Kritik an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zur Parteienuntreue

von Lars Olßon*

A. Einleitung

Seit einiger Zeit beschäftigen sich Rechtsprechung und Literatur mit der Strafbarkeit wegen der sog. Parteienuntreue nach § 266 StGB.1 Dabei hat der 1. Strafsenat jüngst fragwürdige Entscheidungen zur Strafbarkeit wegen Untreue aufgrund von Pflichtverletzungen getroffen, welche parteiengesetzliche Sanktionen als (etwaigen) Vermögensnachteil auslösen (Parteienuntreue i.e.S.).2 In Anlehnung an diese Entscheidungen zur „Kölner Parteispendenaffäre“3 wird in diesem Beitrag gezeigt, dass der 1. Strafsenat mit vormals in der Rechtsprechung vertretenen Ansichten bricht und dadurch entgegen scheinbarer Restriktionsbemühungen mit nicht überzeugenden Ausführungen den Anwendungsbereich der Untreue faktisch erheblich ausweitet. Dazu werden im Folgenden nach einer jeweils kurzen Skizze der bisherigen Rechtsprechung die Ausführungen des 1. Strafsenats zur Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht (B.) und zum Vermögensnachteil (C.) dargestellt und kritisch untersucht. Abschließend werden die Auswirkungen der Rechtsprechung des 1. Strafsenats auf die Strafbarkeit wegen Parteienuntreue ausblickartig eingeschätzt (D.).

B. Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht

Dass bestimmte Parteiämter für dessen Träger eine Pflicht zur Betreuung des Parteivermögens begründen, ist allgemein anerkannt.4 Umstritten ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen bei der Parteienuntreue eine untreuerelevante Verletzung dieser Vermögensbetreuungspflicht anzunehmen ist.5 Es stellt sich die Frage, ob die Vorschriften des PartG wegen der bei einem Verstoß ausgelösten Sanktionen einen solchen Bezug zum Parteivermögen aufweisen, der die Annahme einer untreuetauglichen Pflichtverletzung rechtfertigt.

Die bisherige Rechtsprechung hat dies bejaht: Im Fall Kohl6 stellte das LG Bonn fest, dass eine Untreue „nicht generell ausgeschlossen“ ist und ein Verstoß gegen das PartG eine Untreue begründen könnte.7 In der vom 2. Strafsenat getroffenen Kanther-Entscheidung8 wurde in den wegen falschen Rechenschaftsberichten ausgelösten Sanktionen ein Nachteil gesehen9 und festgehalten, dass die Vorschriften des PartG „die im Sinne des § 266 StGB verletzte Pflicht selbst“ beschreiben.10 Auch der 3. Strafsenat lässt in seinem Beschluss zum „Wuppertaler Spendenskandal“11 erkennen, dass er bei einem Verstoß gegen parteiengesetzliche Vorschriften und der daraus resultierenden Sanktionsgefahr eine Untreue für möglich hält.12

I. Ansicht des 1. Strafsenats

Eine andere Auffassung vertritt der 1. Strafsenat: In seinem „AUB-Beschluss“13 hat er unter Bezugnahme auf die vom BVerfG im „Untreuebeschluss“14 aufgestellten Grundsätze entschieden, dass eine untreuetaugliche Pflichtverletzung nur dann anzunehmen ist, „wenn die verletzte Rechtsnorm ihrerseits – wenigstens auch, und sei es mittelbar – vermögensschützenden Charakter für das zu betreuende Vermögen hat“.15 Das gelte selbst dann, wenn der Verstoß Schadensersatzansprüche auslösen könne.16

Im Urteil zur „Kölner Parteispendenaffäre“17 hat der 1. Strafsenat zu der im „AUB-Beschluss“ noch ausdrücklich offen gelassenen Frage18 ohne Begründung ausgeführt, dass nichts anderes bei spezifischen, sich vermögensmindernd auswirkenden Sanktionen gilt. Die Möglichkeit sich mittelbar auf das Vermögen auswirkender Sanktionen mache die Vorschriften des PartG nicht zu vermögensschützenden Normen i.S.v. § 266 StGB.19 Weil diese auch sonst nicht dem Schutz des jeweiligen Parteivermögens dienten, sei ein Verstoß gegen die Vorschriften des PartG keine untreuerelevante Pflichtverletzung i.S.d. § 266 I StGB.20 Allerdings sei die Beachtung dieser Normen wegen der Verpflichtung hierzu im Bundesstatut der Partei zum Gegenstand einer selbstständigen Pflicht gemacht worden. Diese Pflicht sei eine fremdnützige, das Parteivermögen schützende Hauptpflicht i.S.v. § 266 I StGB. Nicht der Verstoß gegen das PartG, sondern gegen die aus dem Statut resultierende Treuepflicht begründe die Pflichtwidrigkeit i.S.v. § 266 I StGB.21 An diesen Auffassungen hat der 1. Strafsenat auch in folgenden Entscheidungen festgehalten.22 Damit verneint er entgegen der bisherigen Rechtsprechung die unmittelbare Untreuetauglichkeit parteiengesetzlicher Pflichten.

II. Kritik an der Ansicht des 1. Strafsenats

Zunächst ist zu klären, ob der Annahme des 1. Strafsenats zuzustimmen ist, dass die Vorschriften des PartG nicht vermögensschützend seien. Dazu ist es erforderlich, Kriterien aufzustellen, welche für die Bejahung eines – jedenfalls mittelbar – vermögensschützenden Charakters ausschlaggebend sein sollen.


* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Siehe zum Begriff der Parteienuntreue: Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, 2005, S. 66 f.

2 Für einen Überblick über mögliche Tathandlungen und an die Verstöße gegen das PartG geknüpfte Sanktionen siehe Morlok, NJW 2000, 761, 763-769; Saliger (Fn. 1), S. 66, 75, 234, 394 f., 573-604, 669 f.

