Ökonomische Prämissen und Ausgestaltung im ERegG-E und in der ARegV
von Katja Bueschler*
A. Einleitung
„Kosten kann man so legen, wie man sie braucht.“1 Bei natürlichen Monopolen kann die Abwesenheit von Konkurrenz zu überhöhten Preisen führen, wenn diese auf der Grundlage der entstandenen Kosten berechnet werden, ohne dass alle Kosteneinsparpotenziale ausgenutzt werden. Ohne Kontrolle und Regulierung würde diese Ineffizienz geduldet und letztlich von den Nutzern bezahlt. Im Eisenbahnsektor werden derzeit zwar die Schienennutzungsentgelte durch die Bundesnetzagentur überprüft und genehmigt, jedoch erfolgt keine Prüfung der Kosten auf ihre Effizienz. Zur Steigerung der Effizienz der Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) und zur Stärkung des Wettbewerbs der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) hatte die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich“ (ERegG-E) vorgelegt.2 Dieser Entwurf sieht die Netzzugangsentgeltregulierung unter Berücksichtigung der Kosten effizienter Leistungserbringung vor, und zwar in Form der Anreizregulierung.3
Mithilfe der Anreizregulierung können monopolistische Märkte reguliert werden. Durch eine Entkopplung der Erlöse von den Kosten für die Dauer einer Regulierungsperiode werden monetäre Anreize für die Unternehmen geschaffen, die Kosteneinsparziele auszunutzen.4 Die Regulierungsbehörde setzt den Unternehmen eine Preis- oder Erlösobergrenze, die nicht überschritten werden darf. Im Laufe der Regulierungsperiode werden weder die Kosten noch die Erlöse oder Gewinne von den Regulierungsbehörden beachtet, was den Unternehmen einen weiten Spielraum lässt. Da die Obergrenzen unabhängig von den tatsächlichen Kosten und somit auch von den Gewinnen des Unternehmens bereits vor der Regulierungsperiode festgesetzt werden (Entkopplung), dürfen offenbarte Effizienzsteigerungen dem Unternehmensgewinn zugeführt werden. Hierin liegt der Anreiz zur dauerhaften Kostensenkung für die Unternehmen. Die Netznutzer profitieren in der darauffolgenden Regulierungsperiode, wenn das Ausgangsniveau angepasst wird und bei der nachfolgenden Kostenerhebung die verbesserte Kostenlage Berücksichtigung findet.5
Im Energiesektor wird bereits seit dem Jahr 2009 das Netzzugangsentgelt mithilfe der Anreizregulierung, die im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) und in der Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung – ARegV) verankert ist, reguliert.
Obwohl die Anreizregulierung sowohl für den Energie- als auch für den Eisenbahnsektor als Regulierungsmethode gewählt bzw. vorgeschlagen wurde, sind unterschiedliche Varianten der Anreizregulierung vorgesehen, nämlich die Price-Cap-Regulierung und die Revenue-Cap-Regulierung. Dieser Beitrag untersucht, ob und warum die beiden Sektoren überhaupt regulierungsbedürftig sind, warum diese unterschiedlichen Varianten gewählt wurden und ob sie die jeweils sinnvollere Regulierungsmethode für den Eisenbahn- bzw. Energiesektor darstellen.
Dafür werden zunächst die Regulierung des Eisenbahnsektors nach dem ERegG-E (unten B) und die des Energiesektors nach dem EnWG i. V. m. der ARegV (unten C) erläutert. Anschließend wird der Grund für die Regulierungsbedürftigkeit des Eisenbahn- und des Energiesektors untersucht (unten D.I) und gefragt, warum die Anreizregulierung eingeführt wurde bzw. werden soll (unten D.II). Nachfolgend wird herausgearbeitet, warum die Price-Cap-Regulierung das für den Eisenbahnsektor und die Revenue-Cap-Regulierung das für den Energiesektor passende Regulierungsinstrument ist (unten D.III). Abschließend folgt das Fazit (unten E).
B. Entgeltregulierung nach dem ERegG-E
Der ERegG-E fasst die Vorschriften zur Regulierung im Eisenbahnbereich zusammen und gestaltet dabei die Entgeltregulierung durch die Einführung des Anreizsystems weitgehend neu.6 Damit einher geht die Aufhebung der Verordnung über den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Entgelt für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur (Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung – EIBV) sowie von Teilen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG).7
Der dritte Abschnitt des ERegG-E regelt in den §§ 30 bis 50 die Entgeltregulierung als Anreizregulierung für Trassen- und Stationspreise8. Hierbei werden den EIU für eine Regulierungsperiode von fünf Jahren (§ 39 II ERegG-E) Obergrenzen für die Höhe der Netzentgelte vorgeschrieben, wodurch ihnen Anreize zur Effizienzsteigerung gegeben werden sollen (sogenannte
* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg.
1 Hartmut Schauerte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Zitat aus dem Plenarprotokoll der 836. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007 zur Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Energieregulierung, BR-PlPr 836, S. 298D, 299D.
2 Vorblatt des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung, BR-Drs. 559/12, 1.
3 Zwar wurde dieser Gesetzesentwurf am 05.07.2013 vom Bundesrat abgelehnt (BR-Drs. 548/13), doch ist eine Einführung der Anreizregulierung im Eisenbahnsektor in Zukunft zu erwarten und somit die Relevanz des Themas weiterhin gegeben (so auch Monopolkommission, Sondergutachten 64, Rn. 64).
4 Küper, Eine rechtliche Bewertung der ersten Runde der Anreizregulierung für Netzentgelte 2008/2009, 2010, S. 22; Ruge, DVBl. 2008, 956.
5 Hummel, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, Kommentar, Bd. 176.EGL, 2012, ARegV III B 1, Einführung, Rn. 15.
6 Vorblatt des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung, BR-Drs. 559/12, 1.
7 Scherer/Michalczyk, N&R 2013, 35, 36.
8 Die Entgelte für Zugangsleistungen zu Serviceeinrichtungen sollen auch weiterhin nicht der Anreizregulierung unterliegen und bleiben daher in diesem Beitrag unberücksichtigt.
