Reform der Bürgerbeteiligung für die Planfeststellung von Infrastrukturvorhaben

von Professor Dr. Michael Fehling*

A. Einführung

In dem Kult-Buch vom Ende der 70er-Jahre „Per Anhalter durch die Galaxis“ wird den Menschen von den „Vogonen“ die Sprengung der Erde zur Schaffung einer intergalaktischen Raumstraße angekündigt. Als sich verständnisloser Schrecken ausbreitet, heißt es nur:

„Es gibt überhaupt keinen Grund, dermaßen überrascht zu tun. Alle Planungsentwürfe und Zerstörungsanweisungen haben 50 Erdenjahre lang in Ihrem zuständigen Planungsamt auf Alpha Centauri ausgelegen. Sie hatten also viel Zeit, formell Beschwerde einzulegen, aber jetzt ist es viel zu spät (…)“.

Und dann:

„Was soll das heißen, Sie sind noch nie auf Alpha Centauri gewesen? Ja du meine Güte, ihr Erdlinge, das ist doch nur vier Lichtjahre von hier. Tut mir leid, aber wenn Sie sich nicht einmal um ihre ureigensten Angelegenheiten kümmern, ist das wirklich Ihr Problem“.1

Es ist aber auch schwierig, eine Öffentlichkeitsbeteiligung an Infrastrukturplanungen so zu terminieren und zu organisieren, dass sich die Betroffenen rechtzeitig angesprochen fühlen und noch substantiell auf die Entscheidung Einfluss nehmen können. Das wissen wir nicht erst seit Stuttgart 21 und hat soeben auch den 69. Deutschen Juristentag sowie die Jahrestagung der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer beschäftigt. Oftmals fehlt bei Behörden und Vorhabenträgern wohl auch die Bereitschaft zu einer mehr oder minder ergebnisoffenen Diskussion mit den Bürgern; schließlich will man sich das detailliert ausgeklügelte Infrastrukturprojekt nicht von emotional aufgewühlten Wutbürgern zerreden lassen. Auf der anderen Seite mag der eine oder andere prinzipielle Projektgegner seine vorgefasste Meinung ungern durch Argumente auf den Prüfstand stellen lassen. Wer der Gegenseite ohnehin nicht traut, sieht in der Bürgerbeteiligung allein ein weiteres Forum für Protest und Vehikel für eine Verzögerungsstrategie.

Der Regierungsentwurf eines Planungsvereinfachungsgesetzes2 will nun die Öffentlichkeitsbeteiligung effektiver gestalten, vor allem durch ein zusätzliches vorgezogenes Beteiligungsverfahren. Um diesen Entwurf bewerten zu können, ist es jedoch zuvor erforderlich, über Ziele und Funktionen der Bürgerbeteiligung Rechenschaft abzulegen (sogleich B.) und das bislang geltende Recht mit seinen Mängeln zu analysieren (C.). Nach der Auseinandersetzung mit dem Reformvorhaben (D.) sollen auch die gerichtlichen Rügemöglichkeiten bei Verfahrensfehlern betrachtet werden, weil sich nicht zuletzt daran entscheidet, welcher Eigenwert der Öffentlichkeitsbeteiligung tatsächlich zukommt (E.). Das abschließende Fazit versucht auch eine übergreifende ökonomische (Effizienz-)Betrachtung (F.).

Dabei stehen in diesem Beitrag vor allem Planfeststellungen für Fernstraßen (nach dem Bundesfernstraßengesetz – FStrG), Eisenbahnen (nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz – AEG) sowie Flughäfen (nach dem Luftverkehrsgesetz – LuftVG) im Fokus. Ein vergleichender Seitenblick wird auf die Planung von (Hochspannungs-)Stromleitungen geworfen, die kürzlich im Netzausbau-Beschleunigungsgesetz für das Übertragungsnetz (NABEG)3 neu geregelt worden ist.

B. Ziele und Funktionen der Öffentlichkeitsbeteiligung

Traditionell steht die instrumentelle Funktion des Verfahrens,4 also die Verbesserung der Planungsentscheidung im Vordergrund. Die Öffentlichkeitsbeteiligung soll vor allem der Verwaltung Informationen über abwägungsrelevante Belange (Fakten und Interessen) liefern. Das gilt auch im Zusammenhang mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die für die Umweltauswirkungen des Infrastrukturprojekts sensibilisieren und dazu entsprechendes Wissen generieren soll.5 Für die rechtlich Betroffenen geht es zu-


* Schriftfassung eines Vortrags, den der Verfasser am 20.9.2012 beim 45. Verkehrswissenschaftlichen Seminar in Freiburg i. Br. gehalten hat. Der Vortragsstil wurde beibehalten.

1 Adams, Per Anhalter durch die Galaxis, 2009 [Erstausgabe 1979], S. 43 f. Für den Hinweis auf diese Textstelle danke ich Martin Hochhuth.

2 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG), BT-Drucks 17/9666, S. 1.

3 Dazu etwa Schmitz/Jornitz, NVwZ 2012, 332 ff.; Durner, DVBl. 2011, 853, 858; Franzius, GewArch 2012, 225, 229 f.

4 Zur Unterscheidung von instrumentellen und nicht instrumentellen Verfahrensfunktionen sowie zum Folgenden näher Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 281-284; aufgegriffen von Burgi/Durner, Modernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG, 2012, S. 29 ff.; ähnliche Unterscheidung z.B. bei Ossenbühl, NVwZ 1982, 465, 466; H. A. Wolff, in: FS Scholz, 2007, S. 977, 978; Burgi, JZ 2010, 105, 108.

5 Vgl. Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 309.

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gleich um Grundrechtsschutz durch Verfahren.6

In jüngerer Zeit, besonders unter dem Eindruck von Stuttgart 21, werden nicht instrumentelle Funktionen wie namentlich Verfahrensgerechtigkeit, Transparenz, Legitimation7 und Akzeptanz8 wieder stärker betont. Dabei darf die Bürgerbeteiligung (allgemeiner: Partizipation9 ) gerade nicht als ein bloßes Ritual zur Ruhigstellung der Betroffenen missverstanden werden, wie dies bei Luhmanns Verständnis von Legitimation durch Verfahren anklingt.10 Für Legitimation und Akzeptanz – sofern überhaupt möglich, da für die Betroffenen meist in allererster Linie das Ergebnis zählt11 – ist die Ergebnisoffenheit des Beteiligungsverfahrens und dessen „Timing“ von zentraler Bedeutung. Eine zu frühe Beteiligung droht mangels Aktivierbarkeit der Bevölkerung leerzulaufen, eine zu späte Beteiligung droht zu einer bloßen Rechtfertigung bereits verfestigter Planungsabsichten zu degenerieren.

Gerade diese nicht instrumentellen Verfahrensfunktionen stünden jedoch, wie verbreitet behauptet wird, in einem Spannungsverhältnis zum Ziel einer Verfahrensbeschleunigung,12 wie es zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland die meisten einschlägigen Gesetzesnovellen der letzten rund 20 Jahre geprägt hat.13 Dahinter steht die Sorge, ausgebaute Mitwirkungsrechte könnten in Großverfahren zur Verfahrensverschleppung missbraucht werden, eine Überflutung der Anhörungsbehörde mit – wie nicht selten – tausenden von Einwendungen drohe sie lahmzulegen. Doch werden Konflikte, die im Planfeststellungsverfahren nicht bewältigt werden, sich regelmäßig in Gerichtsverfahren fortpflanzen und dort zu Verzögerungen führen; im Einzelfall – siehe Stuttgart 21 – können sie sogar noch beim Baubeginn wieder aufflammen. Dies deutet darauf hin, dass die effiziente Verfahrensgestaltung ein komplexes, über das Planfeststellungsverfahren hinausgreifendes Optimierungsproblem darstellt. Darauf ist im Fazit zurückzukommen.

C. Unzulänglichkeiten des derzeitigen Rechts

I. Die Rechtslage bei gestuften Infrastrukturplanungen im Überblick

Bei Infrastrukturplanungen darf man den Blick gerade auch unter dem Aspekt der Bürgerbeteiligung nicht allein auf das Planfeststellungsverfahren richten. Dieses ist vielmehr als letzter Schritt eingebettet in eine Kette von schrittweise konkreteren Planungsakten. Dabei wird schon auf verschiedenen abstrakteren Stufen die Öffentlichkeit zumindest rudimentär beteiligt, meist im Zusammenhang mit einer strategischen Umweltprüfung oder Umweltverträglichkeitsprüfung.