3 BGHSt 56, 203-222; BGH, wistra 2013, 153 f.; BGH, NJW 2012, 3797 f.

4 BGHSt 51, 100, 112 f. und 117; BGH, NStZ-RR 2007, 176; BGHSt 56, 203, 210 f.

5 Vgl. etwa Jäger, in: FS Otto, 2007, S. 593, 598-608; Saliger, NStZ 2007, 545, 548 f.; Wittig, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB22, 2013, § 266 Rn. 44.3 m.w.N.

6 LG Bonn, NStZ 2001, 375-379.

7 Vgl. LG Bonn NStZ, 2001, 375, 377 f.

8 BGHSt 51, 100-124.

9 BGHSt 51, 100, 117.

10 BGHSt 51, 100, 119.

11 BGH, NStZ-RR 2007, 176.

12 Vgl. BGH, NStZ-RR 2007, 176.

13 BGHSt 55, 288-314.

14 BVerfGE 126, 170-233.

15 BGHSt 55, 288, 300; vgl. auch Bittmann, NJW 2011, 88, 96; Wagner, ZIS 2012, 28, 32.

16 BGHSt 55, 288, 300 f.

17 BGHSt 56, 203-222.

18 Siehe BGHSt 55, 288, 301; BGHSt 56, 203, 211; Bittmann, NJW 2011, 88, 96.

19 BGHSt 56, 203, 211; auf die fehlende Begründung zum vermögensschützenden Charakter weisen auch hin: Saliger, ZIS 2011, 902, 911 (dortige Fn. 105); Wagner, ZIS 2012, 28, 32.

20 Vgl. BGHSt 56, 203, 211.

21 BGHSt 56, 203, 211-213.

22 Vgl. BGH, NStZ-RR 2013, 157 f.; BGH, NJW 2012, 3797 f.

Olßon, Kritik an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zur Parteienuntreue (BLJ 2013, 80)81

1. Schutzzweck und Rechtsgut der verletzten Normen

a) Unmittelbar vermögensschützender Charakter

Erstaunlicherweise widmet sich der 1. Strafsenat diesem Problem nicht ausdrücklich. Vielmehr stellt er wie selbstverständlich allein auf den Schutzzweck23 und damit auf das geschützte Rechtsgut der verletzten Norm24 ab. Diese Kriterien werden auch von der Literatur beachtet und herangezogen.25

Für die Vorschriften des PartG ergibt sich danach das Folgende: Anerkannt ist, dass diese das öffentliche Interesse an der Transparenz der Parteienfinanzierung schützen.26 Weiter wird angeführt, das PartG schütze die Demokratie27 sowie die Integrität politischer Entscheidungen28. Um diesen Schutz effektiver zu gestalten, wurde mit den Sanktionen ein „Motivationsimpuls“29 geschaffen bzw. ein „Abschreckungseffekt“30 eingeführt. Stellt man demnach allein auf diese Schutzzwecke ab, wird dem PartG kein vermögensschützender Charakter beigemessen werden können.

b) Mittelbar vermögensschützender Charakter

aa) Auslösen von Sanktionen oder Schadensersatzforderungen

Allerdings ist umstritten, ob der Umstand, dass ein Tatverhalten Sanktionen oder Schadensersatzforderungen auslösen kann, als Kriterium eines – jedenfalls mittelbar – vermögensschützenden Charakters herangezogen werden kann. Ohne eine Begründung anzuführen, verneint der 1. Strafsenat dies bezüglich der Sanktionen in Folge von Verstößen gegen das PartG.31 Es ist auch beachtlich, dass Teile der Literatur die Ansicht des 1. Strafsenats teilen, sich aber ebenfalls nicht argumentativ mit der Möglichkeit eines vermögensschützenden Charakters wegen der Auslösung von Sanktionen befassen.32 Andere lassen diese Frage ohne weitere Einlassungen bewusst unbeantwortet oder charakterisieren sie lediglich als streitig.33

Um eine passende Antwort auf die aufgeworfene Frage zu finden, bietet es sich an, zunächst die Formulierung des 1 Strafsenats, nur Verstöße gegen Normen mit vermögensschützendem Charakter seien pflichtwidrig i.S.v. § 266 StGB,34 zu untersuchen.

Diese Formulierung legt nahe, sich tatsächlich primär auf den Schutzzweck der verletzten Norm zu stützen. Bei oberflächlicher Untersuchung impliziert sie, dass sich der vermögensschützende Charakter als etwas der Norm inhärentes darstellt und daher allein auf diese abgestellt werden muss. Eine an den Verstoß geknüpfte Schadensersatzforderung oder Sanktion wäre demnach als reflexartige Auswirkung im Außenverhältnis nicht mehr vom Charakter der Norm umfasst.35

Bedenkt man jedoch, dass die verletzten Normen als akzessorisches Recht im Rahmen der Untreueprüfung relevant werden,36 erscheint es sinnvoll, die normative Bestimmung des vermögensschützenden Charakters allein auf der Ebene des akzessorischen Rechts zu verlassen und in den unmittelbaren Kontext der Untreue einzubinden. Damit ist gemeint, dass für den vermögensschützenden Charakter der verletzten Norm auch das Telos des § 266 StGB (Vermögensschutz) relevant sein muss,37 sodass – neben dem eigentlichen Zweck der Normen – auch die faktischen Auswirkungen eines Verstoßes auf das Vermögen des Treugebers Beachtung finden müssen. Ein solches Verständnis ist mit dem Wortlaut des verlangten „vermögensschützenden Charakters“ vereinbar. Denn Charakter bezeichnet nicht nur das Telos. Überträgt man dessen Wortbedeutung auf eine Norm, so gelangt man zu der Einsicht, dass der Charakter einer Norm ihr individuelles Gepräge durch Eigenschaften bezeichnet, wie es in ihrer Wirkung zum Ausdruck kommt.38 Hat die tatsächliche Wirkung also einen Vermögensbezug, lässt sich hieraus auf ihr Gepräge und damit auf ihren Charakter schließen, sodass auch faktische Auswirkungen als Kriterium berücksichtigt werden müssten.39

