Die Anpassung im europäischen Kollisionsrecht
von Patricia Paffhausen*
A. Einleitung
Am 4. Juli 2012 hat der Europäische Rat die Erbrechtsverordnung1 verabschiedet. Dieser auf Erbfälle ab dem 15. August 2015 anwendbare Rechtsakt führt zu einer umfassenden Neuregelung des internationalen Erbrechts in Europa. Doch nicht nur auf dem Gebiet des Nachlassrechts ist die Kommission aktiv: Auch das internationale Ehegüterrecht soll europäisiert werden. Ein entsprechender Vorschlag des Europäischen Rates wurde am 16. März 2011 veröffentlicht2.
Erb- und Ehegüterrecht sind oft eng miteinander verzahnt. So können sich Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten sowohl aus erb- als auch aus güterrechtlichen Vorschriften ergeben, wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet wird. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Regelungen in Europa nicht nur in Details: Während in einigen Rechtsordnungen das Recht des überlebenden Ehegatten am Nachlass teilweise in güterrechtlichen Vorschriften begründet ist,3 stellen andere Staaten bei der Bestimmung der Erbquote des Ehepartners allein auf das Erbrecht ab.4 Sind unterschiedliche Rechtsord-nungen als Ehegüter- auf der einen und Erbstatut auf der anderen Seite berufen, kann es daher zu Normwidersprüchen mit in der Folge ungewollt hoher bzw. niedriger Erbquote des überlebenden Ehegatten kommen.
Um solche Normwidersprüche zu vermeiden, ist es notwendig, das internationale Erb- und Güterrecht aufeinander abzustimmen. In Deutschland ist dieses Ziel verfehlt worden, sodass sich die Rechtsprechung seit Jahrzehnten mit Anpassungsproblemen konfrontiert sieht. Mit der Neuregelung hat der europäische Gesetzgeber nun die Möglichkeit, eine europaweite Koordination der beiden Statuten herbeizuführen. In dieser Abhandlung wird untersucht, ob er diese Gelegenheit wahrgenommen hat. Dafür soll zunächst die grundlegende Problematik am Beispiel Deutschlands skizziert werden (B.), um anschließend die Verordnungen dahingehend zu untersuchen, ob eine Koordination der Statuten erreicht wurde (C.). Ist dies nicht der Fall, ist neben einer Änderung der Güterrechtsverordnung insbesondere eine Anpassung auf Ebene des europäischen Kollisionsrechts zu erwägen (D.).
B. Alte Bekannte…
Das Problem nicht koordinierter Erb- und Ehegüterstatuten ist aus dem deutschen Recht wohl bekannt. Den Ausgangspunkt bilden die einschlägigen Kollisionsnormen des EGBGB: Während Art. 25 I EGBGB für die Bestimmung des Nachlassstatuts an die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft, ist nach Art. 15 I, 14 I Nr. 1 EGBGB die „Kegel’sche Leiter“5 für das Ehegüterstatut maßgeblich. Diese erklärt in erster Linie das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten, subsidiär das des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts und schließlich das Recht des Staates, mit dem die Ehegatten gemeinsam am engsten verbunden sind, für anwendbar.
Bei gemischtnationalen Ehen (oder als Folge einer güter- oder erbrechtlichen Rechtswahl) kann diese Diskrepanz dazu führen, dass beim Tod eines Ehegatten unterschiedliches Recht auf den güterrechtlichen Ausgleich einerseits und die erbrechtlichen Fragen andererseits anwendbar ist.
Beispiel: Erblasser E, österreichischer Staatsangehöriger, verstirbt und hinterlässt seine Ehefrau A und drei Kinder, die jeweils die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Ehegatten lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Gemäß Art. 25 I EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichischem Recht, welches die Gesamtverweisung annimmt.6 Demnach ist die Ehefrau neben den Kindern des Erblassers Erbin zu einem Drittel des Nachlasses (§ 757 I ABGB). Nach Art. 14 I Nr. 2, 15 I EGBGB ist jedoch deutsches Güterrecht anzuwenden. Da § 1371 I BGB (im Gegensatz zu § 1931 BGB) nach h.M. güterrechtlich zu qualifizieren ist,7 wird die Erbquote der A von 1/3 um ein weiteres Viertel erhöht. A hat demnach ein Recht am Nachlass in Höhe von 7/12.
Eine mögliche Folge der unterschiedlichen Anknüpfung ist, dass der Überlebende durch das Zusammentreffen der Statuten sowohl eine güter- als auch eine erbrechtliche Beteiligung und damit mehr erhält, als jedes der beiden Rechte für sich ihm zubilligen würde (siehe Beispiel, Fall der sog. Normenhäufung).8 Denkbar ist jedoch auch, dass im konkreten Fall das berufene Güterrechtsstatut erbrechtlich und das
* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg.
1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl. EU L 201, S. 107. Zitiert als: EuErbVO.
2 KOM (2011) 126 endgültig, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet des Ehegüterrechts. Zitiert als: GütVO-E.
3 Siehe das Beispiel Schweden in Odersky, Nomos Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, Band 53 – Erbrecht, 2010, Länderberichte, Skandinavien, Rn. 32.