1. Der Planfeststellung vorgelagerte Planungsstufen und dortige zersplitterte Öffentlichkeitsbeteiligung

Der Planfeststellung sind in fachgesetzlich unterschiedlicher Ausgestaltung folgende vorbereitende Planungsstufen vorgelagert:

– Bei transeuropäischen Netzen findet sich bereits eine europäische Rahmenplanung in Form von Leitlinien. Darin werden zur Sicherung grenzüberschreitender Interoperabilität Projekte von vorrangigem europäischen Interesse definiert (vgl. Art. 170 ff. AEUV), mit eingeschränkter Bindungswirkung für die nationale Bedarfsfeststellung und Auswirkungen sogar auf die Abwägung.14

– Auf nationaler Ebene ist speziell für Verkehrswege (und ähnlich bei den Energienetzen; nicht aber bei Flughäfen, wo die luftverkehrsrechtliche Genehmigung gemäß § 6 iVm. § 8 Abs. 6 LuftVG nur scheinbar eine Stufung bewirkt15 ) eine gesetzliche Bedarfsplanung nach dem Fernstraßenausbaugesetz – FStAbG – bzw. dem Bundesschienenwegeausbaugesetz – SchWAbG) vorgesehen. Die fachspezifischen Bedarfsplanungen fließen in den Bundesverkehrswegeplan ein, der wiederum durch einen Verbund von Plänen mit unterschiedlicher zeitlicher Reichweite, Genauigkeit und Verbindlichkeit unterfüttert ist.16 Für den als vordringlich definierten Bedarf besteht ein uneingeschränkter weiterer Planungsauftrag.

– Allgemein gibt es die Raumordnung mit Raumordnungsplänen – wobei auch fachbezogene Teilplänen, zum Beispiel für Flughäfen, möglich sind – und Raumordnungsverfahren nach § 15 Abs. 1 ROG.17

– Für Bundesfernstraßen (nicht für Schienenwege) folgt für jedes Einzelprojekt vor der Planfeststellung noch eine grobe Linienbestimmung in der Verantwortung des Bun-


6 Grundlegend BVerfGE 53, 30, 59 f. u. 62-66 – Mülheim-Kärlich; K. Hesse, EuGRZ 1978, 427, 434-436; zum aktuellen Diskussionsstand Schmidt-Aßmann, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 45; zusammenfassend m.w.N. Rossen-Stadtfeld, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts (GVwR), Bd. 2², 2012, § 29 Rn. 39 u. 41 f.

7 Dazu im vorliegenden Kontext etwa Schmehl, in: FS Bull, 2011, S. 347 ff.; Saurer, DVBl. 2012, 1082, 1086-1088.

8 Dazu grundlegend Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, 1996; ders., NJW 1991, 257 ff. Teilweise wird bei Partizipation der Betroffenen und Entscheidungsoffenheit der Behörde auch von Akzeptabilität gesprochen, während mit Akzeptanz eine bloßes Hinnehmen der Entscheidung durch die Betroffenen verstanden wird, so G. Winter, ZUR 2012, 329; diese sprachliche Unterscheidung wird im Folgenden nicht gemacht.

9 Zur Entstehung und Entwicklung des Partizipationsdiskurses in der Rechtswissenschaft eingehend A.-B. Kaiser, Die Kommunikation der Verwaltung, 2009, S. 136-166.

10 Wenn er allein auf das tatsächliche Akzeptieren von Entscheidungen im Sinne eines wertfreien Sichabfindens abstellt (Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1978, StB Wiss., S. 33 u. 40 ff) und auch dies nur für Gerichtsverfahren, während er Verwaltungsverfahren von Legitimations- und Akzeptanzbürden entlasten will (ebd. S. 210 f., zu Ausnahmen S. 216 f.); Tendenz zu einem derartigen Akzeptanzverständnis im hiesigen Zusammenhang bei Schink, DVBl. 2011, 1377ff.

11 Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 283. Allerdings stellten bei Stuttgart 21 viele Aktivisten neben der inhaltlichen Ablehnung des Projekts und sogar vorrangig die als defizitär empfundene Vorhabenlegitimation in den Mittelpunkt ihrer Kritik, vgl. Saurer, DVBl. 2012, 1082, 1087; Knauff, DÖV 2012, 1, 6 f.; Stüer/Buchsteiner, UPR 2011, 335, 336.

12 Grundlegend Bullinger, Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben, 1991; zum historischen und rechtsvergleichenden Hintergrund ders., JZ 1991, 53 ff.; einseitiger an den Vorstellungen der Wirtschaft orientiert der Bericht der damaligen Beschleunigungs-Expertenkommission: Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, 1994.

13 Zuletzt mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz von 2006 (BGBl. I, S. 2833). Überblick über die Beschleunigungsgesetzgebung seit 1991 bei Cancik, DÖV 2007, 107 f.

14 Näher zu Inhalt und Bindungswirkung Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV4, 2011, Art. 171 insbes. Rn. 1-20 u. 22-30; Steinberg/Wickel/Müller (Hrsg.), Fachplanung4, 2012, § 7 Rn. 81-83, zu den weiterereichenden europäischen Einwirkungsmöglichkeiten bei transeuropäischen Energienetzen Rn. 84.

15 Im Einzelnen Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 9-19, insbes. Rn. 11.

16 Dazu näher Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 104-109; vgl. auch Stüer, Handbuch des Fachplanungsrechts4, 2012, Rn. 3261.

17 Überblick erneut bei Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 47-74.; vgl. auch Ziekow, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentarischen Demokratie – Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, 2012, D 28 ff.

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desverkehrsministers (§ 16 FStrG), Schon dort müssen grundsätzliche Alternativen einschließlich der „Null-Variante“ geprüft werden und es gilt das planerische Abwägungsgebot.18

Auf diesen vorgelagerten Stufen werden wichtige Weichenstellungen zum prioritären Bedarf und damit zum „Ob“ des Projekts sowie auf den letzten Ebenen auch zur ungefähren räumlichen Lage getroffen. Deshalb ist bereits bei diesen übergeordneten Planungen jeweils eine strategische Umweltprüfung (SUP) oder Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie – mit diesen verbunden – eine rudimentäre Öffentlichkeitsbeteiligung meist ohne mündliche Erörterung19 vorgesehen: bei den transeuropäischen Netzen gemäß Art. 8 Abs. 1 der dortigen aktuellen Leitlinien iVm. SUP-Richtlinie und UVP-Richtlinie, § 9 Abs. 3 bzw. § 15 UVPG, für die Bedarfspläne § 14b Abs. 1 Nr. 1 UVPG i.V.m. Anlage 3 i.V.m. § 14i Abs. 3 und § 19b UVPG, bei Raumordnungsplänen nach §§ 8, 10 ROG, bei Raumordnungsverfahren gemäß § 9 Abs. 3 UVPG, für die Linienbestimmung gemäß § 15 Abs. 2 UVPG, sofern kein integriertes Raumordnungsverfahren stattgefunden hat.20 Ungeachtet ihrer abgestuften Bindungswirkung handelt es sich jedoch rechtstechnisch ausnahmslos um verwaltungsinterne Vorentscheidungen ohne unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger und damit grundsätzlich auch ohne unmittelbare Rechtschutzmöglichkeiten.21

2. Zweistufige Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren

Erst das Planfeststellungsverfahren führt zu der auch für den Bürger verbindlichen und gegebenenfalls durch Klage angreifbaren Projektzulassung durch Verwaltungsakt (§§ 74, 45 VwVfG). Die formalisierte Bürgerbeteiligung hat dort bereits einen fertigen Planentwurf zum Gegenstand und ist gekoppelt mit einer Beteiligung der vom Vorhaben berührten Träger öffentlicher Belange (§ 73 Abs. 2, 3a VwVfG) und anerkannter (§ 3 UmwRG) Naturschutzvereinigungen (bei Eingriffen in Natur und Landschaft, § 63 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG) sowie weiterer Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes (als Teil der Öffentlichkeit, § 9 Abs. 1 S. 1 UVPG; weiteres in Spezialgesetzen wie zum Beispiel § 17a Nr. 2 FStG). Das Beteiligungsverfahren ist folgendermaßen gestuft, wobei Details teilweise in den Fachgesetzen geregelt sind:

– Bereits vor Antragstellung findet bei Vorhaben, die einer UVP bedürfen (bei Infrastrukturprojekten fast immer der Fall), eine Vorbesprechung der Behörde mit dem Vorhabenträger und zu beteiligenden Behörden über Inhalt und Umfang der benötigten Unterlagen sowie Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung statt (sog. Scoping). Drittbetroffene sind daran nur zu beteiligen, wenn dies der Vorhabenträger wünscht (vgl. § 5 S. 3 UVPG), so dass hier noch keine Bürgerbeteiligung stattfindet.22 Die Behörde darf sich beim Scoping wie auch allgemein im Verfahren jedoch nicht gleichsam zum Anwalt des Vorhabenträgers machen.23

– Sodann reicht der Vorhabenträger den vollständigen Planentwurf nebst allen ergänzenden Unterlagen, auch zur Umweltverträglichkeit, ein.

– Es folgt die ortsübliche Bekanntmachung der bevorstehenden Auslegung des Plans nebst Belehrung über Einwendungsmöglichkeiten für jedermann, „dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden“ (§ 73 Abs. 5 VwVfG). Innerhalb von drei Wochen nach Zugang des Plans werden die Unterlagen in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben auswirkt, für die Dauer eines Monats ausgelegt (§ 73 Abs. 3 S. 1 VwVfG).

