Dr. Dirk Kocher, LL. M.*
A. Einleitung
Seit dem 3. Juli 2016 sind Meldungen von Managers‘ Transactions (auf Deutsch auch Eigengeschäfte von Führungskräften) nicht mehr im deutschen WpHG geregelt, wo sie noch als Directors‘ Dealings bezeichnet wurden. Vielmehr gilt dafür nun das unmittelbare Europarecht der Marktmissbrauchsverordnung (MMVO)1. Neben Art. 19 MMVO sind aber weitere Umsetzungsrechtsakte und Leitlinien zu beachten. Hinsichtlich Managers‘ Transactions sind dies insbesondere die delegierte Verordnung (EU) 2016/522, die Durchführungsverordnung (EU) 2016/523 und § 15 Abs. 2 WpHG n.F. sowie die FAQ für Eigengeschäfte von Führungskräften der BaFin und die Q&A der ESMA (ESMA70-145-111).2 Der Rechtsanwender steht hier vor den gleichen Problemen wie bei weiteren Fragen der MMVO: Die verschiedenen Sprachfassungen der Normtexte weichen zum Teil erheblich voneinander ab3, die Rechtsmaterie ist aufgrund der vielen Rechtsquellen unübersichtlich geregelt und die Qualität der Rechtssetzung muss als defizitär bezeichnet werden.4
Der nachfolgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Neuerungen durch die MMVO5, konzentriert sich aber im Wesentlichen auf die sich jeweils ergebenden Streitfragen und praktischen Anwendungsprobleme. Die Handelsverbote während der sog. Closed Periods werden nicht behandelt.6
B. Anwendungsbereich
I. Sachlicher Anwendungsbereich
Der sachliche Anwendungsbereich wurde gegenüber dem WpHG deutlich erweitert. Art. 19 Abs. 1 MMVO erfasst neben Anteilen auch Schuldtitel, Derivate oder andere damit verbundene Finanzinstrumente i.S.d. Richtlinie 2014/65/EU.
V.a. aber weitet Art. 19 Abs. 4 MMVO den Kreis der umfassten Emittenten erheblich aus: Neben einer Handelszulassung von Finanzinstrumenten zum geregelten Markt (lit. a)) genügt nun nach lit. b) auch eine Zulassung auf einem multilateralen (MTF) oder organisierten (OTF) Handelssystem, was in Deutschland v.a. den Freiverkehr erfasst.7 Außerhalb von OTFs beginnt die Pflicht bereits mit Antragsstellung. Wegen der sehr unglücklichen Formulierung der „erhaltenen“ Handelszulassung war es hierbei zu Diskussionen gekommen, ob auch eine Einbeziehung in den Freiverkehr ohne oder gar gegen den Willen des Emittenten genügt. Außer in bestimmten Qualitätssegmenten mit vereinbarten Zulassungsfolgepflichten des Emittenten genügt für die Einbeziehung in den Freiverkehr nämlich auch eine Initiative eines Marktteilnehmers. Es bestand aber früh Einigkeit, dass es unangemessen wäre, Zulassungsfolgepflichten für Emittenten zu begründen, die mit der Einbeziehung gar nichts zu schaffen hatten.8 Daher hat die BaFin in verschiedenen FAQ klargestellt, dass der Emittent die Zulassung zumindest „genehmigt“ haben muss.9 Dies sollte durch ein Corrigendum eigentlich klargestellt werden, das aber seinerseits redaktionell verunglückt ist, so dass ausgerechnet in lit. b) in der deutschen Fassung das Wort „erhalten“ bestehen blieb. Richtigerweise bleibt es aber dabei, dass für die Eröffnung des Anwendungsbereichs eine Genehmigung der Zulassung durch den Emittenten erforderlich ist. Neben der beschriebenen Intention spricht dafür auch ein vergleichender Blick in andere Sprachfassungen (z.B. auf Englisch „approved“). Es ist aber mehr als unbefriedigend, wenn bei der intendierten Korrektur von Fehlern wieder Fehler gemacht werden.
II. Persönlicher Anwendungsbereich
Anwendbar sind die Regeln über Managers‘ Transactions nach Art. 19 Abs. 1 MMVO auf Personen mit Führungsaufgaben und in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen.
