Shari Heger*
A. Einleitung
Distressed M&A1-Transaktionen sind im deutschen Markt von großer Bedeutung.2 Darunter fallen auch Unternehmenskäufe in Insolvenznähe. Trotz diverser Vorteile, die eine solche Transaktion mit sich bringt,3 birgt sie auch erhebliche Gefahren wie die Insolvenzanfechtung, die für den Anfechtungsgegner fatale Folgen haben kann. Im schlimmsten Fall führt sie dazu, dass der Anfechtungsgegner eine erhaltene Leistung selbst nach zehn Jahren ohne Gegenleistung zurückgewähren muss. Insolvenzanfechtungsrisiken sind mithin nicht zu unterschätzen.
Für den Unternehmenskäufer – und den Unternehmensverkäufer, wie sich zeigen wird – sollte es daher von großem Interesse sein, Maßnahmen zu ergreifen, um die Anfechtungsrisiken zu minimieren.
Ziel dieses Beitrags ist es, sowohl die Risiken des Käufers für den Fall der Verkäuferinsolvenz als auch die Risiken des Verkäufers für den Fall, dass das Unternehmen im Anschluss an die Transaktion insolvent wird, zu untersuchen.
Dazu soll zunächst das Ausmaß des potenziell entstehenden Risikos geschildert werden (B.). Welche Anfechtungsrisiken entstehen können, soll sodann durch eine Untersuchung der Anfechtungstatbestände im Hinblick auf den Unternehmenskauf bestimmt werden (C.). Abschließend werden Risikominimierungsmaßnahmen erarbeitet (D.).
B. Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung beim Unternehmenskauf
I. Rückgewähranspruch, § 143 I InsO
Wenn der Unternehmensverkäufer im Anschluss an den Unternehmenskauf insolvent wird, führt eine erfolgreiche Anfechtung nach § 143 I InsO zu einer Rückgabepflicht des erhaltenen Unternehmens.4 Wertminderungen und ‑erhöhungen werden in Abhängigkeit davon, ob sie auch bei Betriebsfortführung durch den Verkäufer entstanden wären, nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Regeln ausgeglichen.5 Entsprechendes gilt für den vom Käufer vereinnahmten Unternehmensgewinn.6 Zwar ist es schwierig, Gewinnanteile, die auf dem unternehmerischen Engagement des Käufers beruhen, genau abzugrenzen. Der Beweis des ersten Anscheins spricht aber dafür, die Gewinnanteile, die über den zuvor vom Verkäufer erwirtschafteten Gewinn hinausgehen, dem Käufer zuzuweisen.7 Darüber hinaus kann eine Schätzung nach § 287 ZPO erfolgen.8
II. Ausgleich für den Unternehmenskäufer,
§ 144 InsO
1. Anfechtung des Erfüllungsgeschäfts,
§ 144 I InsO
Ist ausschließlich das Erfüllungsgeschäft anfechtbar, lebt nach § 144 I InsO die Forderung des Unternehmenskäufers auf Übergabe des Unternehmens und Verschaffung des Eigentums am Unternehmen wieder auf. Dabei handelt es sich um eine einfache Insolvenzforderung.9 Da gem. § 174 II InsO nur Geldforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden können, muss der Anspruch in Geld umgerechnet werden. Nach § 45 S. 1 InsO muss der Unternehmenswert dafür durch den Käufer geschätzt werden.10 Der Käufer sollte dabei beachten, dass die Schätzung bestritten werden kann, was zu einem aufwendigen Verfahren führt und daher vermieden werden sollte. Auch deshalb wird der zu schätzende objektive Unternehmenswert häufig hinter dem vom Käufer gezahlten Kaufpreis zurückbleiben.11 Einen weiteren Ausfall erleidet der Käufer durch die lediglich quotale Befriedigung. Der Unternehmenskäufer muss bei Anfechtung des Erfüllungsgeschäfts also i.d.R. auf den Großteil seiner Forderung verzichten.
2. Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts,
§ 144 II InsO
Bei Vorliegen der in § 144 II 1 InsO genannten Voraussetzungen ist dem Unternehmenskäufer seine Gegenleistung als Masseforderung12 zurückzugewähren.
*Die Autorin ist Studentin der Bucerius Law School, Hamburg. Der Beitrag stellt eine stark verkürzte Version ihrer Examensseminararbeit dar.
1 Zum Begriff: Hörmann, in: Birk/ Pöllath/ Saenger (Hrsg.), Forum Unternehmenskauf 2006, 85, 88 f.; Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186, 1191.
2 Gatzner, Chinesische M&A-Aktivitäten in Europa rückläufig, in: M&A Dialogue, 17.07.2018, https://bit.ly/2wqoppo (Stand: 12.04.2019);
Berger, Der deutsche Markt für „Distressed M&A“ wächst, in: Corporate Finance, 22.03.2017, https://bit.ly/2NqUJil (Stand: 12.04.2019).
3 Dazu etwa: Lachmann, Gläubigerrechte in Krise und Insolvenz², 2010, Rn. 2263; Buchta, in: Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf 2015, Rn. 14.4.
4 Da Kaufgegenstand das Unternehmen als Ganzes ist, bezieht sich darauf auch der Rückgewähranspruch, vgl. Thole, in: Heidelberger Kommentar zur InsO⁹, 2018, § 129 Rn. 21; Kayser, in: Münchener Kommentar zur InsO³, 2013, § 129 Rn. 94; K. Schmidt, BB 1988, 5, 6; a.A. lang zurückliegend: BGH, WM 1962, 1316.
5 Vgl. Windhöfel/Ziegenhagen/Denkhaus, Unternehmenskauf in Krise und Insolvenz, 2008, Rn. 51 ff.; Haas, ZIP 2006, 1373, 1380.
6 Vgl. dazu: BGHZ 35, 356, 362; Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 58.
7 Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 60; vgl. auch: K. Schmidt, BB 1988, 5, 6.
8 Vgl. BGHZ 64, 322, 324; Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 59.
9 Jacoby, in: Kommentar zur InsO, 2018, § 144 Rn. 13;
Soudry/Schwenkel, GWR 2010, 366.
10 Vgl. Thonfeld, in: K. Schmidt (Hrsg.), InsO¹⁹, 2016, § 45 Rn. 1; Knof, in: Uhlenbrock (Hrsg.), InsO¹⁴, 2015, § 45 Rn. 1.
11 Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 68.
12 Vgl. Beck/Depré, Praxis der Insolvenz³, 2017, § 16 Rn. 334;
Büteröwe, in: KS-InsO (Fn. 13), § 144 Rn. 8.