– Die Einwendungen müssen bis spätestens zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist eingehen und hinreichend substantiiert sein. Rechtsausführungen oder die Diskussion technischer Details sind dazu nicht erforderlich, doch müssen die Einwendungen den tatsächlichen Kritikpunkt an der Planung hinreichend klar erkennen lassen.24 Ansonsten erfolgt materielle Präklusion, d.h. nicht rechtzeitig vorgebrachte oder zu wenig substantiierte Einwendungen sind im Verwaltungs- wie auch in einem etwaigen Gerichtsverfahren ausgeschlossen (vgl. § 73 Abs. 4 VwVfG). Die Planfeststellungsbehörde hat freilich unabhängig davon später alle Belange zu berücksichtigen, die sich ihr aufdrängen mussten;25 die Präklusion wirkt sich nur insoweit aus, als der präkludierte Einwender darauf keine Klage stützen kann.

– Es folgt der mündliche Erörterungstermin. Nach den Fachgesetzen zur Verkehrswegeplanung (§ 17a Nr. 5 FStrG, § 18a Nr. 5 AEG, § 14a Nr. 5 WaStrG) ist er allerdings nur noch fakultativ und seine Durchführung steht im Ermessen der Anhörungsbehörde. Wenn solch ein Erörterungstermin stattfindet, muss er mindestens eine Woche zuvor ortüblich bekanntgemacht werden; außerdem sind alle Einwender zu benachrichtigen, was jedoch bei Massenverfahren durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann (§ 73 Abs. 6 S. 2, 4 VwVfG). Daran schließt sich die mündliche Erörterung der erhobenen Einwendungen sowie der Umweltauswirkungen unter Vorsitz eines Verhandlungsleiter aus der Anhörungsbehörde an (§ 73 Abs. 6 VwVfG). Beteiligt werden auch die Träger öffentlicher Belange und die genannten Umweltvereinigungen. Regelmäßig sind Sachverständige


18 Überblick bei Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 110-128, insbes. Rn. 116; zur Alternativenprüfung auf den vorgelagerten Planungsstufen auch Burgi/Durner (Fn. 4), S. 182 ff.; bei der Planung allgemein Franzius, GewArch 2012, 225, 231 f.

19 Zur Ausgestaltung näher Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 38 f.; Kment, in: Hoppe/Beckmann (Hrsg.), UVPG4, 2012, § 14i Rn. 31-35 (für die Bedarfsplanung) bzw. Wagner, a.a.O., § 15 Rn. 36 f. (für die Linienbestimmung) u. § 9 Rn. 45-51 u. 58-64 (für Raumordnungsverfahren). Eine Ausnahme bildet insoweit § 10 NABEG mit grundsätzlich obligatorischem Erörterungstermin im Rahmen der Bundesfachplanung.

20 Dazu jeweils Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 80 (für die transeuropäischen Netze), Rn. 93 f. iVm. Rn. 38 (für die Bedarfspläne), Rn. 48-50 (zu Raumordnungsplänen), Rn. 68 (zu Raumordnungsverfahren), Rn. 120 iVm. N. 38 (für die Linienbestimmung).

21 Eingehend zur Konzentration der Klagerechte beim außenwirksamen Planfeststellungsbeschluss, aber auch zu ersten Aufweichungstendenzen zugunsten eines „phasenspezifischen Rechtschutz[es]“ (unter Hinweis auf BVerwGE 115, 17, 30 für das Baurecht) wegen zunehmenden Beteiligungsmöglichkeiten auf den vorgelagerten Planungsstufen Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 22-28.

22 Zustimmend Kment, in: Hoppe/Beckmann (Fn. 19), § 5 Rn. 22. Besonders kritisch dagegen Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, Umweltgesetzbuch – Allgemeiner Teil, 1991, Zu § 36, S. 241 f.: ein die Akzeptanz des Vorhabens insgesamt gefährdendes Geheimverfahren, obwohl doch in diesem Stadium vielfach die entscheidenden Weichen gestellt werden.

23 Für die Beratung im Verwaltungsverfahren allgemein Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, 2001, S. 306-308.

24 Näher Kopp/Ramsauer, VwVfG13, 2012, § 73 Rn. 85-86; Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 132-134; aus der Rspr. etwa BVerwG, NVwZ 2008, 678, Rn. 30 f.

25 Zur Reichweite der materiellen Präklusion im Überblick erneut Kopp/Ramsauer (Fn. 24), § 73 Rn. 92-96; Wickel, in: Fehling/Kastner/Störmer (Hrsg.), Handkommentar zum Verwaltungsrecht3, 2012, § 73 VwVfG Rn. 92-94.

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zur Erläuterung ihrer Planungen und Gutachten geladen. Bei der Erörterung müssen die Anforderungen an ein faires Verfahren und Waffengleichheit gewahrt bleiben, insbesondere hat der Verhandlungsleiter Neutralität zu wahren und dem Vorhabenträger sowie Dritten gleiches Rede- und Antragsrecht einzuräumen.26 Im Übrigen ist der Verhandlungsleiter bei der Ausgestaltung frei; das Gesetz (§ 73 Abs. 6 S. 6 iVm. § 68 Abs. 2 VwVfG) verlangt von ihm im Wesentlichen nur „darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben ergänzt sowie alle für die Feststellung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden“. In komplexen Verfahren müssen gegebenenfalls mehrere Folgetermine anberaumt werden, doch soll die Erörterung spätestens drei Monate nach Ablauf der Einwendungsfrist abgeschlossen sein.

– Die Anhörungsbehörde leitet den Plan mit Stellungnahme sowie einer zusammenfassenden Darstellung der Umweltauswirkungen an die Planfeststellungsbehörde weiter, die die Entscheidung (Planfeststellungsbeschluss oder Ablehnung) trifft.

Zusammenfassend handelt es sich also um ein Beteiligungsverfahren in zwei Schritten mit schriftlichen Einwendungen und anschließender – zumindest optional – mündlicher Erörterung. Detaillierte Bekanntmachungsregelungen und Fristen führen zu einer weitgehenden Formalisierung des Rahmens, während die Ausgestaltung der mündlichen Erörterung selbst weitgehend im Ermessen der Anhörungsbehörde liegt.

II. Mängel und Probleme

1. Zu frühe bzw. zu späte Öffentlichkeitsbeteiligung

Ein Hauptproblem des geltenden Planfeststellungsverfahrensrechts besteht in der schlechten zeitlichen Terminierung der Bürgerbeteiligung innerhalb des gestuften Planungsverfahrens, kombiniert mit mangelnder Entscheidungsoffenheit der Verwaltung:27

Die ohnehin nur rudimentäre Öffentlichkeitsbeteiligung in den vorgelagerten Planungsstufen kommt regelmäßig zu früh, da auf dieser hohen Abstraktionsebene für die Bürger noch keine konkrete Betroffenheit ersichtlich ist. Dies auch deshalb, weil – wie allgemein bekannt – nur ein kleinerer Teil der Projekte, die in diese Grobplanung Eingang finden, in absehbarer Zeit überhaupt finanzierbar ist. Erst die Einjahresplanung als unterste Stufe der Bedarfsplanung sowie die Linienbestimmung bei Bundesfernstraßen setzen eine konkrete Finanzmittelzuweisung voraus.28

Einwendungsverfahren nebst Erörterungstermin in Planfeststellungsverfahren kommen umgekehrt zu spät:29 Die Erörterung mutiert aus Sicht der Betroffenen oftmals zur bloßen Verteidigung längst (informell) getroffener Vorentscheidungen. Der Vorhabenträger und oftmals auch die Anhörungsbehörde sehen darin eine lästige Formalie, bei der Unkundige einen technisch ausgefeilten Plan unsubstantiiert in Zweifel ziehen; hinzu kommt die Angst vor Fundamentalopposition. Man ist allenfalls noch zu Detailkorrekturen bereit, während die Betroffenen oft grundsätzlichere Bedenken geltend machen. Gerade Umweltverbände werden tendenziell von vornherein als Gegner betrachtet; die Fronten sind schnell verhärtet.30 Statt des gewünschten entscheidungsoffenen Gesprächs droht eher ein den Konflikt noch zuspitzender „High Noon“.31

2. Intransparente Verflechtung und Abschichtung der Planungsebenen

Für den rechtsunkundigen Bürger, in den Details sogar für den Fachjuristen, ist das Zusammenspiel der verschiedenen Planungsebenen und sind vor allem die daraus für die nachfolgenden Ebenen resultierenden Bindungswirkungen kaum durchschaubar.32 „[D]ie Grenzen zwischen der zielförmigen räumlichen Standortplanung [in der Raumordnung] und der Fachplanung [mittels Planfeststellung werden] immer diffuser“.33 Schon in früheren Gesetzgebungsverfahren wurde auf die unnötige Doppelprüfung in Raumordnungsverfahren und Linienbestimmung hingewiesen.34 Der Bedarfsplan entfaltet nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung zwar grundsätzlich Bindungswirkung für die Erforderlichkeit der entsprechenden Straße oder des Schienenweges (§ 1 Abs. 2 S. 2 FStAbG, § 1 Abs. 2 SchWAbG),35 doch vermag die gesetzliche Bedarfsfeststellung entgegenstehende Gemeinwohlbelange nicht uneingeschränkt zu überwinden. Insbesondere die Verkehrsprognose muss auf Ebene der Abwägung in der Planfeststellung intensiv nachgeprüft werden.36

3. Mangelnde Publizität durch antiquierte Form der Bekanntmachung

Auch die Anstoßfunktion der Bekanntmachungen lässt zu wünschen übrig. Zwar liegen die Unterlagen nicht auf Alpha


26 Eingehend dazu Fehling, Unparteilichkeit (Fn. 23), S. 310-312; zum Problem der Waffengleichheut bei Gutachtern Ziekow, DJT-Gutachten (Fn. 17), D 41, vgl. auch D 43 f.