Price-Cap-Regulierung).9
§ 33 II ERegG-E fasst das Verfahren der Entgeltregulierung, welches in den §§ 34 bis 47 ERegG-E näher ausgestaltet ist, zusammen. Bei dieser Preisobergrenzenregulierung werden zunächst die Infrastrukturkosten ermittelt. Diese bestehen nach § 34 I ERegG-E aus den aufwandsgleichen Kosten, den Abschreibungen und der Kapitalverzinsung abzüglich sonstiger Erträge und Erlöse. Sie werden nach ihrer Ermittlung auf sogenannte „Körbe“ von Leistungen aufgeteilt (§ 33 II 2 ERegG-E) und für jeden Korb wird eine eigene Preisobergrenze festgelegt. Durch die Aufteilung auf solche Körbe unterliegen die zu regulierenden Leistungen eines Unternehmens weder insgesamt einer einheitlichen Preisobergrenze, was Quersubventionierungen erleichtern würde,10 noch unterliegt jede einzelne Leistung einer eigenen Grenze, weshalb eine wohlfahrtstheoretisch bessere Preisdifferenzierung11 erfolgen kann.12 Der ERegG-E regelt die Korbbildung nicht näher, gibt aber als Leitlinie in § 41 II ERegG-E die Berücksichtigung der Markttragfähigkeit vor, um die geringere Leistungsfähigkeit mancher Verkehrsleistungen zu berücksichtigen.13 Die Bundesnetzagentur hat sechs verschiedene Körbe als Kombinationen der Marktsegmente Schienenpersonennahverkehr, Schienenpersonenfernverkehr und Schienengüterverkehr und der Infrastruktureinrichtungen Trassen, Serviceleistungen von Bahnhöfen und sonstigen Serviceleistungen vorgeschlagen.14 Gemäß § 33 II 3 ERegG-E wird für jeden dieser Körbe ein Preispfad festgelegt, also Preisobergrenzen für jedes Jahr innerhalb der Regulierungsperiode. Dieser Preispfad drückt die Erwartungen darüber aus, in welcher Höhe die EIU ihre Kosten innerhalb der Regulierungsperiode senken können (§ 39 I 3 ERegG-E). Wurden die Preisobergrenzen für die Körbe ermittelt, werden anschließend die konkreten Entgelte für die Leistungen der EIU in einem separaten Entgeltgenehmigungsverfahren genehmigt (§ 43 ERegG-E).
C. Entgeltregulierung nach dem EnWG und der ARegV
In der Energiewirtschaft wird die Entgeltregulierung in den §§ 21 ff. EnWG und der ARegV normiert. § 21a II EnWG schreibt eine Anreizregulierung vor, lässt aber die Wahlmöglichkeit zwischen einer Vorgabe von Obergrenzen für Netzentgelte (Price-Cap-Regulierung) oder für Erlöse (Revenue-Cap-Regulierung). In der zur Konkretisierung des § 21a EnWG erlassenen, zum 06.07.2007 in Kraft getretenen ARegV, welche eine Anreizregulierung einführt und damit das Antragsverfahren der kostenorientierten Einzelentgeltgenehmigung nach § 23a EnWG ablöst,15 hat der Gesetzgeber sich für ein Verfahren zur Bestimmung von Erlösobergrenzen, also eine Revenue-Cap-Regulierung, entschieden (§ 4 ARegV). Durch festgesetzte Erlösobergrenzen sollen den Netzbetreibern Anreize gegeben werden, ihre Kosten zu senken.
Vor jeder Regulierungsperiode von fünf Jahren16 (§ 3 II ARegV) wird gemäß § 6 I ARegV durch eine Kostenprüfung entsprechend der §§ 4 ff. der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (StromNEV) bzw. Gasversorgungsnetzen (GasNEV) die tatsächliche Kostenlage der Netzbetreiber als Ausgangsniveau ermittelt. Anschließend werden in einem Effizienzvergleich gemäß § 21a V 1 EnWG i. V. m. §§ 12 bis 14 ARegV Aufwands- und Vergleichbarkeitsparameter der Netzbetreiber miteinander verglichen und die individuellen Ineffizienzen identifiziert. Durch Einbeziehung einer individuellen Produktionsfortschrittsrate werden die Erlösobergrenzen von vornherein so bestimmt, dass als ineffizient bestimmte Kosten abgebaut werden sollen und die Ersparnis dieser Kosten dem Netzbetreiber nicht zugutekommt.17 Die Effizienzgrenze wird gemäß § 12 I i. V. m. Anlage 3 ARegV anhand verschiedener Berechnungsmethoden18 ermittelt, von denen der höchste und somit aus Sicht des Netzbetreibers mit der spezifisch besseren Berechnungsmethode erlangte Wert als individuelle Effizienzvorgabe verwendet wird.19 Dem „besten“ Netzbetreiber wird der Effizienzwert von 100 % zugeordnet, für die anderen wird ein entsprechend niedrigerer Wert angesetzt,20 wobei die Mindesteffizienz nach § 12 IV 1 ARegV 60 % beträgt.
Da mit der kleinen Anzahl von vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern21 eine geringe Datenbasis verbunden ist, bestimmt § 22 I 1 ARegV für diese einen internationalen Effizienzvergleich mit Netzbetreibern in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Für die Fernleitungsnetzbetreiber ist ein internationaler Vergleich vorgesehen, sofern nicht ausreichend nationale Vergleichsdaten vorliegen (§ 22 III ARegV).
In der Annahme, dass im Strom- und Gasbetrieb höhere Produktivitätssteigerungen zu erzielen seien als in der deutschen Wirtschaft insgesamt, führte der Verordnungsgeber in § 9 ARegV neben der individuellen zusätzlich eine generelle Produktivitätsfortschrittsrate ein, der alle Netzbetreiber unterworfen sind.22
Die Bestimmung der Erlösobergrenze für die Netzbetreiber erfolgt nach Ermittlung aller erforderlichen Parameter nach der Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV. Die Obergrenze wird gemäß § 4 III ARegV bei einer Änderung des Verbraucherpreisgesamtindexes (§ 8 ARegV) bzw. der nicht beeinflussbaren oder volatilen Kosten (§ 11 ARegV) angepasst.