Dass der Kaufpreis noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist (Alt. 1), kommt in der Praxis äußerst selten vor,13 sodass es i.d.R. darauf ankommt, ob die Masse noch um den Wert des Kaufpreises bereichert ist (Alt. 2). Wenn die Insolvenzmasse entsteht, wird der Kaufpreis selbst meistens bereits verbraucht sein.14 Sonst hätte der Insolvenzantrag regelmäßig wegen vorhandener Liquidität abgewendet werden können.15
Entscheidend ist somit, ob die Masse durch den Verbrauch des Kaufpreises wenigstens um den Wert des Kaufpreises bereichert ist. Der Unternehmensverkäufer kann den erhaltenen Kaufpreis etwa dazu genutzt haben, Forderungen zu begleichen. Dadurch mag er sich selbst zwar Aufwendungen erspart haben, was eine Entreicherung gem. § 818 III BGB ausschließen würde.16 Es führt aber nicht dazu, dass die Masse bereichert ist, sodass die Voraussetzungen des § 144 II 1 Alt. 2 InsO nicht erfüllt wären.17
Anderes sollte gelten, soweit der Verkäufer mit dem Kaufpreis solche Gläubiger befriedigt hat, die im Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger gelten würden. Denn dadurch sinkt die Anzahl der Insolvenzgläubiger, sodass die verbleibende Masse der Befriedigung einer geringeren Anzahl von Gläubigern dient und insoweit bereichert ist. Dass eine solche Ausnahme geboten ist, zeigt sich besonders deutlich, wenn auch die erfolgte Gläubigerbefriedigung der Insolvenzanfechtung unterliegt. In einem solchen Fall könnte der Insolvenzverwalter der Masse den Wert des Kaufpreises ansonsten nämlich in gewissem Sinne doppelt zuführen, indem er sich gegenüber dem Unternehmenskäufer auf Entreicherung beruft und sich den Wert gleichzeitig vom befriedigten Insolvenzgläubiger zurückgewähren lässt. Zwar soll die Masse durch die Insolvenzanfechtung vergrößert werden,18 sie soll aber nicht besser stehen als ohne die anfechtbare Rechtshandlung.19 Dem Insolvenzverwalter im genannten Fall einen Entreicherungseinwand zuzugestehen, würde diesem Zweck widersprechen. Daher sollte dem Unternehmenskäufer, insoweit der Kaufpreis zur Befriedigung von sonst zukünftigen Insolvenzgläubigern genutzt wurde, eine Masseforderung zustehen. Im Übrigen ist die Masse jedoch nicht bereichert, sodass der Käufer sich dann gem. § 144 II 2 InsO mit einer einfachen Insolvenzforderung begnügen muss.
III. Zwischenfazit
Der Käufer ist zur Rückgewähr des Unternehmens verpflichtet und kann im Gegenzug i.d.R. nur auf Rückgewähr eines geringen Anteils des gezahlten Kaufpreises hoffen. In Anbetracht der Größenordnung von Unternehmenskaufpreisen kann dies nicht selten auch in der Insolvenz des Unternehmenskäufers münden.20 Das Risiko bei erfolgreicher Insolvenzanfechtung ist demnach enorm.
C. Erfüllung der Anfechtungstatbestände beim Unternehmenskauf
I. Grundtatbestand, § 129 InsO
Nach § 129 I InsO sind sämtliche Rechtshandlungen anfechtbar, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen und gläubigerbenachteiligend wirken.
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die für die Insolvenzgläubiger verwertbare Masse verringert wird.21 Grundsätzlich genügt eine mittelbare Benachteiligung.22 Es reicht demnach schon aus, wenn sich bis zum Abschluss des Anfechtungsprozesses eine Benachteiligung durch Hinzutreten weiterer Umstände ergibt.23 Ein Unternehmenskauf benachteiligt die Insolvenzmasse so etwa auch, wenn die Veräußerung zwar zu einem angemessenen Preis erfolgt, der Schuldner das Geld aber im Anschluss zur Befriedigung einzelner Gläubiger oder für sich verwendet oder der Wert des veräußerten Unternehmens nachträglich steigt.24
Neben den Grundvoraussetzungen, die beim Unternehmenskauf in Insolvenznähe mithin erfüllt sein können, muss zusätzlich einer der Anfechtungsgründe der §§ 130 ff. InsO einschlägig sein.
II. Besondere Anfechtungstatbestände,25
§§ 130-132 InsO
1. Deckungsanfechtungen, §§ 130, 131 InsO
a) Verhältnis von § 130 und § 131 InsO
Die Deckungsanfechtungen (§§ 130, 131 InsO) beziehen sich auf das Erfüllungsgeschäft und unterscheiden danach, ob der befriedigte bzw. besicherte Insolvenzgläubiger26 einen Anspruch auf diese Erfüllung hatte (kongruente Deckung, § 130 InsO) oder ob dies nicht, zumindest nicht in dieser Art bzw. zu dieser Zeit, der Fall war (inkongruente Deckung, § 131 InsO).
Der Anspruch auf die Übertragung des Unternehmens wird üblicherweise erst ab vereinbarter Fälligkeit erfüllt, sodass es
13 Hallermann, Die Risiken einer Insolvenzanfechtung für den Käufer eines Unternehmens, 2007, 120; Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg (Hrsg.), Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis² 2018, § 4 Rn. 1368.
14 Das gilt erst recht für den nach h.M. relevanten Rückgewährzeitpunkt, vgl. Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 62 m.w.N.;
Wessels, ZIP 2004, 1237, 1238.
15 Hallermann (Fn. 16), 120; Heckschen (Fn. 16), § 4 Rn. 1368;
Buchta (Fn. 3), Rn. 14.83.
16 Vgl. Schwab, in: Münchener Kommentar zum BGB⁷, 2017,
§ 818 Rn. 186 ff.
17 Hallermann (Fn. 16), 122 f.
18 BT-Drucks. 12/2443, 82, 85;
Ehricke, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 129 Rn. 1.
19 Foerste, Insolvenzrecht⁷, 2018, Rn. 340;
Hirte/Ede, in: Uhl-InsO (Fn. 13), § 144 Rn. 8.
20 Hallermann (Fn. 16), 127.
21 Haas, ZIP 2006, 1373, 1376 f.; Wessels, ZIP 2004, 1237.
22 BGHZ 143, 246, 254; Foerste (Fn. 22), Rn. 294;
Ehricke, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 129 Rn. 93.
23 Vgl. BGHZ 143, 246, 253; Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 35;
Hallermann (Fn. 16), 49.
24 Vgl. BGH, ZIP 1993, 271, 274; Bork, Einführung in das Insolvenzrecht⁸, 2017, Rn. 252; Wessels, ZIP 2004, 1237.
25 §§ 130-132 InsO sind besondere Anfechtungstatbestände, da sie nur im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Die §§ 133 ff. InsO finden hingegen eine Entsprechung im AnfG und können auch außerhalb der Insolvenz geltend gemacht werden, vgl. Schoppmeyer, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 130 Rn. 2.