4 Siehe das Beispiel England in Odersky, NK-BGB (Fn. 3), Länderberichte, Großbritannien, Rn. 26 f.
5 Junker, Internationales Privatrecht, 1998, Rn. 507; a.A. (sog. modifizierte „Kegel’sche Leiter“): Mankowski, in: Staudinger BGB, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche/IPR – Art. 13-17b EGBGB, 2011, Art. 14 EGBGB Rn. 28.
6 Vgl. Süß, in: NK-BGB (Fn. 3), Länderberichte, Österreich, Rn. 3.
7 LG Bonn, MittRhNotK 1985, 106 f.; LG Mosbach, ZEV 1998, 489 f.; Dörner, in: Staudinger BGB: Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche/IPR – Art. 25/26 EGBGB, 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 34-36; Thorn, in: Palandt, Kommentar zum BGB73, 2014, Art. 15 EGBGB Rn. 26; Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 9 Rn. 54 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht6, 2006, S. 353; Looschelders, Internationales Privatrecht – Art. 3-46 EGBGB, 2004, Art. 15 EGBGB Rn. 10; a.A. (erbrechtliche Qualifikation): Reinicke; NJW 1957, 889, 892; Knur, DNotZ 1957, 451, 455; wiederum a.A. (erb- und güterrechtliche Qualifikation): OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 740.
8 Birk, in: Münchener Kommentar zum BGB5, Band 11, 2010, Art. 25 EGBGB Rn. 164; Dörner, in: Staudinger BGB (Fn. 7), Art. 25 EGBGB Rn. 753; Hoffmann/Thorn (Fn. fnt:ftn7), § 9 Rn. 53.
Erbrechtsstatut güterrechtlich Vorsorge trifft und der Ehegatte deshalb nicht adäquat berücksichtigt wird (sog. Normenmangel).9 Zwar geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass nicht alle Normwidersprüche dieser Art zu korrigieren sind, sondern dass sie in bestimmten Fällen aus übergeordneten kollisionsrechtlichen Gründen hingenommen werden müssen.10 Eine Anpassung wird jedoch dann für erforderlich gehalten, wenn das Ergebnis mit den inhaltlichen Vorstellungen beider berufener Rechtsordnungen nicht vereinbar ist (vgl. den Beispielsfall).11 Dies überzeugt, wenn man bedenkt, dass in diesem Fall keine gesetzlich intendierte Erbquote des Ehegatten vorliegt. Insbesondere aufgrund der existenziellen Bedeutung des Ehegattenerbrechts sollte ein solches Resultat nicht hingenommen werden.
Aufgrund der begrenzten Rechtswahlmöglichkeiten kann im Falle von Normwidersprüchen schließlich nur noch die Methodik der Anpassung Abhilfe leisten, deren Anwendung in vielen Einzelheiten unklar ist.12 Für den Rechtsanwender sind nicht aufeinander abgestimmte Erb- und Ehegüterstatuten damit auch nach jahrzehntelanger Diskussion eine Herausforderung, die für den betroffenen Ehegatten mit großer Rechtsunsicherheit verbunden ist.
C. …in neuem Gewand?
Der europäische Gesetzgeber setzt mit der Neuregelung des anwendbaren Kollisionsrechts an der Wurzel des Problems an. Mithilfe eines koordinierten Zusammenspiels von Erbrechts- und Güterrechtsverordnung könnte er die Statuten in Europa ein für alle Mal in Einklang bringen. Ob sich die Kommission dieser Tatsache bei der Erarbeitung der Gesetzesvorschläge bewusst war und welche Regelungen getroffen wurden oder geplant sind, um Erb- und Güterrechtsstatut aufeinander abzustimmen, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.
Für den Gesetzgeber ergeben sich dabei verschiedene Möglichkeiten, um eine Koordination der beiden Statuten zu erreichen. So kann er entweder die Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten dem Anwendungsbereich einer der Verordnungen unterstellen und sie dadurch automatisch einheitlich anknüpfen (I.). Oder aber er ordnet die Vorschriften den entsprechenden Verordnungen zu, wählt für sie jedoch das gleiche Anknüpfungsmoment (II.).
I. Abgrenzung der Anwendungsbereiche
In diesem ersten Schritt sollen die Anwendungsbereiche der Verordnungen untersucht und voneinander abgegrenzt werden. Werden die Rechte des überlebenden Ehegatten nur einer Kollisionsverordnung (und damit derselben Kollisionsnorm) unterworfen, würden sich Normwidersprüche erübrigen.
