplatzierung bezogene Hinweispflicht zu vereinbaren.78 Der vom BVerwG entwickelte Maßstab vermag vor dem Regulierungsziel, vor Programmbeeinflussung zu schützen, das nicht schon durch die in § 7 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 RStV normierte strengere Konkretisierung des Beeinflussungsverbotes79 abgegolten sein kann, nicht zu bestehen.

cc) Verhältnis von Produktplatzierung zu den Trennungsvorschriften

Zwar greift das Trennungsgebot nach § 7 Abs. 3 S. 1, 3 RStV neben dem Schleichwerbeverbot subsidiär ein. Die speziellen Vorschriften für Produktplatzierungen stellen jedoch klar, dass werbliche Darstellungen, die diesen Anforderungen genügen, zulässig sind.80 Da Produktplatzierungen zumeist an diesem Maßstab scheitern würden, stellen die speziellen Vorschriften zur Produktplatzierung eine Privilegierung dar.81 In Bezug auf den Rezipienten sollen die Kennzeichnungspflichten die Erkennbarkeit der Produktplatzierung absichern. Die Autonomie der Medien selbst wird durch ein entsprechendes Beeinflussungsverbot geschützt. Damit stellt die Aufgabe der formellen Trennung nicht notwendigerweise einen Verstoß gegen die vom Trennungsgebot intendierten Schutzziele dar. Der Nachweis der Beeinflussung ist jedoch schwer zu führen.82 Damit geht praktisch eine erhebliche Schutzreduktion für die Unabhängigkeit des Rundfunks einher.

3. Durchsetzbarkeit und Regulierungskonzept der rundfunkrechtlichen Trennungsvorschriften

Die Rundfunkaufsicht steht vor strukturellen Durchsetzbarkeitsdefiziten. Sie speisen sich aus der Länge des Verfahrens,83 das im Widerspruch zur Schnelllebigkeit des Rundfunks steht. Zudem kommt es praktisch kaum vor, dass Verstöße gegen die Trennungsvorschriften von Wettbewerbern angemahnt werden.84 Das mag daran liegen, dass Private ein Eigeninteresse daran haben, das Gebot zukünftig selbst zu umgehen.85 Die bußgeldbewährten Verstöße können von den Landesmedienanstalten geahndet werden.86 Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Programmautonomie sind der Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor allem bei inhaltlichen Belangen, wie den Trennungsvorschriften, strenge Grenzen gesetzt.87

Die Effektivität bei der Durchsetzung der rundfunkrechtlichen Trennungsvorschriften kann zu Recht bezweifelt werden.88 Die Vorschläge möglicher Kompromisslösungen sind zahlreich und reichen von Modellen strikter Werberegulierung bis hin zur „regulierten Selbstregulierung“€œ.89 Der Gedanke


68 Vgl. Castendyk ZUM 2010, 29, 31; Müller-Rüster (Fn. 25), S. 278.

69 Begründung zum 13. RÄndStV, S. 5, LT-Dr. 15/4081, „wesentliches Unterscheidungskriterium“€œ.

70 A.A. Zimmermann (Fn. 27), S. 372.

71 Holzgraefe (Fn. 48), S. 150 f., Die Kennzeichnung biete die Möglichkeit einer trennscharfen Abgrenzung. Sie sei der Versuch des Gesetzgebers, Product Placement „aus der rechtlichen Grauzone zu hieven“€œ.

72 BVerwG, ZUM 2015, 78.

73 BVerwG, ZUM 2015, 78, 80.

74 BVerwG, ZUM 2015, 78, 80 in Bezug auf das OVG Rheinland-Pfalz.

75 § 7 Abs. 5 S. 1 RStV, BVerwG, ZUM 2015, 78, 82.

76 Deutlich Stefan/Semrau, ZUM 2014, 946, 948.

77 In diesem Sinne Bornemann, ZUM 2015, 48, 51, dortige Fn. 33.

78 Holzgraefe, MMR 2011, 221, 225.

79 Müller-Rüster (Fn. 25), S. 285; es steht nicht erst einer „inhaltlichen Beeinflussung“€œ, sondern bereits einer „Beeinträchtigung“€œ entgegen.

80 Holzgraefe (Fn. 48), S. 241.

81 Zimmermann (Fn. 27), S. 358.

82 Castendyk, ZUM 2010, 29, 33, dortige Fn. 31.

83 Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23.07.2014, Az. 6 C 31.13, die Ausstrahlung der Werbung fand im Mai 2011 statt.

84 Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 7 Rn. 86.