Gegen ein solches Verständnis sprechen jedoch im Zusammenhang mit § 30 OWiG geäußerte Bedenken. Wenn jede nach § 30 OWiG tatbestandsmäßige Handlung mit der angeknüpften Geldbuße zur Begründung der Pflichtwidrigkeit i.S.v. § 266 StGB ausreichte, dann würde der § 266 StGB zu einem Universaldelikt aufgeblasen.40 Denn über den § 30 OWiG würden eine nicht absehbare Anzahl von Pflichten in den untreuerelevanten Pflichtenkreis aufgenommen. Diese Überlegung zeigt, dass die Berücksichtigung aller faktischen Auswirkungen auf das zu betreuende Vermögen zur Beurteilung des vermögensschützenden Charakters der verletzten Normen zu einer tatbestandlichen Ausweitung der Untreue führen würde. Das liefe aber der vom BVerfG geforderten restriktiven Handhabung des § 266 StGB entgegen.41

Allerdings ist, wie Saliger gezeigt hat, der § 30 OWiG nicht mit den Sanktionsnormen des PartG vergleichbar: Zum einen ist die Existenz einer (individuellen) Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit die Grundvoraussetzung des § 30 OWiG. Das PartG sanktioniert aber umgekehrt unmittelbar die Partei, die individuelle Strafbarkeit ist eine nachgelagerte – und hier diskutierte – Frage. Zum anderen besteht neben der § 30 OWiG zu Grunde liegenden individuellen Sanktion kein weiteres Strafbedürfnis für eine Untreuestrafbarkeit.42


23 Vgl. BGHSt 55, 288, 299 f.; BGHSt 56, 203, 211; Bittmann, NJW 2011, 88, 96.

24 Vgl. BGHSt 55, 288, 303; BGHSt 56, 203, 111; Corsten, wistra 2011, 389.

25 Siehe nur Corsten, wistra 2011, 389; Seier, in: Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht3, 2012, V 2 Rn. 209; Saliger, ZIS 2011, 902, 911; Velten, NJW 2000, 2852, 2853.

26 BGHSt 56, 203, 211; Corsten, wistra 2011, 389.

27 Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Strafgesetzbuch Kommentar, 2009, § 266 Rn. 82 m.w.N.

28 Vgl. Corsten, wistra 2011, 389; Velten, NJW 2000, 2852, 2853.

29 Vgl. Lampe, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 31b PartG Rn. 3.

30 Vgl. Morlok, NomosKommentar Parteiengesetz2, 2013, § 31b Rn. 1.

31 BGHSt 56, 203, 211.

32 Vgl. etwa Corsten, wistra 2011, 389; Velten, NJW 2000, 2852, 2853.

33 Vgl. Bittmann, wistra 2011, 343; Brand, NJW 2011, 1747, 1751.

34 BGHSt 55, 288, 300.

35 Vgl. zu diesem Grundgedanken Jäger (Fn. 5), S. 593, 604 f.

36 Vgl. Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen60, 2013, § 266 Rn. 59.

37 Vgl. zum Telos des § 266 StGB stellvertretend Saliger, in: SSW-StGB (Fn. 27), § 266 Rn. 1.

38 Vgl. zur Bedeutung des Wortes „Charakter“: http://www.duden.de/rechtschreibung/Charakter#Bedeutung1, letzter Abruf am 05.06.2013.

39 Ähnliches wird wohl auch Saliger gemeint haben, wenn er davon spricht, dass die Untreuestrafbarkeit von dem Schädigungspotential für das Vermögen des Treugebers abhängt, siehe: Saliger (Fn. 1), S. 48; der 1. Strafsenat wird freilich nicht von diesem Verständnis geleitet worden sein, hat er doch das Erfordernis des vermögensschützenden Charakters gerade im Hinblick auf das Rechtsgut des § 266 StGB eingeführt: vgl. Bittmann, NJW 2011, 88, 96.

40 Vgl. Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 25), V 2 Rn. 208; a.A. Schwind, NStZ 2001, 349, 352 f.

41 Vgl. BGHSt 55, 288, 300 f.; BVerfGE 126, 170, 204 f. und 210 f.

42 Vgl. Saliger (Fn. 1) , S. 207 f.

Olßon, Kritik an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zur Parteienuntreue (BLJ 2013, 80)82

Daraus ergibt sich zwar nicht unmittelbar ein Kriterium zur Beurteilung des vermögensschützenden Charakters einer Norm. Wohl ist danach aber zuzugeben, dass nicht sämtliche Sanktionen oder Schadensersatzforderungen als Kriterium herangezogen werden können, insbesondere weil bei Berücksichtigung aller faktischen Auswirkungen eine vom BVerfG verbotene Verschleifung der Merkmale Pflichtwidrigkeit und Nachteil drohen würde.43 Ein genereller Ausschluss der Berücksichtigung von Sanktionen oder Schadensersatzansprüchen erscheint aber ebenso unangemessen. Vielmehr ist aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungen jede Norm bzw. jeder Normenkomplex mit den jeweils angeknüpften Sanktionen auf ihren Charakter zu untersuchen. Eine pauschale Ablehnung der Berücksichtigung von Sanktionen ohne nähere Untersuchung erscheint danach zweifelhaft. Genau dies tut aber der 1. Strafsenat bezüglich der Sanktionen nach dem PartG. Ob ein spezieller Zusammenhang zum Vermögen der Partei besteht, untersucht er nicht.44

bb) Hinreichender Fremdvermögensbezug

Folgt man den obigen Ausführungen, so gelangt man zu dem Schluss, dass die Kriterien für die Bejahung des vermögensschützenden Charakters der verletzten Normen und das Erfordernis eines solchen etwa dem entsprechen, was Saliger als „hinreichenden Fremdvermögensbezug“ der (verletzten) Pflicht bezeichnet.45 Maßgebend für diesen seien die Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Zweck der (jeweiligen) Vorschrift und die Nähe der Pflicht zum Vermögen des Treugebers.46

In Konsequenz des Festgestellten muss danach gefragt werden, ob der Gesetzgeber zwischen den Pflichten und Sanktionen des PartG einen Bezug zum Parteivermögen hergestellt hat, der eine untreuerelevante Pflichtverletzung rechtfertigt, oder – mit den Worten des 1. Strafsenats – einen jedenfalls mittelbar vermögensschützenden Charakter begründet.