9 Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 559/12, 73, 172, näher dazu unten Price-Cap-Regulierung.
10 Dazu siehe unten Verringerung des Diskriminierungspotenzials durch die Korbbildung.
11 Sogenannte Ramsey-Preisbildung, siehe unten Ramsey-Preissetzung.
12 Bundesnetzagentur, Abschlussbericht der Bundesnetzagentur zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, revidierte Fassung, 26.06.2008, S. 100; Scherer/Michalczyk, N&R 2013, 35, 40.
13 Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 559/12, 73, 173.
14 Bundesnetzagentur (Fn. 12), S. 103; die gleiche Korbbildung haben auch Mitusch u.a. vorgeschlagen, Ökonomische Grundsatzfragen zur Ausgestaltung einer Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S. 117 f.
15 Berndt (Fn. 8), S. 126. Nach h.M. ersetzt das System der Anreizregulierung gemäß § 21a EnWG nicht die kostenbasierte Entgeltregulierung des § 21 II EnWG, sondern die Anreizregulierung ist entsprechend § 23 II EnWG kostenbasiert, Müller-Kirchenbauer, in: Danner/Theobald (Fn. 5), EnWG I B 1 § 21a Rn. 4 f.; Scholtka/Baumbach, NJW 2010, 1118, 1121; a.A.: Ruge, DVBl. 2008, 956.
16 Die erste Regulierungsperiode begann am 01.01.2009, abweichend von § 3 II ARegV betrug sie für Gas gemäß § 33 Ib 1 ARegV nur vier Jahre.
17 Hummel, in: Danner/Theobald (Fn. 5), ARegV III B 1, Einführung, Rn. 16.
18 Darstellung der Berechnungsmethoden (Data Envelopment Analysis (DEA) und Stochastic Frontier Analysis (SFA)) bei Müller-Kirchenbauer, in: Erwartungen an das neue Energierecht im nationalen und europäischen Kontext, 2006, S. 79, 85 ff.
19 Berndt (Fn. 8), S. 156.
20 Lotze/Thomale, WuW 2008, 257, 267.
21 50Hertz Transmission, Ampirion, Tennet, und Transnet BW.
22 Hummel, in: Danner/Theobald (Fn. 5), ARegV III B 1 § 9 Rn. 7.
D. Ökonomische Betrachtung und Vergleich der Regulierung
Nach diesem Überblick über die Vorgaben des ERegG-E und des EnWG i. V. m. der ARegV zur Entgeltregulierung im Eisenbahn- bzw. Energiesektor werden diese im Folgenden verglichen und die dahinterstehenden ökonomischen Prämissen untersucht.
I. Zugangsentgeltregulierung monopolistischer Netzinfrastrukturen
Nach der bereits vor 20 Jahren begonnenen Bahnreform23 und der vor 15 Jahren in Kraft getretenen ersten Energierechtsnovelle24 stellt sich die Frage, warum diese beiden Bereiche auch jetzt noch einer stetigen Zugangsentgeltregulierung unterliegen.
1. Regulierungserfordernis der monopolistischen Bottlenecks des Eisenbahn- und des Energiesektors
Die Regulierung als staatliche Intervention in Marktprozesse25 ist notwendig, wenn auf einem Markt kein natürlicher Wettbewerb herrscht oder herrschen kann.26 Dies ist bei natürlichen Monopolen der Fall. Ein natürliches Monopol liegt vor, sofern für eine bestimmte nachgefragte Menge an Gütern und Dienstleistungen die Produktionskosten geringer sind, wenn die gesamte Menge von nur einem Unternehmen produziert wird (Subadditivität der Kosten).27 Bei Netzindustrien muss dabei zwischen den Märkten für Netzdienstleistungen (Endkundenmärkte) und den Märkten für Netzinfrastrukturkapazitäten (Vorleistungsmärkte) unterschieden werden.28 Bei den im ERegG-E und in der ARegV regulierten Netzen handelt es sich um die Vorleistungsmärkte. Der Aufbau von Netzinfrastrukturen ist im Vergleich zu anderen Industrien mit sehr hohen Fixkosten und versunkenen Kosten verbunden.29 Diese irreversiblen Kosten sind für das Unternehmen, welches sie aufgewendet hat, nicht mehr entscheidungsrelevant; potenzielle Wettbewerber beziehen sie hingegen bei Entscheidungen über den Marktzutritt ein.30 Bei einer Kombination der Bündelungsvorteile (Größen- und Verbundvorteile) eines natürlichen Monopols und irreversibler Kosten besteht eine netzspezifische Marktmacht.31 Können vor- und nachgelagerte Märkte ohne Zugang zu diesem Netz nicht funktionieren, so ist ein Engpass vorhanden, der auch monopolistisches Bottleneck genannt wird.32
Der Aufbau sowohl eines Schienennetzes als auch eines Energienetzes ist mit hohen irreversiblen Kosten verbunden und der Bau eines zweiten Netzes durch einen Konkurrenten ist aus ökonomischer Sicht unrentabel, da das doppelte Kapital aufgewendet werden muss, um die gleiche Transportmenge zu bewältigen.33 Zudem ist ein Netz in der Regel umso wertvoller, je mehr Anschlüsse es hat und je weiter ausgedehnt es ist.34 Je weiter ein Eisenbahnnetz ausgebaut ist und je mehr Trassen es umfasst, desto wertvoller ist es. Sofern die Transportmenge mit dem bestehenden Netz bewältigt werden kann, ist es für einen Konkurrenten unrentabel, die gleiche Netzstrecke zu bauen. Ebenso ist im Energiesektor der Bau eines zweiten Übertragungs- oder Fernleitungsnetzes neben bereits bestehenden Strecken unrentabel, da sich die zu transportierende Energiemenge hierdurch nicht vergrößert. Daher liegen sowohl im Eisenbahn- als auch im Energiesektor im Bereich der Netzinfrastrukturbetreiber monopolistische Bottlenecks vor.35 Unternehmungen auf den vor- und nachgelagerten Märkten, also insbesondere dem nachgelagertem Markt der Netzdienstleistungen, sind nur bei Zugang zu diesen monopolistischen Engpässen möglich.36 Dieser soll durch die Zugangsregulierung gesichert werden.