1. Erbrechtsverordnung
Das Recht des Ehegatten am Nachlass, das sich aus erbrechtlichen Vorschriften ergibt, fällt unzweifelhaft in den Anwendungsbereich der EuErbVO. Dieser umfasst gemäß Art. 1 I EuErbVO die „Rechtsnachfolge von Todes wegen“. Unklarheit herrscht dagegen bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Falle des Todes eines Ehegatten. Die EuErbVO bestimmt gemäß Art. 1 II lit. d) EuErbVO, dass „Fragen des ehelichen Güterrechts […]“ nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Sie lässt dabei offen, welche Fragen nun als güter- und welche als erbrechtlich zu qualifizieren sind.13 Insbesondere wird nicht deutlich, ob die pauschale Bereichsausnahme auch die güterrechtliche Auseinandersetzung im Falle des Todes umfasst.14 Auch die entsprechenden Erwägungsgründe (11) und (12) können diese Zweifel nicht ausräumen. Insbesondere erscheint schleierhaft, was Erwägungsgrund (12) EuErbVO zum Ausdruck bringen soll, wonach die „mit einer bestimmten Erbsache […] befassten Behörden“ im Einzelfall „die Beendigung des ehelichen oder sonstigen Güterstands des Erblassers bei der Bestimmung des Nachlasses und der jeweiligen Anteile der Berechtigten berücksichtigen“ sollen.15 E contrario lässt sich wohl schließen, dass Ansprüche bei Beendigung des Güterstands durch den Tod eines Ehegatten güterrechtlicher Art sind und nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Der Erwägungsgrund liest sich jedoch sogar so, als sollten die Gerichte16 Ergebnisse im Einzelfall unter Berücksichtigung der güterrechtlichen Vorschriften korrigieren. Damit erkennt der Gesetzgeber die Problematik unkoordinierter Erb- und Güterrechtsstatuten wohl an. Die Formulierung des Erwägungsgrundes legt dabei eine materiellrechtliche Anpassung als Lösung des Problems nahe.17 Jedenfalls lässt sich an diesem Punkt feststellen, dass Rechte des Ehegatten am Nachlass aus güterrechtlichen Vorschriften nicht unter die EuErbVO fallen.18
2. Güterrechtsverordnung
Auf der anderen Seite steht der Entwurf der Güterrechtsverordnung. Art. 1 I GütVO-E positiviert auch hier den Anwendungsbereich: Die Verordnung soll Anwendung auf die „ehelichen Güterstände“ finden. Grundsätzlich zählt dazu auch die güterrechtliche Auseinandersetzung im Falle des Todes eines Ehegatten. Innerhalb der Bereichsausnahmen fällt jedoch Art. 1 III lit. d) GütVO-E ins Auge: Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind „Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten“. Diese Vorschrift wirft die Frage auf: Umfasst der Ausschluss nur die erbrechtlichen Ansprüche des Ehegatten am Nachlass oder auch die güterrechtlichen Ansprüche? Zur Beantwortung kann zum einem Erwägungsgrund (11) herangezogen werden. Dieser hält fest, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung unter anderem auf die güterrechtliche Auseinandersetzung infolge des Todes des Ehegatten erstreckt. Diese klare Formulierung spricht dafür, die Bereichsausnahme des Art. 1 III lit. d) GütVO-E so zu verstehen, dass sie nur die erbrechtlichen Rechte des Ehegatten umfassen soll. Zudem
9 Birk, in: MüKoBGB (Fn. 8) , Art. 25 EGBGB Rn. 164; Dörner, in: Staudinger BGB (Fn. 7), Art. 25 EGBGB Rn. 752; Hoffmann/Thorn (Fn. 7), § 9 Rn. 53.
10 Dörner, in: Staudinger BGB (Fn .7), Art. 25 EGBGB Rn. 747; Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Band 1 – Allgemeine Lehren, 2003, § 7 Rn. 256; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, 2004, S. 359 f.; Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, 1995, S. 31.
11 Mankowski, in: Staudinger BGB (Fn. fnt:ftn5), Art. 15 EGBGB Rn. 378; Kegel/Schurig (Fn. 10), S. 362, Hoffmann/Thorn (Fn. fnt:ftn7), § 9 Rn. 53; Clausnitzer, IPRax 1987, 102, 105.
12 Siehe unten III. 2. b): Grundsätze der Anpassung im deutschen Recht.
13 So auch Buschbaum/Simon, NJW 2012, 2393, 2394.
14 Für das deutsche Recht stellt sich damit abermals die Frage der Qualifikation von § 1371 I BGB – diesmal allerdings auf Ebene des europäischen Kollisionsrechts (siehe dazu Dörner, ZEV 2012, 505, 507 f.; Dutta, FamRZ 2013, 4, 9; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 359.
15 Siehe auch die Interpretationen von Dörner, ZEV 2012, 505, 507 f. und Dutta, FamRZ 2013, 4, 14.
16 Art. 3 II EuErbVO stellt klar, dass der Begriff „Behörde“ insbesondere Gerichte umfasst.
17 Näher dazu unten bei III 2 b).
18 Zust. Dörner, ZEV 2012, 505, 507; Dutta, FamRZ 2013, 4, 9; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 359.
findet sich ein systematisches Argument: Art. 3 GütVO-E normiert die „Zuständigkeit im Falle des Todes eines Ehegatten“. Hier regelt die Verordnung folglich die güterrechtlichen Fragen im Todesfall. Dies wäre sinnlos, wenn diese Rechte des Ehegatten nicht Bestandteil der Güterrechtsverordnung wären. Trotz dieser überzeugenden Argumente wird vertreten, dass die Bereichsausnahme auch für die güterrechtlichen Ansprüche gelte.19 Letztlich sei dem Gesetzgeber geraten, den Umfang der Bereichsausnahme präziser zu formulieren, um bestehende Zweifel auszuräumen.20 Die Bereichsausnahme gilt mithin nicht für die güterrechtlichen Nachlassrechte des überlebenden Ehegatten, die damit dem Anwendungsbereich der Güterrechtsverordnung unterworfen sind. Folglich richtet sich künftig das Erbstatut nach der EuErbVO, während die güterrechtlichen Rechte des Ehegatten an das Güterrechtsstatut in der Güterrechtsverordnung angeknüpft werden.21 Sie sind daher nach wie vor zwei verschiedenen Kollisionsnormen unterworfen. Eine Lösung des Problems auf Ebene des Anwendungsbereichs hat der Gesetzgeber daher nicht gefunden.