26 Für §§ 130, 131 InsO kommt es darauf an, dass der Anfechtungsgegner ohne die erlangte Deckung im anschließenden Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger teilnehmen könnte, vgl. BGHZ 89, 189, 194;
Ede/Hirte, in: Uhl-InsO (Fn. 13), § 130 Rn. 12.
sich i.d.R. um eine kongruente Deckung handelt und daher folgend nur § 130 InsO weitere Berücksichtigung findet.
b) Voraussetzungen der Kongruenzanfechtung,
§ 130 InsO
Die Übertragung des Unternehmens ist nach § 130 I InsO anfechtbar, wenn innerhalb von drei Monaten nach Übertragung ein Eröffnungsantrag gestellt wird bzw. bereits gestellt ist und der Käufer zum Zeitpunkt der Übertragung nach § 130 II InsO mindestens Kenntnis über Umstände hatte, die auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. den Eröffnungsantrag schließen ließen. Insbesondere bei umfassender Due Diligence kann § 130 InsO beim Unternehmenskauf in Insolvenznähe folglich einschlägig sein.
2. Unmittelbarkeitsanfechtung, § 132 InsO
a) Abgrenzung zu § 130 InsO
§ 132 InsO setzt im Unterschied zu § 130 InsO ein Rechtsgeschäft als anzufechtende Rechtshandlung und eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus.
Da § 132 InsO gegenüber §§ 130, 131 InsO nur einen Auffangtatbestand bildet,27 kann nur der Unternehmenskaufvertrag, nicht aber die Erfüllungshandlung von § 132 InsO erfasst sein. Der Unternehmenskaufvertrag, der ein Rechtsgeschäft darstellt,28 benachteiligt die Gläubiger unmittelbar, wenn die vertraglich vereinbarte Gegenleistung nicht gleichwertig ist.
b) Problem der Angemessenheit des Kaufpreises
Aus den Schwierigkeiten der Bewertung eines Unternehmens,29 ergibt sich durchaus die Gefahr, dass ein Unternehmen objektiv unter Wert veräußert wird. Erschwerend kommt in Insolvenznähe hinzu, dass die Verhandlungsposition des Käufers tendenziell stärker ist, da der Verkäufer angesichts seines dringenden Liquiditätsbedarfs zugunsten einer schnellen Vollziehung Preisabschläge in Kauf nimmt.30
c) Problem der Übernahme von Verbindlichkeiten
Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung kommt zudem in Betracht, wenn der Käufer im Zuge eines Asset Deals nicht nur Vermögenswerte, sondern auch (einzelne) Verbindlichkeiten unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt. Dadurch werden der Insolvenzmasse Vermögensgegenstände ohne entsprechende Gegenleistung entzogen.31 Die Gläubiger der übernommenen Verbindlichkeiten erhalten volle Befriedigung, während sich die übrigen Gläubiger mit einer quotalen Befriedigung zufriedengeben müssen.32
III. Vorsatzanfechtung, § 133 InsO
1. Systematik seit der
Anfechtungsreform 201733
Nach § 133 InsO ist eine Anfechtung deutlich vor der bisher erörterten Drei-Monatsfrist möglich. Für Rechtshandlungen, die der Deckung dienen, legt § 133 II InsO seit der Anfechtungsreform eine Anfechtungsfrist von vier Jahren fest, während für übrige Rechtshandlungen gem. § 133 I InsO eine Frist von zehn Jahren gilt. § 133 II und III InsO differenzieren wie §§ 130, 131 InsO nach inkongruenter und kongruenter Deckung. In Bezug auf den Unternehmenskauf kommt mithin § 133 I InsO für das Verpflichtungsgeschäft sowie § 133 III InsO für die Übertragung des Unternehmens in Betracht.
2. Subjektive Voraussetzungen
a) Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist bereits bei dolus eventualis gegeben.34 Um nicht in Wertungswidersprüche zu §§ 130, 131 InsO zu geraten, muss zur Kenntnis der eigenen (drohenden) Zahlungsunfähigkeit35 allerdings eine zusätzliche Motivation, die Gläubiger benachteiligen zu wollen, hinzutreten.36
Einen entsprechenden Vorsatz kann ein Unternehmenskäufer bei seinem Geschäftspartner nie mit Sicherheit ausschließen. Zwar handelt der Verkäufer gerade beim Erfüllungsgeschäft i.d.R. mit der Intention, den Kaufvertrag zu erfüllen.37 Ein Benachteiligungsvorsatz liegt allerdings vor, wenn der Verkäufer den Kaufpreis für andere anfechtungsfeste Geschäfte verwenden, für sich selbst nutzen oder ins Ausland verschieben will.38 Auch wenn solche Fälle selten sind, ist der nötige Vorsatz selbst beim Erfüllungsgeschäft nicht vollkommen undenkbar.39
b) Kenntnis des Anfechtungsgegners
Bei der Kenntnis des Käufers vom Benachteiligungsvorsatz, gilt es einige Vermutungsregeln zu berücksichtigen.40 Vor der Anfechtungsreform konnte gem. § 133 I 2 InsO auf die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes geschlossen werden, wenn der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sowie die Gläubigerbenachteiligung kannte. Dem Vorwurf der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung ist nur schwer zu entgehen, da auch
27 BT-Drucks. 12/2443, 159;
Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, 2010, 431 ff.
28 Ganter/Weinland, in: KS-InsO (Fn. 13), § 132 Rn. 12;
Ede/Hirte, in: Uhl-InsO (Fn. 13), § 132 Rn. 2.
29 Dazu etwa: Hallermann (Fn. 16), 20 f.; Beisel, in: Beisel/Klumpp (Hrsg.), Der Unternehmenskauf 2016, § 4 Rn. 4.
30 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2280; Jordan, in: Schalast (Hrsg.), Aktuelle
Aspekte des M&A-Geschäftes 2011, 179, 204.
31 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2281; Beisel (Fn. 32), § 5 Rn. 62.
32 Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 38; Sinhart, in: Picot (Hrsg.), Unternehmenskauf und Restrukturierung 2013, § 16 Rn. 25; vgl. auch: BGHZ 87, 246, 250; BGH, ZIP 1991, 807, 810.
33 Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ vom 29.03.2017 wurden u.a. § 133 II, III InsO eingeführt und § 142 InsO neugefasst, BGBl. I 2017 654.
34 BGHZ 131, 189, 195; Bork, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 133 Rn. 24;
Huber, in: FS Kirchhof, 2003, 247, 249.
35 BGHZ 180, 98, 102 Rn. 10; Bork, ZIP 2004, 1684, 1687.
36 Hallermann (Fn. 16), 65;
Ganter/Weinland, in: KS-InsO (Fn. 13), § 133 Rn. 9.
37 Bressler, NZG 2018, 321, 325; Huber, ZIP 2018, 519, 520;
Bork, ZIP 2004, 1684, 1691.
38 Hallermann (Fn. 16), 66.
39 Auch das Sanierungsprivileg schließt den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht per se aus, vgl. dazu: Bork, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 133 Rn. 58; Thole, ZIP 2017, 401, 407.
