Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung

von Melanie Röpke*

A. Einleitung

„Alter ist kein Verdienst“.1 Soviel weiß man in Deutschland seit dem Urteil des EuGH im September 2011 zur Vereinbarkeit der im Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vorgesehenen Lebensaltersvergütungsstufen mit dem Altersdiskriminierungsverbot. Der BAT ist zwar mittlerweile längst durch den anders gestalteten Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst. Die Vergütungsbemessung des BAT setzt sich aber durch Überleitungsvorschriften auch im TVöD fort. Diese Altersstufenregelung sowie die Überleitungsbestimmungen standen darum bezüglich ihrer Vereinbarkeit mit dem Altersdiskriminierungsverbot auf dem europarechtlichen Prüfstand.2 Angesichts des breiten Anwendungsbereichs der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und den noch nicht ausjudizierten Rechtsfolgen eines unwirksamen diskriminierenden Vergütungssystems war dieses Verfahren für staatliche wie für private Arbeitgeber eine heikle Angelegenheit. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sind kein Einzelfall: In der deutschen Kultur altersspezifischer Arbeitsbedingungen3 gibt es viele Spielarten tariflicher Vergütungsregelungen, die im Zusammenhang mit dem Lebensalter des Arbeitnehmers stehen. Der folgende Beitrag bespricht die benannte Entscheidung des EuGH und deren Umsetzung durch das BAG und zeigt ihre möglichen Konsequenzen auch für andere altersspezifische Vergütungsregelungen auf.

B. Altersspezifische Vergütungsregelungen

I. Unmittelbar diskriminierende Vergütungsregelungen

Eine Anknüpfung der Vergütungsbemessung direkt an das Lebensalter stellt eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 I 1 AGG dar, erfährt doch ein Arbeitnehmer aufgrund seines Alters, das ein geschütztes Merkmal gem. § 1 AGG ist, eine weniger günstige Behandlung, als andere Arbeitnehmer.4 Der Vergütungsbegriff auch i.S.d. AGG, kommt dem Entgeltbegriff des Art. 141 EGV a.F. gleich, auf den sich auch die Begriffbestimmung nach § 612 III BGB bezieht.5 Darunter fallen alle gegenwärtigen oder zukünftigen in Geld- oder Sachform gezahlten Leistungen, sofern sie wenigstens mittelbar aufgrund des Arbeitsverhältnisses gewährt werden.6 Bei der Untersuchung von tariflichen Vergütungsregelungen stellt sich somit stets die Frage, ob eine unmittelbare Anknüpfung an das Alter vorliegt und ob eine solche gerechtfertigt werden kann.

1. Vergütung nach Lebensalter am Beispiel des BAT

a) Die Lebensaltersstufen des BAT

Begünstigende Regelungen, deren Anknüpfungspunkt das Lebensalter ist, werden als Senioritätsregeln bezeichnet.7 Dazu gehören Entgeltregelungen, die die Höhe der Vergütung nach dem Lebensalter bemessen, etwa durch die Bezahlung nach Altersstufen. Ein bekanntes Beispiel für dieses Modell ist der BAT, der für die Angestellten des öffentlichen Dienstes im Bund, aber auch in Ländern und Gemeinden abgeschlossen wurde. Der BAT ordnete die Arbeitnehmer in seinem Geltungsbereich zunächst nach ihrem Berufsbild in Vergütungsgruppen ein. Innerhalb dieser Vergütungsgruppen bestimmte sich die genaue Vergütung anhand einer Lebensaltersstufenregelung, gemäß der die Angestellten nach zwei weiteren vollendeten Lebensjahren eine Vergütungsstufe aufstiegen.8 Ab dem 1.10.2005 sind der BAT und der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bund und die Gemeinden durch den TVöD ersetzt worden. Auf Länderebene lief der BAT mit Ausnahme Hessens und Berlins zum 1.11.2006 aus und wurde anschließend durch den TV-L, dem Pendant zum TVöD, ersetzt. Nur in Hessen wurde die Überleitung in einen neuen Tarifvertrag, den TV-H, erst 2009 von den Tarifparteien beschlossen, in Berlin wurde der BAT sogar noch später – erst mit dem 1.4.2010 – durch den TV-L abgelöst.9

b) Überprüfung des BAT in der EuGH-Entscheidung Hennigs/Mai

Es kam, wie es kommen musste: In Berlin erhob ein Landesbediensteter, Herr Mai, 2007 Klage vor dem Arbeitsgericht, weil das Vergütungssystem des BAT seiner Ansicht nach eine Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer darstelle und damit altersdiskriminierend sei. In Nordrhein-Westfalen klagte Frau Hennigs, eine Angestellte des Eisenbahnbundesamtes. Sie meinte, die vom BAT ausgehende Benachteiligung wegen des Alters setze sich durch die Überleitung nach dem Überleitungstarifvertrag TV-Ü im TVöD fort. Beide Verfahren wurden beim BAG anhängig, das im Mai 2010 dem EuGH u.a. die Frage vorlegte, ob eine Regelung wie die des BAT, die die Grundvergütung in den einzelnen Vergütungsgruppen nach dem Lebensalter bemisst, gegen das primärrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung aus Art. 21 der Grundrechtecharta (GRC) und deren Konkretisierung durch Richtlinie 2000/78/EG verstößt. Weiter fragte das BAG, ob eine derartige Benachteiligung unter Berücksichtigung des durch Art. 28 der Charta gewährleisteten Rechts der Kollektivverhandlungen gerechtfertigt werden könnte. 10

aa) Die Lebensaltersstufen als unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters

Bei Beantwortung der Fragen zeigte der EuGH auf, dass durch die Einordnung anhand des Lebensalters die Grundvergütungen zweier Angestellter, die zwar zeitgleich eingestellt wurden, aber unterschiedlich alt sind, bereits zum Zeitpunkt ihrer Einstellung differierten.11 Ein jüngerer Angestellter erhielt eine niedrigere Vergütung als ein älterer Angestellter,


* Die Autorin ist Studentin an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 „Alter ist kein Verdienst“, FAZ vom 16.11.2011.

2 EuGH v. 8.9.2011, verb. Rs. C-297/10 und C-298/10 – Hennigs/Mai; NZA 2012, 1100.

3 Zedler, NJW 2007, 47, 49.

4 Löwisch, DB 2006, 1729; vgl. Schleusener,in: Schleusener/Sukow/Voigt (Hrsg.), Kommentar zum AGG², 2008, § 3 Rn. 1.

5 BAG, NZA 2003, 861, 862; Dette,in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), Handkommentar AGG², 2009, § 7 Rn. 79.

6 EuGH, Slg. 2005, I-7453 – Vergani; Schwarze, in: Schwarze, EU-Kommentar², 2009, Art. 141 Rn. 10.

7 Temming, Altersdiskriminierung im Arbeitsleben, 2008, S. 119.

8 Vgl. § 27 Abschnitt A BAT.

9 BAG, BAGE 134, 327, 328.

10 BAG, BAGE 134, 311, 318 f.

11 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2012, 1100, 1102.