Die wesentlichen Charakteristika der monopolistischen Engpässe – also die Größen- und Verbundvorteile, Netzexternalitäten, hohen versunkenen Kosten, hohen Investitionskostenanteile sowie die Unmöglichkeit bzw. Schwierigkeit der Duplizierbarkeit – finden sich im Schienen- und im Energieversorgungsnetz wieder, weshalb für einen funktionierenden Wettbewerb die Sicherstellung des diskriminierungsfreien Zugangs durch Konkurrenten gewährleistet werden muss. Bei beiden Sektoren erweisen sich die Bottleneck-Eigenschaften im Zeitablauf als relativ stabil und stellen ein nicht nur transitorisches Phänomen dar.37 Somit ist eine dauerhafte Regulierung notwendig.
2. Netzspezifische Besonderheiten
Bei der Regulierung müssen die einem Sektor innewohnenden Besonderheiten beachtet werden.
a) Der Eisenbahnsektor
Im Eisenbahnsektor spielt nicht nur der intramodale Wettbewerb (zwischen verschiedenen EVU), sondern auch der intermodale Wettbewerb (zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern) eine Rolle. Durch die Substitutionskonkurrenz der Verkehrsträger Luft, Wasser und vor allem Straße sind keine überhöhten Monopolrenten der EIU zu erwarten.38 Ein weiteres dem Eisenbahnsektor eigenes Merkmal ist die Unterstützung des Bundes mit Zuschüssen im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV).39 Der sich daraus ergeben-
23 Durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378) wurde das Eisenbahnwesen zum 01.01.1994 maßgeblich umgestaltet; einen Überblick über den Verlauf der Bahnreform bietet Freise, TranspR 2003, 265 ff.
24 Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (BGBl. I S. 730), welches eine Neufassung des EnWG enthielt (EnWG, welches das EnWG 1935 ablöste).
25 Dies ist der in der Wirtschaftswissenschaft vorwiegend enger gefasste Regulierungsbegriff, Kühling, Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften, 2004, S. 13, wohingegen etwa in der Natur- und Sozialwissenschaft unter Regulierung der weiter gefasste Tatbestand einer „kontrollierenden Einwirkung auf gegebene Ordnungen oder Vorgänge“ verstanden wird, Bullinger, DVBl. 2003, 1355, 1357.
26 Baldwin/Cave, Understanding Regulation, 1999, S. 10 f.
27 Höffler, in: Telekommunikation, Energie, Eisenbahn, 2008, S. 3, 15; Leschke, in: Regulierungsrecht, 2010, § 6 Rn. 54; Michalczyk, Europäische Ursprünge der Regulierung von Wettbewerb, 2010, S. 6.
28 Knieps, Netzökonomie, 2007, S. 81.
29 Höffler (Fn. 27), S. 3, 15.
30 Knieps, N&R 2004, 7, 9.
31 Knieps (Fn. 28), S. 4 f.; Kühling (Fn. 25), S. 42.
32 Knieps, Wettbewerbsökonomie3, 2008, S. 13.
33 Burmeister, Der Wettbewerb der Eisenbahnen im europäischen Binnenmarkt, 2001, S. 37; Michalczyk (Fn. 27), S. 6.
34 Eekhoff/Jänsch, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, Praxishandbuch, 2011, Kap. 2 Rn. 9.
35 Knieps, N&R 2004, 7, 10; Leschke (Fn. 27), § 6 Rn. 99; in Bezug auf Energienetze Bettzüge/Kesting, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Fn. 34), Kap. 4 Rn. 8.
36 Höffler (Fn. 27), S. 14.
37 Knieps, ifo Schnelldienst 2007, Ausgabe 21, S. 7, 9.
38 Burmeister (Fn. 33), S. 37 f.; Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, 2007, S. 11.
39 Die LuFV ist ein Mehrjahresvertrag zwischen dem Bund auf der einen und der Deutschen Bahn AG sowie den EIU des Bundes (DB Netz AG, DB Station&Service AG und DB Energie GmbH) auf der anderen Seite, der Maßnahmen, die der Erhaltung der Schienenwege der EIU dienen, sowie deren Finanzierung zum Gegenstand hat (§ 1 I LuFV). Nachdem die Vereinbarkeit der LuFV mit einer Anreizregulierung umstritten war, stellt Art. 30 III der neugefassten Eisenbahnrichtlinie (2012/34/EU, ABl. EU 2012, L 343/32) klar, dass eine Kombination von vertraglichen und regulierungsrechtlichen Anreizen zur Senkung der Kosten und der Zugangsentgelte gestattet ist, Scherer/Michalczyk, N&R 2013, 35, 41 f.
de Zielkonflikt zwischen Haushaltsentlastung einerseits und Verkehrsverlagerung auf die Schiene andererseits stellt eine Herausforderung bei der Regulierung dar.40
Auch die Neigung vertikal integrierter Unternehmen, den Wettbewerb zu ihren Gunsten zu verschieben und anderen Wettbewerbern den Marktzugang zu verweigern, stellt eine netzspezifische Besonderheit im Eisenbahnsektor dar.41 96,8 % aller Netztrassenkilometer in Deutschland werden von der DB Netz AG betrieben.42 Die Festlegung der Trassenpreise durch diesen Monopolisten birgt enormes Diskriminierungspotenzial, denn zu hohe Trassenpreisentgelte stellen ein Hemmnis für den Marktzutritt neuer EVU dar. Zwar werden knapp 80 % der Betriebsleistung auf dem Schienennetz von Konzerntöchtern der Deutschen Bahn AG erbracht,43 aber den Mehrausgaben der DB Transporttöchter stehen die Mehreinnahmen der DB Netz AG gegenüber, sodass das Konzernergebnis unverändert bleibt („linke Tasche, rechte Tasche“44) und Mehrkosten der konkurrierenden EVU sogar noch zu Mehrerlösen führen.45 Die daraus resultierenden geringen Anreize zur Senkung der Netzzugangsentgelte müssen durch die Regulierung wettgemacht werden.