40 Dazu: BT-Drucks. 12/2443, 160; BGH, ZIP 2003, 1900, 1902;
Kayser, ZIP 2018, 1153, 1158; Haas, ZIP 2006, 1373, 1376.
für § 133 InsO eine mittelbare Benachteiligung genügt.41 Hinsichtlich der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit hat die Rechtsprechung eine weitere Vermutungsregel entwickelt, die bereits die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, ausreichen lässt.42 Bei einem Unternehmenskauf (in Insolvenznähe) ist es nicht auszuschließen, dass ein Käufer entsprechende Kenntnisse i.R.d. Due Diligence erlangt, sodass der Tatbestand des § 133 InsO durchaus eine ernstzunehmende Anfechtungsgefahr begründet.43
Diese Vermutungsregeln gelten nach der Anfechtungsreform weiterhin für das Verpflichtungsgeschäft. In Bezug auf die Erfüllung hat sich die Rechtslage jedoch geändert. Nach § 133 III 1 InsO gilt die Vermutungsregel des § 133 I 2 InsO für kongruente Deckungen nur dann, wenn der Käufer die eingetretene Zahlungsunfähigkeit kannte. Ein solcher Nachweis wird dem Insolvenzverwalter schwerer fallen44 und lässt sich nicht mehr allein auf Kenntnis von Umständen stützen, die auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Durch die Anfechtungsreform wurde die Hürde einer erfolgreichen Vorsatzanfechtung bei der Übertragung eines Unternehmens folglich höher gelegt. Eine Restgefahr verbleibt jedoch.
IV. Anfechtung bei unentgeltlicher Leistung,
§ 134 InsO
Da eine (teilweise) unentgeltliche Leistung bereits vorliegt, wenn keine ausgleichende Gegenleistung vereinbart wurde,45 ist der Tatbestand des § 134 InsO beim Unternehmenskauf nicht von vornherein undenkbar. Allerdings befindet sich die vereinbarte Gegenleistung trotz der Bewertungsschwierigkeiten und selbst bei Notverkäufen46 in aller Regel in einem angemessenen Beurteilungsspielraum, wodurch die Entgeltlichkeit des Geschäfts begründet wird.47
Das Risiko einer Anfechtung nach § 134 InsO ist beim Unternehmenskauf – auch in Insolvenznähe – daher i.d.R. auszuschließen.
V. Deckungsanfechtung in Bezug auf
Gesellschafterdarlehen, § 135 InsO
Nach § 135 I InsO sind die Besicherung von Gesellschafterdarlehen innerhalb von zehn Jahren (Nr. 1) sowie deren Rückzahlung innerhalb von einem Jahr (Nr. 2) vor Insolvenzantrag anfechtbar.
Für den Unternehmenskauf könnte § 135 I InsO relevant werden, wenn Gesellschafterdarlehen im Zuge des Unternehmenskaufs besichert oder zurückgeführt würden und die Gesellschaft dann innerhalb der Anfechtungsfrist insolvent wird.
In der Praxis wird im Umgang mit Gesellschafterdarlehen beim Unternehmenskauf üblicherweise die Abtretungslösung gewählt.48 Dabei erwirbt der Käufer im Rahmen eines Share Deals neben den Gesellschaftsanteilen auch die Gesellschafterdarlehen durch Abtretung.49 § 135 I InsO wäre bei der Abtretungslösung nur dann einschlägig, wenn die Deckung auch nach der Abtretung noch anfechtbar wäre.
Zu dieser Frage ist das viel kritisierte50 Urteil des BGH vom 21.02.201351 in den Blick zu nehmen. Danach bleibt die Anfechtungsmöglichkeit bei der Abtretung an einen Dritten bestehen, sofern die Abtretung bei Insolvenzantragstellung noch nicht länger als ein Jahr zurückliegt.52 Dies soll sicherstellen, dass der Zedent sich der insolvenzrechtlichen Anfechtung nicht entziehen kann.53 In der vom BGH entschiedenen Konstellation wurde das Darlehen allerdings an einen Nichtgesellschafter abgetreten.54 Da beim Unternehmenskauf Gesellschaftsanteil und Gesellschafterdarlehen i.d.R. auf dieselbe Person übergehen, wird der Unternehmenskäufer hingegen Gesellschafter. Die vom BGH entwickelte Rechtsprechung, die vor den Folgen des Auseinanderfallens von Gesellschafter- und Gläubiger-stellung schützen wollte,55 greift folglich nicht unmittelbar. Eine erwogene Erstreckung56 dieser Rechtsprechung auf den Fall des Unternehmenskaufs ist allerdings auch gar nicht nötig. Denn beim Übergang eines Gesellschafterdarlehens auf einen neuen Gesellschafter bestehen schon vom Wortlaut her keine Zweifel, dass die Qualifikation als Gesellschafterdarlehen, mit der die Anfechtungsmöglichkeit einhergeht,57 bestehen bleibt.58 Das ergibt sich auch aus §§ 39 I Nr. 5, 135 I InsO.59
Zahlt die Zielgesellschaft also die an den Unternehmenskäufer abgetretenen Darlehen zurück und es kommt binnen eines Jahres zum Insolvenzantrag über ihr Vermögen, sind diese Rückzahlungen anfechtbar.60 Es besteht somit ein Anfechtungsrisiko für den Unternehmenskäufer. Dieses hat er aber voll und ganz in der eigenen Hand. Es liegt in seiner Sphäre, sich das Darlehen zurückzahlen zu lassen, ohne die Solvenz der Gesellschaft im Anfechtungszeitraum
41 Hallermann (Fn. 16), 67, 130; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1238;
Huber (Fn. 37), 247, 251 f.
42 BGH, ZIP 2003, 1799, 1801; 1900, 1902; Thole, in: HK-InsO (Fn. 4), § 133 Rn. 37; Ede/Hirte, in: Uhl-InsO (Fn. 13), § 133 Rn. 69 m.w.N.
43 Vgl. Sinhart (Fn. 35), § 16 Rn. 21; Bressler, NZG 2018, 321, 323.
44 Kayser, ZIP 2018, 1153, 1159 f.
45 RGZ 165, 223, 224 f.; BGHZ 113, 98, 101 f.; Ede/Hirte, in: Uhl-InsO (Fn. 13), § 134 Rn. 28; Gerhardt, ZIP 1991, 273, 279.
46 Vgl. Bork, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 134 Rn. 40;
Ganter/Weinland, in: KS-InsO (Fn. 13), § 134 Rn. 23.
47 BGHZ 71, 61, 66; Ede/Hirte, in: Uhl-InsO (Fn. 13), § 134 Rn. 29;
Kayser, in: MüKo-InsO (Fn. 4), § 134 Rn. 40, 41.
48 Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in der Insolvenz, 2015, Rn. 396, 398; Primozic, NJW 2016, 679;Werner, StBW 2014, 154, 155 f.