Röpke, Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung (BLJ 2012, 58)59

der sich aber in der gleichen beruflichen Position befand. Darin sah der EuGH eine unmittelbare Ungleichbehandlung aufgrund des Alters.12

bb) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht möglich

Im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG griff der EuGH den zweiten Teil der Vorlagefrage des BAG auf und untersuchte, ob sich die Bewertung der Rechtfertigung durch den Umstand verändert, dass es sich beim BAT um einen Tarifvertrag handelt.13 Mit dieser Vorlagefrage bezweckte das BAG die Klärung zweier verfassungsrechtlicher Grundlagenfragen. Zum einen suchte es nach einer Grundregel für die Auflösung von Grundrechtskollisionen auf Gemeinschaftsebene. Zum anderen fragte es sich, ob das Recht auf Kollektivverhandlungen den Tarifparteien mehr Freiheit als dem Staat im Antidiskriminierungsrecht einräumt und forschte damit nach der Reichweite und dem Wesensgehalt der Kollektivvertragsfreiheit aus Art. 28 GRC.14

Bezüglich beider Grundlagenfragen bringt der Spruch aus Luxemburg allerdings kein Licht ins verfassungsrechtliche Dunkel.15 Weder findet sich eine Richtschnur zur Auflösung von Grundrechtskollisionen, noch wird das Grundrecht auf kollektive Verhandlungen genauer umrissen. Der Gerichtshof stellte nur heraus, dass den Tarifvertragsparteien in doppelter Hinsicht ein weites Ermessen zusteht: Zum einen bei der Entscheidung über ein konkretes Ziel, das sie mit Kollektivverhandlungen erreichen wollen, zum anderen bei der Festlegung von Maßnahmen, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. Im Rahmen dieses Ermessens könnten die Maßnahmen der Sozialpartner durchaus eine altersbedingte Ungleichbehandlung begründen, die aber i.S.d Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zu rechtfertigen sei. Das Recht auf Kollektivverhandlungen müsse im unionsrechtlichen Anwendungsbereich also im Einklang mit dem Europarecht ausgeübt werden. Steht eine tarifvertragliche Maßnahme dem Unionsrecht entgegen und kann nicht gerechtfertigt werden, beeinträchtige das nicht das Recht auf Kollektivverhandlungen aus Art. 28 GRC.16 Das bedeutet letztlich, dass sich das primärrechtliche Grundrecht auf kollektive Verhandlungen am rangniederen Sekundärrecht messen lassen muss und von diesem in seinem Geltungsgehalt beschränkt wird. Das ergibt sich in dieser Konsequenz aber auch schon aus Art. 16 lit. b RL 2000/78/EG.17 Die Tarifautonomie begründet also keinen anderen Rechtfertigungsmaßstab.

Die Altersstaffeln des BAT zielten nach Angaben des BAG und der Bundesregierung zum einen auf die Honorierung der Berufserfahrung von Angestellten des öffentlichen Dienstes ab, wobei die Anknüpfung an das Lebensalter nur eine praktikable Form zur Typisierung von Arbeitnehmern sei.18 Zum anderen solle die mit dem Lebensalter ansteigende Vergütung aufgrund der Altersstaffelung dem höheren finanziellen Bedarf im Alter Rechnung tragen. Letzteren Rechtfertigungsansatz erkannte der EuGH schon deshalb nicht an, weil zwischen dem Alter eines Angestellten und seinem finanziellen Bedarf kein unmittelbarer Zusammenhang bestünde, könnten doch sowohl ältere als auch jüngere Angestellte hohe familiäre Lasten zu tragen haben.19

Die Belohnung von Berufserfahrung durch eine höhere Vergütung wird vom Gerichtshof grundsätzlich als legitimes Ziel anerkannt.20 Aber die zur Verwirklichung dieses Ziels von den Tarifparteien getroffene Maßnahme wurde vom EuGH als nicht angemessen und erforderlich erachtet. Zwar bedeutet bei einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer der Anstieg seines Lebensalters auch die Zunahme seiner Berufserfahrung. Bei einem Angestellten ohne jede Berufserfahrung erfolgt die Einstufung aber auch anhand des Lebensalters. Dieser jedenfalls hätte dann seine Vergütung nur aufgrund seines Lebensalters und nicht aufgrund seiner Berufserfahrung verdient.21

Die Feststellung des EuGH, dass es sich bei den Altersstufen des BAT um eine ungerechtfertigte Altersdiskriminierung handele, war nicht wirklich überraschend. Im deutschen Schrifttum war es bereits zuvor verbreitete Meinung, dass das Vergütungssystem des BAT europarechtlich nicht haltbar ist.22

2. Lohnabschlagsklauseln

In Tarifverträgen sind auch Klauseln nicht selten, die jüngere Arbeitnehmer bis zur Erreichung eines bestimmten Mindestalters schlechter entlohnen als ältere Arbeitnehmer (sog. Lohnabschlagsklauseln).23 Hier erfolgt ebenfalls eine pauschale Anknüpfung an das Lebensalter, die die gleichen Ziele wie das oben beschriebene Altersstufenentlohnungssystem verfolgt, so dass eine Rechtfertigung nicht in Betracht kommt.24 Der Rechtsprechung des EuGH entsprechend dürften diese Vereinbarungen als altersdiskriminierend einzustufen sein.

3. Sozialzulage in Form eines Alterszuschlags

Denkbar ist auch eine Sozialzulage in Form eines Alterszuschlags, der ab einem bestimmten Lebensalter gezahlt wird.25 Durch die direkte Anknüpfung an das Alter liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor. Als Ziel kommt die Entlastung wegen höherer Kosten im Alter in Betracht. Bedenkt man allerdings, welche Ausgaben man klassischerweise als altersbedingt einstuft (Medikamente, Arztrechnungen oder auch Unterhalt für die Familie), so ergibt sich, dass auch jüngere Arbeitnehmer von Krankheit oder familiären Ausgaben betroffen sein können. Eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung liegt damit vor. In Sozialplänen hat das BAG Alterszuschläge zwar für vereinbar mit dem Altersdiskriminierungsverbot gehalten. Allerdings wurde die Rechtfertigung nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG mit den geringeren Chancen älterer


12 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2012, 1100, 1102.

13 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2012, 1100, 1102.

14 BAG, BAGE 134, 327, 337; Forst, EuZA 2012, 225, 227.

15 So auch Forst, EuZA 2012, 225, 228; Mair, ZESAR 2012, 243, 244.

16 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1102 f.

17 Forst, EuZA 2012, 225, 228; Mair, ZESAR 2012, 243, 244.

18 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1103

19 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1103.

20 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1103; Mair, ZESAR 2012, 243, 245.

21 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1103; Mair, ZESAR 2012, 243, 245.

22 Kuner, öAT 2011, 229; Brors,in: Däubler/Bertzbach (Fn. 5), § 10 Rn. 56; Löwisch, DB 2006, 1729, 1730.

23 Voigt, in: Schleusener/Suckow/Voigt (Fn. 4), § 10 Rn. 31; Bertelsmann, ZESAR 2005, 242, 245; z.B. Ver.di-TV f. Lufthansa Bodenpersonal, der für Auszubildende unter 18 J. weniger Vergütung vorsieht, in: Bispinck, WSI-Tarifhandbuch, 2007, S. 148.

24 Vgl. Bertelsmann,in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG Kommentar, 2007, § 10, Rn. 142; Schmidt,in: Schiek (Hrsg.), AGG, 2007, § 10 Rn. 19.

25 Dette,in: Däubler/Bertzbach (Fn. 5), § 7 Rn. 80.

Röpke, Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung (BLJ 2012, 58)60

Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt begründet.26 Diese Rechtfertigungserwägung greift aber nicht bei Alterszuschlägen in einem laufenden Arbeitsverhältnis.