27 Die aktuelle Diskussion zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung bilanziert Wulfhorst, DÖV 2011, 581 ff.; vgl. auch Franzius, GewArch 2012, 225, 228-231; Schmehl (Fn. 7), S. 347, 359-361.

28 Vgl. Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 107. Letzteres vernachlässigen m.E. Burgi/Durner (Fn. 4), S. 178, wenn sie im Übrigen überzeugend darauf hinweisen, dass Raumordnungsverfahren durchaus so parzellenscharf ausfallen können, dass die Bürger bereits auf dieser Ebene eine potentielle Betroffenheit ersehen können.

29 In der Reformdiskussion betont etwa von Birk, DVBl. 2012, 1000, 1001. Zum geringen Akzeptanzerfolg des klassischen Erörterungstermins Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 818-822, gestützt auf empirische Untersuchungen von Bora.

30 Plastisch Streinz, VerwArch 79 (1988), 272, 311 f.: „Der Antragsteller betrachtet den Erörterungstermin als lästige Pflichtübung, die Genehmigungsbehörde als Alibi, die Einwender als Farce oder als Tribüne für allgemeine politische Stellungnahmen“. Ähnliches ist beim Erörterungstermin im immissionsschutzrechtlichen (§ 10 Abs. 6 BImSchG) und vor allem im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beobachten; dazu grundlegend Hoffmann-Riem/Rubbert, Atomrechtlicher Erörterungstermin und Öffentlichkeit, 1984, S. 29-32; vgl. auch Würtenberger, Akzeptanz (Fn. 8), S. 120-130.

31 Formulierung nach Steinberg, ZUR 2011, 340, 343; Birk, DVBl. 2012, 1000, 1001.

32 Allgemeiner zum Zusammenhang von Verfahrensstufung und Intransparenz des Legitimationsgeflechts Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, 2004, S. 42.

33 Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 53, allgemein zur mangelnden Durchschaubarkeit der Abschichtungen auf den verschiedenen Planungsstufen für den Bürger Rn. 40; vgl. auch Wahl, in: FS Sellner, 2010, S. 155 ff.; Franzius, GewArch 2012, 225, 226 u. 228.

34 Der Bundesrat hatte deshalb vorgeschlagen, die Linienbestimmung zu streichen, BR-Drucks. 598/93 (Beschluss), S. 5 f.; ebenso die Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch, s. Bundesministerium für Umwelt (Hrsg.), UGB-KomE, 1998, S. 1334.

35 Vgl. zuletzt BVerwGE 130, 299, Rn. 43 – BAB 44; 139, 150, Rn. 30 – BAB 3.

36 Siehe insbesondere BVerwG, NVwZ 2011, 177, Rn. 38 f. (zur Bedarfsplanung im Rahmen der Planrechtfertigung) u. Rn. 71-99 (zur Verkehrsprognose im Rahmen der Abwägung). Zum ganzen zusammenfassend Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 102.

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Centauri aus, doch die Form der ortüblichen Bekanntmachung des Planentwurfs (nicht zu verwechseln mit der weiterreichenden, in anderem Zusammenhang geforderten öffentlichen Bekanntmachung) ist völlig antiquiert. Denn es genügt typischerweise die Veröffentlichung in einem Amtsblatt, das fast niemand liest.37 Die Medien interessieren sich oftmals erst für ein Projekt, wenn – namentlich bei bevorstehendem Baubeginn – konkrete Konflikte sichtbar werden.

4. Zu kurze Fristen für Einwender und für die Behörde

Für Großprojekte sind die genannten Verfahrensfristen oft unrealistisch kurz.38 Sie können dennoch kaum etwas zur Verfahrensbeschleunigung beitragen, weil sachverständige Klärungen und die Zusammenstellung vollständiger Antragsunterlagen den Hauptteil der Zeit verschlingen, nicht aber die Öffentlichkeitsbeteiligung.39 Immerhin ist die Überschreitung der behördlichen Fristen durchweg nicht mit Sanktionen versehen,40 für den Bürger – und, besonders problematisch, ähnlich für die beteiligten Behörden41 – ist allerdings die zweiwöchige Einwendungsfrist präklusionsbewehrt.

5. Ambivalenz fehlender Trennung zwischen Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde

Das Gesetz unterscheidet zwischen Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde, doch können beide auch identisch sein.42 In dieser offenen Gesetzeslage liegt entgegen dem ersten Anschein kein Mangel, denn beides hat Vor- und Nachteile. Einerseits kann eine Trennung der Anhörungsbehörde mehr Distanz zum Vorhaben verschaffen und so die Unparteilichkeit der Erörterung fördern.43 Die Durchführung der Bürgerbeteiligung könnte de lege ferenda44 sogar einem Mediator übertragen werden.45 Andererseits droht ein Auseinanderfallen der Zuständigkeiten den Informationsstand der Planfeststellungsbehörde zu verschlechtern.46

D. Begrenztes Verbesserungspotential des geplanten Planungsvereinfachungsgesetzes

I. Eckdaten des Regierungsentwurfs, insbesondere frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit

Das Herzstück der Reform bildet die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung. Sie soll allgemein (und wenig klar) für Vorhaben mit „nicht nur unwesentlichen Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten“ geregelt und deshalb im allgemeinen Teil des VwVfG verankert werden, ist aber vorrangig für planfeststellungsbedürftige Großvorhaben gedacht. Nach § 25 Abs. 3 VwVfG-E „[wirkt] die Behörde darauf hin“, dass der Vorhabenträger (nicht die Anhörungsbehörde) eine frühzeitige Beteiligung durchführt, um die Planung des Vorhabens zu optimieren sowie Transparenz und Akzeptanz zu fördern. So soll die Öffentlichkeit (nicht beschränkt auf vom späteren Vorhaben potentiell Betroffene) bereits vor Stellung eines verfahrenseröffnenden (Planfeststellungs-)Antrags unterrichtet und ihr Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gegeben werden.47 Das Ergebnis wird der für das Verwaltungsverfahren zuständigen Behörde unverzüglich mitgeteilt.

Viele weitere Änderungen besitzen weniger grundsätzliche Bedeutung. Vorwiegend der Rechtsvereinheitlichung dient die Übernahme verschiedenster Detailregelungen, die das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz in verschiedenen Fachgesetzen eingefügt hatte, in das VwVfG.48 Insbesondere können nach Ermessen auch verspätete Einwendungen noch berücksichtigt werden; zugleich wird die Behördenpräklusion aus verfassungsrechtlichen Gründen etwas gelockert (§ 73 Abs. 3a S. 2 VwVfG-E).49 Für die Beteiligung von Umweltvereinigungen werden einheitliche und klarere, die unionsrechtlichen Anforderungen berücksichtigende Regelungen geschaffen. Die für die Behörden geltenden Fristen werden tendenziell verschärft. Die Ermittlungspflicht der Behörde zur Ermittlung nicht ortansässiger Betroffener wird reduziert.

II. Verbesserungen, neue Streitfragen und fortbestehende Probleme

Der Entwurf löst sich von der früheren undifferenzierten Beschleunigungsstrategie, die zu einem deutlichen Abbau von Verfahrensrechten geführt hatte, und weist mit einer Stärkung der Partizipation und damit der nicht instrumentellen Verfahrensfunktionen in die richtige Richtung.50 Noch ohne bereits ausgearbeiteten Planentwurf dürften die Behörden tendenziell offener sein auch für grundsätzliche Alternativen, die die Bürger meist weit mehr interessieren als technische Planungsdetails. Doch geht der Regierungsentwurf nicht weit genug.


37 Zur Kritik und mit dem Vorschlag, die öffentliche Bekanntmachung in Tageszeitungen, durch Aushänge und im Internet vorzusehen, vgl. Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 114-116.

38 Ziekow, DJT-Gutachten (Fn. 17), D 38, D 43 und D 62; Groß, BauR 2012, 1340, 1341 u. 1343 (jeweils für die Einwendungsfrist); Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 138 (für die Einwendungsfristen u.Ä.) u. Rn. 140 (für die Dreimonatsfrist des § 76 Abs. 6 S. 7 VwVfG).

39 Vgl. Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 1 Rn. 192; vgl. auch Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz, BT-Drucks. 15/2311, S. 9.