1. Personen mit Führungsaufgaben
Personen mit Führungsaufgaben sind in Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 MMVO definiert als – verkürzt gesagt – Mitglieder von Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorganen oder sonstige Führungskräfte, die sowohl regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und befugt sind, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Hierbei gibt es einige Zweifelsfälle, die die Definition nicht genau zu erfassen in der Lage ist:
Da der Emittent einer Schuldverschreibung auch eine GmbH sein kann, ist der Kreis an Personen mit Führungsaufgaben aufgrund der größeren Flexibilität des GmbH-Rechts theoretisch größer, was freilich sehr von der praktischen Ausgestaltung abhängt. Die BaFin versteht hierunter auch Beiratsmitglieder und Gesellschafter, wenn sie im Einzelfall Kompetenzen wie ein Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied wahrnehmen.10 Gerade bei Gesellschaftern wird das oft
* RA Dr. Dirk Kocher, LL.M. (Helsinki) ist Partner bei Latham & Watkins LLP in Hamburg und Lehrbeauftragter an der Bucerius Law School.
1 Verordnung (EU) Nr. 596/2014.
2 Eine Materialsammlung der Rechtsquellen und Auslegungshilfen ist abrufbar unter www.lw.com/marketabuseregulation.
3 Die gröbsten (allerdings bei Weitem nicht alle) Übersetzungsfehler wurden inzwischen durch mehrere Corrigenda berichtigt (ABl. L 287, 306 und 348 jeweils aus 2016).
4 Zur Kritik und den Problemen vgl. ausführlich Simons, AG 2016, 651 ff.
5 Ausführlichere Überblicke finden sich bei Kumpan, AG 2016, 446 ff.; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483 ff. und Stüber, DStR 2016, 1221 ff.
6 Hierzu z.B. Stüber, DStR 2016, 1221, 1225 ff.; Kumpan, AG 2016, 446, 456 ff.
7 Die ebenfalls erfassten Märkte für Emissionszertifikate werden hier nicht näher behandelt.
8 Aus der Literatur z.B. Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595; Stüber, DStR 2016, 1221, 1222; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1483.
9 Vgl. z.B. BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, II. 1.
10 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, II. 3. und 4.
nur schwer phänotypisch abgrenzbar sein. So genügen etwa Funktionen bei einer bloßen Garantiegeberin des Emittenten als solche nicht11, ebenso wenig Organstellungen bei verbundenen Unternehmen.12 Stellvertretende Vorstandsmitglieder gelten dagegen nach § 94 AktG als Vorstandsmitglieder und fallen mithin darunter, Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats hingegen erst im Falle des Nachrückens.13 Hinsichtlich der Einbeziehung sonstiger Führungskräfte ist in Deutschland Zurückhaltung geboten, da unterhalb von Vorstand bzw. Geschäftsführung typischerweise keine eigenen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. Die meisten Gesellschaften verfügen daher nicht über einen entsprechenden Personenkreis.14 Auch Organmitglieder verbundener Unternehmen sollten nicht als sonstige Führungskräfte angesehen werden.15 Das gilt richtigerweise sogar für Organe eines herrschenden Unternehmens mit einem Beherrschungsvertrag, welche zwar oftmals über entsprechende Möglichkeiten verfügen, diese aber typischerweise nicht regelmäßig ausüben und das auch nicht zur Aufgabe haben. Hierin liegt der Unterschied zum phG einer KGaA und dessen Organmitgliedern, wenn es sich beim phG wie meist um eine Kapitalgesellschaft handelt. Zwar mögen persönlich haftende Gesellschafter von der Definition der Personen mit Führungsaufgaben nicht erfasst sein16 und die Organmitglieder des phG nicht Organmitglieder des Emittenten selbst sein. Sie können jedoch als sonstige Führungskräfte erfasst werden, da sie die dafür erforderlichen Befugnisse nicht nur haben, sondern auch regelmäßig tatsächlich ausüben und dazu verpflichtet sind. Dies entspricht auch der Aufsichtspraxis der BaFin zur KGaA.