4. Verdienstsicherung

a) Benachteiligende Regelungstatbestände

In vielen Tarifverträgen sind Verdienstsicherungsklauseln enthalten, die ab einem bestimmten Lebensalter eine Garantie für die Erhaltung einer bestimmten Lohnhöhe zusichern.27 Es gibt verschiedene Formen dieser Klausel. Die Zusicherungen können z.B. an das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit28 oder nur an das Lebensalter29 gekoppelt sein. Manchmal ist die Verdienstsicherung auch als Abgruppierungsverbot geregelt, nach dem die Arbeitnehmer, die die Voraussetzungen erfüllen, nicht mehr in niedrigere Lohngruppen herabgestuft werden können.30

b) Rechtfertigung

Knüpft die Verdienstsicherung in erster Linie an das Lebensalter an, ist sie als unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 I AGG anzusehen.31 Sie kann dann als positive Maßnahme gem. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt sein. Ihr Ziel ist der Schutz älterer Arbeitnehmer z.B. vor Leistungsabfall wegen langjähriger Tätigkeit, aufgrund gesundheitlicher Probleme oder vor Versetzung bei Rationalisierungsmaßnahmen, was alles als legitimes Ziel i.S.v. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG betrachtet werden kann.32 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Verdienstsicherungsklauseln auch eine negative Wirkung zukommen kann, weil dadurch das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus den Fugen gerät und die Wettbewerbsfähigkeit der älteren gegenüber den jüngeren Arbeitnehmern noch weiter sinkt.33 Als geeignete Maßnahme ist es aber kaum zu sehen, wenn das Auslösen der Verdienstgarantie durch pauschale Altersgrenzen geschieht.34 Eine Gesundheitsbeeinträchtigung kann auch vor dem Erreichen eines bestimmten Alters eintreten. Der Alterungsprozess verläuft bei allen Menschen unterschiedlich, so dass fixe Altersgrenzen nicht geeignet sind.35 Eher könnte man über eine Rechtfertigung nachdenken, wenn die Verdienstsicherungsklausel nicht nur ein angemessenes Alter vorsieht, sondern auch ein ärztliches Attest fordert, das im Grunde dann den Hauptauslöser der Garantie darstellen würde.36 Eine derartige Maßnahme würde den begünstigten Personenkreis stark eingrenzen und wäre damit für jüngere Arbeitnehmer weniger einschneidend und benachteiligend.37

Verdienstsicherungsklauseln, die sowohl an Lebensalter als auch an Betriebszugehörigkeit anknüpfen, sind bzgl. des Kriteriums Lebensalter unmittelbar benachteiligend und bzgl. der Betriebszugehörigkeit mittelbar.38 Auch hier ist wieder ein legitimes Ziel anzunehmen. Allerdings stellt sich ebenfalls die Problematik der fixen Altersgrenzen. Deshalb ist selbst bei Kopplung an ein zweites Kriterium wie das der Betriebszugehörigkeit an einer Ungeeignetheit des Mittels festzuhalten. Stattdessen sollte besser in erster Linie an konkrete Voraussetzungen wie etwa ein ärztliches Attest oder besondere Rationalisierungsmaßnahmen angeknüpft werden, wenn man eine Altersdiskriminierung durch die Klausel sicher vermeiden möchte.

5. Arbeitszeitreduzierung bei gleichbleibendem Lohn

Tarifvertraglich ist es üblich, ab einem gewissen Alter Arbeitszeitreduzierungen bei gleichem Lohn vorzusehen. Das kann etwa in der Form geschehen, dass eine kürzere Wochenarbeitszeit festgelegt wird oder dass diese Arbeitnehmer von Schichtarbeit befreit sind.39 Durch die Anknüpfung an das Alter sind diese Vereinbarungen unmittelbar diskriminierend, da ältere Arbeitnehmer für weniger Arbeit den gleichen Verdienst erhalten.40 Zielen diese Vereinbarungen darauf ab, die Gesundheit der älteren Arbeitnehmer zu schützen, so liegt darin ein legitimes Ziel. Allerdings ergibt sich bei der Beurteilung der Angemessenheit und Erforderlichkeit der Umsetzung wieder das Problem der pauschalen Anknüpfung an das Lebensalter, so dass eine Rechtfertigung nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG von der konkreten Ausgestaltung abhängt.41

II. Mittelbare Benachteiligung

Eine mittelbare Benachteiligung liegt bei scheinbar neutralen Vorschriften, Maßnahmen oder Kriterien vor, die nicht direkt an ein geschütztes Merkmal anknüpfen, aber sich letztlich doch negativ auf einen Träger dieses Merkmals im Vergleich zu Personen ohne dieses Charakteristikum auswirken.42 Nach § 3 II AGG liegt tatbestandlich allerdings schon keine Diskriminierung vor, wenn für die Benachteiligung ein sachlicher Grund gegeben ist, der durch angemessene und erforderliche Mittel verwirklicht werden soll.43

1. Kopplung des Entgelts an die Berufserfahrung

Ein Beispiel für eine mittelbare Benachteiligung ist die Entgeltbemessung nach der Berufserfahrung, also nach der Tätigkeitsdauer in einem spezifischen Berufsbild, gleich in welchem Betrieb.44 Da eine höhere Berufserfahrung mit einem höheren Alter verbunden ist, kann auch hier eine mittelbare


26 BAG, NZA 2011, 985.

27 Schmidt,in Schiek (Fn. 24), § 10 Rn. 16; Meinel/Heym/Herms, AGG Kommentar, 2007, § 10 Rn. 42.

28 Z.B. IG-Metall-TV f. Eisen- und Stahlindustrie Niedersachsen/NRW/Ost, der ab 45 Lj. u. 15 J. BZ 90 % d. bisherigen Durchschnittsverd. vorsieht, in: Bispinck, WSI-Tarifhandbuch 2007, S. 158.

29 Z.B. IG-Metall-TV f. Metallhandwerk Niedersachsen, der 100 % Durchschnittsverdienst ab 50. Lj. gewährt, in: Bispinck, WSI-Tarifhandbuch 2007, S. 191.

30 Bertelsmann, in: Rust/Falke (Fn. 24), § 10 Rn. 108; Lingscheid, Antidiskriminierung im Arbeitsrecht, 2004, S. 211.

31 Temming (Fn. 7), S. 524, 526; Rieble/Zedler, ZfA 2006, 273, 295.

32 Schmidt,in: Schiek (Fn. 24), § 10 Rn. 16; Temming (Fn. 7), S. 525; Voigt, in: Schleusener/Suckow/Voigt (Fn. 4), § 10 Rn. 37.

33 Vgl. Rieble/Zedler, ZfA 2006, 273, 296; Over, Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 235; Löwisch/Caspers/Neumann, , Beschäftigung und demographischer Wandel, 2003, S. 39.