II. Einheitliches Anknüpfungsmoment
Normwidersprüche werden jedoch auch vermieden, wenn Erb- und Ehegüterstatuten dasselbe Anknüpfungsmoment aufweisen.
Im Gegensatz zur der Kollisionsnorm in Art. 25 EGBGB legt Art. 21 I EuErbVO fest, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes für die Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblich sein wird. Art. 21 I EuErbVO enthält zudem eine Ausweichklausel für den Ausnahmefall, dass sich aus der Gesamtheit aller Umstände ergibt, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderem Staat als dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts hatte. Die Neuregelung wird in Deutschland damit zu einer gravierenden Veränderung der Rechtslage führen. Vergleicht man die objektive Anknüpfung mit derjenigen in der Ehegüterverordnung, fällt auf, dass auch hier keine Koordination der Statuten stattgefunden hat. Gemäß Art. 17 I GütVO-E unterliegt das auf den ehelichen Güterstand anwendbare Recht einer dreistufigen Anknüpfungsleiter, der zufolge zunächst der erste gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten nach der Eheschließung ausschlaggebend ist; gibt es einen solchen nicht oder ist er nicht zu ermitteln, das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung besitzen oder anderenfalls das Recht des Staates mit der engsten Verbindung zu den Ehegatten.
Die objektive Anknüpfung in der Güterrechtsverordnung gleicht daher derjenigen in der EuErbVO, soweit beide in erster Linie auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellen. Allerdings weichen die Zeitpunkte für die Bestimmung des Aufenthalts voneinander ab: Während die EuErbVO auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers abstellt, ist in der Güterrechtsverordnung der erste gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten von Bedeutung. Zudem berücksichtigt die EuErbVO nur den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, während bei der Bestimmung des Güterrechtsstatuts selbstverständlich der gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten im Vordergrund steht. Die Probleme unkoordinierter Erb- und Güterrechtsstatuten können somit auch nach Inkrafttreten der Verordnungen auftauchen, nur wird sich die Gruppe der davon üblicherweise betroffenen Ehepaare ändern: Bisher gehören zu den Betroffenen in Deutschland insbesondere gemischtnationale Paare. In Zukunft werden es vor allem diejenigen Paare sein, die ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt während ihrer Ehe verändern oder keinen gemeinsamen Aufenthalt haben.
Beispiel: Ein deutsches Ehepaar lebt nach der Eheschließung für 30 Jahre in Deutschland. Mit Beginn ihres Ruhestands ziehen die Ehegatten nach Österreich. 10 Jahre später verstirbt die Ehefrau. Als Erbstatut ist nach Art. 21 I EuErbVO österreichisches Recht berufen (Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt des Todes). Das Güterrechtsstatut jedoch unterliegt gemäß Art. 17 I Nr. 1 GütVO-E deutschem Recht, da die Ehegatten dort nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen Aufenthalt hatten. Da § 1371 I BGB nach h.M. auch auf europarechtlicher Ebene güterrechtlich zu qualifizieren ist,22 ergibt sich wiederum eine Erbquote der Ehefrau in Höhe von 7/12.
III. Fazit
Nach eingehender Betrachtung der Verordnungen lässt sich feststellen, dass der europäische Gesetzgeber es bisher versäumt hat, das Problem unkoordinierter Erb- und Güterrechtsstatuten auf Ebene des Kollisionsrechts zu lösen. Den Ehepaaren ist daher auch nach Inkrafttreten der Verordnungen zu raten, durch Rechtswahl für eigene Rechtssicherheit zu sorgen.23 Dass nicht alle Ehepaare in dieser Hinsicht Vorsorge treffen werden, liegt zugleich auf der Hand.
D. Ansätze zur Problemlösung
Auch künftig kann es folglich zu Normwidersprüchen bei der Bestimmung der Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten kommen. Diesem Problem kann zurzeit noch durch eine Abänderung der Ehegüterverordnung entgegengetreten werden (I.). Geschieht dies nicht, lässt sich – zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse – eine sog. Anpassung auf europarechtlicher Ebene erwägen (II.).
I. Änderung der Güterrechtsverordnung
Die größtmögliche Rechtssicherheit kann allein durch eine Lösung des Problems auf Ebene der kollisionsrechtlichen Verordnungen gewährleistet werden. Da die EuErbVO bereits verabschiedet ist, erscheint eine Änderung der entsprechenden Vorschriften in absehbarer Zeit unwahrscheinlich. Anders liegt es jedoch bei der Güterrechtsverordnung: Weil der Vorschlag vom 16. März 2011 ohnehin bald abgeändert werden soll,24 ist der Raum für entsprechende Anpassungen noch eröffnet.
19 Unter Berufung auf den Wortlaut: Deutscher Notarverein, Stellungnahme zum GütVO-E vom 10. Juni 2011, abrufbar unter: http://www.dnotv.de/Dokumente/Stellungnahmen (letzter Abruf am 06.03.2014), S. 2 f.
20 So auch der Bericht des Rechtsausschusses zum Vorschlag der Ehegüterverordnung (KOM (2011) 126), Dokument A7-0253/2013, S. 6 f., 23; Stellungnahme des Deutschen Notarvereins (Fn. 19), S. 2 f.