Das ist zu bejahen. Die hier in Rede stehenden Pflichten des PartG betreffen direkt das Vermögen bzw. Vermögenswerte der Partei. Indirekt besteht aufgrund der Sanktionen eine Verbindung zum Parteivermögen. Diese können insbesondere aufgrund der finanziellen Abhängigkeit der Parteien von staatlichen Mitteln einen großen finanziellen Schaden anrichten, sodass die Pflichten des PartG von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für die Parteien sind.47 Zwar ist vorrangiger Zweck der Vorschriften die Sicherstellung der Transparenz der Parteienfinanzierung, doch hat der Gesetzgeber die Rechnungslegungsvorschriften des PartG offensichtlich mit der Parteienfinanzierung und Verstöße mit finanziellen Sanktionen verknüpft. So hat der Gesetzgeber selbst einen Bezug der Pflichten des PartG mit dem jeweiligen Parteivermögen hergestellt.48

Hiergegen wird von Wagner angeführt, dass eine Pflicht nur dann vermögensschützend sein könne, wenn das Vermögen unabhängig von der Pflicht selbst einer Gefahr ausgesetzt ist. Da die Pflichtverletzung nach dem PartG aber Voraussetzung einer Sanktion sei, könne die Pflicht schwerlich gleichzeitig dem Schutz des Vermögens dienen.49 Dieses zunächst logisch erscheinende Argument erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch lediglich als bloße Behauptung. Diskutiert man nämlich über den Charakter einer Norm bzw. über die in ihr verkörperte Pflicht, bewegt man sich auf einer stark abstrakten Ebene. Dabei muss gefragt werden, ob ausschlaggebend für Feststellungen in diesem Bereich die Logik oder der Wille des Gesetzgebers sein soll. Letzteres ist überzeugender: Der Gesetzgeber ist als Schöpfer der Normen und Pflichten in seiner Gestaltung – bei Beachtung verfassungsrechtlicher Grenzen – frei. Wenn er also einer Pflicht einen entsprechenden Charakter verleiht, dann ist dem zu folgen, solange die Pflicht nicht in sich widersprüchlich ist. Die Vorschriften des PartG verlangen aber nicht sich gegenseitig Ausschließendes, sondern stellen Pflichten auf, die um ihrer eigenen Durchsetzung willen, also in ergänzender und nicht gegenläufiger Funktion, mit Sanktionen bewährt sind. Daher ist Wagners These abzulehnen.

Als weiteres Argument für den vermögensschützenden Charakter des PartG führt Saliger an, dass das Parteienrecht Wettbewerbsrecht ist. Die Sanktionen fungieren dabei als Regulationsinstrument, indem sie sich vermögensmindernd auf die staatliche Parteienteilfinanzierung der gegen das PartG verstoßenden Partei auswirken.50 Dass der Wettbewerb der Parteien um staatliche Mittel mit dem jeweiligen Parteivermögen verknüpft ist, leuchtet dabei unmittelbar ein. Denn der Erfolg in diesem Wettbewerb bestimmt unmittelbar die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel. Dann müssen folgerichtig aber auch die Sanktionen als Regulationsmechanismen des Wettbewerbs – und damit als Teil desselben – einen Vermögensbezug aufweisen.

Schließlich wird noch darauf hingewiesen, dass der 1. Strafsenat in Fortführung seiner Entscheidung auch den vergleichbaren Rechnungslegungsvorschriften des HGB, die ebenfalls nicht primär dem Vermögensinteresse des Geschäftsherrn dienen, einen vermögensschützenden Charakter absprechen müsste. Dies könnte zu Strafbarkeitslücken bei der Fallgruppe der Untreue durch unordentliche Buchführung führen.51

Daher ist im Ergebnis festzuhalten, dass ein hinreichender Bezug der Vorschriften des PartG zum Parteivermögen und damit auch ein jedenfalls mittelbar vermögensschützender Charakter zu bejahen ist.52 Ein Verstoß gegen diese kann also eine untreuetaugliche Pflichtverletzung begründen.

2. Vermögensschützender Charakter durch Aufnahme in die Satzung?

Folgt man dennoch dem 1. Strafsenat in seiner Auffassung, so muss beleuchtet werden, ob ein Verstoß gegen die Vorschriften des PartG wegen deren Aufnahme in die Satzung eine untreuerelevante Pflichtverletzung darstellt.