34 Bertelsmann, in: Rust/Falke (Fn. 24), § 10 Rn. 110; Schmidt, in: Schiek (Fn. 24), § 10 Rn. 16.

35 Bertelsmann, in: Rust/Falke (Fn. 24), § 10 Rn. 112; Temming (Fn. 7), S. 525.

36 Vgl. Bertelsmann, in: Rust/Falke (Fn. 24), § 10 Rn. 113.

37 Bertelsmann,in: Rust/Falke (Fn. 24), § 10 Rn. 113.

38 Temming (Fn.7), S. 524.

39 Löwisch/Caspers/Neumann (Fn. 33); Bertelsmann, ZESAR 2005, 242, 246.

40 Löwisch/Caspers/Neumann (Fn. 33), S. 40.

41 Schmidt,in: Schiek (Fn. 24), § 10 Rn. 21; Löwisch/Caspers/Neumann (Fn. 33), S. 40; Bertelsmann, ZESAR 2005, 242, 246; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666.

42 BT-Drs. 16/1780, S. 32.

43 Meinel/Heym/Herms (Fn. 27), § 3 Rn. 23; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG Kommentar³, 2011, § 3 Rn. 31.

44 Meinel/Heym/Herms (Fn. 27), § 10 Rn. 39; Bertelsmann,in: Rust/Falke (Fn.24), § 10 Rn. 172.

Röpke, Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung (BLJ 2012, 58)61

Diskriminierung vorliegen.45 Ziel einer Anknüpfung an die Berufserfahrung kann es sein, die durch Erfahrungswerte bedingte höhere Qualität der Arbeitsleistung zu belohnen.46 Aus der EuGH-Judikatur in Nimz und Cadman lässt sich für diesen Fall ableiten, dass bessere Arbeitsleistung und längere Berufserfahrung für eine tatbestandliche Rechtfertigung der mittelbaren Benachteiligung im Zusammenhang stehen müssen.47

a) Anknüpfung an Berufserfahrung/Dienstalter am Beispiel des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD)

Im TVöD beruht die Vergütungsbemessung auf den Kriterien Tätigkeit, Berufserfahrung und Leistung.48 Gem. § 16 II, III TVöD-Bund erfolgt die Zuordnung in eine Stufe der jeweils passenden Entgeltgruppe nach der Berufserfahrung. Innerhalb der Entgeltgruppe werden dann die höheren Vergütungsstufen mit zunehmender Betriebszugehörigkeit erklommen (§ 16 IV TVöD-Bund). Es werden nur vorherige Beschäftigungen in einem Zeitraum von sechs Monaten vor der Einstellung und eine Berufserfahrung von mindestens einem bzw. drei Jahren (§ 16 II, III TVöD-Bund) zur Eingruppierung herangezogen,49 so dass die in der bisherigen Tätigkeit gewonnenen Erfahrungen die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers noch beeinflussen.50 In Hennigs/Mai judizierte der EuGH, dass er die Vergütungsregelung des TVöD für nicht altersdiskriminierend halte.51

b) Fortsetzung der Altersdiskriminierung bei Überleitung in den TVöD

In einer weiteren Vorlagefrage konfrontierte das BAG den EuGH mit dem Problem, ob sich die durch die Vergütungsregelung des BAT begründete Alterdiskriminierung durch die Überleitungsvorschriften des TV-Ü-Bund im TVöD fortsetzt. Konkret gestaltete sich die Überleitung der Angestellten in den neuen Tarifvertrag derart, dass alle von einer Neueinstufung betroffenen Angestellten ein Vergleichsentgelt in Höhe ihrer bisherigen Vergütung erhielten. Mit dem Vergleichsentgelt ging eine Einordnung für zwei Jahre auf einer individuellen Zwischenstufe einher, auf die anschließend die Überleitung in die nächsthöhere reguläre Stufe der einschlägigen Vergütungsgruppe folgte.52 Durch die Überleitung über die individuelle Zwischenstufe gemäß TV-Ü wird damit die für ältere Angestellte vorteilhafte Einordnung in die Grundvergütungsstufen nach dem BAT auch im TVöD beibehalten.

Der EuGH kam zu dem Schluss, dass sich die vom BAT ausgehende Ungleichbehandlung auch im TVöD fortsetzen kann und weiterhin einige Angestellte aufgrund ihres Lebensalters eine geringere Vergütung erhalten als andere in einer vergleichbaren Arbeitsposition.

Allerdings erkannte der EuGH die mit dieser Art der Überleitung bezweckte Besitzstandswahrung der Angestellten als ein legitimes Ziel und die Umsetzung als erforderlich und angemessen an. Die Besitzstandswahrung an sich erachtete der Gerichtshof bereits in vorangegangenen Entscheidungen als einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses.53 Der TVöD stelle ein auf objektive Kriterien gestütztes Tarifsystem dar, das an sich keine altersdiskriminierende Wirkung entfalte. Bei einer direkten Anwendung des neuen tariflichen Regelwerkes ohne Übergangsvorschriften hätten 55 % der Angestellten des Bundes monatlich auf 80 Euro ihres Einkommens verzichten müssen.54 Um diese Einkommenseinbuße abzufedern, einigten sich die Tarifparteien beim Abschluss des TVöD auf die Übergangsregelungen des TV-Ü-Bund. Der EuGH erkannte diesen Überleitungskompromiss als notwendige Maßnahme an, um überhaupt einen Systemwechsel hin zu einem nichtbenachteiligenden Vergütungstarif zu vollziehen und sah die Überleitung als eine Vereinbarung innerhalb des den Sozialpartner zustehenden Ermessens an. Die Angemessenheit der Maßnahme ergebe sich daraus, dass die Überleitung unter Beibehaltung der Grundvergütung nach dem BAT die einzige Möglichkeit zur Vermeidung einer Minderung des Arbeitsentgelts gewesen sei.55

Im Übrigen sei die Aufrechterhaltung der Ungleichbehandlung nur vorübergehend und zeitlich beschränkt und betreffe nur alle bereits in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Angestellten, also einen begrenzten Personenkreis.56 Denn die Weiterentwicklung der Vergütung bei den „Alt“-Angestellten und alle zukünftigen Neueinstufungen richteten sich nach den Kriterien des TVöD, so dass die altersdiskriminierende Wirkung schrittweise abgebaut werde. Hauptkriterium des EuGH war also erkennbar nicht die sofortige Abschaffung eines altersdiskriminierenden Vergütungssystems, es kam ihm vielmehr auf die langfristige Beseitigung an.57 Die Judikatur des EuGH setzte das BAG am 8. Dezember 2011 mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Hennigs um.58

Damit bleibt nach dem Spruch aus Luxemburg die beruhigende Gewissheit, dass die Überleitungsregelungen vom BAT in den TVöD und der TVöD selbst bezogen auf das Altersdiskriminierungsverbot europarechtskonform sind.

2. Kopplung des Entgelts an die Lebenserfahrung

Auch eine Kopplung der Vergütung an die Lebenserfahrung ist denkbar. Die Lebenserfahrung stellt wiederum nicht unmittelbar auf das Alter ab, dennoch steht sie zu einem höheren Lebensalter allgemein in Korrelation. Allerdings ist die Lebenserfahrung als Vergütungskriterium ungeeignet, weil sie aufgrund ihrer Biografie- und Persönlichkeitsabhängigkeit nicht messbar ist.59 Zudem ist Lebenserfahrung nicht in jedem Beruf mit höherer Leistung verbunden, so dass dieses Kriterium nicht geeignet erscheint, eine höhere Vergütung zu rechtfertigen.60


45 Meinel/Heym/Herms (Fn. 27), § 10 Rn. 47.

46 Brors,in: Däubler/Bertzbach (Fn. 5), § 10 Rn. 59.

47 Linsenmaier, RdA 2003, Beil. Heft 3, 22, 29; Bertelsmann, ZESAR 2005, 242, 245.

48 Kocher, ZESAR 2011, 265.

49 Protokollerklärung zu § 16 II 2 TVöD-Bund.

50 Wulfers/Hecht, ZTR 2007, 475, 480.

51 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1104; Freckmann, BB 2012, 1288, 1291; Mair, ZESAR 2012, 243, 245.

