Der Gesundheitsfonds – ein Monstrum?

von Dr. Hermann Plagemann*

Noch eine Geldsammelstelle

Zunächst einmal geht es um einen ganz normalen und wenig spektakulären Vorgang: Die Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden – wie seit Urzeiten – über die Krankenkassen eingezogen. Diese verteilt die Beiträge dann auf die Renten-, Arbeitslosen-, Kranken und Pflegeversicherungen. Ab 1. Januar 2009 wirtschaftet die einzelne Kasse nun nicht mehr mit den von ihr eingezogenen Beiträgen zur Krankenversicherung selbst, sondern leitet alle Einnahmen sofort weiter an den bei dem Bundesversicherungsamt gebildeten Gesundheitsfonds.

Gleicher Beitragssatz für alle Kassen

Die Versicherten zahlen nun bundesweit, egal ob Mann, ob Frau, ob alt, ob jung usw. den gleichen Beitrag, nämlich 15,5 % (ab 1.7.2009 14,9 %) aus dem Arbeitsentgelt. Der sog. „Beitragssatz“ war vor dem 1.1.2009 unterschiedlich – je nachdem wie viel Geld die einzelne Kasse benötigte um ihre Leistungspflichten zu erfüllen. Diese Unterschiede im Beitragssatz hatten kaum etwas damit zu tun, dass die einzelne Kasse besonders sparsam oder nicht sparsam wirtschaftete. Der Gesetzgeber hat ganz bewusst diese Unterschiede durch einen einheitlichen Beitragssatz beseitigt. Das macht durchaus Sinn; kam es in der Vergangenheit doch öfters zu „FastInsolvenzen“ bei einzelnen Krankenkassen, die zuvor ganz niedrige Beiträge gefordert haben und auf diese Weise viele Mitglieder anwerben konnten. Kurz darauf mussten sie dann ihre Konkurrenten, also die anderen Kassen, denen die Mitglieder abgeworben wurden, um „Sanierungsbeiträge“ bitten.

Zuweisungen

Ab dem 1.1.2009 erhalten die Kassen vom Gesundheitsfonds sog. „Zuweisungen“. Diese errechnen sich danach, welche Risiken die Versicherten der jeweiligen Kasse haben, ob schwere oder leichte Erkrankungen vorliegen, chronische Krankheiten usw. Der Gesetzgeber hat hier eine Auflistung von 80 Krankheiten geschaffen, mit deren Hilfe eine möglichst gerechte Verteilung der Gelder dorthin vorgenommen werden soll, wo sie wirklich benötigt werden. Gleichsam „in einem Aufwasch“ hat der Gesetzgeber übrigens auch eine Erhöhung der Honorare für Ärzte in den neuen Beitragssatz mit „eingepreist“. Im Jahr 2010 wird sich zeigen, ob die Zuweisungen die tatsächlichen Kosten der einzelnen Kasse wirklich decken oder ob mit neuem Geld „nachgebessert“ werden muss.

Der Gesundheitsfonds– ein staatliches Monster?

a) Man sagt, dass der Gesundheitsfonds die Vorstufe zu einer

„Einheitskasse“ ist und dass schlussendlich über den Gesundheitsfonds die private und die gesetzliche Krankenversicherung „fusioniert“ werden soll. Privatpatienten kritisieren das; sie fürchten, dann schlechter behandelt zu werden. Die Ärzte befürchten niedrigere Honorare für Privatpatienten. Volkswirte beanstanden, dass über eine Einheitsversicherung Monopole geschaffen werden.

b) In den letzten Jahren hat sich die Gesundheitspolitik immer wieder mit der Frage befassen müssen, ob und welche medizinischen Innovationen Kassenleistungen werden und über die massenhafte Anwendung dann auch erhebliche Kosten verursachen. Damit ist der Nerv der Zivilgesellschaft getroffen: Kosten einerseits und Beteiligung am medizinischen Fortschritt andererseits sind Ziele, die nur schwer unter einen Hut zu bringen sind. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber schon seit Jahren Institutionen geschaffen, die gleichsam den medizinischen Fortschritt daraufhin „durchleuchten“ sollen, ob es sich wirklich um eine Innovation handelt oder nur um eine Parallelentwicklung, die lediglich Mehrkosten verursacht. Mittlerweile ist man sich einig darüber, dass diese Prüfung mit höchster Intensität aber auch Fachkunde durchzuführen ist. In den neueren Gesetzen behält sich das zustän-


* Der Autor ist Fachanwalt für Sozial- und Medizinrecht der Sozietät Plagemann Rechtsanwälte und Honorarprofessor der Universität Mainz.

Plagemann, Der Gesundheitsfonds – ein Monstrum? (BLJ 2009, 54)55

dige Bundesgesundheitsministerium Einspruchsmöglichkeiten gegenüber Entscheidungen des sog. „Gemeinsamen Bundesausschusses“ vor. Obwohl diese Form der Qualitätssicherung mit dem Gesundheitsfonds eigentlich gar nichts zu tun hat, werden Parallelen sichtbar. Beide Instrumente zielen auf Vereinheitlichung unter staatlicher Aufsicht. Kritiker sprechen deshalb schon seit längerem von „Staatsmedizin“. Andere begrüßen es ausdrücklich, dass die „gemeinsame Selbstverwaltung“, bestehend aus Ärzten und Versicherten (diese vertreten durch die Krankenkassen), das Heft in die Hand nimmt, um das Versprechen der GKV, umfassende und zeitgemäße Leistungen dort zu erbringen, wo sie wirklich benötigt werden, zu erfüllen. Dass dies auch ein ethisches Problem ist, folgt aus der Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission vom September 2007 zum Thema „Priorisierung medizinischer Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung“.

Der Gesundheitsfonds ist kein Monstrum. Er ist auch nicht Ursache für jegliches Unbill bei Patienten einerseits und Leistungserbringern andererseits. Der Gesundheitsfonds begrenzt den Wettbewerb der Kassen; wichtiger ist aber das von ihm ausgehende Signal: Die Politik verlangt von dem manchmal als ausufernd empfundenen Gesundheitssystem nicht nur Kostenbewusstsein, sondern vor allem Qualität!