49 Dazu ausführlich: Greven, BB 2014, 2309, 2309 ff.; vgl. auch: Primozic, NJW 2016, 679; Lauster, WM 2013, 2155.
50 Kritisiert wurde v.a. die dogmatische Begründung sowie die Reichweite der Zedentenhaftung, vgl. etwa: Thole (Fn. 51), Rn. 394;
Greven, BB 2014, 2309, 2311; Jungclaus, NZI 2013, 308, 311 ff.;
Lauster, WM 2013, 2155, 2157 f.
51 BGHZ 196, 220.
52 Vgl. BGHZ 196, 220, 228 Rn. 24 f.; BGH, ZIP 2012, 86, 88 Rn. 13 ff.;
Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1899 m.w.N.
53 Vgl. BGHZ 196, 220, 229 Rn. 26.
54 BGHZ 196, 220, 221 Rn. 2, 228 f. Rn. 24 ff.
55 Vgl. Primozic, NJW 2016, 679, 680;
Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1900 f.
56 Primozic, NJW 2016, 679, 680; Greven, BB 2014, 2309, 2311;
Werner, StBW 2014, 154, 157.
57 Vgl. BGHZ 196, 220, 229 Rn. 27;
Preuß, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 135 Rn. 26.
58 Kebekus/Zenker, in: FS Wellensiek, 2011, 475, 491.
59 Neuberger, ZInsO 2018, 1125, 1127; Haas, ZIP 2017, 545, 546 f.
60 Bei Sanierungszwecken gilt die Ausnahme gem. § 135 IV i.V.m. § 39 IV 2 InsO, vgl. dazu: Thole (Fn. 51), Rn. 389.
sicherzustellen.61
Es können sich in dieser Situation jedoch erhebliche Risiken für den Unternehmensverkäufer ergeben. Der BGH hat im genannten Urteil nämlich zudem entschieden, dass bei der Rückzahlung von abgetretenen Gesellschafterdarlehen neben dem Zessionar (hier Unternehmenskäufer) gesamtschuldnerisch auch der Zedent (hier Unternehmensverkäufer) haftet.62 Diese Entscheidung wurde vor allem mit der Erwägung begründet, dass den Gesellschafter eine Finanzierungsfolgenverantwortung63 treffe.64 Aufgrund dieser dürften die Rechtsfolgen des § 135 I Nr. 2 InsO nicht durch die Wahl einer bestimmten rechtlichen Konstruktion aufgeweicht oder unterlaufen werden.65 In der Abtretung lasse sich nach wirtschaftlicher Betrachtung eine Veranlassung durch den Gesellschafter zur Zahlung an den Zessionar als seine Geheißperson sehen.66 Die Rückzahlung sei dem ursprünglichen Gesellschafter mithin zuzurechnen, sodass im Ergebnis seine Finanzierungsfolgenverantwortung seine Haftung begründe.67
Auch dies greift angesichts der abweichenden Sachlage nicht unmittelbar für den Unternehmenskauf. Der BGH hat sich zu einer Ausdehnung der Rechtsprechung auf Unternehmenskäufe bislang noch nicht geäußert.68 Bei genauerer Betrachtung der Fakten des entschiedenen Falls scheint eine solche zweifelhaft. Die Fakten erwecken den starken Eindruck, dass der BGH ein kollusives Verhalten vermutete, ohne dies ausdrücklich festzustellen und daher über § 135 InsO eine Möglichkeit suchte, dies zu pönalisieren.69 Da bei der Abtretung von Gesellschafterdarlehen i.V.m. Gesellschaftsanteilen (also beim Unternehmenskauf) ein wesentlich geringeres Missbrauchsrisiko besteht,70 entfällt dieses Motiv des BGH.
Zudem tritt der Unternehmenskäufer durch die Abtretung von Forderung und Gesellschafterstellung in die entsprechende Pflichten- und wohlinformierte Stellung des Gesellschafterdarlehensgebers ein.71 Damit geht die Finanzierungsfolgenverantwortung vom Verkäufer auf ihn über.72 Eine Aufrechterhaltung der Finanzierungsfolgenverantwortung des Altgesellschafters, die im entschiedenen Fall nötig erschien, weil die Finanzierungsfolgenverantwortung in Bezug auf das Darlehen sonst niemanden mehr getroffen hätte, ist hier also nicht erforderlich.73 Das grundlegende Argument des BGH kommt damit im Falle von M&A-Transaktionen nicht zum Tragen.74
Demnach sprechen gute Gründe gegen eine Ausdehnung der Rechtsprechung. Es fehlt bislang aber an dies bestätigender höchstrichterlicher Rechtsprechung. Somit verbleibt vorerst eine gewisse Rechtsunsicherheit. Sollte die Haftung auch auf den Unternehmensverkäufer ausgedehnt werden, hätte das für ihn nach § 143 I InsO zur Folge, dass er zur „Rückgewähr“ des ausgezahlten Darlehens verpflichtet wäre. Im Gegenzug könnte er nichts von der Gesellschaft verlangen. Denn die Forderung, die nach § 144 I InsO wiederaufleben würde, hat er zuvor an den Unternehmenskäufer abgetreten. Für den Unternehmensverkäufer besteht nach § 135 I InsO damit ein bislang unvorhersehbares Anfechtungsrisiko.
D. Handlungsempfehlungen zur
Risikominimierung
I. Risikominimierungsmaßnahmen aus Sicht
des Unternehmensverkäufers
Der Unternehmensverkäufer sollte den Kaufvertrag so gestalten, dass eine potenzielle Haftung aus § 135 I InsO vermieden wird.
Zum einen könnte er versuchen, das Fortbestehen eines Gesellschafterdarlehens über den Unternehmenskauf hinaus zu vermeiden.75 Während das Rückzahlungsmodell die Anfechtungsrisiken noch verschärft,76 geht das Einbringungsmodell, das die Anfechtungsrisiken zwar eliminiert,77 mit Finanzierungsnachteilen für den Käufer, steuerlichen Unsicherheiten und Problemen bei mehreren Verkäufern einher.78 Die Umsetzbarkeit stößt in der Praxis daher oft an Grenzen.79
Zum anderen könnte der Verkäufer versuchen, zu verhindern, dass es innerhalb der maßgeblichen Jahresfrist zu Tilgungsleistungen kommt.80 Meistens sind jedoch weder harte Patronatserklärungen noch Negativ- und Freistellungsverpflichtungen praktikabel bzw. effizient.81, BB 2014, 2309, 2313 ff.; Werner, StBW 2014, 154, 157 f.;\Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1901 f. Allein Verpflichtungen mit dinglicher Wirkung können ein gewisses Schutzniveau gewährleisten.82
Darüber hinaus stellt der Asset Deal wegen des Problems der Übernahme einzelner Verbindlichkeiten keine geeignete Ausweichmöglichkeit83 dar.
61 Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1902.