52 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2); NZA 2011, 1100, 1104

53 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2); NZA 2011, 1100, 1104; EuGH, Rs. C-456/05 – Kommission/Deutschland, Slg. 2007, I-10517.

54 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1104.

55 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1105.

56 EuGH, Hennigs/Mai (Fn. 2), NZA 2011, 1100, 1105.

57 Mair, ZESAR 2012, 243, 245; „Alter ist kein Verdienst“, FAZ v. 16.11.2011.

58 BAG, NZA 2012, 275.

59 Brors,in: Däubler/Bertzbach (Fn. 5), § 10 Rn. 59.

60 Lingemann, in: Prütting/Wegen/Weinrich, BGB Kommentar4, 2009, § 10 AGG Rn. 11; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 666.

Röpke, Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung (BLJ 2012, 58)62

3. Kopplung des Entgelts an die Betriebszugehörigkeit

Unter Betriebszugehörigkeit oder auch Dienstalter und Anciennität61 versteht man die Zeit, die ein Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber tätig war.62 Es sind durchaus Entgeltregelungen in Tarifverträgen üblich, die die Vergütung mit zunehmender Betriebszugehörigkeit anheben. Das Dienstalter ist ein insoweit ein neutrales Kriterium. Da aber ein Anstieg des Dienstalters mit einer Zunahme an Lebensjahren einhergeht, profitieren hauptsächlich ältere Arbeitnehmer davon.63 Eine Anknüpfung an die Betriebszugehörigkeit kann also eine mittelbare Benachteiligung sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH in Danfoss, Nimz und Cadman darf das Dienstalter zur Bemessung der Vergütungshöhe herangezogen werden.64 In Danfoss ging der EuGH noch davon aus, dass Betriebszugehörigkeit und Berufserfahrung zusammenhängen.65 Sowohl die Honorierung der Betriebszugehörigkeit als auch die Honorierung der Berufserfahrung sind legitime Ziele, die nicht extra gerechtfertigt werden müssen, so dass tatbestandlich schon keine Benachteiligung vorliegt, sofern die gewählten Mittel angemessen und erforderlich sind.66 Das Dienstalter ist als Mittel geeignet, diese Ziele zu erreichen.67 Mit der Anerkennung der Betriebstreue sollen die Bindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen verstärkt und belohnt werden, die doch die Identität des Unternehmens ausmachen.68 So pauschal kann aber nicht immer aus dem Dienstalter die Berufserfahrung hergeleitet werden, vielmehr ist auf die Art der Tätigkeit abzustellen und zu untersuchen, ob bei ihr die Qualität der Arbeitsleistung mit der Berufserfahrung steigt.69 Dies wurde vom EuGH in Cadman anerkannt, so dass zwar die Prämisse gilt, dass Berufserfahrung und Diensttreue Hand in Hand gehen, sie aber für den fraglichen Arbeitsplatz widerlegt werden kann.70 Dabei muss nicht nachgewiesen werden, dass ein individueller Arbeitnehmer dem fraglichen Zeitraum Berufserfahrung gewonnen hat, es wird auf eine generalisierende Betrachtung abgestellt.71 Damit sind Tarifvereinbarungen, die die Höhe der Vergütung an die Berufserfahrung knüpfen, regelmäßig tatbestandlich keine Benachteiligung.72

4. Leistungsbezogenes Entgelt

Es ist auch möglich, die Vergütung im Ganzen oder in Teilen, z.B. in Form eines Zuschlags, nach der Leistung zu bemessen. Ein Beispiel dafür sind Akkordlöhne. Eine unmittelbare Anknüpfung an das Alter liegt nicht vor, weshalb sich wieder die Frage stellt, ob eine mittelbare Diskriminierung vorliegt und welche Altersgruppe die negativen Auswirkungen zu tragen hat. In bestimmten Berufszweigen profitieren jüngere Arbeitnehmer von einer Leistungsentlohnung, weil sie etwa aus gesundheitlichen Gründen mehr leisten können, während in anderen Tätigkeitsbereichen ältere Arbeitnehmer aufgrund ihrer Berufserfahrung im Vorteil sein können.73 Diese Regelungen verfolgen das Ziel, Anreize für gute Leistungen zu setzen und diese zu belohnen. Dies sind legitime Ziele, so dass leistungsbezogene Entgeltregeln in der Regel zulässig sind.

5. Jubiläumsprämien

Oft werden in Tarifverträgen Jubiläumsprämien vereinbart, die bei einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Zusatzleistung gewähren.74 Da diese auch wieder mit dem Alter korrelieren, sind sie als mittelbare Diskriminierungen einzustufen. Ziel dieser Prämien ist die Belohnung der Betriebstreue, weshalb sie regelmäßig als gerechtfertigt anzusehen sind.75

6. An die Betriebszugehörigkeit anknüpfende Verdienstsicherungen

Denkbar sind zudem Verdienstsicherungen, die nicht an das Lebensalter, sondern nur an die Betriebszugehörigkeit anknüpfen. Dabei handelt es sich um mittelbare Diskriminierungen. Eine derartige Regelung sieht dann eine Verdienstsicherung ab einer bestimmten Betriebszugehörigkeit – z.B. von 20 Jahren – vor.76 Damit wird die Betriebstreue als anerkannt legitimes Ziel belohnt, weshalb eine derartige Klausel gerechtfertigt und tatbestandlich schon keine Diskriminierung sein dürfte.77

C. Rechtsfolge beim Verstoß einer tarifvertraglichen Vergütungsregelung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung

Verstößt eine Bestimmung gegen ein Benachteiligungsverbot, so ist sie gem. § 7 II AGG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.78 Anwendung findet § 7 II AGG dabei nur auf Regelungen unterhalb der Gesetzesebene, also auf Tarifverträge, wobei aber nicht der ganze Tarifvertrag nichtig ist, sondern nur die diskriminierende Vorschrift.79 Im Falle einer Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Bestimmung gem. § 7 II AGG entsteht also eine Regelungslücke.80 Der benachteiligte Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Gleichstellung mit den nicht benachteiligten Beschäftigten.81 Damit wird zur Lückenfüllung keine ergänzende Vertragsauslegung betrieben, sondern die Gleichstellung als Folge aus dem allgemeinen Gleichheitssatz destilliert.82 Bezüglich der genauen Ausge-


61 EuGH, Slg. 2006, I-9583 – Cadman.

62 Meinel/Heym/Herms (Fn. 27), § 10 Rn. 39.

63 Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2007, Rn. 462; Over (Fn. 33), S. 170 f.; Temming (Fn. 7), S. 517.

64 EuGH, Slg. 1989, I-3199 – Danfoss; EuGH, Slg. 1991, I-297 – Nimz; EuGH, Slg. 2006, I-9583 – Cadman.

65 Schmidt, ZESAR 2007, 86, 87.

66 EuGH, Slg. 2006, I-9583, Rn. 33ff. – Cadman; vgl. Schmidt/Senne, RdA 2002, 80, 88; Körner, NZA 2008, 497, 500.

67 Zedler, NJW 2007, 49.

68 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 43), § 10 Rn. 30; Wulfers/Hecht, ZTR 2007, 475, 480.