a) Untreuetaugliche Pflichtverletzung wegen Aufnahme in Satzung

Offenbar geht der 1. Strafsenat von dieser Annahme aus.53 Es


43 Siehe dazu BVerfGE 126, 170, 211.

44 Vgl. BGHSt 56, 203, 211.

45 Saliger, in: SSW-StGB (Fn. 27), § 266 Rn. 32.

46 Vgl. Saliger, in: SSW-StGB (Fn. 27), § 266 Rn. 32.

47 Vgl. Saliger (Fn. 1), S. 49 f.

48 Vgl. Saliger (Fn. 1), S. 51.

49 Wagner, ZIS 2012, 28, 32.

50 Vgl. Saliger, ZIS 2011, 902, 911; zum Wettbewerbsrecht siehe: Morlok, NJW 2000, 761, 768.

51 Vgl. Saliger, ZIS 2011, 902, 911 m.w.N.; a.A. Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 25), V 2 Rn. 210.

52 So auch: Saliger, ZIS 902, 911; ders (Fn. 1), S. 51 f.

53 Vgl. BGHSt 53, 203, 213; zustimmend etwa Corsten, wistra 2011, 389, 390.

Olßon, Kritik an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zur Parteienuntreue (BLJ 2013, 80)83

bleibt jedoch „mysteriös“, warum ein nur deklaratorischer Hinweis auf gesetzliche Regelungen den Schutzzweck derselben erweitern oder ändern sollte.54 Schon aus dem Wortlaut des § 266 I StGB ergibt sich, dass der Inhalt einer Pflicht – und nicht die Quelle – für ihre Untreuetauglichkeit relevant ist. Denn Gesetz und Rechtsgeschäft werden gleichrangig nebeneinander als Pflichtenquellen aufgeführt. Entspringen die Pflichten also aus dem PartG, dann bleiben diese unabhängig von einer etwaigen Wiederholung in der Satzung in ihrem Inhalt unberührt.55 Dies muss jedenfalls immer dann gelten, wenn die Pflichten nicht rechtsgeschäftlich modifiziert werden, weil andernfalls kein den Inhalt der Pflicht änderndes Moment identifizierbar ist.56 Die unterschiedliche Beurteilung der Pflichten des PartG in Abhängigkeit davon, ob sie in einem öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Kontext relevant werden, ist daher als gekünstelte Aufspaltung abzulehnen.57

Auch ist festzuhalten, dass der 1. Strafsenat durch seine Annahme die eigentlich bezweckte und vom BVerfG geforderte Restriktion der Untreue zu unterlaufen droht: Wenn eine Pflicht durch die formale Wiederholung in einer Satzung vermögensschützend würde, dann läuft das Restriktionspotential des Erfordernisses des vermögensschützenden Charakters leer.58 Es ist danach nämlich denkbar, dass auf diese Weise selbst vormals nicht untreuerelevante Pflichten zu solchen erhoben werden könnten, solange sie nur irgendeine Auswirkung auf das Vermögen des Treugebers haben.59 Somit wäre im Ergebnis sogar eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Untreue und gerade keine Restriktion zu erwarten. In diesem Fahrwasser argumentiert auch Rönnau, der anmerkt, dass die Gefahr bestehe, dass Privatpersonen durch die Aufnahme von Pflichten in die Satzung in strafbarkeitsbegründender Weise auftreten könnten.60 Andersherum besteht aber ebenso die Gefahr, dass durch einen bewussten Verzicht auf die Bezugnahme gesetzlicher Pflichten in der Satzung zwecks Vermeidung von Strafbarkeitsrisiken im Grundsatz strafwürdiges Verhalten straflos bliebe.61 Aus diesen Gründen wird hier vertreten, dass die Aufnahme der Pflichten in die Satzung den vermögensschützenden Charakter derselben nicht zu verändern mag.

b) Widersprüchliche Standpunkte bzgl. der Herstellung des Vermögensbezugs?

Gegenüber der Ansicht des 1. Strafsenats bestehen noch weitere Bedenken, die sich aus der unterschiedlichen Verortung des „vermögensschützenden Charakters“ ergeben: Im Rahmen der Prüfung des unmittelbaren Verstoßes gegen das PartG bejaht der 1. Strafsenat zunächst kurz eine Vermögensbetreuungspflicht, verneint aber eine Pflichtverletzung wegen des mangelnden vermögensschützenden Charakters dieser Vorschriften.62 Der vermögensschützende Charakter wird hier also bei der Verneinung der Pflichtverletzung relevant.

Bei der Prüfung des Satzungsverstoßes hingegen argumentiert der 1. Strafsenat, dass die parteiinterne Ausgestaltung die Pflicht zu einer vermögensschützenden Hauptpflicht erhöbe.63 Der „vermögensschützende Charakter“ wird an dieser Stelle nicht als solcher erwähnt. Vielmehr wird schlicht ein besonderer Zusammenhang zwischen den Aufgaben des Verpflichteten und dem Parteivermögen begründet.64 Im Ergebnis zieht der 1. Strafsenat hier also den besonderen Vermögensbezug nicht zur Begründung der Pflichtverletzung, sondern zu der einer spezifischen Pflichtenstellung heran.65 Er erhebt eine zunächst nicht untreuerelevante Pflicht zu einer von der Vermögensbetreuungspflicht umfassten, vermögensbezogenen Hauptpflicht. Der für eine strafbare Untreue notwendige, untreuespezifische Zusammenhang wird sodann in der Prüfung der Pflichtverletzung ohne weiteres daraus abgeleitet, dass diese Vermögensbetreuungspflicht verletzt wurde.66

Damit verortet der 1. Strafsenat den besonderen Vermögensbezug auf dogmatisch unterschiedlichen Ebenen. Unabhängig von der Verortung desselben bleibt der Kern des Problems aber in beiden Fällen der gleiche: Entscheidend ist, dass ein hinreichender Bezug zwischen der verletzten Pflicht und dem Vermögen hergestellt wird. Durch seine Ausführungen spaltet der 1. Strafsenat dieses eine Problem unnötig auf; schon die getrennte Prüfung von zwei Pflichtverletzungen ist abzulehnen. Denn in Rede steht im Kern nur die eine Pflichtverletzung der durch Amt und Satzung begründeten Vermögensbetreuungspflicht durch den Verstoß gegen das PartG. Dass den Ausführungen des 1. Strafsenat dieses Verständnis zugrunde liegt, zeigt sich bereits darin, dass er den Vorschriften des PartG zuspricht, Ursache der Verletzung einer vermögensbezogenen Hauptpflicht zu sein. Damit erkennt er indirekt den Vermögensbezug dieser Vorschriften an, sodass er schon den Verstoß gegen sie als untreuetaugliche Pflichtverletzung gelten lassen müsste. Indem der 1. Strafsenat aber eine Aufspaltung dieses einen Problems unternimmt, schafft er über die Fallgruppe der Parteienuntreue hinaus Unsicherheit darüber, ob der „vermögensschützende Charakter“ einer Norm stets als Voraussetzung einer Pflichtverletzung festgestellt werden muss oder ob die Begründung einer speziellen Vermögensbetreuungspflicht ausreicht, um den Bezug zwischen der verletzten Pflicht und dem Vermögen herzustellen. Das ist insbesondere wegen des Rechtsunsicherheitsminimierungs- und des Präzisierungsgebots bedenklich.67