62 Vgl. BGHZ 196, 220, 230 Rn. 28.
63 Dazu etwa: Thole (Fn. 30), 388 ff.
64 BGHZ 196, 220, 230 f. Rn. 31.
65 BGHZ 196, 220, 230 f. Rn. 31.
66 BGHZ 196, 220, 230 Rn. 29 f.
67 BGHZ 196, 220, 230 Rn. 30.
68 Vgl. Neuberger, ZInsO 2018, 1125, 1129;
Kleindiek, ZGR 2017, 731, 749.
69 Hierzu ausführlich: Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1899; vgl. auch: Kleindiek, ZGR 2017, 731, 749; Kayser, WM 2015, 1973, 1978.
70 Schniepp/Hensel, BB 2015, 777, 780.
71 Heckschen/Kreusslein, RNotZ 2016, 351, 355;
Greven, BB 2014, 2309, 2310.
72 Schniepp/Hensel, BB 2015, 777, 780; Greven, BB 2014, 2309, 2311; Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1900 f.
73 Greven, BB 2014, 2309, 2311; Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1900 f.; a.A. Kebekus/Zenker (Fn. 61), 475, 491.
74 Vgl. auch: Lauster, WM 2013, 2155, 2158.
75 Primozic, NJW 2016, 679, 681.
76 Dazu ausführlich etwa: Greven, BB 2014, 2309, 2310;
Lauster, WM 2013, 2155.
77 Krause, in: Bauer/von Düsterlho (Hrsg.), Distressed Mergers & Acquisitions 2016, 148.
78 Dazu: Schniepp/Hensel, BB 2015, 777, 781 f.; Greven, BB 2014, 2309, 2312 ff.; Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1903 f.
79 Greven, BB 2014, 2309, 2316 f.;
Reinhard/Schützler, ZIP 2013, 1898, 1903 f.
80 Primozic, NJW 2016, 679, 681.
81 Dazu ausführlich etwa: Schniepp/Hensel, BB 2015, 777, 781;\Greven
82 Dazu ausführlich: Primozic, NJW 2016, 679, 681 f.
83 So etwa: Greven, BB 2014, 2309, 2317.
Der Verkäufer sollte sich seines Risikos zwar bewusst sein. Es ist aber eine Frage des Einzelfalls und der Verhandlungsstärke der Parteien, inwieweit sich die genannten Möglichkeiten umsetzen lassen.
II. Risikominimierungsmaßnahmen aus
Sicht des Unternehmenskäufers
1. Gläubigerbenachteiligung
Um eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung im Zuge des Vertragsschlusses zu vermeiden, sollte der Unternehmenskäufer bei einem Asset Deal unbedingt von der Übernahme einzelner Verbindlichkeiten absehen.84 Hinsichtlich der Vereinbarung eines gleichwertigen Kaufpreises ist es problematisch, dass eine solche eigentlich dem Interesse des Käufers widerstrebt. Der Käufer wird gerade in Insolvenznähe versuchen wollen, seine bessere Verhandlungsposition auszunutzen und einen besonders günstigen Kaufpreis zu vereinbaren.85 Zugunsten der Vermeidung von Anfechtungsrisiken sollte ihm jedoch an einem gleichwertigen Kaufpreis gelegen sein. Dabei wird die Problematik der Unternehmensbewertung relevant, die es nahezu unmöglich macht, einen objektiv gleichwertigen Kaufpreis zu vereinbaren.86 Eine Verkehrswertklausel kann helfen, diese Problematik einzudämmen.87 Danach ist als Kaufpreis der objektive Unternehmenswert zu entrichten, der von einer unabhängigen Stelle ermittelt wird.88 Praktikabler ist es, die Bewertung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu überlassen oder sich durch diese wenigstens die Angemessenheit des Kaufpreises durch eine Fairness Opinion bestätigen zu lassen.89 Da der maßgebliche Unternehmenswert aber erst im Zuge des Anfechtungsprozesses ermittelt wird, stellt dies kein rechtssicheres Mittel dar und es verbleibt ein Restrisiko.90 Dieses kann nur vermeiden, wer die Ermittlung des Unternehmenswerts gem. § 317 BGB demjenigen Gericht überlässt, das auch für einen Anfechtungsprozess zuständig wäre. Nachteil dabei ist, dass noch vor Closing ein Prozess geführt werden muss, was die Praktikabilität dieser Lösung erheblich einschränkt.91
2. Subjektive Voraussetzungen
Der Käufer könnte weiterhin versuchen, die subjektiven Voraussetzungen nicht zu erfüllen. Das heißt, er dürfte zum anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers §§ 130, 132 InsO) bzw. dessen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz (§ 133 InsO) haben. Bei einem Unternehmenskauf in Insolvenznähe wird der Käufer etwaige Kenntnisse häufig i.R.d. Due Diligence erlangen.92 Auf eine solche zu verzichten, ist keine ernstzunehmende Option.93 Der Käufer kann aber versuchen, Kenntnis zu einem Zeitpunkt zu erlangen, der anfechtungsrechtlich irrelevant ist. Dafür kommt es auf den Vornahmezeitpunkt nach § 140 InsO an.
a) Subjektive Voraussetzungen
i.R.d. Verpflichtungsgeschäfts
Solange der Käufer bei Signing keine Kenntnis hat, ist er mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen im maßgeblichen Zeitpunkt hinsichtlich des Verpflichtungsgeschäfts auf der sicheren Seite. Um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, sollte er diese Unkenntnis dokumentieren.94
Hat der Käufer bereits bei Signing Kenntnis, sollte er – sofern eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung unvermeidbar ist – zwingend Abstand von der Transaktion nehmen. Sonst setzt er sich sehenden Auges der Anfechtungsmöglichkeit nach § 132 InsO aus. Gleiches gilt bei Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes für § 133 InsO.
b) Subjektive Voraussetzungen
i.R.d. Erfüllungsgeschäfts
Der Vornahmezeitpunkt für das Erfüllungsgeschäft liegt nach § 140 I InsO im Regelfall bei der letzten Übertragungshandlung.95 Problematisch ist es für den Käufer, wenn er Kenntnis zwischen Signing und Closing erlangt. Denn dann erfüllt er die subjektiven Voraussetzungen für die Anfechtung des Verfügungsgeschäfts, kann vom Vertragsabschluss aber keinen Abstand mehr nehmen. Im Idealfall verlegt der Käufer den Vornahmezeitpunkt folglich auf den Zeitpunkt des Signings,96 zu dem er noch handlungsfähig ist und sein weiteres Vorgehen von seinem Wissen abhängig machen kann. Als Instrument dient ihm die frühe Begründung eines Anwartschaftsrechts am gesamten Kaufgegenstand.97 Nach § 140 III InsO bleibt bei bedingten Rechtshandlungen der Bedingungseintritt nämlich außer Betracht, sodass als Vornahmezeitpunkt die Anwartschaftsbegründung gilt und es für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auf diesen Zeitpunkt ankommt.98
Für den Asset Deal ist eine solche Konstruktion praktisch ausgeschlossen.99 Für den Share Deal erfordert sie, dass die Anteilsübertragung im Kaufvertrag aufschiebend bedingt erklärt wird.100 Darüber hinaus muss der Käufer eine gesicherte Erwerbsposition erlangen, die nicht mehr einseitig durch den Verkäufer zerstört werden kann.101 Fraglich ist, ob die üblichen Übertragungsvoraussetzungen die Entstehung eines Anwartschaftsrechts verhindern können. Allein ein
84 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2282, 2303; Buchta (Fn. 3), Rn. 14.100;
Ausnahme: Beim Asset Deal zu Sanierungszwecken hilft ggf. das Sanierungsprivileg, vgl. Beisel (Fn. 32), § 5 Rn. 62.