69 Linsenmaier, RdA 2003, Beil. Heft 5, 22, 29; Kamanabrou, NZA 2006, Beil. Heft 3, 138, 141 f; Rebhahn, Aktuelle Entwicklungen des europäischen Arbeitsrechts, 2007, S. 16.

70 EuGH, Slg. 2006, I-9583 – Cadman; Schmidt, ZESAR 2007, 82, 88; Runggaldier, RdA 2009, Beil., 40, 42.

71 EuGH, Slg. 1991, I-297 – Nimz; EuGH, Slg. 2006, I-9583 – Cadman.

72 Nollert-Borasio/Perreng, AGG Basiskommentar², 2008, § 10 Rn. 19; Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 43), § 10 Rn. 30; Runggaldier, RdA 2009, Beil., 40, 42.

73 Vgl. BT-Drs. 16/1780, S. 36, vgl. Waas, ZRP 2006, 118.

74 Schmidt, in: Schiek (Fn. 24), § 10 Rn. 20.

75 Schmidt,in: Schiek (Fn. 24), § 10 Rn. 20.

76 Temming (Fn. 7), S. 527.

77 Temming (Fn. 7), S. 527.

78 Dornbusch/Kasprzyk, NZA 2009, 1000, 1001.

79 Dette, in: Däubler/Bertzbach (Fn. 5), § 7 Rn. 104; Thüsing, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, Münchener Kommentar zum BGB5, 2007, § 7 AGG Rn. 11.

80 Körner, NZA 2008, 497, 503; vgl. Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 667.

81 EuGH, Slg. 1991, I-297 – Nimz; BAG, NZA 1996, 48, Ls. 2; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2588; Kania,in: Röller/ Küttner (Hrsg.), Personalhandbuch 201017, 2010, Gleichbehandlung, A II, Rn. 16, 18.

82 Wiedemann, NZA 2007, 950, 951; Körner, NZA 2008, 497, 503.

Röpke, Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung (BLJ 2012, 58)63

staltung der Rechtsfolgen hüllt sich § 7 II AGG in Schweigen, weshalb mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung der Benachteiligung für Vergangenheit und Zukunft denkbar sind.83

I. Möglichkeiten der Herstellung von Gleichbehandlung für die Vergangenheit

Der erste Schritt zur Beseitigung der Ungleichbehandlung ist die rückwirkende Herstellung von Gleichbehandlung der benachteiligten Arbeitnehmergruppe.

Obwohl das BAG dem EuGH im Verfahren Hennigs/Mai auch die Frage vorgelegt hat, wie eine in der Vergangenheit liegende Ungleichbehandlung ausgeglichen werden kann, war dem Gerichtshof bezüglich der Rechtsfolgen einer Ungleichbehandlung keine Aussage zu entlocken. Darum musste sich das BAG in der Rechtssache Mai mit den Rechtsfolgen auseinandersetzen.84 Dabei war der Senat mit der Besonderheit konfrontiert, dass durch die Unwirksamkeit aller benachteiligenden Vergütungsstufen gem. § 7 II AGG i.V.m. § 134 BGB das gesamte Vergütungssystem wegfiel und damit ein Regelungsvakuum entstanden war.85 Als einzig wirksame Bezugsgröße blieb die oberste Vergütungsstufe.

Die Frage nach der rückwirkenden Beseitigung der Ungleichbehandlung war in der Rechtssache Mai dringlicher als in den übrigen beim BAG anhängigen Verfahren, weil aufgrund der langen Geltungsdauer des BAT im Land Berlin Ansprüche der benachteiligten Arbeitnehmer umfangreich und unverjährt sein konnten. Zwar gibt es in § 70 BAT eine sechsmonatige Ausschlussfrist für fällige Ansprüche. Dennoch dürften viele Angestellte frühzeitig auf Anraten der Gewerkschaft ver.di diese Ansprüche durch Schreiben an das Land Berlin geltend gemacht haben.86 .

——- HEADING COUNT ERROR ——-Angleichung der Vergütung

Um den benachteiligten Arbeitnehmer gleichzustellen, ist einmal eine sog. „Anpassung nach oben“87 denkbar, nach der die Endgrundvergütung herangezogen wird, also alle Arbeitnehmer mit der höchstmöglichen Vergütung entlohnt werden.88 Genauso könnte man eine „Anpassung nach unten“89 vornehmen oder einfach den Mittelwert aus allen Vergütungsstufen90 bilden.

In Bezug auf die Entgeltregelung des § 27 Abschnitt A BAT wird in der Literatur eine Angleichung nach unten damit begründet, dass bei einer Vergütungsstaffelung die unterste Entgeltgruppe die Regelleistung darstellen soll.91 Dieses Grundentgelt soll als einziges wirksam bleiben,92 während die alterbedingten Lohnsteigerungen entfallen.93

Sieht man die niedrigste Vergütungsgruppe als Regelvergütung an, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Vergütung in den höheren Vergütungsgruppen des BAT eine Ausnahme darstellen muss. Tatsächlich erfolgt gerade die Entlohnung nach der niedrigsten Entgeltstufe ausnahmsweise. So wird den Angestellten selbst bei der Einstellung nie das anfängliche Grundentgelt gezahlt, wenn sie bereits das 23. bzw. 25. Lebensjahr überschritten haben.94 Zudem würde es an einem wirksamen Sanktionsmechanismus fehlen, wenn der Arbeitgeber bei diskriminierenden Vergütungsstufensystemen nur die Vergütung nach dem Anfangsentgelt befürchten müsste.95

Eine Anpassung nach unten wird zudem regelmäßig der Rechtsgrundlage entbehren,96 sind doch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und die Einrede des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 III BGB) zu berücksichtigen, auf die sich Arbeitnehmer regelmäßig berufen können.97 Damit würde die Angleichung nach unten zwar zu einer rechtlichen, nicht aber zu einer tatsächlichen Gleichstellung führen.98

Auch die Bildung eines Mittelwertes kann nicht überzeugen, weil die rückwirkende Kürzung der über dem Mittelwert liegenden Gehälter nicht tatsächlich vollzogen werden könnte und die Diskriminierung bei alleiniger Heraufsetzung der benachteiligten Arbeitnehmer auf den Mittelwert nur abgeschwächt, nicht aber beseitigt würde.99

b) Die Entscheidung des BAG: Angleichung nach oben

Das BAG hielt darum die Angleichung nach oben für das einzige probate Mittel zur effektiven Beseitigung der Altersdiskriminierung. Die übrigen Rechtsfolgenmodelle – wie eine Angleichung nach unten – seien nicht überzeugend und effektiv genug.100 Grundsätzlich hob das BAG hervor, dass es wegen der Tarifautonomie eigentlich in den Zuständigkeitsbereich der Tarifvertragsparteien fällt, ob sie die Ungleichbehandlung durch eine Anpassung nach oben beheben wollen. Allerdings können auch die Arbeitsgerichte diese Aufgabe übernehmen, wenn die Tarifparteien die Regelung auch mit erweitertem Anwendungsbereich getroffen hätten oder die Benachteiligung für die Vergangenheit nur durch eine Angleichung nach oben aufgehoben werden kann.101

Das BAG hält die Angleichung nach oben im Fall der Unwirksamkeit eines Stufenvergütungssystems schon wegen des Vertrauensschutzes der älteren Arbeitnehmer auf ihre höhere Vergütung für erforderlich. Denn ältere Arbeitnehmer hätten nicht vor Bekanntwerden der Vorlage des BAG an den EuGH im Mai 2010 mit einer Unwirksamkeit des Vergütungssystems und einer Neuberechnung der Grundvergütung rechnen müssen.102

Für die Angleichung nach oben spricht nach Ansicht des BAG auch die ständige Rechtsprechung des EuGH zu Ungleichbehandlungen beim Entgelt. Der EuGH befand in der Entscheidung Nimz103 mit Bestätigung in Terhoeve104 und


83 Adomeit/Mohr (Fn. 72), § 8 Rn. 104; Thüsing (Fn. 63), Rn. 495 f.; Hanau, ZIP 2006, 2189, 2200; Thüsing/Bauer/Schunder, NZA 2007, 774, 775.