40 Zur Dreimonatsfrist des § 73 Abs. 6 S. 7 VwVfG und zu Parallelvorschriften BVerwGE 133, 239, Rn. 26 – BAB 44.

41 Zur Behördenpräklusion und der Notwendigkeit einer verfassungskonform weiten Auslegung der Ausnahmetatbestände, weil ansonsten die Planfeststellungsbehörde sehenden Auges eine objektiv fehlerhafte Abwägungsentscheidung treffen müsste, siehe Kopp/Ramsauer (Fn. 24), § 73 Rn. 33-35. Zur deshalb beabsichtigten Reform unten Fn. 51.

42 BVerwGE 58, 344, 347-349; 120, 87, 99. Bei Identität entfällt deshalb die Notwendigkeit einer gesonderten Vorlage und Stellungnahmen nach § 73 Abs. 6 VwVfG, siehe statt aller Kopp/Ramsauer (Fn. 24), § 73 Rn. 124.

43 Dazu, aber auch zu den Gegenargumenten, Fehling, Unparteilichkeit (Fn. 23), S. 264-267.

44 De lege lata hat nach § 73 Abs. 6 VwVfG die Anhörungsbehörde den Erörterungstermin durchzuführen und kann deshalb wohl auch den Vorsitz mangels einer § 4b BauGB vergleichbaren Ermächtigung nicht ohne weiteres komplett an einen Dritten delegieren, siehe Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG7, 2008, § 73 Rn. 126; vgl. auch Kopp/Ramsauer (Fn. 24), § 73 Rn. 99a; a.A. mit Verweis auf die Mediation beim Frankfurter Flughafen allerdings Gaentzsch, in: FS Sellner, 2010, S. 219 ff., insbes. S. 221-223; Groß, BauR 2012, 1340, 1344; Schink, DVBl. 2011, 1377, 1382 f.; zur Notwendigkeit der „klaren Trennung eines solchen Lenkungsverfahrens“ – gemeint ist ein mediationsähnliches informelles Verständigungsverfahren – „von dem Planfeststellungsverfahren“ BVerfGE 139, 150, Rn. 25 – BAB 3.

45 Z.B. in § 89 des Kommissionsentwurfs für ein Umweltgesetzbuch (UGB-KomE); dies unterstützend Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 5 u. 8; in diese Richtung auch Kopp/Ramsauer (Fn. 24), § 73 Rn. 98 u. 99a. Für Einschaltung eines für die Verwirklichung des Projekts arbeitenden Projektmanagers dagegen Schink, DVBl. 2011, 1377, 1380 f.

46 In diese Richtung bereits Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193, 213 f.; Gassner, NuR 1982, 81, 83; Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 7.

47 Birk, DVBl. 2012, 1000, 1002; vgl. BT-Drucks. 17/9666, S. 16 f.

48 BT-Drucks. 17/9666, S. 13; hervorgehoben auch von Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 1 Rn. 191.

49 BT-Drucks. 17/9666, S. 14, sowie S. 18.

50 So auch Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 54; G. Winter, ZUR 2012, 329: „demokratischer Fortschritt“.

Fehling, Reform der Bürgerbeteiligung (BLJ 2012, 92)97

1. Defizitäre Ausgestaltung der frühzeitigen Beteiligung

Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit istnicht verpflichtend und bleibt insoweit hinter den Vorbildern des § 3 Abs. 1 BauGB (bei Bauleitplänen) und § 20 NABEG (für Strom-Hochspannungsleitungen) zurück. Die Begründung verweist insoweit unter anderem auf den Rahmencharakter des VwVfG und die Möglichkeit, eine solche Beteiligung im Fachrecht verpflichtend anzuordnen.51 Gesetzgeberische Absichten in diese Richtung sind jedoch nicht erkennbar.52 Zu denken wäre an eine Koppelung der obligatorischen frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung mit dem UVP-Scoping-Verfahren,53 wie dies auch in § 20 NABEG vorgesehen54 ist. Projekte, welche einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, weisen regelmäßig auch eine derartige Komplexität und Problematik auf, dass es gerechtfertigt erschiene, diese frühe Beteiligung verpflichtend anzuordnen.

Die Neuregelung soll nicht gelten, „soweit die betroffene Öffentlichkeit bereits nach anderen Rechtsvorschriften vor der Antragstellung zu beteiligen ist“ (§ 25 Abs. 3 S. 5 VwVfG-E). Unklar bleibt, ob damit auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung auf vorbereitenden Planungsstufen gemeint ist; um der Neuregelung nicht jede Wirksamkeit zu nehmen, sollte die Subsidiaritätsklausel enger ausgelegt werden55 und nur spezialgesetzliche Beteiligungsvorschriften auf der gleichen Verfahrensstufe erfassen.

Dass die frühzeitige Beteiligung dem Vorhabenträger und nicht der späteren Anhörungsbehörde überantwortet wird, erscheint dagegen nicht eindeutig kritikwürdig,56 sondern zwiespältig. Einerseits kann so, wie für das Konzept der Verfahrensprivatisierung57 ganz allgemein typisch, dessen überlegene Sachkenntnis genutzt werden; schließlich kennt der Vorhabenträger seine Absichten am besten und ist auch er es, der sie gegebenenfalls modifizieren soll. Andererseits hat der Vorhabenträger ein starkes auch wirtschaftliches Eigeninteresse, seine eigenen Vorstellungen weitestmöglich zu verwirklichen. Er ist eben in gutem wie im schlechten Sinne parteiisch.58 Wenn die Behörde auf die frühzeitige Beteiligung „hinwirkt“, kann und sollte sie dem Vorhabenträger jedenfalls auch Vorschläge für die Gestaltung dieser Beteiligung unterbreiten.59

2. Fehlen von Verbesserungen beim Erörterungstermin, den Bekanntmachungsmodi, der Verknüpfung der Planungsebenen und den Verfahrensfristen

Anders als für Hochspannungsleitungen in § 22 Abs. 7 NABEG(ebenso § 43a Nr. 5 EnWG)60 will der neue Gesetzentwurf für Verkehrswegeplanungen die fachgesetzlichen Regelungen beibehalten, wonach die Durchführung eines Erörterungstermins im Rahmen der förmlichen Bürgerbeteiligung in Abweichung vom subsidiären VwVfG nicht verpflichtend ist, sondern im Ermessen der Behörde steht.61 Zumindest eine „soll“-Regelung im VwVfG ohne Abweichungen in den Fachgesetzen erschiene vorzugswürdig; ein Verzicht auf eine mündliche Erörterung auf dieser Ebene ist nur dann angemessen, wenn auf einer vorgezogenen Beteiligungsebene die Probleme bereits im Wesentlichen ausgeräumt werden konnten.62

Unverändert bleibt es ferner bei ungeeigneten Bekanntmachungsmodi. Informationen und Veröffentlichung von Unterlagen im Internet werden – anders als in § 22 Abs. 4 S. 1 NABEG – weiterhin nicht vorgeschrieben. 63

Auch an der undurchsichtigen Verknüpfung der verschiedenen Planungsstufen ändert sich nichts. Unabhängig vom Planungsvereinfachungsgesetz gibt es zwar im Bundesverkehrsministerium Überlegungen zur Neustrukturierung wenigstens des Bundesverkehrswegeplans nebst damit zusammenhängenden Einzelplänen, doch sind genaue Ergebnisse wohl noch nicht absehbar. Sinnvoll erschiene die Konzentration der Bürgerbeteiligung auf den vorgeschalteten Planungsstufen in einem zentralen Bedarfserörterungsverfahren.64 So könnte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass angesichts der Bindungswirkungen, die mit den höherstufigen Planungen verbunden sind, das „Ob“ des Projekts in der Planfeststellung und selbst in einer vorgeschalteten frühzeitigen Bürgerbeteiligung kaum noch zur Disposition steht.

Die für komplexe Planfeststellungsverfahren sehr kurzen Fristen will man sogar noch verschärfen. So soll etwa die Drei-Monats-Frist nach Ablauf der Einwendungsfrist zum Abschluss der Erörterungen verbindlich werden (§ 73 Abs. 6 S. 7 VwVfG-E);65 immerhin bliebe eine Fristüberschreitung weiterhin sanktionslos.66

3. Gültigkeitsdauer des Planfeststellungsbeschlusses

In der Entwurfsbegründung wird, wohl noch auf Basis des früheren Referentenentwurfs, weiterhin angedacht, dieGültigkeit des Planfeststellungsbeschlusses von bislang einheitlich fünf (§ 75 Abs. 4 VwVfG) auf bei Großvorhaben zehn Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit um weitere fünf Jahre auszudehnen.67 Eine derart lange potentielle Verwirklichungsfrist würde einer Vorratsplanung Vorschub leisten, bei der selbst im Planfeststellungsverfahren die Bürger noch


51 BT-Drucks. 17/9666, S. 15. Zusätzlich wird darauf verweisen, vor Antragstellung und damit Beginn des förmlichen Verwaltungsverfahrens gebe es gar keinen Adressaten für eine verpflichtende Anordnung und das Gelingen sei ohnehin von der Bereitschaft zur Zusammenarbeit abhängig, a.a.O., S. 16 f.; dem zustimmend Birk, DVBl. 2012, 1000, 1002.