b) Der Energiesektor
Im Energiesektor bestehen zwei verschiedene Leitungsnetze, also Netzinfrastrukturen, die reguliert werden. Während Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber Transportnetze mit Höchstspannung betreiben und die Energie über lange Strecken befördern, unterhalten Verteilnetzbetreiber Stromnetze im Nieder- und Mittelspannungsbereich. Auch im Energiemarkt besteht die Herausforderung, dass die Netzbetreiber Unternehmensbereiche vertikal integrierter Energiekonzerne sind; allerdings gibt es nicht nur einen Monopolisten, sondern vier große Übertragungsnetzbetreiber und über 800 Verteilnetzbetreiber.46
Die Monopolstellung ist im Energiesektor zusätzlich gefestigt, da – wie im Eisenbahnsektor auch – räumlich eng begrenzte Trassenmöglichkeiten parallele Netze verhindern.47 Im Gegensatz zum Eisenbahnsektor ist der Energiesektor grundsätzlich aber nicht defizitär, sodass die Regulierung auch der Herstellung von angemessenen Preisen zur Vermeidung von Monopolrenten dient.48
II. Von der Kostenregulierung zur Anreizregulierung
Bezüglich der Entgeltregulierung lassen sich zwei grundsätzliche Ansätze unterscheiden: die Kostenregulierung und die Anreizregulierung.49
1. Die Kostenregulierung im AEG und EnWG und ihre Defizite
Bei der Kostenregulierung basieren die genehmigten Entgelte auf den betriebsnotwendigen Kosten des Unternehmens.50
Die Ermittlung des Entgelts durch die Addition der Kosten setzt ein hohes Informationsniveau der Regulierungsbehörde voraus. Der Anreiz der Unternehmen, höhere als ihre tatsächlichen Kosten anzugeben, führt zu einer Informationsasymmetrie zwischen den Unternehmen und der Regulierungsbehörde sowie zur Manipulationsgefahr durch die Unternehmen.51 Ein weiterer Nachteil der Kostenregulierung ist, dass nur geringe Anreize bestehen, die Kosten zugunsten der Netznutzer zu senken, da die Unternehmen auch die Kosten aufgrund von Ineffizienzen an die Nutzer weiterreichen können.52 Die vom Netzbetreiber erreichten Kostensenkungen würden hingegen bei der nächsten Entgeltgenehmigung berücksichtigt und an den Nutzer weitergegeben werden müssen, sodass die Netzbetreiber selbst nur einen geringen Nutzen aus Kostensenkungen ziehen.53
Die Fehlanreize der Kostenregulierung sind auch im Eisenbahnsektor in Deutschland der Grund für die angedachte Einführung einer Anreizregulierung. Wegen der im Rahmen der derzeitigen Kostenregulierung jährlich durchgeführten Prüfung der Kosten durch die Bundesnetzagentur führen Kosteneinsparungen direkt zur Verminderung der Entgelte, sodass den EIU Anreize zu Effizienzsteigerungen fehlen. Ganz im Gegenteil haben sie sogar Anreize, überhöhte Kosten auszuweisen, um eine Erhöhung der Zugangsentgelte oder der staatlichen Zuwendungen zu rechtfertigen.54 Außerdem ist die Bundesnetzagentur derzeit nur berechtigt, die Kostenkomponenten der Entgelte zu überprüfen, nicht jedoch die Angemessenheit der Höhe dieser Komponenten.55
Auch im Energiesektor bildeten die Defizite der Kostenregulierung den Anlass für den Übergang zur Anreizregulierung. Eine Prüfung der Angemessenheit der Kostenkomponenten auf effiziente Betriebsführung konnte hier schon aufgrund der Vielzahl der Netzbetreiber nicht erfolgen.56 Da in beiden Sektoren nicht geprüft werden kann, ob die Kosten eine effiziente Handlungsweise widerspiegeln, ist die Prüfung nicht nur we-
40 Dazu Fehling, DÖV 2002, 793, 800.
41 Burmeister (Fn. 39), S. 47; Ernert (Fn. 8), S. 17.
42 Monopolkommission, Sondergutachten 55, Bahn 2009: Wettbewerb erfordert Weichenstellung, 2009, Rn. 208.
43 Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2012, S. 22, abrufbar unter: http://www.deutschebahn.com/file/2597932/data/wettbewerbsbericht__ 2012.pdf, letzter Abruf am 10.04.2014.
44 Ewers/Ilgmann, Zukunft des Schienenverkehrs, S. 14, abrufbar unter \http://www.g-ilgmann.de/pdf/ENDGUELT.PDF, letzter Abruf am 10.04.2014.
45 Berschin, DVBl. 2002, 1079, 1080; Ewers/Ilgmann, (Fn. 44), S. 14; Gersdorf, in: Beiträge zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2005, S. 131, 138.
46 Schneider, in: Telekommunikation, Energie, Eisenbahn, 2008, S. 100, 101.
47 Haubrich/Fritz/Maurer, in: 10 Jahre wettbewerbsorientierte Regulierung von Netzindustrien in Deutschland, 2008, S. 281.
48 Eekhoff/Jänsch, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Fn. 34), Kap. 1 Rn. 25.
49 In der Praxis werden dabei meist Zwischenformen verwendet, die Elemente von beiden Regulierungsmodellen vereinigen, Berndt (Fn. 8), S. 65 f.
50 Bettzüge/Kesting, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Fn. 34), Kap. 4 Rn. 23. Am weitesten verbreitet sind dabei die cost-plus-Regulierung und die rate-of-return-Regulierung, dazu: Leschke (Fn. 27), § 6 Rn. 109, 114; Meinzenbach, Die Anreizregulierung als Instrument zur Regulierung von Netznutzungsentgelten im neuen EnWG, 2008, S. 79
51 Berndt (Fn. 8), S. 67 f.; Meinzenbach (Fn. 61), S. 98.
52 Kunz, in: Zwischen Regulierung und Wettbewerb – Netzsektoren in Deutschland2, 2003, S. 47, 53; Küper (Fn. 4), S. 20; Leschke (Fn. 27), § 6 Rn. 111, 115; Ruge, DVBl. 2008, 956.