84 BAG, NZA 2012, 161.

85 BAG, NZA 2012, 161, 162.

86 www.beamte.bb.verdi.de; „Alter ist kein Verdienst“, FAZ v. 16.11.2011.

87 Dette, in: Däubler/Bertzbach (Fn. 5), § 7 Rn. 104 a.

88 BAG, NZA 2010, 768, 773.

89 Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 43), § 7 Rn. 26; Krebber, EuZA 2009, 200, 205.

90 Vgl. Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 667.

91 Krebber, EuZA 2009, 200, 213; Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 43), § 7 Rn. 32.

92 Krebber, EuZA 2009, 200, 213.

93 Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 43), § 7 Rn. 32.

94 BAG, NZA 2012, 161, 163.

95 BAG, NZA 2012, 161, 163.

96 Dette, in: Däubler/Bertzbach (Fn. 4), § 7 Rn. 104 a; Kamanabrou, ZfA 2006, 327, 333; vgl. Adomeit/Mohr (Fn. 64), § 8 Rn. 109; BAG, NZA 1996, 48.

97 BAG, NZA 1986, 321, 323; vgl. Preis, in: Dieterich/Müller-Glöge/Preis/Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht12, 2010, § 611 Rn. 607; Kocher, ZESAR 2011, 265.

98 BAG, NZA 2009, 799, 803; Dornbusch/Kasprzyk, NZA 2009, 1000.

99 Meinel/Heym/Herms (Rn. 27), § 7 Rn. 43.

100 00] BAG, NZA 2012, 161, 162.

101 BAG, NZA 2012, 161, 163.

102 BAG, NZA 2012, 161, 163.

103 EuGH, Rs. C-184/98, Slg. 1991, I-297 – Nimz.

104 EuGH, Rs. C-18/95, Slg. 1999, I-345 – Terhoeve.

Röpke, Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung (BLJ 2012, 58)64

Landtová105 , dass bei einer Benachteiligung auf die diskriminierten Arbeitnehmer die gleiche Regelung anzuwenden ist wie für die übrigen Arbeitnehmer, also die am stärksten begünstigende. Der EuGH geht sogar soweit, die Anpassung nach oben auch für die Zukunft vorzunehmen. Denn die vorteilhafteste Regelung soll so lange das einzige gültige Bezugssystem bleiben, bis das Unionsrecht ordnungsgemäß umgesetzt wurde.106

Zwar hat der EuGH die Anpassung nach oben nicht für die Unwirksamkeit eines gesamten Stufenvergütungssystems entwickelt, sondern nur für Fälle, in denen eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern von der begünstigten Norm nicht profitierte. Dennoch glaubt das BAG, dass eine Angleichung nach oben auch dann den Vorgaben des EuGH entspricht, wenn als Bezugssystem nur die oberste Vergütungsstufe in Betracht kommt.107

c) Einschränkungsversuche zur „Angleichung nach oben“

Die Schattenseiten einer Vergütung nach der höchsten Entgeltstufe zeigen sich in möglichen finanziellen Belastungen für den Arbeitgeber. Das Land Berlin trug in der Rechtssache Mai vor dem BAG vor, dass eine Anpassung nach oben Mehrkosten einschließlich der Lohnnebenkosten von jährlich 28 Mio. Euro verursachen würde.108 Daher wird in der Literatur teilweise die Einführung eines Zumutbarkeitskriteriums gefordert, das die finanziellen Lasten begrenzen soll, die durch eine Angleichung nach oben für den Arbeitgeber entstehen.109 Eine derartige Zumutbarkeitserwägung wurde vom BAG bei der Dotierung von Sozialplänen110 und vom BVerfG bei der Gleichstellung von Teilzeitkräften bei der betrieblichen Altersversorgung111 für die Vergangenheit vorgenommen. Das BAG hat in der Rechtssache Mai die Entscheidung über die Einführung eines Zumutbarkeitskriteriums allerdings mit der Überlegung dahinstehen lassen, dass im Land Berlin eigentlich die tarifliche Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit gem. § 70 BAT greifen muss. Zudem ist für eine Angleichung nur die Zeit bis zum 31.3.2010 relevant, die zeitlich anschließende Überleitung ist nach EuGH-Judikatur diskriminierungsfrei. In diesem Zeitraum sei aufgrund der Ausschlussfrist ein Großteil der Ansprüche bereits verjährt und die Entstehung der befürchteten enormen Mehrkosten darum zweifelhaft.112

Als ein weiterer Ausschlussgrund für die Angleichung nach oben stand der Vertrauensschutz des Arbeitgebers im Raum.113 Immerhin hat er darauf vertraut, die Arbeitnehmer nach dem im Tarifvertrag festgelegten Vergütungssystem zu bezahlen und nicht die Mehrkosten erwartet, die bei einer Angleichung nach oben auf ihn zukommen. Das BAG verneint dennoch den Vertrauensschutz mit der Begründung, dass im Klagezeitraum bereits das AGG Geltung hatte und angesichts der überwältigenden Meinung in der Literatur davon auszugehen war, dass die Entgeltsstufen des BAT gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen und damit unwirksam sind.114

Auch wenn diese Rechtsprechung des BAG zur uneingeschränkten Anpassung nach oben Arbeitgeber in Zukunft teuer zu stehen kommen kann: Sie bringt jedenfalls Klarheit in die Diskussionen im Schrifttum zu den Rechtsfolgen diskriminierender Vergütungslinien und steht wohl auch ungreifbar in der Entscheidungstradition des EuGH.