52 Dies konstatieren kritisch auch Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 54.

53 So auch Ziekow, DJT-Gutachten (Fn. 17), D 142 f.; Groß, BauR 2012, 1340, 1342; vgl. auch Schink, DVBl. 2011, 1377, 1384 f.

54 Dazu Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 53 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drucks 17/6073, S. 28.

55 So auch Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 54.

56 Anders: Burgi/Durner (Fn. 4), S. 172.

57 Entsprechende Einordnung bei Schröer/Kullick, NZBau 2012, 490, 491. Zur Verfahrensprivatisierung allgemein Appel, in: GVwR II (Fn. 6), § 32; zu dortigen Unparteilichkeitsproblemen Fehling, Unparteilichkeit (Fn. 23), S. 379-386.

58 So für die planende Gemeinde bei der Bauleitplanung wörtlich BVerwGE 45, 309, 324 – Flachglas.

59 Birk, DVBl. 2012, 1000, 1002. Strikt gegen die Übertragung auf den eigeninteressierten Vorhabenträger Burgi/Durner (Fn. 4), S. 172.

60 Diesen Unterschied kritisch betonend Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 1 Rn. 190 f. u. § 2 Rn. 151 f.; vgl. auch Franzius, GewArch 2012, 225, 229.

61 Nachweise der Spezialvorschriften oben in Fn. 20. Die Beibehaltung dieser fachgesetzlichen Vorschriften wird in der Entwurfsbegründung, BT-Drucks. 17/9666, S. 14 f., ausdrücklich hervorgehoben.

62 Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 54; ähnlich Groß, BauR 2012, 1340, 1343 f.

63 Zu Recht kritisiert von Groß, BauR 2012, 1340, 1343; Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31, 51; Schröer/Kullick, NZBau 2012, 490, 491.

64 Burgi, NVwZ 2012, 277 ff.; Saurer, DVBl. 2012, 1082, 1088.

65 Berechtigte Kritik bei Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 2 Rn. 140.

66 So ausdrücklich die Entwurfsbegründung BT-Drucks. 17/9666, S. 19.

67 BT-Drucks. 17/9666, S. 15.

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keine unmittelbare Betroffenheit erkennen können. Dies schon deshalb, weil – erneut lässt Stuttgart 21 grüßen – bei so langen Zeiträumen bis zur eventuellen Verwirklichung Finanzierungsfragen zum Zeitpunkt des Planfeststellungsverfahrens oftmals noch unklar sein werden. Im Übrigen steigt mit der Länge der Verwirklichungsfrist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich bis zum Baubeginn Wesentliches ändert, etwa die Kosten, die Verkehrsprognosen oder aber gesellschaftliche Grundprämissen.68 Dann droht Streit über die Frage, ob die Planfeststellung jedenfalls teilweise neu aufgerollt werden muss. Zu dieser Überzeugung scheint immerhin auch die Bundesregierung gekommen zu sein, denn dieser Vorschlag zur Verlängerung der Gültigkeitsfrist ist im Text des Regierungsentwurfs nicht mehr enthalten.69 Wichtige Fachgesetze (§ 17c Nr. 1 FStrG, § 18e Nr. 1 AEG) sehen aber bereits heute eine Gültigkeitsdauer der Planfeststellung von 10 Jahren ab Eintritt der Unanfechtbarkeit mit Verlängerungsmöglichkeit um fünf Jahre vor.

E. Die Folgen von Verfahrensfehlern als Test für den Eigenwert der Öffentlichkeitsbeteiligung

Bleiben Versäumnisse bei der Bürgerbeteiligung sanktionslos und führen insbesondere nicht zur gerichtlichen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, so fehlt ein Druckmittel, die Behörde zur peniblen Beachtung des Verfahrensrechts anzuhalten. Man kann sogar darin einen Anreiz erblicken, das Verfahrensrecht zugunsten einer beschleunigten Verfahrensabwicklung nicht so genau zu nehmen. Umgekehrt können zu weitreichende Klagemöglichkeiten dazu führen, dass ein extrem aufwendiges Planfeststellungsverfahren wegen Kleinigkeiten wieder neu aufgerollt werden müsste; bei den Behörden drohte dies nur zu übersteigertem Formalismus zu führen, ohne dass damit notwendigerweise in der Sache mehr Entscheidungsoffenheit verbunden wäre.

I. Übermäßige Abschirmung des Planfeststellungsbeschlusses gegen Verfahrensrügen

Drei verschiedene rechtliche Mechanismen führen im Zusammenspiel dazu, dass bloße Verfahrensverstöße, auch eine unterlassene oder fehlerhafte Bürgerbeteiligung, meistnicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses durch das Gericht zur Folge haben. Man spricht auch von einem Grundsatz der Planerhaltung.70

1. Zeitlich extensive Heilungsmöglichkeiten

Erstens können Mängel bei der Öffentlichkeitsbeteiligung noch bis zum Abschluss der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz durch Nachholung geheilt werden (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG), obwohl die Behörde im Prozess regelmäßig noch stärker festgelegt und noch weniger offen für Alternativen sein dürfte. Diese weitreichenden Heilungsmöglichkeiten sollen durch den Entwurf ausdrücklich bestätigt werden (vgl. § 75 Abs. 1a S. 2. 2. HS VwVfG-E).71

2. Überdehnte Unbeachtlichkeitsregelungen

Zweitens sind nach § 46 VwVfG (bestätigend § 75 Abs. 1a S. 2. 2. HS VwVfG-E) Fehler gänzlich unbeachtlich, wenn sie sich nicht auf das Ergebnis ausgewirkt haben. Dies wird von den Gerichten weit ausgelegt; entgegen dem Wortlaut72 müsse positiv die konkrete Möglichkeit festgestellt werden, dass die Planung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre.73 § 46 VwVfG ist unter Einfluss der Aarhus-Konvention und der entsprechenden EU-Richtlinie allerdings gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 UmwRG bei gänzlich unterbliebener UVP bzw. UVP-Vorprüfung nicht anwendbar;74 diese Fehler sind immer beachtlich. Ob dies wegen des Europarechts auf bloße Fehler bei der UVP aufgrund fehlerhafter Öffentlichkeitsbeteiligung ausgedehnt werden muss, ist umstritten.75

Jedenfalls für die neue frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bleibt zu konstatieren: Selbst wenn sie in Fachgesetzen verpflichtend angeordnet würde, wären Versäumnisse dort nach den obigen Maßstäben wohl regelmäßig unbeachtet, weil den Bürgern die nachfolgende förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung immer noch die Gelegenheit böte, alle Einwendungen geltend zu machen. Entsprechend sind auch bei der Bauleitplanung – dort allerdings gesetzlich geregelt (vgl. § 214 Abs. 1 BauGB) – Mängel bei der frühzeitigen Beteiligung ausnahmslos unerheblich.76 Das Risiko mangelnder Ergebnisoffenheit im späteren Planungsstadium wird dabei ausgeblendet.

3. Eingeschränkte Klagebefugnis in System des Individualrechtsschutzes unter europäischem Anpassungsdruck

Als drittes kommt hinzu: Aus dem deutschen Konzept des Individualrechtsschutzes folgern die Gerichte, dass ein Individualkläger Verfahrensverstöße nur geltend machen kann, wenn er zugleich in seinen materiellen Rechtspositionen, d.h. einem abwägungsrelevanten Belang, der auch seinen Interessen zu dienen bestimmt ist (zum Beispiel Lärmschutz), betroffen ist.77 Eine Ausnahme gilt für absolute Verfahrensrechte,78 zu denen zwar die Durchführung einer UVP (vgl. erneut § 4 Abs. 1 S. 2 UmwRG), nicht aber die Bürgerbeteiligung gehört. Das Erfordernis einer subjektiven Rechtsbetroffenheit gilt ferner nicht für Verbandsklagen; Europarecht verdrängt die derzeit noch restriktivere Fassung von § 2 Abs. 1 u. 5


68 Vgl. Saurer, DVBl. 2012, 1082, 1087 f.

69 Auf diese Diskrepanz von Gesetzesvorschlag und Begründung hat in der Bundestagsdebatte die Abg. Lühmann, Plenarprotokoll 17/181, S. 21557, hingewiesen.

70 Zusammenfassend Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 3 Rn. 109.

71 Unter Verweis auf den Grundsatz der Planerhaltung BT-Drucks. 17/9666, S. 14.

72 Hervorgehoben auch von Steinberg/Wickel/Müller (Fn. 14), § 7 Rn. 97-99.

73 Zu diesem auch bei Abwägungsfehlern angewandten Maßstab Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Fn. 44), § 46 Rn. 25-27; zur großzügigen Handhabung von § 46 VwVfG, vgl. auch BVerwG, NVwZ 2006, 1170, Rn. 8: „nicht ersichtlich“, wie sich der (dort unterstellte) Verfahrensfehler ausgewirkt haben könnte; BVerwG, NVwZ 2010, 1225, Rn. 25.

74 Kment, NVwZ 2012, 481, 482 f.; Berkemann, NuR 2011, 780, 786 f.; dennoch dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt durch BVerwG, ZUR 2012, 248 ff.