C. Vermögensnachteil

Beachtung verdient die Entscheidung des 1. Strafsenats in der „Kölner Parteispendenaffäre“68 auch hinsichtlich des Merkmals des Vermögensnachteils.

I. Ansicht des 1. Strafsenats

Die bisherige Rechtsprechung ist in den Fällen der Parteienuntreue i.e.S. von einem Gefährdungsschaden69 wegen des


54 Jahn, JuS 2011, 1133, 1135; Wagner, ZIS 2012, 28, 32; vgl. auch Dierlamm, in: FS Widmaier, 2008, S. 607, 612.

55 Vgl. Saliger, ZIS 2011, 902, 911; so im Ergebnis auch: Brand, NJW 2011, 1747, 1752; Rönnau, StV 2011, 753, 755; Wagner, ZIS 2012, 28, 32.

56 So wohl auch Rönnau, StV 2011, 753, 755.

57 Vgl. Saliger, ZIS 2011, 902, 911.

58 Vgl. Wagner, ZIS 2012, 28, 32.

59 Vgl. Saliger, ZIS 2011, 902, 911.

60 Vgl. Rönnau, StV 2011, 753, 755.

61 Vgl. Saliger, ZIS 2011, 902, 911.

62 BGHSt 56, 203, 211.

63 BGHSt 56, 203, 212 f.

64 Vgl. BGHSt 56, 203, 212.

65 So scheint auch Bittmann die Entscheidung zu verstehen: Bittmann, NStZ 2012, 57, 59.

66 BGHSt 56, 203, 213.

67 Näher zu diesen Geboten: Saliger, NJW 2010, 3195, 3196.

68 BGHSt 56, 203-222.

69 Siehe zum grundsätzlichen Anerkenntnis der Figur des Gefährdungsschadens in der st. Rspr. und h.L. stellvertretend Fischer (Fn. 36), § 266 Rn. 150 m.w.N.

Olßon, Kritik an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zur Parteienuntreue (BLJ 2013, 80)84

konkreten Risikos von Sanktionen für den jeweiligen Bundesverband ausgegangen.70

Mit dieser Rechtsprechung zum Nachteil i.S.d. § 266 StGB hat der 1. Strafsenat gebrochen. So ist nach dessen Auffassung mit der Entdeckung der Tat und schon vor der Festsetzung der Sanktion wegen des Erfordernisses einer Rückstellungsbildung unmittelbar ein endgültiger Vermögensnachteil und nicht bloß ein Gefährdungsschaden zu bejahen.71 Damit stellt der 1. Strafsenat zur Beurteilung des Nachteils erkennbar auf den Zeitpunkt der Tatentdeckung ab.72 Die bisher herrschende Meinung hingegen führte die Gesamtsaldierung im Zeitpunkt der Tathandlungsvollendung durch.73 Hieran hält der 2. Strafsenat auch nach der Entscheidung des 1. Strafsenats weiter fest.74

Nicht zuletzt ist die Feststellung beachtlich, dass ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Vermögensnachteil nicht erforderlich sei.75 Damit stellt sich der 1. Strafsenat ausdrücklich gegen die Auffassung des 5. Strafsenats.76 Auch der 2. Strafsenat hat an dem Unmittelbarkeitserfordernis festgehalten,77 worauf der 1. Strafsenat in einer zeitlich darauffolgenden Entscheidung aber nicht eingegangen ist.78 Schließlich ist es erstaunlich, dass nach Ansicht des 1. Strafsenats die Möglichkeit der Regressnahme bei dem untergeordneten Verband den Nachteil des Bundesverbandes nicht entfallen lasse. Denn ein solcher Regress stelle keine unmittelbare Schadenskompensation dar.79 Der 1. Strafsenat verzichtet also auf das Unmittelbarkeitskriterium zwischen Pflichtverletzung und Nachteil, während er an diesem bei der Schadenskompensation festhält.

II. Kritik an der Ansicht des 1. Strafsenats

1. Sanktionsgefahr – ein Endschaden?

Stellt man wie der 1. Strafsenat für die Gesamtsaldierung auf den Zeitpunkt der Tatentdeckung ab, so ist die Annahme eines endgültigen Vermögensnachteils folgerichtig. Daher ist zu untersuchen, ob mit der bisherigen Auffassung eine Gesamtsaldierung ex ante im Zeitpunkt der Tathandlungsvollendung vorzugswürdig bleibt.