85 Engels, RuF 1997, 214, 225.

86 Vgl. Müller-Rüster (Fn. 25), S. 323.

87 BVerfGE 12, 205, 261; Hesse (Fn. 15), S. 172 ff.; Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 7 Abs. 91.

88 Puff, Product Placement, 2009, S. 87; Ladeur, AfP 2003, 385; Mückl, DVBl 2006, 1201, 1209; Petersen (Fn. 3), § 15 Rn. 8.

89 Für den Unterhaltungsbereich, Busch, MMR, 2003, 718; vgl. Ladeur, AfP 2003, 385, 387; Schulz/Jürgens, Die Regulierung von Inhaltediensten in Zeiten der Konvergenz, 2002, S. 59; ܜberblick bei Laukemann, Fernsehwerbung im Programm, 2002, S. 274 ff.

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der Selbstregulierung findet sich auch in Art. 3 Abs. 7 der AVMD-Richtlinie sowie in der Protokollerklärung zu § 7 Abs. 7 RStV, nach dem die werbetreibende Wirtschaft und die Produzenten einen verbindlichen Kodex vereinbaren sollen. Dieser enthält jedoch kaum einen Aussagegehalt, der über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht.90 Dass ein abgestuftes Regulierungsregime nicht systemfremd ist, zeigt auch § 46a RStV, der die Möglichkeit eröffnet, lokale Programme von einer strengen Werberegulierung freizustellen. Angesichts der divergierenden Interessen von Aufsicht und Rundfunkveranstaltern ist zweifelhaft, ob dieses Konzept auch im Bereich der Werberegulierung erfolgsversprechend ist. Gerade bei programmintegrierter Werbung bildet die Akzeptanzschwelle der Rezipienten einen weit weniger limitierenden Faktor. Allerdings sinkt auch diese mit zunehmender Sensibilisierung. Darüber hinaus führt eine ܜbersättigung mit Werbung dazu, dass auch der Werbeeffekt zurückgeht.91 Eine quantitative Beschränkung der Werbung liegt daher mittelbar auch im Eigeninteresse der Werbetreibenden und Rundfunkveranstalter. Angesichts der ökonomischen Konkurrenzsituation um Werbekunden, die sich durch den Zuwachs der Werbung im Online-Bereich weiter verschärft, kann nicht allein auf Selbstregulierungskräfte vertraut werden.

III. Das Trennungsgebot in den Telemedien

Nach § 58 Abs. 3 S. 1 RStV unterliegen fernsehähnliche audiovisuelle Telemedien auf Abruf dem rundfunkspezifischen Regulierungsregime. Der Begriff der audiovisuellen Medien auf Abruf wurde nach den Vorgaben der Art. 1a und 1g AVMD-Richtlinie umgesetzt.92 Es handelt sich demnach vornehmlich um Video-Inhalte in User-Generated-Content-Portalen (z.B. Wikipedia oder YouTube) und Informations-Portalen (z.B. faz.net, t-online.de oder bild.de).93

Für sonstige Telemedien gilt § 58 Abs. 1 S. 1 RStV, der seinem Wortlaut nach ein überraschend striktes Trennungsgebot statuiert. Werbung und Inhalt müssen „klar“€œ erkennbar und „eindeutig getrennt“€œ sein. Im systematischen Vergleich mit dem rundfunkrechtlichen Trennungs- und Erkennbarkeitsgebot, gilt für nicht fernsehähnliche Telemedien damit insgesamt94 ein schärferes Trennungsgebot. Für Telemedien mit „journalistisch-redaktionell“€œ95 gestalteten Angeboten gelten nach § 54 Abs. 2 S. 1 RStV die „anerkannten journalistischen Grundsätze“€œ entsprechend. So kann ein Gleichlauf zwischen elektronischer Presse und Printformaten hergestellt werden.

Die Aufsichtskompetenzen sind zersplittert, sodass sie selbst innerhalb der einzelnen Bundesländer auf unterschiedliche Behörden verteilt sind.96 Während Verstöße fernsehähnlicher Telemedien bußgeldbewährt sind, sieht § 59 Abs. 3 S. 2 RStV für sonstige Telemedien allein deren Sperrung oder Untersagung vor. Diese stehen jedoch unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der in der Praxis eine erhebliche Hürde darstellt.97 Aus dem abschließenden Katalog des § 49 RStV ergibt sich im Umkehrschluss, dass ein Verstoß gegen das telemedienrechtliche Trennungsgebot keine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit darstellt. Angesichts dieser Durchsetzbarkeitsdefizite lässt sich die Praktikabilität anzweifeln.98 Im Gegensatz zum telemedienrechtlichen Trennungsgebot ist das Trennungsgebot im Wettbewerbsrecht jedoch durch eine umfangreiche Rechtsprechung konturiert.99

D. Fazit und Ausblick

Im Bereich der gedruckten Presse ergeben sich für das Trennungsgebot weder rechtliche noch tatsächliche Neuerungen. Aufgrund der Verkörperung der gedruckten Presse, kann eine Integration nur in räumlich begrenzter Hinsicht erfolgen. Die etablierten Selbstregulierungsstrukturen können daher nicht ohne weiteres auf den mehrdimensionalen multimedialen Bereich übertragen werden.