21 Zust.: Schurig, in: FS Spellenberg, 2010, S. 352; Dörner, ZEV 2010, 221, 223; Buschbaum/Simon, NJW 2012, 2393 f.
22 Dörner, ZEV 2012, 505, 507; Dutta, FamRZ 2013, 4, 9; Döbereiner, MittBayNot 2013, 358, 359.
23 Die erweiterten Rechtswahlmöglichkeiten (siehe Art. 22 I EuErbVO bzw. Art. 16/18 GütVO-E) kommen dabei einer Koordinierung der Statuten zugute.
24 Nach Aufforderung durch das Parlament (Legislative Entscheidung vom 10.09.2013) hat die Kommission in einer Stellungnahme vom 06.12.2013 (Dokument SP(2013)774, abrufbar unter: europarl.europa.eu [Procedure File 2011/0059(CNS)]) die Absicht erklärt, den Vorschlag zur Ehegüterverordnung in naher Zukunft abzuändern. Da die angestrebten Änderungen nicht die für diesen Aufsatz relevanten Bereiche betreffen, wird darauf nicht näher eingegangen.
Fest steht, dass die güterrechtlichen Ansprüche des Ehegatten einerseits und seine erbrechtlichen Ansprüche andererseits unter die unterschiedlichen Verordnungen fallen werden. Eine Lösung auf Ebene des Anwendungsbereichs der Verordnungen scheidet daher aus. Somit kann allein das Anknüpfungsmoment für eine Koordination der beiden Statuten sorgen. Denklogisch ergeben sich in dieser Hinsicht zwei Regelungsmöglichkeiten: Einerseits kann man in dem Fall eines verheirateten Erblassers das Güterrechtsstatut für die Bestimmung des anwendbaren Erbrechts maßgeblich halten.25 Da man dafür jedoch innerhalb der bereits verabschiedeten EuErbVO ansetzen müsste, ist auch diese Möglichkeit abgeschnitten. Somit bleibt nur die Variante, das Güterrechtsstatut an das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht anzuknüpfen. Dies ergibt freilich nur dann einen Sinn, wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet wird. Für diesen Fall sollte somit eine spezielle Kollisionsnorm geschaffen werden:
Vorschlag für einen Art. 17 III der Güterrechtsverordnung:
Wird die eheliche Gemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet, richtet sich das auf die güterrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten anwendbare Recht nach dem für den Erblasser gemäß Verordnung (EU) Nr. 650/2012 zu bestimmenden Erbstatut. Dies gilt auch dann, wenn die Ehegatten eine Rechtswahl nach Art. 16 oder Art. 18 vorgenommen haben.
Diese Regelung hat mehrere Vorteile. Zunächst ist natürlich die angestrebte Folge der Vermeidung von Normwidersprüchen zu nennen. Zwar macht die Vorschrift die höchst umstrittene Frage der Qualifikation einzelner Normen vordergründig nicht entbehrlich, im Ergebnis kann die Qualifikation jedoch dahinstehen, da einheitliches Recht der jeweiligen Statuten anwendbar ist. Ein großer Vorteil ist zudem die Voraussehbarkeit des anwendbaren Rechts und die daraus resultierende Rechtssicherheit,26 denn der überlebende Ehegatte weiß nun, welches Recht im Falle des Todes seines Partners seine gesamte Erbquote bestimmen wird. Auch werden die Beteiligen durch diese Anknüpfung nicht benachteiligt: Der Erblasser wird eine enge Verbindung zu dem Erbstatut haben, sodass die Tatsache, dass die gesamte Rechtsnachfolge sich nach diesem Recht bestimmt, typischerweise seinem Interesse entsprechen wird.27 Auf der anderen Seite steht dem Bewusstsein der Erben und damit auch des überlebenden Ehegatten das Erbstatut im Falle des Todes des Erblassers in den allermeisten Fällen ohnehin näher als das Güterrechtsstatut.28 Viele Ehepaare wissen gar nicht, in welchem Güterstand sie leben und dass dies auch Folgen bei dem Tod eines Ehegatten haben kann.29 Gegen eine solche Vorschrift kann allerdings angeführt werden, dass sie die Kontinuität des während der Ehe bestehenden Güterrechtsstatuts durchbricht.30 Dadurch, dass es zum Zweck der Abwicklung in ein anderes Statut überführt wird, kann dem Güterrechtsstatut unter Umständen diejenige Wirkung entzogen werden, die es bei Bestehen der Ehe wesentlich mitgetragen hat.31 Diesem Argument kann entgegengehalten werden, dass es nur zu einer Änderung des Güterrechtsstatuts in den Fällen kommen wird, in denen kein einheitliches Recht für die beiden Statuten berufen ist. Betroffen sind daher nur die Paare, bei denen es typischerweise zu Normwidersprüchen kommen würde. Erwägungen der Kontinuität sollten dabei zwar angestellt werden, sie können allerdings gegenüber dem Ziel einer gerechten Erbquote für den überlebenden Ehegatten nicht überwiegen. Ein anderer Aspekt, der gegen die vorgestellte Regelung spricht, ist die Tatsache, dass der Erblasser mithilfe einer Rechtswahl gemäß Art. 22 I EuErbVO einseitig das anwendbare Güterrecht festlegen kann. Dies mag insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung der Ehegatten fragwürdig erscheinen. Allerdings ist die Rechtswahlmöglichkeit des Erblassers in Art. 22 I EuErbVO ohnehin auf das Heimatrecht des Erblassers beschränkt. Darüber hinaus umfasst diese Rechtswahl nur die güterrechtlichen Ansprüche, die sich im Falle des Todes des Erblassers ergeben und in einigen Rechtsordnungen, wie zum Beispiel in England,32 gar nicht vorhanden sind. Der überlebende Ehegatte hat keinen Vorteil, wenn er bei der Bestimmung des auf diesen Bereich anwendbaren Rechts zwar mitgewirkt hat, dies aber dazu führt, dass er schließlich mit Normwidersprüchen konfrontiert ist. Diese Tatsache muss also zugunsten des Aspekts der Rechtssicherheit hingenommen werden. Aus denselben Gründen ist auch die Begrenzung der Parteiautonomie der Ehegatten, die in Satz 2 des vorgeschlagenen Art. 17 III GütVO-E zum Ausdruck kommt, gerechtfertigt. Schließlich würde die Regelung auch nicht dem Wesen der Güterrechtsverordnung widersprechen. Zwar hat man sich in Art. 15 GütVO-E dafür entschieden, dass im Sinne der Rechtssicherheit das gesamte Vermögen der Ehegatten einem einheitlichen Recht unterliegt. Allerdings wird schon im Rahmen der Zuständigkeit mit Art. 3 GütVO-E ein Gleichlauf zwischen EuErbVO und Güterrechtsverordnung angestrebt. Eine gesonderte Anknüpfung innerhalb des anwendbaren Rechts wäre nur konsequent. Zudem würde es die Arbeit des zuständigen Gerichts erleichtern, wenn es sich nur mit einem (fremden) Recht auseinandersetzen müsste. Die vorgestellte Regelung erscheint daher sinnvoll und angemessen, um die aus unkoordinierten Erb- und Güterrechtsstatuten resultierenden Normwidersprüche zu vermeiden. Die zahlreichen Vorteile der Regelung überwiegen gegenüber den durchaus legitimen Bedenken. Der europäische Gesetzgeber sollte daher sich mit diesem Vorschlag auseinandersetzen und die Güterrechtsverordnung entsprechend fassen.
II. Anpassung auf europarechtlicher Ebene
Bleibt die Änderung der Güterrechtsverordnung aus, wird es auch künftig zu Normwidersprüchen zwischen Erb- und Güterrechtsstatuten kommen. Die letzte Möglichkeit, diesem Problem entgegenzutreten, besteht in der Korrektur der Ergebnisse mithilfe der sog. Anpassung. Diese Methodik ist von der deutschen Rechtsprechung und Literatur entwickelt worden, um im internationalen Privatrecht Widersprüche zwischen den Sachnormen mehrerer auf ein einheitliches Lebensverhältnis anwendbarer Rechtsordnungen aufzulösen.33 Dabei werden nicht Normen als solche korrigiert, sondern nur das Ergebnis
25 So der (nicht umgesetzte) Vorschlag des Deutschen Rates für internationales Privatrecht, in: Lauterbach (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts, 1969, S. 1, § A.
26 Vgl. Clausnitzer, ZRP 1986, 254, 258.
27 Müller-Freienfels, in: Lauterbach (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts, 1969, S. 52.
28 Lauterbach, in: Lauterbach (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Erbrechts, 1969, S. 8; Müller-Freienfels (Fn. 27), S. 52.
29 Müller-Freienfels (Fn. 27), S. 52.
30 Lauterbach (Fn. 28), S. 8; Müller-Freienfels (Fn. 27), S. 52; Looschelders (Fn. 10), S. 324.
31 Lauterbach (Fn. 28), S. 8; Müller-Freienfels (Fn. 27), S. 52.
32 Siehe oben Fn. 4.
33 Hoffmann/Thorn (Fn. fnt:ftn7), § 6 Rn. 31; Kropholler (Fn. 7),S. 234; Looschelders (Fn. 10), S. 6.
ihrer Anwendung im Einzelfall angepasst.34
Zwar besteht in der deutschen Rechtsprechung und Literatur Einigkeit über die wesentlichen Grundsätze für die Anpassung. Allerdings können diese nicht ohne Weiteres angewendet werden, da es sich nunmehr um Normwidersprüche auf europarechtlicher Ebene handelt. Der Literatur ist die europarechtliche Anpassung bisher noch unbekannt. Dies liegt daran, dass die Gebiete, in denen typischerweise Anpassungsbedarf besteht (wie das Erbrecht und das Ehegüterrecht) bisher national geregelt waren. Mit dem Inkrafttreten der Verordnungen ändert sich dies jedoch und die Frage der Anpassung stellt sich auch auf Ebene des Europarechts.
Zunächst ist zu klären, ob eine Anpassung auf europarechtlicher Ebene grundsätzlich möglich erscheint. Da diese Methode nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten anerkannt ist,35 ist dies wohl zu bejahen. Offen bleibt allerdings, nach welchen Grundsätzen sie zu erfolgen hat. Dabei ist zu beachten, dass die Anpassung in den anderen Mitgliedsstaaten als Produkt der deutschen Lehre verstanden wird und sich an ihren Grundsätzen orientiert.36 Es erscheint daher naheliegend, dass auch die europarechtliche Anpassung nach den von der deutschen Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen erfolgen sollte.