53 Berndt (Fn. 8), S. 68; Bettzüge/Kesting, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Fn. 34), Kap. 4 Rn. 25; Meinzenbach (Fn. 61), S. 98.
54 Mitusch u.a. (Fn. 14), S. 5; Monopolkommission, Sondergutachten 60, Bahn 2011: Wettbewerbspolitik unter Zugzwang, 2011, Rn. 82.
55 Bundesnetzagentur (Fn. 12), S. 4; Mitusch u.a. (Fn. 14), S. 6.
56 BR-Drs. 613/1/04, 17.
nig zielführend, sie ist auch – da sie jährlich erfolgt – sehr aufwendig.57
2. Die Anreizregulierung
Nach der Liberalisierung des Eisenbahn- und des Energiesektors steht die Schaffung von Wettbewerb im Vordergrund.58 Im Gegensatz zur Kostenregulierung vermittelt die Anreizregulierung höhere Anreize zu kostensenkenden Investitionen und erleichtert dadurch den Markteintritt von Wettbewerbern.59 Der Hauptfokus der Anreizregulierung liegt auf der produktiven Effizienz der Unternehmen.60 Dafür soll grundsätzlich die Informationsasymmetrie akzeptiert werden und versucht werden, das Gewinnstreben der Unternehmen für die Ziele der Regulierung zu nutzen.61 Für die Dauer einer Regulierungsperiode werden die Erlöse eines Unternehmens von den Kosten entkoppelt. Dem Unternehmen wird eine Preis- oder Erlösobergrenze genannt, die es nicht überschreiten darf. Diese Obergrenze errechnet sich in der Regel aus den vergangenen Kosten zuzüglich einer Preissteigerungsrate abzüglich des Produktivitätsfortschritts.62 Im Laufe der Regulierungsperiode beachtet die Regulierungsbehörde weder die Kosten noch die Erlöse der Unternehmen und lässt ihnen somit einen weiten Spielraum. Lediglich am Ende einer Regulierungsperiode prüft die Regulierungsbehörde, ob die Vorgaben eingehalten wurden und verwendet die dann berücksichtigungsfähigen Kosten zur Berechnung des Ausgangsniveaus für die neue Regulierungsperiode. Die innerhalb einer Regulierungsperiode erzielten Effizienzsteigerungen dürfen dem Unternehmensgewinn zugeführt werden, da die Obergrenzen unabhängig von den tatsächlichen Kosten und somit auch von den Gewinnen des Unternehmens bereits vor der Regulierungsperiode festgesetzt wurden. Je mehr ineffiziente Kosten die Unternehmen also beseitigen, desto mehr Gewinn erwirtschaften sie. Somit schafft die Anreizregulierung für die Unternehmen einen Anreiz zur dauerhaften Kostensenkung. Für die Netznutzer wirkt sich die Anreizregulierung in der darauffolgenden Regulierungsperiode positiv aus, wenn die Regulierungsbehörde das Ausgangsniveau anpasst und die verbesserte Kostenlage Berücksichtigung findet, also die Preis- oder Erlösobergrenzen insgesamt niedriger angesetzt werden.63
Durch die effizienzorientierten Anreize und der damit verbundenen Senkung der Netzzugangsentgelte bietet sich die Anreizregulierung zur Umsetzung des Ziels, mehr Wettbewerb auf der Schiene bzw. den Stromnetzen zu schaffen, an.
III. Unterschiedliche Varianten der Anreizregulierung für den Eisenbahn- und den Energiesektor
Die Obergrenzenregulierung64 der Anreizregulierung besteht in den Varianten der Price-Cap- und der Revenue-Cap-Regulierung.
1. Grundzüge der Price-Cap- und der Revenue-Cap-Regulierung
a) Price-Cap-Regulierung
Die Price-Cap-Regulierung wurde im Jahre 1982 von Littlechield im Rahmen der Privatisierung der British Telecom entwickelt. Hierbei wird von der Regulierungsbehörde eine Obergrenze für die Netzentgelte, also der maximale Preis, den ein Unternehmen für sein Produkt oder seine Dienstleistung auf dem Markt erzielen darf, festgelegt.65 Diese Preisobergrenze ergibt sich aus dem Ausgangsniveau, der allgemeinen Preissteigerungsrate und der für das Jahr erwarteten Produktivitätsfortschrittsrate.66 Daher ist sie während der Regulierungsperiode nicht konstant, sondern verändert sich von Jahr zu Jahr (Preisentwicklungspfad). Vor Beginn einer Regulierungsperiode wird das Ausgangsniveau ermittelt, in den darauffolgenden Jahren wird die Preisobergrenze des Vorjahres jeweils als Ausgangsniveau verwendet. Entscheidend ist, dass außer der Preissteigerungsrate alle Werte vor Beginn einer Regulierungsperiode festgesetzt werden.67 Dies garantiert dem Unternehmen, dass die Regulierungsbehörde die Preisobergrenze trotz offengelegter Gewinne bis zur nächsten Regulierungsperiode nicht anpasst.68 Ein Unternehmen kann also Erträge, die es aufgrund höherer als von der Regulierungsbehörde erwarteter Effizienzsteigerung erwirtschaftet, dem Unternehmensgewinn zuführen.