Im Bereich des Rundfunks überlagern die rechtlichen Neuerungen die technischen bei Weitem. Die mit der Liberalisierung der Produktplatzierung einhergehende Tendenz, das formelle Trennungsgebot verstärkt durch ein Kennzeichnungsgebot abzulösen, hat zu einem Paradigmenwechsel geführt. Mit der partiellen Aufgabe einer nach außen in Erscheinung tretenden und deshalb leicht überprüfbaren100 räumlichen oder zeitlichen101 Trennung gerät das schärfste Schwert der Werberegulierung ins Hintertreffen. Mit dem Einbüßen der auf seiner Schneidigkeit beruhenden herausragenden Bedeutung im Rahmen der Durchsetzbarkeit102 geht ein regulativer Rückzug einher. Ob demgegenüber ein Kennzeichnungsgebot im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Primärziel, die freie Meinungsbildung zu schützen, ein gleich geeignetes Instrument darstellt, ist höchst zweifelhaft. Sowohl die hinter der kausalen Verknüpfung zwischen Kennzeichnung und Irreführungsgefahr stehende Annahme, dass eine hinreichende Kennzeichnung per se eine Irreführungsgefahr ausschließe, als auch der umgekehrte Fall, dass aus einer unzureichenden Kennzeichnung die Irreführungsgefahr abgeleitet wird, entsprechen kaum den wirklichen Rezeptionsgewohnheiten. Werden integrierte, besonders plakative Werbeformen zumeist auch ohne hinreichende Kennzeichnung erkannt,103


90 Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V., Verhaltenskodex Produktplatzierungen von Produzentenallianz, VPRT-Sendern und ZAW, abrufbar unter: http://www.produzentenallianz.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/data/dokumente/Offizielle_Dokumente/VERHALTENSKODEX_PRODUKTPLATZIERUNG_2012.pdf&t=1430748726&hash=5fe9ea6675495deb2b2484e35b43ef22720a5aba, letzter Abruf am 28.03.2015.

91 Siehe Carat Crystal/ Bird&Bird, Untersuchung zur Entwicklung neuer Werbetechniken, S. 23, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/archives/information_society/avpolicy/docs/library/studies/finalised/bird_bird/pub_rapportfinal_de.pdf, letzter Abruf am 28.03.2015.

92 Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz, Mit Kindern unterwegs im Internet, 2014, S. 195.

93 Zimmermann (Fn. 27), S. 426.

94 Vgl. Zimmermann (Fn. 27),S. 427.

95 Umfassend zum Begriff, Heilmann, Anonymität für User Generated Content?, 2013, S. 396.

96 Holznagel/Ricke, MMR 2008, 18.

97 LMK (Fn. 85), S. 201.

98 So Ladeur, in: Hahn/Vesting (Fn. 44), § 58 Rn. 6.

99 LMK (Fn. 85), S. 216; Schmid, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien2, 2011, § 58 Rn. 28.

100 Castendyk (Fn. 19), Rn. 40.

101 Vgl. Beater (Fn. 4), Rn. 646.

102 Castendyk (Fn. 19), Rn. 40, der das Beeinflussungsverbot als „Programmsatz“€œ oder „Papiertiger“€œ bezeichnet.

103 Zu der untergeordneten Bedeutung einer Kennzeichnung bei „selbsterklärenden Placements“€œ, Volpers/Holznagel, Trennung von Werbung und Programm im Fernsehen, 2009, S. 100 f.

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genügt bei schwer erkennbarer integrierter Werbung auch ein Warnhinweis zu Beginn und am Ende einer Sendung angesichts der selektiven Programmwahrnehmung nicht, um eine Irreführungsgefahr auszuschließen.104 Auch eine zeitlich auf das Auftauchen der integrierten Werbung abgestimmte Kennzeichnung wäre nicht zielführend, da sie einerseits den Rezipienten mit Informationen überfluten und andererseits den Werbeeffekt zusätzlich verstärken würde. Als Negativbeispiel dient der Sponsoringhinweis. Die Reduktion des Schutzniveaus der Rezipienten ist jedoch kein Selbstzweck, vielmehr hat der Gesetzgeber die Interessen der Rezipienten mit denen der Werbewirtschaft und der Rundfunkveranstalter in einer multipolaren Interessenabwägung neu gewichtet.