1. Grundsätze der Anpassung im deutschem Recht
Im deutschen Recht sind insofern zwei Arten der Anpassung anerkannt: Die kollisionsrechtliche und die materiellrechtliche Anpassung.37 Bei Ersterer wird ein Normwiderspruch dadurch aus dem Weg geräumt, dass die gesamte Rechtsbeziehung einem einheitlichen Recht unterstellt wird.38 Im Falle nicht koordinierter Erb- und Ehegüterstatuten ergeben sich wenig überraschend zwei Möglichkeiten:39 Entweder kann die güterrechtliche Kollisionsnorm so ausgelegt werden, dass die Regelung das Ehegattenerbrecht mitumfasst;40 oder aber man lässt das Erbrecht auch über die güterrechtliche Beteiligung des Ehegatten entscheiden.41 Ein Vorteil dieser Anpassung ist, dass sie die inhaltliche Abstimmung der Statuten erspart; sie ist jedoch sehr weitreichend.42 Zudem könnte man verlangen, dass – sofern eine eindeutige Schwerpunktsetzung in Richtung Erb- oder Güterrecht möglich ist – sich dies schon bei der Qualifikation niederschlagen sollte.43
Als weniger starken Eingriff in die Rechte der Beteiligten sieht die h.M. daher die materiellrechtliche Anpassung.44 Ausgangspunkt dieser Variante ist, dass die dem überlebenden Ehegatten bei schlichter Gesetzesanwendung zufallende Nachlassbeteiligung mit derjenigen verglichen wird, die ihm zustünde, wenn entweder die eine oder die andere Rechtsordnung in erb- und ehegüterrechtlicher Sicht anwendbar wäre.45 Folgt man der überwiegenden Auffassung, ist bei einer Normenhäufung die Beteiligung des Ehegatten auf die Quote der für ihn günstigeren Rechtsordnung herabzusenken; umgekehrt ist sie bei einem Normenmangel bis zur Quote der für sie ungünstigeren Rechtsordnung zu erhöhen.46
2. Übertragung auf das Europarecht
Technisch lassen sich die dargestellten Grundsätze ohne Probleme auf das Europarecht übertragen. Schließlich kann auch hier die Korrektur des Ergebnisses auf kollisionsrechtliche oder materiellrechtliche Weise erfolgen. Die kollisionsrechtliche Anpassung ist auf europarechtlicher Ebene sicherlich einfacher durchzuführen. So kann entweder die Güterrechtsverordnung dahingehend ausgelegt werden, dass die Regelungen auch das Ehegattenerbrecht mitumfassen sollen, oder man lässt die EuErbVO auch über die güterrechtliche Beteiligung des überlebenden Ehegatten entscheiden. Dabei fällt auf, dass es sich in beiden Fällen letztlich um eine spezielle Auslegung der Kollisionsnormen handelt. Diese kann jedenfalls von letztinstanzlichen nationalen Gerichten nicht einfach vorgenommen werden, sondern muss dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV vorgelegt werden. Sieht sich ein (letztinstanzliches) nationales Gericht daher eines Tages mit einem Normenwiderspruch konfrontiert, kann es das Problem nicht einfach selbst mithilfe einer kollisionsrechtlichen Anpassung lösen, sondern muss die Entscheidung des EuGH abwarten.
Aufgrund der klaren Entscheidung des europäischen Gesetzgebers, die unterschiedlichen Nachlassansprüche des Ehegatten nicht in einer Verordnung zu regeln,47 scheint eine solche Auslegung jedoch nicht naheliegend. Zudem ist an diesem Punkt der bereits erwähnte Erwägungsgrund (12) der EuErbVO zu beachten. Dort wird in Satz 2 erwogen, dass die mit der Erbsache befassten Behörden im Einzelfall die Beendigung des Güterrechts bei der Bestimmung des Nachlasses und der jeweiligen Anteile der Berechtigten berücksichtigen sollen (S. 2), obwohl diese ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen (S. 1). Damit stellt die Kommission klar, dass die EuErbVO – selbst im Falle von Normwidersprüchen – nicht die güterrechtlichen Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten mitumfassen soll. Vielmehr soll auf der Ebene des materiellen Rechts angesetzt werden und die Erbquoten im Einzelfall unter Berücksichtigung des Güterstandes angepasst werden. Es handelt sich dabei um eine materiellrechtliche Anpassung. Zu den Einzelheiten der Anpassung finden sich jedoch keine Anhaltspunkte. Insbesondere finden sich keinerlei
34 Kropholler (Fn. 7), S. 235.
35 Vgl. Looschelders, (Fn. 10) S. 23, dort wird insbesondere die Anpassung in Frankreich, Belgien, Italien und Spanien behandelt.
36 Looschelders (Fn. 10), S. 23.
37 Looschelders (Fn. 10), S. 35 f.
38 Hoffmann/Thorn (Fn. 7), § 6 Rn. 36.
39 Dörner, in: Staudinger BGB (Fn. 7), Art. 25 EGBGB Rn. 754; Clausnitzer, IPRax 1987, 102, 105.
40 Dies entspricht dem Vorschlag des Deutschen Rates für internationales Privatrecht (Fn. 5).
41 Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986, S. 456.