b) Revenue-Cap-Regulierung
Die Revenue-Cap-Regulierung ist eng an die Price-Cap-Regulierung angelehnt, jedoch werden den Unternehmen keine Preisobergrenzen, sondern Erlösobergrenzen für den Gesamtumsatz vorgegeben. Die Unternehmen können somit die einzelnen Tarife relativ frei festlegen. Aus dem Ausgangsniveau, der Preissteigerungsrate und dem Produktivitätsfortschritt ergibt sich ein Erlöspfad, der die jährlichen Erlösobergrenzen bestimmt.69 Anders als bei der Price-Cap-Regulierung basiert die Erlösobergrenze auf einer Schätzung der Mengenentwicklung für das nächste Jahr und nicht auf den Mengen des letzten Jahres.70
2. Die Wahl der Price-Cap-Regulierung für den Eisenbahnsektor und der Revenue-Cap-Regulierung für den Energiesektor
Der Gesetzgeber hat sich mit dem ERegG-E für die Festlegung einer Preisobergrenze entscheiden, während nach der ARegV eine Erlösobergrenze bestimmt wird. Im Folgenden wird untersucht, warum verschiedene Regulierungsvarianten für die beiden Netzsektoren gewählt wurden.
a) Die Price-Cap-Regulierung für den Eisenbahnsektor
aa) Ramsey-Preissetzung
Wie in den meisten Unternehmen werden auch im Netzinfrastrukturbereich des Eisenbahnsektors mehrere „Produkte“
57 Monopolkommission (Fn. 54), Rn. 82.
58 Siehe § 1 Nr. 2 ERegG-E und § 1 II EnWG.
59 Berndt (Fn. 8), S. 73.
60 Bettzüge/Kesting, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Fn. 34), Kap. 4 Rn. 26.
61 Berndt (Fn. 8), S. 68.
62 Berndt (Fn. 8), S. 69.
63 Hummel, in: Danner/Theobald (Fn. 5), ARegV III B 1, Einführung, Rn. 15.
64 Neben der Obergrenzenregulierung gibt es auch die hier aus Platzgründen nicht näher thematisierte Yardstick-Competition (Vergleichswettbewerb). Grundlegend dazu Shleifer, RAND Journal of Economics Vol. 16, No. 3 (1985), S. 319 ff.; einen Überblick bietet Meinzenbach (Fn. 61), S. 216 ff.
65 Leschke (Fn. 27), § 6 Rn. 117; Meinzenbach (Fn. 61), S. 181.
66 Berndt (Fn. 8), S. 77; Pedell, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Fn. 34), Kap. 74 Rn. 17.
67 Brunekreeft, Regulation and Competition Policy in the Electricity Market, 2003, S. 72; Meinzenbach (Fn. 61), S. 182.
68 Kunz (Fn. 52), S. 55.
69 Meinzenbach (Fn. 61), S. 192.
70 Bundesnetzagentur, 1. Referenzbericht Anreizregulierung, 2005, Rn. 63.
(Leistungen) angeboten. In einem solchen Fall wird die Preissetzungsflexibilität dadurch erhöht, dass nicht für jedes einzelne Produkt eine separate Preisobergrenze, sondern eine gewichtete Preisobergrenze für mehrere Produkte festgelegt wird. Mehrere Produkte werden in einem Korb zusammengefasst. So bestimmt § 33 II 2 ERegG-E die Ermittlung der Entgelte anhand von Körben für Leistungen. Innerhalb eines solchen Korbes ist die Preisstruktur ein unternehmerischer Handlungsparameter, wird durch die Anreizregulierung also nicht vorgegeben.71 Werden mehrere Produkte in einem Korb zusammengefasst, bedeutet das nicht nur eine Senkung des regulatorischen Aufwands, sondern veranlasst die Unternehmen auch, zur Maximierung des eigenen Gewinns eine wohlfahrtstheoretisch günstige Preisstruktur zu wählen. Dadurch entsteht eine Preisbildung, bei der die Preise an der jeweiligen Preis-elastizität der Nachfrage pro Produkt ausgerichtet werden.72 Daher kann innerhalb eines Korbes der Aufschlag der Gemeinkosten auf die Grenzkosten umgekehrt proportional zur Preis-elastizität vorgenommen werden. Das bedeutet, dass der Preis für ein Gut mit preiselastischer Nachfrage (wenn also Käufer schon auf kleine Preisänderungen stark reagieren) verhältnismäßig gering angehoben wird, während für ein Gut mit unelastischer Nachfrage (wenn Käufer auch auf große Preisänderungen nur verhältnismäßig schwach reagieren) ein relativ höherer Preis verlangt wird.73 Eine solche Preisbildung nennt sich Ramsey-Preisbildung.74 Der Vorteil dieser Preisbildung bei der Price-Cap-Regulierung soll im Eisenbahnsektor durch die Bildung der sechs Körbe, die die Bundesnetzagentur vorgeschlagen hat, realisiert werden.
bb) Verringerung des Diskriminierungspotenzials durch die Korbbildung
Ein Argument gegen die Korbbildung ist, dass zwar die Ramsey-Preisbildung innerhalb der einzelnen Körbe erfolgt, diese aber zwischen den verschiedenen Körben verhindert wird.75 Die Aufteilung in verschiedene Leistungskörbe hat im Eisenbahnsektor jedoch eine andere wichtige Funktion: Sie verhindert eine diskriminierende Kostenzuschlüsselung zwischen den einzelnen Körben.76 Mit ihr kann ein vertikal integriertes Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG seine Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt nicht diskriminieren, indem es die Entgelte durch Verteilung der Gemeinkosten auf bestimmte Leistungskörbe für einige Leistungen zu hoch und für andere zu niedrig ansetzt. So werden Quersubventionierungen unterbunden, die möglich wären, wenn auf solche Leistungen, die vorwiegend von Konzerntöchtern der Deutschen Bahn AG auf dem nachgelagerten Markt der Netzdienstleistungen angeboten werden, ein deutlich geringerer Anteil der Gemeinkosten entfiele als auf Leistungen, in deren Bereich mehr Wettbewerb herrscht.