Im Bereich der Telemedien steht das strikte Trennungsgebot nach § 58 Abs. 1 RStV in einem schroffen Gegensatz zu den mannigfaltigen multimedialen Werbeformen des Internets. Typischerweise bleiben nicht fernsehähnliche Telemedien hinter der Meinungsbildungsrelevanz des Rundfunks zurück. Sie einer strengeren Werberegulierung zu unterwerfen ist widersprüchlich. Materiell-rechtlich stellt der Wortlaut des § 58 Abs. 1 S. 1 RStV an sonstige Telemedien, die weder fernsehähnliche noch journalistisch-redaktionelle gestaltetet sind, so etwa Videos auf privaten Internetseiten,105 die strengsten Anforderung überhaupt. Dieser Widerspruch ließe sich mit einer analogen Anwendung der §§ 7, 15, 44 RStV auf nicht fernsehähnliche Telemedien auflösen.106 Einer planwidrigen Regelungslücke steht jedoch der auf fernsehähnliche Telemedien beschränkte Wortlaut des § 58 Abs. 3 S. 1 RStV entgegen.107 Auf Ebene der Durchsetzbarkeit stellt für Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Inhalten eine Untersagung des Angebots die einzige Sanktionsmöglichkeit dar, die in den seltensten Fällen verhältnismäßig sein wird. Ein abgestuftes Regulierungskonzept kann allenfalls künstlich über die entsprechende Anwendung anerkannter journalistischer Grundsätze hergestellt werden. Zusätzlich macht es die zersplitterte Aufsicht faktisch unmöglich, das Regulierungskonzept auf die medienspezifische Gefährdungslage abzustimmen.108 Mit steigender Bedeutung der Online-Werbung109 werden sich die Konflikte im rechtlich vernachlässigten Bereich der Telemedien verschärfen. Das liegt zum einen an der durch Interaktion mit dem Rezipienten steigenden Mehrdimensionalität, zum anderen an der im Internet vorherrschenden „Kostenloskultur“€œ, die die Abhängigkeit von Werbeeinnahmen weiter befeuert.

Der schleichenden Erosion der Trennungsvorschriften durch eine unterschwellige Verwischung der Grenze zwischen Werbung und Programm in Rundfunk und Telemedien könnte durch ein flexibleres Regulierungskonzept begegnet werden.110 Die im Bereich des Rundfunks diskutierten Möglichkeiten und Grenzen des Regulierungskonzepts der regulierten Selbstregulierung können dabei auf den Bereich der Telemedien übertragen werden. Die staatliche Gewährleistungsverantwortung für den freien Meinungsbildungsprozess111 ist weder auf ein strenges noch auf ein gelockertes Trennungsgebot festgelegt. Vielmehr besteht ein weiter Ausgestaltungsspielraum.112 Im Bereich des Rundfunks wurde durch die Lockerung des formellen Trennungsgebots ein besonders effektives Instrument zur Vielfaltssicherung113 aufgegeben. In den Telemedien muss sich ein abgestuftes Regulierungskonzept auch in den Trennungsvorschriften widerspiegeln. Angesichts des zunehmenden Übergriffs der Werbung auf redaktionelle Inhalte sind das Festhalten an einer formellen Trennung dieser Sphären und ein effizienter Vollzug unerlässlich, um dessen gegensteuernde Kraft auch in Zukunft erhalten zu können.


104 Holzgraefe, MMR 2011, 221, 225; v. Danwitz, AfP 2005, 417, 420.

105 Vgl. Zimmermann (Fn. 27), S. 431.

106 Und damit einer teleologischen Reduktion des § 58 Abs. 1 RStV, vgl. auch Zimmermann (Fn. 27), S. 427.

107 Schmid, in: Spindler/Schuster (Fn. 92), § 58 Rn. 8.

108 Vgl. Paschke, AfP 2012, 505.

109 Dazu oben Fn. 13.

110 Vgl. dazu Ladeur, AfP 2003, 385.

111 BVerfGE 74, 297, 323.

112 Ausdrücklich BVerfGE 74, 297. 324.

113 V. Danwitz, AfP 2005, 417, 419; Glockzin, ZUM 2010, 161.