Für den Kläger Herrn Mai war das Urteil eine sehr gute Nachricht: Er bekommt für den Zeitraum von 2006 bis 2010 rückwirkend eine Gehaltserhöhung von 450 Euro monatlich.115 Die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 70 BAT hatte er durch ein Geltendmachungsschreiben an das Land Berlin im Jahr 2006 eingehalten.116 Das Land Berlin macht sich im Übrigen nicht allzu große Sorgen wegen der Entscheidung des BAG. Zum einen hätte ein Großteil der Angestellten bei einem Durchschnittsalter von 50 Jahren sowieso die höchste Gehaltsstufe nach BAT erreicht. Zum anderen hätte man im Landeshaushalt schon Vorsorge für etwaige Ansprüche getroffen.117

I. Möglichkeiten der Herstellung von Gleichbehandlung für die Zukunft

Im zweiten Schritt muss überlegt werden, wie die Ungleichbehandlung für die Zukunft beseitigt werden kann. Das BAG hat bei Verstößen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zwischen der Teilnichtigkeit der Vergütungsregelung und der Gesamtnichtigkeit unterschieden.118 Eine Teilunwirksamkeit soll dann gegeben sein, wenn die Sozialpartner die begünstigende Regelung auch dann so getroffen hätten, wenn ihnen die diskriminierende Wirkung und damit die Ausdehnung auf alle Arbeitnehmer bewusst gewesen wären.119 Sonst soll die Regelung gesamtnichtig sein.120 Die durch die Teilunwirksamkeit gerissene Lücke wird durch ergänzende Auslegung derart gefüllt, dass eine Anpassung nach oben stattfindet, der Benachteiligte also die gleiche Vergütung erhält wie der Begünstigte.121 Bei Entgeltstufensystemen wird regelmäßig Gesamtnichtigkeit vorliegen, weil kaum anzunehmen ist, dass der Arbeitgeber alle Arbeitnehmer nach der höchsten Gehaltsstufe entlohnen wollte.122 Damit fällt das gesamte Vergütungssystem weg und es fehlt an einem Anhaltspunkt für eine ergänzende Auslegung für die Zukunft.123 Die eigenmächtige Kreation einer neuen Regelung würde gegen die Tarifautonomie verstoßen.124 Eigentlich müsste eine nicht-


105 EuGH, Rs. C- Slg. 2011, NZS 2011, 696 – Landtová.

106 BAG, NZA 2012, 161, 164; Schlachter,in: Erfurter Kommentar (Fn. 97), § 7 AGG Rn. 7.

107 BAG, NZA 2012, 161, 165.

108 BAG, NZA 2012, 161, 165.

109 Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG Kommentar, 2008, § 7 Rn. 22, iE auch Lingemann, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Rn. 60), § 7 AGG Rn. 9; Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 43), § 7 Rn. 27

110 BAG, NZA 1984, 327; BAG, NZA 2005, 303 Orientierungssatz 5.

111 BVerfG, NZA 1999, 815, 816.

112 BAG, NZA 2012, 161, 165.

113 Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt (Fn. 4), § 7 Rn. 54.

114 BAG, NZA 2012, 161, 165.

115 „Alter ist kein Verdienst“, FAZ v. 16.11.2011; „Angestellte können auf Millionen vom Land hoffen“, Tagesspiegel v. 21.11.2011.

116 ArbG Berlin v. 22.8.2007 – 86 Ca 1696/07.

117 „Angestellte können auf Millionen vom Land hoffen“, Tagesspiegel v. 21.11.2011.

118 Körner, NZA 2008, 497, 503.

119 BAG, NZA 1997, 101, 103; Nollert-Borasio/Perreng (Fn. 72), § 7 Rn. 39; Lingemann, in: Prütting/Wegen/Weinrich (Fn. 60), § 7 AGG Rn. 10; Körner, NZA 2008, 497, 503.

120 Körner, NZA 2008, 497, 503.

121 EuGH, Slg. 1991, I-297 – Nimz; BAG, NZA 2004, 551; Nollert-Borasio/Perreng (Fn. 72), § 7 Rn. 39; Wiedemann, NZA 2007, 950, 951; Körner, NZA 2008, 497, 503.

122 Lingemann,in: Prütting/Wegen/Weinreich (Fn. 60), § 7 AGG, Rn. 10.

123 Lingemann, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Fn. 60), § 7 AGG, Rn. 10; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 667.

124 Schmidt, in: Erfurter Kommentar (Fn. 87), Art. 3 GG Rn. 59; Wendeling-Schröder, in: Wendeling-Schröder/Stein (Fn. 109), § 7 Rn. 24; Kocher, ZESAR 2011, 265, 266.

Röpke, Altersdiskriminierung durch tarifliche Vergütung (BLJ 2012, 58)65

diskriminierende Neuregelung durch die Tarifparteien erfolgen,125 die dann eine Vereinbarung auf dem Niveau finden können, auf dem sie Gleichbehandlung herstellen wollen.126 Die Gerichte können die Tarifparteien aber nicht dazu verpflichten, eine neue Tarifvereinbarung zu schließen.127 Deshalb erscheint es sinnvoll, den Tarifparteien eine angemessene Frist zum Neuabschluss einer Vereinbarung zu setzen und das Verfahren solange auszusetzen. Nach Ablauf dieser Frist können die Gerichte dann ergänzende Vertragsauslegung betreiben oder eine eigene Regelung treffen.128

A. Fazit

Die Feststellung, dass das Vergütungssystem des BAT gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, war zu erwarten. Der Gerichtshof hat nur bestätigt, was im deutschen Schrifttum schon lange einhellige Meinung war. Beruhigend ist, dass der EuGH in der Überleitung in die neuen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes keinen Verstoß gesehen hat und den sukzessiven Abbau der Ungleichbehandlung mit Fortgeltung des TVöD akzeptiert. Dadurch hat der EuGH den öffentlichen Arbeitgebern nicht nur eine große finanzielle Belastung erspart, zu der es bei Unwirksamkeit der Überleitungsvorschriften gekommen wäre, sondern auch für Rechtssicherheit im Tarifsystem des öffentlichen Dienstes gesorgt. Durch die Entscheidung in der Rechtssache Mai hat das BAG Klarheit in die Handhabung der Rechtsfolgen bei unwirksamen Vergütungssystemen gebracht und mit der Vornahme einer Anpassung nach oben auch in diesen Fällen den für die Arbeitgeber zwar unangenehmeren, aber für die effektive und europarechtskonforme Beseitigung von Ungleichheit einzig gangbaren Weg gewählt.

Die Entscheidungen des EuGH und des BAG sind ein eindringliches Signal an alle Tarifparteien, sich mit den Anforderungen des Europarechts auseinanderzusetzen und tarifliche Leistungen aller Art auf unmittelbare oder mittelbare Anknüpfungen an das Lebensalter hin zu überprüfen und ggf. zu ersetzen. Denn das Beispiel des BAT zeigt, dass eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen das Altersdiskriminierungsverbot unangenehme und weitreichende Folgen haben kann.

Die Entscheidungen des EuGH und des BAG sind ein eindringliches Signal an alle Tarifparteien, sich mit den Anforderungen des Europarechts auseinanderzusetzen und tarifliche Leistungen aller Art auf unmittelbare oder mittelbare Anknüpfungen an das Lebensalter hin zu überprüfen und ggf. zu ersetzen. Denn das Beispiel des BAT zeigt, dass eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen das Altersdiskriminierungsverbot unangenehme und weitreichende Folgen haben kann.


125 Nollert-Borasio/Perreng (Fn. 72), § 7 Rn. 39; Wiedemann, NZA 2007, 950, 951; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 667 f; vgl. BAG, NZA 1991, 801 in Bezug auf den Gesetzgeber.

126 Preis,in: Erfurter Kommentar (Fn. 97), § 611 Rn. 609; Kocher, ZESAR 2011, 265, 266 f.

127 Schmidt, in: Erfurter Kommentar (Fn. 97), Art. 3 GG Rn. 56; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 668.

128 Schmidt,in: Erfurter Kommentar (Fn. 97), Art. 3 GG Rn. 56; Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663, 668; Lingemann, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Fn. 60), § 7 AGG Rn. 10.