85 Buchta (Fn. 3), Rn. 14.75.
86 Vgl. Lachmann (Fn. 3), Rn. 2304.
87 Wessels, ZIP 2004, 1237, 1246.
88 Wessels, ZIP 2004, 1237, 1246.
89 Buchta (Fn. 3), Rn. 14.94; Bressler, NZG 2018, 321, 322;
Wessels, ZIP 2004, 1237, 1245.
90 Freitag/Kiesewetter/Narr, BB 2015, 1484, 1485;
Wessels, ZIP 2004, 1237, 1245 f.
91 Wessels, ZIP 2004, 1237, 1246.
92 Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 24; Grotheer, RNotZ 2012, 355, 372 f.
93 Dazu: Lachmann (Fn. 3), Rn. 2266, 2283 f.;
Bressler, NZG 2018, 321, 322; Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186, 1191.
94 Buchta (Fn. 3), Rn. 14.105; Bressler, NZG 2018, 321, 322.
95 Ehricke, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 140 Rn. 5;
Ede/Hirte, in: Uhl-InsO (Fn. 13), § 140 Rn. 5.
96 Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 44; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1240.
97 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2291;
Freitag/Kiesewetter/Narr, BB 2015, 1484, 1486.
98 Wessels, ZIP 2004, 1237, 1240; dazu kritisch: Bromm, ZRP 2010, 79 f.
99 Dazu: Lachmann (Fn. 3), Rn. 2295; Freitag/Kiesewetter/Narr, BB 2015, 1484, 1486; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1238.
100 Wessels, ZIP 2004, 1237, 1239.
101 BGHZ 27, 360, 368; 37, 319, 321; 83, 395, 399;
Freitag/Kiesewetter/Narr, BB 2015, 1484, 1486;
Grotheer, RNotZ 2012, 355, 373.
Gremienvorbehalt ist hier problematisch.102 Denn hängt die Wirksamkeit der Übertragung noch von der Zustimmung eines Organs des Verkäufers ab, besteht für den Verkäufer letztlich die Möglichkeit, die Erwerbsaussicht des Käufers einseitig zu zerstören.103 Ein Anwartschaftsrecht kann in diesem Fall noch nicht bei Signing entstehen, sondern erst wenn das Gremium des Verkäufers zugestimmt hat. Wenn der Käufer dann bis zum Anwartschaftserwerb Kenntnis erlangt, erfüllt er wiederum die subjektiven Voraussetzungen und das Geschäft ist anfechtbar.104 Der Käufer sollte daher versuchen, schleunigst auf eine Zustimmung des Gremiums hinzuwirken, um den Zeitraum, in dem ihm erlangte Kenntnis schaden würde, zu verkürzen.105
3. Anfechtungsfrist
Mit dem Vornahmezeitpunkt, also mit Begründung des Anwartschaftsrechts, beginnt auch die Anfechtungsfrist.106 Eine weitere Option des Käufers besteht darin, die Erfüllungshandlung auf einen Zeitpunkt zu verschieben, der außerhalb der Anfechtungsfrist liegt.107 Dadurch würde er seine Leistung erst erbringen, wenn die Gefahr einer Anfechtung gebannt wäre.108
Da es nicht im Interesse der Parteien liegen wird, die Erfüllungshandlung für mehrere Jahre aufzuschieben, kommt diese Option nicht für § 133 InsO in Betracht. Hinsichtlich der Drei-Monatsfrist kann sie jedoch als wirksames Mittel zur Risikominimierung genutzt werden. Dazu wird im Kaufvertrag bestenfalls eine Fälligkeitsvereinbarung getroffen, die bestimmt, dass der Kaufpreis erst drei Monate nach Anwartschaftsbegründung fällig wird.109 Häufig wird sich der Unternehmensverkäufer in Insolvenznähe mit einer solchen Regelung jedoch nicht anfreunden können.110 Denn aufgrund seines oft bestehenden Liquiditätsengpasses kommt es ihm gerade darauf an, den Kaufpreis zügig zu erhalten. Alternativ könnte der Käufer dann wenigstens ein verhandlungsfreundlicheres Zurückbehaltungsrecht analog § 321 I BGB für den Fall vereinbaren, dass eine der Parteien zahlungsunfähig wird oder in dauerhaften Vermögensverfall gerät.111 Eine solche Vereinbarung hilft dem Käufer nicht, wenn er die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen bereits bei Signing erfüllt. Sie schützt ihn aber bei Kenntniserlangung zwischen Signing und Begründung eines Anwartschaftsrechts (z.B. beim Gremienvorbehalt), indem sie die Handlungsfähigkeit des Käufers erhält, solange die subjektiven Voraussetzungen noch eintreten können.
4. Bargeschäftsausnahme
Hat der Käufer im anfechtungsrelevanten Zeitpunkt bereits Kenntnis, kann ihm nur die Bargeschäftsausnahme gem. § 142 InsO helfen, die Transaktionen für nicht anfechtbar erklärt, wenn für die Leistung des Schuldners unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung erbracht wird.