Saliger bemerkt hierzu, dass eine Änderung des maßgeblichen Zeitpunkts der Gesamtsaldierung unabsehbare Folgen für die Schadensdogmatik haben würde.80

Eine solche Änderung ist aber abzulehnen, die ex ante Betrachtung bei Vollendung der Tathandlung ist überzeugender: Denn die Funktion des Nachteils als Erfolg der Untreue ist nicht, nur solche Fälle herauszufiltern, in denen – mit der Tatentdeckung – der eigentliche Täterplan fehlgeht (etwas „schief geht“), sondern die Opfer schon vor riskanten Tathandlungen als solchen zu schützen.81 Folgte man aber der Ansicht des 1. Strafsenats, so wäre die Tatentdeckung als maßgeblicher Zeitpunkt der Gesamtsaldierung notwendige Voraussetzung des Nachteils, weil dieser bezifferbar sein muss.82 Vor der Tatentdeckung könnte keine Bezifferung mittels Gesamtsaldierung durchgeführt werden. Damit wäre die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht trotz erheblicher Gefahren für das Vermögen des Treugebers oder sogar tatsächlich eingetretener Vermögenseinbußen keine Untreue, wenn diese unentdeckt bliebe. Zwar kann dem entgegnet werden, dass eine Verurteilung in der Praxis immer von der Tatentdeckung abhängt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Strafwürdigkeit des Täters einer Untreue unabhängig von der Tatentdeckung besteht. Dem wird einzig die Gesamtsaldierung im Zeitpunkt der Tathandlungsvollendung gerecht, da allein dieser Zeitpunkt sicher erfolgt und in jedem Fall die Möglichkeit der Bezifferung des Nachteils eröffnet. Daher sollte der Nachteil weiterhin ex ante im Zeitpunkt der Tathandlungsvollendung bestimmt werden,83 sodass drohende Sanktionen als Gefährdungsschäden anzusehen sind.

Sieht man aber in drohenden Sanktionen einen Gefährdungsschaden, wird ein Problem erkennbar, welches möglicherweise auch die Entscheidung des 1. Strafsenats erklärt. Während die bisherige Rechtsprechung in dem Risiko von Sanktionen ohne Weiteres einen Gefährdungsschaden annehmen konnte, sah sich der 1. Strafsenat mit den Vorgaben des BVerfG konfrontiert, nach denen der Nachteil in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise beziffert werden muss.84 Bei einem Abstellen auf die Tathandlungsvollendung muss demnach bereits in diesem Zeitpunkt das Risiko drohender Sanktionen bei etwaiger Tataufdeckung als Nachteil bezifferbar sein. Man könnte hierbei zwar an einen Nachteil wegen des Erfordernisses einer Rückstellungsbildung denken, deren Höhe sich aus einer Multiplikation des Aufdeckungsrisikos mit dem absoluten Sanktionsbetrag ergibt. Denn ein gewisses Mindest-Aufdeckungsrisiko wird anzunehmen sein, sodass ein Mindestschaden wohl konstruierbar wäre. Dies erscheint allerdings sehr vage, weil die Rechengrößen im Ergebnis schwer zu bestimmen bleiben. Ob das noch den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt, ist zweifelhaft. Falls dies jedoch nicht der Fall sein sollte, bliebe beim Abstellen auf den Tathandlungsvollendungszeitpunkt die Parteienuntreue i.e.S. wegen nicht bezifferbaren Nachteils straflos. Dies erscheint wegen der Strafwürdigkeit des genannten Verhaltens unbefriedigend, wäre aber die Konsequenz der Rechtsprechung des BVerfG. Um dies zu vermeiden, könnte der 1. Strafsenat auf den Zeitpunkt der Tatentdeckung abgestellt haben, da ab diesem Zeitpunkt der Nachteil aufgrund des Wegfalls der Risikokomponente bezifferbar war. Ob dieser Umschwung mit der ansonsten nicht geahndeten Strafwürdigkeit gerechtfertigt werden kann, bedarf jedoch weiterer Diskussion. Es ist dabei aber zu bedenken, dass wegen des § 31d PartG nunmehr keine vollumfängliche Strafbarkeitslücke droht.85


70 Vgl. LG Bonn, NStZ 2001, 375, 377; BGHSt 51, 100, 117; BGH, wistra 2007, 184 f.; Bosch, JA 148, 150; Fischer (Fn. 36), § 266 Rn. 157.

71 BGHSt 56, 203, 210 f.; an dieser Auffassung hat der 1. Strafsenat auch in folgenden Entscheidungen festgehalten, vgl. BGH, NStZ 2013, 164.

72 Dies merkte bereits Saliger an: Saliger, ZIS 2011, 902, 911.

73 Vgl. nur Saliger, in: SSW-StGB (Fn. 27), § 266 Rn. 5 m.w.N.; a.A. etwa: Krüger, NJW 2002, 1178, 1179 f.

74 Vgl. BGH NJW 2011, 3528, 3529.

75 BGHSt 56, 203, 220.

76 Vgl. BGH, NStZ 2009, 686, 688; Wagner, ZIS 2012, 28, 35.

77 Vgl. BGH, NJW 2011, 3528, 3529.

78 Vgl. BGH, NJW 2012, 3797 f.

79 BGH, NJW 2012, 3797, 3798.

80 Saliger, ZIS 2011, 902, 911.

81 Vgl. Velten, NJW 2000, 2852, 2856.

82 Vgl. zur Voraussetzung des bezifferbaren Nachteils: BVerfGE 126, 170, 211 und 229 f.

83 So im Ergebnis auch Bittmann, NStZ 2012, 57 f.

84 BVerfGE 126, 170, 211 f.

85 Auch vom 1. Strafsenat ist anerkannt, dass der § 31d PartG einer Strafbarkeit wegen Untreue nicht entgegensteht, beide sind nebeneinander anwendbar: vgl. BGHSt 56, 203, 222; BGH, NStZ-RR 2007, 176; Wagner, ZIS 2012, 28, 30; so auch schon Saliger (Fn. 1), S. 663-666.

Olßon, Kritik an der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zur Parteienuntreue (BLJ 2013, 80)85

2. Verzicht auf den Unmittelbarkeitszusammenhang

Weiter ist der Verzicht auf den Unmittelbarkeitszusammenhang eine bedeutsame Entscheidung des 1. Strafsenats.