cc) Anreiz zur Mengenausweitung
Ein weiterer Grund für die Wahl der Price-Cap-Regulierung im Eisenbahnsektor ergibt sich aus dem Nachteil der Revenue-Cap-Regulierung, keine Anreize zur Mengenausdehnung zu setzen.77 Bei der Price-Cap-Regulierung sind die Preissenkungen vorgeschrieben. Sinkt die Menge der verkauften Produkte, führt dies zu Erlöseinbußen, sodass eine Mengenausdehnung für das Unternehmen vorteilhaft ist. Bei der Revenue-Cap-Regulierung sind die Erlöse konstant. Auf eine sinkende Nachfrage kann das Unternehmen mit Preiserhöhungen reagieren, bei steigender Nachfrage muss es die Preise senken, um die Erlösvorgaben einzuhalten. Würde sich trotz Mengenausweitung der Gesamterlös nicht erhöhen, hätte das regulierte Unternehmen ohne entsprechende Anpassungsmechanismen keine Anreize zur Mengenerhöhung, sondern im Gegenteil einen Anreiz zur Reduzierung des Outputs.78
Bei einer Revenue-Cap-Regulierung im Eisenbahnsektor könnte ein EIU durch Steigerung des Verkehrsaufkommens seine Erlöse nicht erhöhen. Vielmehr bestünde die Gefahr, dass es sein Angebot einschränkt, um ein höheres Netzentgelt pro Leistung zu erzielen.79 Ein Ziel der Eisenbahnreform und mittelbares Ziel der Anreizregulierung ist jedoch die Erhöhung der Marktanteile der EIU im intermodalen Wettbewerb.80 Für den intendierten Mengenzuwachs im Eisenbahnsektor würde die Revenue-Cap-Regulierung daher Fehlanreize setzen und der in der Eisenbahnregulierung vorgesehene Impuls zur Mengenausweitung könnte nicht gesetzt werden.81
Folglich ist festzuhalten, dass im Eisenbahnsektor als Obergrenzenregulierung nur eine Price-Cap-Regulierung in Betracht kommt. Durch die Korbbildung können das aufgrund der integrierten Struktur der Deutschen Bahn AG bestehende Diskriminierungspotenzial gesenkt und Anreize zur Mengenausweitung gegeben werden, die bei einer Revenue-Cap-Regulierung nicht bestehen.
b) Die Wahl der Revenue-Cap-Regulierung im Energiesektor
aa) Keine Mengenausdehnung angestrebt
In vielen Netzbereichen wird die Price-Cap-Regulierung als das passendere Instrument zur Netzzugangsentgeltregulierung gewählt. Dies geschieht unter anderem, weil die Revenue-Cap-Regulierung einem Netzbetreiber den Anreiz zur Angebotsverknappung geben kann, was in anderen Netzsektoren das Ziel der Steigerung der angebotenen Netzdienstleistungen konterkariert. Die Reduktion der Energienachfrage ist dagegen ein explizites politisches Ziel, weshalb eine Revenue-Cap-Regulierung eher konsistent mit dieser politischen Zielsetzung ist.82
bb) Ramsey-Preissetzung im Energiesektor nicht erwünscht
Bei einer Price-Cap-Regulierung gleicht die Preisbildung innerhalb eines Korbes der Ramsey-Preisbildung. Eine Ausrichtung der Preisbildung an der Nachfrageelastizität könnte im Energiesektor jedoch einen Nachteil darstellen. Beispielsweise würden Haushaltkunden, die in ihrer Verbrauchsstruktur unflexibel sind, überproportional höhere Tarife zahlen als Industriekunden, welche einen Standortwechsel der Produktion in Erwägung ziehen könnten.83 Eine solche Preispolitik würde
71 Bundesnetzagentur (Fn. 12), S. 35.
72 Baldwin/Cave (Fn. 26), S. 208.
73 Knieps (Fn. 28), S. 52; Kunz (Fn. 52), S. 57.
74 Kunz (Fn. 52), S. 56.
75 S. Monopolkommission (Fn. 42), Rn. 230.
76 Elsenbast, Wirtschaftsdienst 86 (2006), S. 134, 136; Monopolkommission (Fn. 54), Rn. 87.
77 Monopolkommission (Fn. 42), Rn. 242, dortige Fn. 158.
78 Berndt (Fn. 8), S. 81 f.
79 Bundesnetzagentur (Fn. 12), S. 74.
80 Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 559/12, 73, 119; Freise, TranspR 2003, 265.
81 Berndt (Fn. 8), S. 252; Gersdorf, DVBl. 2009, 942, 950.
82 Haucap/Coenen, in: Holznagel/Schütz, Anreizregulierungsverordnung, Kommentar, 2013, Einführung, Rn. 140.
83 Meinzenbach (Fn. 61), S. 184.
bei zu starken einseitigen Belastungen in der Öffentlichkeit als ungerecht empfunden.84
Daher ist die Revenue-Cap-Regulierung für den Energiesektor das bessere Regulierungsinstrument.
E. Fazit
Sowohl im Eisenbahn- als auch im Energiesektor stellen die Netzinfrastrukturebenen monopolistische Bottlenecks dar, welche zur Schaffung eines wirksamen Wettbewerbs auf der nachgelagerten Dienstleistungsebene der Regulierung bedürfen. Es wurde gezeigt, dass die Price-Cap-Regulierung die für den Eisenbahnsektor passende Regulierungsvariante darstellt: Erstens nähert sich durch sie die Preisbildung der wohlfahrtstheoretisch günstigsten Ramsey-Preisbildung an. Zweitens verhindert die Korbbildung eine die Konkurrenten des vertikal integrierten Unternehmens durch diskriminierende Kostenzuschlüsselung der Gemeinkosten benachteiligende Preisbildung. Und drittens wäre die Revenue-Cap-Regulierung nicht die passende Regulierungsvariante, da sie keine Anreize zur Mengenausweitung setzt, die im Eisenbahnsektor aber intendiert ist.
Des Weiteren wurde analysiert, ob die Revenue-Cap-Regulierung auch für den Energiesektor das passende Regulierungsinstrument ist. Da die Reduktion des Energieverbrauchs ein politisches Ziel ist, daher keine Anreize zur Mengenausdehnung gesetzt werden müssen und Ramsey-Preise bestimmte Kundengruppen benachteiligen würden, ist eine Price-Cap-Regulierung hier nicht erforderlich. Somit hat der Gesetzgeber mit der Revenue-Cap-Regulierung die für den Energiesektor bessere Regulierungsvariante gewählt.
84 Bundesnetzagentur (Fn. 70), Rn. 57.