a) Unmittelbarer Leistungsaustausch
Für den unmittelbaren Leistungsaustausch ist nach § 142 II 1 InsO entscheidend, dass die Erbringung von Leistung und Gegenleistung in engem zeitlichem Zusammenhang erfolgt. Jedenfalls der Zug-um-Zug-Austausch erfüllt die Voraussetzung, sodass der Käufer damit in jedem Fall auf der sicheren Seite ist.112 Jegliche Kaufpreisanpassungen, Sicherungseinbehalte, Treuhänderabwicklungen und Kreditierungen verbieten sich hingegen.113
b) Gleichwertige Gegenleistung
Gleichwertigkeit i.S.d. § 142 I InsO liegt vor, wenn es sich um eine bloße Vermögensumschichtung im Wege eines Aktivtauschs innerhalb der frei verwertbaren Masse handelt und somit keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung gegeben ist.114 Insofern lässt sich auf die Ausführungen zur Vermeidung der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung verweisen.115
c) Anwendbarkeit der Bargeschäftsausnahme
Die Bargeschäftsausnahme bietet mithin eine effektive Möglichkeit, das Anfechtungsrisiko selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu eliminieren. Anwendbar ist sie jedenfalls für die besonderen Anfechtungsgründe. Seit der Anfechtungsreform überträgt § 142 InsO n.F. die Ausnahmemöglichkeit auch auf die Vorsatzanfechtung, sofern der Schuldner nicht unlauter handelt und der Anfechtungsgegner nicht entsprechende Kenntnis hat. Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers schadet dem Käufer mithin auch in Bezug auf § 133 InsO nicht mehr, sofern die Voraussetzungen eines Bargeschäfts vorliegen. Um potenziellen Unlauterkeitsvorwürfen vorzubeugen, hilft eine Dokumentation, dass die Kaufpreiserlöse zur gleichmäßigen Bedienung der ansonsten ausstehenden Verbindlichkeiten verwendet werden.116
Sind all diese Risikominimierungsmaßnahmen für den Käufer nicht umsetzbar, sollte er Abstand von der Transaktion nehmen (können). Im Hinblick auf das Verpflichtungsgeschäft empfiehlt es sich demnach, mit dem Abschluss des Kaufvertrags bis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu warten. Damit der Käufer auch noch vom Erfüllungsgeschäft Abstand nehmen kann, sollte er sich zudem ein Zurückbehaltungs-/ Lösungsrecht einräumen
102 Auch zu weiteren Übertragungsvoraussetzungen:
Wessels, ZIP 2004, 1237, 1239 f.
103 Freitag/Kiesewetter/Narr, BB 2015, 1484, 1487;
Grotheer, RNotZ 2012, 355, 373; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1239.
104 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2293.
105 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2294; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1240.
106 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2292; Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 43;
Wessels, ZIP 2004, 1237, 1239.
107 Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 43; Freitag/Kiesewetter/Narr, BB 2015, 1484, 1485 f.; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1238.
108 Vgl. Buchta (Fn. 3), Rn. 14.96; Grotheer, RNotZ 2012, 355, 358 f.
109 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2294; Windhöfel et al. (Fn. 5), Rn. 44;
Wessels, ZIP 2004, 1237, 1240.
110 Jordan (Fn. 30), 179, 196; Buchta (Fn. 3), Rn. 14.96.
111 Lachmann (Fn. 3), Rn. 2294; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1240.
112 RGZ 100, 62, 64; Ehricke, in: KPB-InsO (Fn. 12), § 142 Rn. 15;
Bressler, NZG 2018, 321, 326; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1245.
113 Hörmann (Fn. 1), 85, 115; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1245;
vgl. auch: Thole, in: HK-InsO (Fn. 4), § 142 Rn. 8.
114 Vgl. BGHZ 123, 320, 323; Lachmann (Fn. 3), Rn. 2302;
Freitag/Kiesewetter/Narr, BB 2015, 1484, 1485;
Wessels, ZIP 2004, 1237, 1245.
115 Vgl. D.II.1.
116 Bressler, NZG 2018, 321, 326.
lassen, von dem er bei Kenntniserlangung vor dem Vornahmezeitpunkt Gebrauch machen kann.117
E. Fazit
1. Fällt das Zielunternehmen nach Verkauf in die Insolvenz, kann sich für den Verkäufer ein Risiko aus § 135 I InsO ergeben, sofern die BGH-Rechtsprechung zur Haftung des Zedenten auf M&A-Transaktionen ausgeweitet wird.
2. Zur Vermeidung des Risikos, das Gesellschafterdarlehen bei einer Ausweitung zurückgewähren zu müssen, kann der Verkäufer von der Abtretung des Darlehens absehen und es stattdessen i.R.d. Einbringungslösung zum Erlöschen bringen oder den Käufer verpflichten, es nicht im maßgeblichen Zeitraum zurückzugewähren.
3. Für den Unternehmenskäufer können die Anfechtungstatbestände der §§ 130, 132 und 133 InsO zur Gefahr werden, wenn eine Verkäuferinsolvenz eintritt.
4. Das Risiko der Vorsatzanfechtung ist durch die Anfechtungsreform jedoch erheblich gesunken. Denn für den üblichen Unternehmenskauf wird dem Insolvenzverwalter eine Anfechtung nach § 133 InsO durch Abschwächung der Vermutungsregel und Anwendbarkeit der Bargeschäftsausnahme erheblich erschwert.
5. Bei erfolgreicher Anfechtung droht dem Käufer das enorme Risiko einer „asymmetrischen Rückabwicklung“.118 Im schlimmsten Fall muss er das Unternehmen zurückgewähren und erleidet den vollständigen Verlust des Kaufpreises.
6. Daher sollte er insbesondere einen gleichwertigen Kaufpreis vereinbaren. So verhindert er die Erfüllung des § 132 InsO und kann bei unmittelbarem Leistungsaustausch von der Bargeschäftsausnahme des § 142 InsO profitieren. Dabei problematische Bewertungsschwierigkeiten können effektiv nur durch Vereinbarung einer Verkehrswertklausel und die Preisfestsetzung durch Gericht gelöst werden.
7. Zudem sollte der Käufer den Vornahmezeitpunkt durch die frühe Begründung eines Anwartschaftsrechts so weit wie möglich vorverlagern.
8. Gelingt ihm der Anwartschaftserwerb mit Signing und hat er zu diesem Zeitpunkt (noch) keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers, ist er geschützt, wenn er diese Nichtkenntnis nachweisen kann.
9. Kann der Anwartschaftserwerb erst später erfolgen, sollte der Käufer Fälligkeitsregeln oder Einbehaltungsmöglichkeiten vereinbaren, die den Verlust des Kaufpreises ausschließen.
10. Zwar erscheint ein Asset Deal in Insolvenznähe mitunter sehr attraktiv, weil der Käufer sich die rentablen Betriebsteile herauspicken kann.119 Mit Blick auf die Anfechtungsrisiken ist jedoch der Share Deal vorzugswürdig. Denn die Übernahme von nur einzelnen Verbindlichkeiten erhöht das Anfechtungsrisiko erheblich und die sonst effektive Risikominimierungsmaßnahme eines frühen Anwartschaftserwerbs kann hier nicht weiterhelfen.
11. Welche Maßnahmen umsetzbar sind, ist letztlich vom Einzelfall abhängig. Eine allgemeingültige Vermeidungsstrategie gibt es nicht. Die Parteien sollten sich aber über die potenziellen Anfechtungsrisiken bewusst sein und die im Einzelfall umsetzbaren Maßnahmen in den Unternehmenskaufvertrag integrieren.
117 Grotheer, RNotZ 2012, 355, 373; Wessels, ZIP 2004, 1237, 1246.
118 Wessels, ZIP 2004, 1237, 1238.
119 Jordan (Fn. 30), 179, 188; Hölzle, DStR 2004, 1433, 1433 ff.