2. In enger Beziehung stehende Personen
In enger Beziehung stehende Personen sind in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 MMVO definiert (auch wenn sie dort fälschlich als „eng verbundene“ Personen bezeichnet werden). Neben bestimmten engen Familienangehörigen fallen hierunter gem. lit. d) v.a. Gesellschaften, in denen die Person mit Führungsaufgaben ihrerseits Führungsaufgaben wahrnimmt, diese kontrolliert, die zu ihren Gunsten gegründet wurde oder die wirtschaftlich weitgehend entsprechende Interessen hat. Die genauen Voraussetzungen hierfür waren schon unter dem WpHG zweifelhaft. Die BaFin hat die vorläufige Rechtsauffassung eingenommen, wonach reine Doppelmandate hierfür nicht genügen sollen. Vielmehr müsse der Person mit Führungsaufgaben die Möglichkeit eingeräumt sein, sich durch Geschäfte einen signifikanten wirtschaftlichen Vorteil zu sichern, wovon wohl erst bei einer Mindestbeteiligung von 50 % gesprochen werden könne.17 Das überzeugt im Ergebnis maßgeblich aus teleologischen Gründen, da sonst kein hinreichendes Eigeninteresse besteht. Die nach wie vor bestehende Rechtsunsicherheit infolge des unklaren Verordnungstextes ist aber an dieser praktisch sehr wichtigen Stelle besonders misslich und wird noch dadurch verstärkt, dass die ESMA18 eher darauf abzustellen scheint, ob die Führungskraft in der anderen Gesellschaft an der Entscheidung über das Geschäft mitwirkt oder diese beeinflusst.
Erfasste enge Familienangehörige sind neben Ehepartnern und nach nationalem Recht gleichgestellten Partnern und Verwandten, die zum Zeitpunkt der Tätigung des betreffenden Geschäfts seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben, auch Kinder, die nach nationalem Recht unterhaltsberechtigt sind. So jedenfalls die deutsche Sprachfassung und wohl auch die englische („dependent child“). Die schwedische Sprachfassung scheint dagegen eher auf das Sorgerecht abzustellen, was durchaus einen Unterschied machen kann. Da aber selbst die der schwedischen sprachverwandte dänische Fassung der deutschen und englischen entspricht, dürfte im Schwedischen ein Übersetzungsfehler vorliegen. Offensichtlich ist man also auch in anderen Mitgliedsstaaten von Übersetzungsungenauigkeiten betroffen.
Für den Rechtsanwender erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass die BaFin eine Meldepflicht für Geschäfte ablehnt, die die Person für den Emittenten selbst in dessen Finanzinstrumenten vornimmt (Bsp.: Der Vorstand führt einen Aktienrückkauf durch).19 Das würde nur zu einer unnötigen Vervielfachung ohnehin vorgeschriebener Meldungen führen.20
III. Mitteilungspflichtige Geschäfte
Der Kreis der mitteilungspflichtigen Geschäfte wurde gegenüber dem WpHG durch Art. 19 Abs. 7 MMVO und Art. 10 der delegierten Verordnung (EU) 2016/522 erheblich erweitert. Bereits eine Aufzählung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.21 Hier soll der Hinweis genügen, dass auch viele solcher Geschäfte erfasst werden, die mit dem zu schützenden Transparenzinteresse des Marktes nichts zu tun haben, z.B. bei Fonds- und sonstigen Anlageprodukten. Prominentestes Beispiel hierfür sind allerdings entgegengenommene Erbschaften nach Art. 10 Nr. 2 lit. k) der delegierten Verordnung (EU) 2016/522.22
Zu einer Verunsicherung hat die MMVO zunächst v.a. auch bei Geschäften im Rahmen von Vergütungsprogrammen für Führungskräfte geführt, die an Finanzinstrumente anknüpfen. Hier hätte angesichts des Zusammenhangs mit Insiderfragen eine Differenzierung danach nahegelegen, ob der Betroffene einen Handlungsspielraum hat oder ob das Programm einen Automatismus vorsieht. Verbreitet wurde in der Literatur vor dem Hintergrund eines das neue System durchziehenden allgemeinen Transparenzgedankens23 aber auch bei solchen
11 So auch BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, II. 5.
12 Kumpan, AG 2016, 446, 448.
13 Vgl. Kumpan, AG 2016, 446, 448.
14 Ähnlich Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1483. Insbesondere genügt eine Prokura hierfür nicht, vgl. von der Linden, DStR 2016, 1036, 1039. AA Stenzel, DStR 2017, 883, 887 (erste Führungsebene unter Vorstand mit Personalverantwortung).
15 So auch Götze/Carl, Der Konzern 2016, 529, 539 f. mit ausführlicher Darstellung der Diskussion hierüber zum alten Recht. Auch Stenzel, DStR 2017, 883, 887.
16 Darauf weist Kumpan, AG 2016, 446, 449 hin.
17 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, II. 9. und 10. Grundsätzlich zustimmend Kumpan, AG 2016, 446, 451; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1484; Götze/Carl, Der Konzern 2016, 529, 540.