Dieser stößt überwiegend auf Ablehnung. So halten nicht nur andere Senate am Unmittelbarkeitszusammenhang fest.86 Auch in der Literatur wird kritisiert, dass er ein Restriktionspotential für den weiten Untreuetatbestand bietet, welches genutzt werden müsse.87 Der Unmittelbarkeitszusammenhang sei erforderlich, um dem Unrechtsgehalt der Untreue, nämlich der Nachteilszufügung durch Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht, gerecht zu werden.88 Ferner würde ohne diesen der Anwendungsbereich der ohnehin merkmalsarmen89 Untreue erheblich erweitert,90 da allein Kausalität die notwendige Einschränkung des Tatbestandes nicht leisten könne.91 Dem ist zuzustimmen. Vor dem Hintergrund der Vorgaben des BVerfG, welches eine restriktive Handhabung des § 266 anmahnt,92 ist ein Verzicht auf Möglichkeiten zur Tatbestandseinschränkung nicht überzeugend.93 Dabei ergeben sich wegen der divergierenden Rechtsprechung anderer Senate auch bezüglich des Rechtsunsicherheitsminimierungs- und Präzisierungsgebotes Zweifel an der Entscheidung des 1. Strafsenats. Schließlich wird kritisiert, dass der 1. Strafsenat auf einen Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil verzichtet, diesen aber für die Kompensation eines Nachteils fordert. Demnach müsse er auch zwischen Pflichtverletzung und Nachteil bestehen bleiben.94 Für eine Gleichbehandlung beider Aspekte streitet auch Bittmann, der dem 1. Strafsenat zustimmend andersherum einen Verzicht auf den Unmittelbarkeitszusammenhang bei der Schadenskompensation fordert.95 Ob ein Verzicht auf das Unmittelbarkeitskriterium, wie Bittmann ihn fordert,96 aber dieselbe restriktive Wirkung haben würde wie die Beibehaltung desselben zwischen Pflichtverletzung und Nachteil, mag bezweifelt werden. Denn dann könnte nur für die Fälle eine strafbare Untreue ausscheiden, in denen überhaupt eine Kompensation im Raum steht. Dagegen sichert eine Beibehaltung des Unmittelbarkeitskriteriums eine Restriktion des § 266 StGB selbst in den Fällen, in denen keine Kompensation ersichtlich ist. Daher ist nach der hier vertretenen Ansicht an dem Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vermögensnachteil als wichtiger Restriktionsmöglichkeit des § 266 StGB festzuhalten.

D. Fazit

Nach den Entscheidungen des 1. Strafsenats im Zusammen hang mit der „Kölner Parteispendenaffäre“ wird deutlich, dass die Fallgruppe der (strafbaren) Parteienuntreue i.e.S. unzweifelhaft von der Rechtsprechung Anerkennung findet. Dabei ist den Vorschriften des PartG entgegen der Auffassung des 1. Strafsenats ein vermögensschützender Charakter zuzusprechen. Er selbst unterläuft jedoch die eigentlich von diesem Erfordernis bezweckte Restriktion des § 266 StGB, indem die Aufnahme von Pflichten in die Satzung deren vermögensschützenden Charakter begründen soll, da soweit ersichtlich ohnehin alle Parteien in ihrer Satzung auf die Vorschriften des PartG verweisen97. Ferner weitet der Verzicht auf den Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Nachteil den Anwendungsbereich des § 266 StGB erheblich aus. Schließlich verhindert die Annahme eines endgültigen Nachteils die eventuelle Straflosigkeit wegen eines nicht bezifferbaren Gefährdungsschadens. Jedenfalls führt ein endgültiger Nachteil zur Nichtanwendbarkeit der vom 2. Strafsenat geforderten höheren Anforderungen an den Vorsatz bei Gefährdungsschäden.98 Zusätzlich führen die vom 1. Strafsenat ausgelösten Widersprüche zwischen den verschiedenen Senaten dazu, dass die Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen Parteienuntreue i.e.S. nicht eindeutig einschätzbar sind, was im Hinblick auf das Rechtsunsicherheitsminimierungs- und Präzisierungsgebot problematisch erscheint.99 Die Entscheidungen des 1. Strafsenats sind demnach inhaltlich abzulehnen.


86 Vgl. BGH, NStZ 2009, 686, 688; BGH, NJW 2011, 3528, 3529.

87 Vgl. Brand, NJW 2011, 1747, 1751 f.; Rönnau, StV 2011, 753, 761; Saliger, NStZ 2007, 545, 549; Wagner, ZIS 2012, 28, 35.

88 Corsten, wistra 2011, 389, 390.

89 Jahn, JuS 2011, 1133, 1135 f.

90 Vgl. Brand, NJW 2011, 1747, 1752; Corsten, wistra 2011, 389, 390.

91 Brand, NJW 2011, 1747, 1752.

92 Vgl. BVerfGE 126, 170, 198 f. und 215 f.

93 Vgl. auch Jahn, JuS 2011, 1133, 1135 f.; Wagner, ZIS 2012, 28, 35.

94 Corsten, wistra 2011, 389, 390; so auch Seier, in: Achenbach/Ransiek (Fn. 25), V 2 Rn. 212.

95 Vgl. Bittmann, NStZ 2012, 57, 60; ders., NJW 2011, 88, 96 f.; ders., wistra 2011, 343, 344.

96 Vgl. Bittmann, NStZ 2012, 57, 60; ders., NJW 2011, 88, 96 f.; ders., wistra 2011, 343, 344.

97 Vgl. Rönnau, StV 2011, 753, 755; siehe auch beispielsweise § 2 I FBO vom Stand 5.12.2012 sowie die Beschlüsse D1 und D2 der Bundes-CDU, aus denen die finanzielle Bedeutung der Sanktionen nach dem PartG hervorgeht: http://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/121205-statutenbroschuere.pdf, S. 32, letzter Abruf am 10.06.2013.

98 Siehe hierzu BGHSt 51, 100, 121; vgl. auch Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 49.

99 Vgl. zu diesen Saliger, NJW 2010, 3195, 3196.