42 Kegel/Schurig (Fn. 10), S. 365; Kropholler (Fn. 7), S. 238.
43 Mankowski, in: Staudinger BGB (Fn. 5), Art. 15 EGBGB Rn. 382.
44 LG Mosbach ZEV 1998, 489 f.; BayOLG, BayObLGZ 1966, 115, 124; Dörner, in: Staudinger BGB (Fn. 7), Art. 25 EGBGB Rn. 753; Mankowski, in: Staudinger BGB (Fn. 5), Art. 15 EGBGB Rn. 378; Siehr, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 105, 2010, Art. 15 EGBGB Rn. 118; Thorn, in: Palandt BGB (Fn. 7), Art. 15 EGBGB Rn. 26; Ludwig, DNotZ 2005, 586, 590; Jeremias/Schäper, IPRax 2005, 521.
45 Dörner, in: Staudinger BGB (Fn. 7), Art. 25 EGBGB Rn. 753.
46 LG Mosbach, ZEV 1998, 489 f.; BayOLG, BayObLGZ 1966, 115, 127; Bar/Mankowski (Fn. 10), § 7 Rn. 256; Dörner, in: Staudinger BGB (Fn. 7), Art. 25 EGBGB Rn. 753; Mankowski, in: Staudinger BGB (Fn. 5), Art. 15 EGBGB Rn. 378; Thorn, in: Palandt BGB (Fn. 7), Art. 15 EGBGB Rn. 26; a.A. (Berechnung des Mittelwerts): Overbeck, Ned. T. Int. R. 9, 1962, 362, 368 f. ; wiederum a.A. (Anwendung des für den Ehegatten günstigeren Rechts): Siehr, in: MüKoBGB (Fn. 44), Art. 15 EGBGB Rn. 118; Schröder, Die Anpassung von Kollisions- und Sachnormen, 1961, S. 112.
47 Siehe oben unter III. 1. a): Anwendungsbereiche der Verordnungen.
Maßstäbe für das Herabsetzen oder Anheben der Erbquoten. Über diese – dennoch bedeutenden – Feinheiten herrscht auch innerhalb der deutschen Jurisprudenz keine Einigkeit,48 sodass in dieser Hinsicht eine schlichte Übertragung fehlschlägt. Da-rüber hinaus ist zu beachten, dass die Vorschriften, die bei der materiellrechtlichen Anpassung zur Vermeidung von Normwidersprüchen angepasst werden, nicht dem Europarecht entstammen, sondern Bestandteile des nationalen materiellen Erb- und Ehegüterrechts sind. Die Gerichte müssten folglich bei der Anwendung nicht die Entscheidungshoheit des EuGH beachten.49 Sie könnten vielmehr nach ihrem Ermessen die Erbquote des überlebenden Ehegatten erhöhen oder senken. Diese Methodik birgt die Gefahr, dass der Entscheidungseinklang auf dem Gebiet des Erb- und Ehegüterrechts in Europa nicht mehr sichergestellt ist. Dies erscheint besonders misslich, ist es doch gerade Sinn und Zweck der Verordnungen, eine klaren europaweiten Rechtsrahmen für die Bürger zu schaffen.50
Festhalten lässt sich schließlich, dass die Anpassung auf europarechtlicher Ebene ein Bereich ist, der bisher noch keine juristische Beachtung gefunden hat. Mit Inkrafttreten der Verordnungen müssen sich die Gerichte damit auseinandersetzen. Nach kurzer Betrachtung wird deutlich, dass die Grundlagen dafür alles andere als klar sind. Im Bereich des Erb- und Ehegüterrechts scheint sich der Gesetzgeber für eine materiellrechtliche Anpassung auszusprechen, deren Einzelheiten allerdings im Dunkeln bleiben. Sollte die Anpassung zur einzigen Lösungsmöglichkeit der Normwidersprüche werden, drohen aufgrund der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit wesentliche Vorteile der Verordnungen zunichte gemacht zu werden.
E. Fazit
Die Problematik unkoordinierter Erb- und Ehegüterstatuten, die in Deutschland seit Jahrzehnten vorherrscht, verlagert sich mit Inkrafttreten von EuErbVO und Güterrechtsverordnung – in der Fassung des Vorschlags vom 16. März 2011 – auf die europäische Ebene. Ehegatten werden daher auch weiterhin mit Normwidersprüchen konfrontiert sein, wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet wird. Dem Gesetzgeber ist deshalb geraten, den Vorschlag für die Ehegüterverordnung zu überdenken und das Güterrechtsstatut im Falle des Todes eines Ehegatten anzupassen.
Ansonsten besteht die einzige Lösung dieser Widersprüche in der Methodik der Anpassung, für die es auf europarechtlicher Ebene bisher keinerlei Grundlagen gibt. Die Kommission scheint diese Lösungsmöglichkeit zu favorisieren, indem sie sich in Erwägungsgrund (12) für eine materiellrechtliche Anpassung ausspricht. Diese Herangehensweise ist jedoch mit großer Rechtsunsicherheit für die Gerichte und Betroffenen verbunden – ein Umstand, den die neuen Verordnungen eigentlich vermeiden wollten.
48 Siehe oben Fn. 46.
49 Diesem Standpunkt lässt sich entgegenhalten, dass es sich bei der Anpassung um eine Materie handle, die nicht von dem Kollisionsrecht zu treffen sei und über deren Auslegung der EuGH im Wege einer Annexkompetenz zu entscheiden hätte.
50 Siehe Begründung zu KOM (2011) 126 endgültig, S. 3.