75 Ebenfalls dem EuGH vorgelegt durch BVerwG, ZUR 2012, 248, 251. Das vollständige Fehlen der Öffentlichkeitsbeteiligung von bloßen Verstößen bei §§ 5, 6 UVPG abgrenzend VGH Kassel, ZUR 2009, 87, Rn. 5-14; VGH Kassel, ZUR 2010, 46, Rn. 15-18; Frage als nicht entscheidungserheblich offen gelassen in VGH Mannheim, NuR 2012, 204, 206; bejaht von Kment, NVwZ 2012, 481 ff.

76 BVerwG, NVwZ-RR 2003, 172; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB11, 2009, § 214 Rn. 5.

77 So vor allem der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwGE 61, 256, 275; 75, 285, 291. Eingehend hierzu und zum Folgenden Quabeck, Dienende Funktion des Verwaltungsverfahrens und Prozeduralisierung, 2010, S. 53-61; zusammenfassend Groß, Die Verwaltung 43 (2010), 349, 359; Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 300 f.

78 Dies betont der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts: BVerwG, NVwZ 1999, 876, 877; BVerwGE 41, 58, 65; 44, 235, 239 f.

Fehling, Reform der Bürgerbeteiligung (BLJ 2012, 92)99

UmwRG79 Doch sind anerkannte Umweltvereinigungen (§ 3 UmwRG) auf die Geltendmachung von Vorschriften beschränkt, die dem Umweltschutz dienen.80 Bloße Fehler bei der Bürgerbeteiligung dürften kaum dazu gehören.

Eine isolierte Klage auf Einhaltung von Verfahrensvorschriften ist ohnehin nicht zulässig (vgl. § 44a VwGO); Verfahrensfehler können im hier interessierenden Zusammenhang stets nur mit der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss geltend gemacht werden.81

II. Reformbedarf

So berechtigt Heilungs- und Unbeachtlichkeitsregelungen als solche aus Effizienzgründen auch sind, so müssten sie doch teilweise reformiert und in anderen Teilen enger ausgelegt werden, damit der nicht instrumentelle Eigenwert der Bürgerbeteiligung zur Geltung kommen kann. Ein Verfahrensrecht, was „hintenrum wieder nimmt, was vorne versprochen wurde“,82 wirkt nicht akzeptanzfördernd. Die Heilungsmöglichkeit noch im Gerichtsverfahren sollte wieder abgeschafft,83 die Beweislastverteilung bei § 46 VwVfG ernster genommen84 und nicht durch spezielleres Planfeststellungsrecht (auf die Abwägung bezogen vgl. § 75 Abs. 1a VwVfG) aufgeweicht85 werden. Europarechtskonform sollten schwerwiegende Mängel bei der Öffentlichkeitsbeteiligung, die sich möglicherweise auf die Einschätzung der Umweltauswirkungen und damit die UVP ausgewirkt haben, unabhängig von materiell-rechtlichen Rechtspositionen rügefähig sein.86

Noch wichtiger erscheinen mir Anreize zu einer fairen, akzeptanzfördernden Verfahrensgestaltung. Das rechtliche Gebot der Verfahrensfairness als solches setzt nur äußerste Grenzen; eine Verletzung wird bislang nur in ganz seltenen Extremfällen angenommen.87 Die Intensität der gerichtlichen Kontrolle der planerischen Abwägung sollte vom Maß an Verfahrenstransparenz, gleichberechtigten Interessenartikulationsmöglichkeiten88 und im Verfahren gezeigter Offenheit für Alternativen abhängig gemacht werden. Hat also eine sinnvolle frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden und hat die Behörde auch noch im formalisierten Erörterungstermin eine gewisse Kompromissbereitschaft bewiesen, so spräche für das Planungsergebnis die Vermutung hinreichender Abgewogenheit; umgekehrt rechtfertigte es eine paternalistische Verfahrensgestaltung, dass das Gericht minutiös auf (Abwägungs-)Fehlersuche geht. Eine solche Flexibilisierung der gerichtlichen Kontrolldichte schaffte Anreize zu einer fairen Verfahrensgestaltung (bis hin zur Mediation, möglicherweise verknüpft mit der frühzeitigen Bürgerbeteiligung89 ), ohne zu einer effizienzfeindlicher Überformalisierung des (Beteiligungs-)Verfahrens zu führen.90

F. Fazit: Verfahrenseffizienz als Optimierungsproblem

I. Möglichkeiten und Grenzen einer ökonomischen Betrachtung

Ökonomisch betrachtet geht es bei der Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung um Verfahrenseffizienz und diese ist ein Problem der Optimierung von Aufwand und Ertrag. Ein Ausbau der Öffentlichkeitsbeteiligung und die verschärfte Sanktionierung von Verstößen können trotz des höheren Aufwands eine gute Investition sein, wenn dadurch die Wahrscheinlichkeit von Fehlern so verringert und die Chance auf Akzeptanz der Entscheidung so erhöht wird, dass der Nutzen besserer Planungsentscheidungen die Verfahrenskosten – dabei Verwaltungs- und etwaige Gerichtsverfahren zusammen betrachtet – überwiegt.91 Ein solcher Kosten-Nutzen-Vergleich leuchtet theoretisch ein. In den USA wird er nach dem sogenannten Matthews-Test92 sogar von der Rechtsprechung zur Herleitung von rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien (insbesondere einer Anhörung und deren Ausgestaltung) aus der verfassungsrechtlichen Due-Process-Garantie genutzt, allerdings nur in gesetzlich nicht näher geregelten Verwaltungsverfahren.

In der Praxis, selbst auf Gesetzgebungsebene, steht ein derartig formalisierter, wenn nicht gar mathematisierter Effizienzvergleich indes vor gravierenden Wissens- und Messbarkeitsproblemen.93


79 EuGH, Rs. C-115/09 – Trianel, DVBl. 2011, 757, Rn. 42-49, m. Anm. Durner; zur Konsequenz der unmittelbaren Anwendung von Art. 10a III 2, 3 UVP-RL die Folgeentscheidung OVG Münster, ZUR 2012, 372 ff. – Die notwendige Änderung des UmwRG wird zu einer Streichung des Passus „Rechte Einzelner“ in § 2 Abs. 1 u. 5 UmwRG führen, ferner steht eine Ausweitung von § 4 Abs. 1 UmwRG auf eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte UVP oder UVP-Vorprüfung in Aussicht; allerdings soll all dies möglicherweise mit verschärften Präklusionsregeln und einer – mit Recht besonders umstrittenen – Absenkung der gerichtlichen Kontrolldichte und erkauft werden; insoweit berechtigte Kritik am Referentenentwurf von Mai 2012 bei Schlacke, ZUR 2012, 393 f.

80 Dabei ist umstritten, ob diese dem Umweltschutz dienenden Vorschriften zusätzlich auf Unionsrecht zurückgehen; zum Ganzen vertiefend Berkemann, NuR 2011, 780, 782-785; Wegener, ZUR 2011, 363, 365 f.; Schwerdtfeger, EuR 2012, 84 ff.

81 Statt aller Kopp/Ramsauer (Fn. 24), § 73 Rn. 128; Wickel, in: Fehling/Kastner/Störmer (Fn. 25), § 73 Rn. 164.

82 G. Winter, ZUR 2012, 329, 330.

83 Statt vieler Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227, 263; Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 326; für eine „reale Fehlerheilung“ unabhängig vom Zeitpunkt Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts (GVwR), Bd. 3, 2009, § 50 Rn. 300 m.w.N.

84 H. A. Wolff (Fn. 4), S. 977, 982; Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 326, vgl. auch Schoch, in: GVwR III (Fn. 83), § 59 Rn. 303.

85 G. Winter, ZUR 2012, 329, 330 (mit dortiger Fn. 1).

86 Vgl. Fehling, in: J.-P. Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft4, (in Vorbereitung), § 8 Rn. 224.

87 Grundlegend BVerwGE 75, 214, 230 – Flughafen München II; Verstoß zuletzt verneint in BVerwGE 139, 150, Rn. 23-27 – BAB 3; vertiefend zu Fairness und Waffengleichheit im Verwaltungsverfahren m.w.N. Fehling, Unparteilichkeit (Fn. 23), S. 292-302.

88 Würtenberger, Akzeptanz (Fn. 8), S. 133 f. schlägt sogar vor, gegebenenfalls einen förmlichen Gutachterstreit mit Kreuzverhör nach angelsächsischen Vorbildern durchzuführen.

89 Vgl. Franzius, GewArch 2012, 225, 233 f. Zu Möglichkeiten und Grenzen einer Mediation in der Planfeststellung allgemein Siegel, DVBl. 2012, 1003 ff.; Pünder, Die Verwaltung 38 (2005), 1, 29 f. Siehe auch oben Fn. 46.

90 Zu diesem Konzept näher Fehling, Unparteilichkeit (Fn. 23), S. 325 f., 329, 495-498, mit dem Fokus auf informelle Absprachen ders., in: GVwR II (Fn. 6), § 38 Rn. 115; speziell auf Mediationsanstrengungen bezogen bereits Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, 1989, S. 63 f.; J.-P. Schneider, VerwArch 87 (1996), 38, 63.

91 Hierzu und zum Folgenden für Verwaltungsverfahren allgemein Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 322-325.

92 Grundlegend Mathews v. Eldridge, 424 U.S. 319, 335 (1976). Mathematisch ausgedrückt lohnen sich zusätzliche Verfahrensanforderungen, wenn C (costs) = P (increased probability of an accurate finding) x V (value of individual interest at stake); zum ganzen eingehend Pierce, Administrative Law Treatise5, Bd. 1, 2010, § 9.5, insbes. 812 ff.

93 Für die USA Mashaw, Due Process in the Administrative State, 1985, insbes. S. 113, 115, 127; allgemeiner, aber besonders deutlich Voßkuhle, Die Verwaltung 34 (2001), 347, 357 f. Wangenheim, in: Bork/Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S. 237, 241-246, rechnet deshalb bei der Bewertung der Anreizwirkungen von Verfahrensbeschleunigungsstrategien nur mit Variablen; dies geschieht jedoch um den Preis extremer Vereinfachung (z.B. wird nur bipolar zwischen sozialschädlichen und nützlichen Projekten unterschieden).

Fehling, Reform der Bürgerbeteiligung (BLJ 2012, 92)100

Zwar werden sich verbesserte Akzeptanz und bessere Konfliktbewältigung in der planerischen Abwägung teilweise noch in einer Verringerung der Kosten für gerichtliche Kontrolle niederschlagen. Doch der Gewinn an Legitimation und Rechtsstaatlichkeit lässt sich wie auch bei vielen anderen nicht instrumentellen Verfahrensfunktionen schwer quantifizieren und kaum monetarisieren. Hinzu kommen die Prognoseunsicherheiten, wie sie Instrumenten indirekter Verhaltenssteuerung durch Anreize immer eigen sind. Beispielsweise bleibt es unsicher, inwieweit mit erhöhten Anstrengungen bei der Öffentlichkeitsbeteiligung tatsächlich mehr Akzeptanz für Planfeststellungsentscheidungen geschaffen und dadurch wiederum Gerichtsverfahren vermieden oder entschärft werden können. Fundamentalopposition gegen ein bestimmtes Projekt lässt sich selbst durch aufwändige Konfliktmittlungsverfahren kaum aufbrechen.94 Auf der anderen Seite lässt sich ebenso schwer prognostizieren, inwieweit elaboriertere Beteiligungsverfahren tatsächlich auf Behördenseite technokratischen Paternalismus erschüttern und mehr tatsächliche Entscheidungsoffenheit erreichen können.95 Wenn Verfahrensfehler gerichtlich konsequenter sanktioniert werden, so erscheint mehr Achtsamkeit bei der Öffentlichkeitsbeteiligung zwar plausibel, doch könnte dies auch zu bloßem Formalismus führen. Eine ökonomisch inspirierte Konstruktion von Wirkungsketten mit dem Ziel eines Effizienzvergleichs wird dadurch nicht nutzlos, kann aber letztlich nur zur rechtspolitischen Problemsensibilisierung beitragen.96

II. Effektivierung der Bürgerbeteiligung im Zusammenspiel mit klassischen Medien, Internet und Public-Interest-Organisationen 

Vor diesem Hintergrund erscheint die frühzeitige Bürgerbeteiligung als – wenn auch unvollkommener – Schritt in die richtige Richtung. Sie muss aber durch die zuvor angesprochenen Veränderungen bei der Gerichtskontrolle unterfüttert und weiter ausgebaut werden.

Stärkere Beachtung verdient dabei die Rolle der (Umwelt‑)Verbände und der Medien. Insbesondere lokale und regionale Tageszeitungen sowie Radiosender sollten verstärkt als Katalysatoren genutzt werden, um die Bürger rechtzeitig für die Probleme eines Infrastrukturprojekts zu sensibilisieren. Dazu bedarf es freilich einer guten behördlichen Öffentlichkeitsarbeit, denn diese Massenmedien müssen erst einmal für die jeweilige Planung interessiert und die Informationen müssen für sie entsprechend gut – und zugleich möglichst objektiv und neutral – aufgearbeitet werden. Ein Einstellen aller Unterlagen ins Netz ist zwecks Transparenz zwar wünschenswert, kann aber diese erste Anstoßfunktion weder für die Medien noch für die Bürger hinreichend erfüllen. Selbst eine dort beigefügte möglichst allgemeinverständliche Kurzzusammenfassung, wie sie schon heute im förmlichen Auslegungsverfahren angemahnt wird,97 würde wohl noch nicht ausreichen. Ist aber die Öffentlichkeit über die klassischen Medien erst einmal sensibilisiert, so könnte mit Hilfe des Internets die bislang nur punktuelle Öffentlichkeitsbeteiligung – künftig möglicherweise mit drei Stationen: Bedarfserörterungsverfahren bei der Raumplanung, frühzeitige Bürgerbeteiligung vor Beginn des Verwaltungsverfahrens, förmliche Beteiligung im Planfeststellungsverfahren – ein Stück verstetigt und den ganzen Planungsprozess begleitend ausgestaltet werden.98 Über Rechte auf freien Informationszugang nach den Informationsfreiheitsgesetzen von Bund und Ländern sowie dem Umweltinformationsgesetz (UIG) können Bürger und Verbände gegebenenfalls ergänzende Daten und Dokumente einfordern.99

Von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und anderen Interessengruppen ist auch eher als vom „einfachen Bürger“ zu erwarten, dass sie sich im Planungsprozess durch komplexe Dokumente hindurcharbeiten und deren wesentlichen Inhalt wiederum an „ihre Klientel“ weitervermitteln. Dass dabei unterschiedliche Sichtweisen und Interessen frühzeitiger als bislang aufeinander stoßen, erscheint durchaus wünschenswert. Der zusätzliche behördliche Aufwand dürfte im obigen Sinne tendenziell eine gute Investition darstellen, weil so etwaige Kompromisspotentiale besser ausgelotet werden können. Im Übrigen vermögen Public-Interest-Organisationen, nicht nur zum Thema Umweltschutz, als Intermediäre wohl noch am ehesten darauf hinzuwirken, dass breitere Bevölkerungsschichten (über die die Bürgerbeteiligung dominierenden politisch aktiven Mittelstands-Eliten hinaus) sich für die sie betreffenden Planungsverfahren interessieren.

Nicht alle genannten Empfehlungen eignen sich dazu, in Gesetzesform gegossen zu werden; bei manchem handelt es sich um bloße Klugheitserwägungen, welche eine gute Verwaltung im Rahmen ihres Verfahrensermessens unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Einzelfalls anstellen sollte. Eckdaten wie die Veröffentlichung aller Dokumente im Internet über § 10 UIG100 hinaus wären indes durchaus kodifizierungswürdig. So bleibt zu hoffen, dass der derzeitige Entwurf eines Planungsvereinheitlichungsgesetzes nur eine erste Etappe sein wird. Einmal mehr wird gerade für das Planungsrecht einschließlich der Öffentlichkeitsbeteiligung gelten: Nach der Reform ist vor der Reform.


94 Vgl. Pünder, Die Verwaltung 38 (2005), 1, 7 f.; Gaßner/Holznagel/Lahl, Mediation – Verhandlungen als Mittel der Konsensfindung bei Umweltstreitigkeiten, 1992, S. 43 f.; Schink, DVBl. 2011, 1377, 1378.

95 Diese Unsicherheiten klingen an bei Birk, DVBl. 2012, 1000, 1003, der einräumt, dass bei der Hoffnung auf „ein Mehr an gegenseitigem Verständnis und Akzeptanz“ „auch Wunschvorstellungen mitschwingen“. Möglicherweise auch deshalb skeptisch gegenüber einer frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung in Anbetracht der schon vorhandenen Beteiligung in der Raumordnung Burgi/Durner (Fn. 4), S. 177 f.; vgl. auch Guckelberger, VerwArch 103 (2012), 31, 59 f.

96 Fehling, VVDStRL 70 (2011), 278, 324; für Kosten-Nutzen-Analysen im Verwaltungsrecht allgemein ders., in: Professorinnen und Professoren der Bucerius Law School, Begegnungen im Recht, 2011, 39, insbes. 45-51: ders., VerwArch 95 (2004), 443, 464 f., 470.

97 Besonders deutlich bei Ziekow, DJT-Gutachten (Fn. 17), D 40 f., S 85.

98 Ziekow, DJT-Gutachten (Fn. 17), D 81 f., D 127 f., D 148; Franzius, GewArch 2012, 225, 229.

99 Zu Möglichkeiten und Grenzen (insbesondere in – eng zu interpretierenden – Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) Schoch und Rossi, jeweils in: Hecker/Hendler/Proelß/Reiff (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, insbesondere im Umweltschutz, 2011, S. 81 ff. bzw. 187 ff.

100 Zu dessen Reichweite im vorliegenden Zusammenhang Schink, DVBl. 2011, 1377, 1379 f.