18 ESMA 70-145-111, Frage 7.7.
19 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, II. 7.
20 So auch Kumpan, AG 2016, 446, 450 f.
21 Ausführlich hierzu Stüber, DStR 2016, 1221, 1223 f.; Kumpan, AG 2016, 446, 452 ff.
22 Vgl. hierzu aber auch BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, IV. 9.
23 Als Informationsquelle für Investoren, vgl. Erwägungsgrund 58 der MMVO..
Transaktionen eine Meldepflicht angenommen, bei denen kein Handlungsspielraum besteht.24 Ebenso wurden in der Literatur virtuelle Aktien- oder Optionsprogramme als Finanzinstrumente einbezogen, auch dies unabhängig vom Handlungsspielraum.25 Die BaFin26 differenziert ebenfalls nicht nach dem Entscheidungsspielraum und lässt damit physische Pläne auch dann der Meldepflicht unterfallen, wenn sie automatisiert ablaufen. Demgegenüber nimmt sie anders als die genannte Literaturauffassung virtuelle Gestaltungen von der Anwendung aus, wenn diese nicht übertragbar sind und nur in Geld abgerechnet werden. Der Anerkennung dieser Ausnahme wird man zustimmen müssen. Dogmatisch ist dabei nicht endgültig geklärt, ob diese Gestaltungen schon keine Finanzinstrumente darstellen oder insoweit schlicht keine Geschäftevorliegen und mangels Übertragbarkeit schon gar nicht vorliegen können, weil es sich bei diesen Instrumenten also lediglich um eine Rechengröße zur Bestimmung einer Barvergütung handelt.
C. Belehrungs- und Dokumentationspflichten
Diese sind in Art. 19 Abs. 5 MMVO geregelt: Emittenten sind verpflichtet, Personen mit Führungsaufgaben über ihre Pflichten aus Art. 19 MMVO zu Managers‘ Transactions schriftlich in Kenntnis zu setzen. Diese wiederum haben die mit ihnen in enger Beziehung stehenden Personen schriftlich in Kenntnis zu setzen und eine Kopie aufzubewahren. Letzteres ist für den Emittenten zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben aber praktisch dringend zu empfehlen. Viel spricht dafür, dass eine Information per E-Mail genügt,27 gesichert ist dies aber noch nicht. Diskutiert wird in der Praxis auch, welche sorgerechtlichen Anforderungen bei der Belehrung minderjähriger Kinder zu stellen sind.
Schließlich haben Emittenten hiernach eine fortlaufende Liste sowohl der Personen mit Führungsaufgaben als auch der in enger Beziehung stehenden Personen zu führen. Hierfür sollte in der Praxis neben dem Hinweis an alle Betroffenen, dass sie Änderungen mitzuteilen haben, am besten auch eine jährliche Routineabfrage bei Organmitgliedern erfolgen, z.B. in Zusammenhang mit dem Jahresabschluss, für den ohnehin bestimmte Angaben abzufragen sind. Für die Liste ist kein bestimmtes Format vorgeschrieben. Die BaFin begnügt sich mit der Angabe des Namens, solange dieser zur Identifikation genügt. Sonst ist diese z.B. durch Angabe des Geburtsdatums sicherzustellen28, wozu in Zweifelsfällen aus praktischer Sicht zu raten ist.
D. Mitteilungspflichten
Personen mit Führungsaufgaben und in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen haben Geschäfte dem Emittenten zu melden, wenn sie den Schwellenwert von EUR 5.000 p.a. erreichen.29 Geschäfte darunter bleiben unberücksichtigt.30 Nach nicht unumstrittener Ansicht der BaFin31 und der ESMA32 werden Geschäfte in enger Beziehung stehender Personen nicht zusammengerechnet. Käufe und Verkäufe dürfen nicht gegeneinander genettet werden.33
Die Mitteilung ist unverzüglich vorzunehmen, nach Art. 19 Abs. 1 und 2 MMVO spätestens innerhalb von drei Geschäfts- bzw. Arbeitstagen. Die verschiedenen Begriffe werden dabei synonym verstanden. Es hätte sich angeboten, einheitlich von Geschäftstagen zu sprechen. Im Regelfall läuft die Frist ab dem Datum des Abschlusses des schuldrechtlichen Geschäfts34, bei interessewahrenden Ordern ab dem Datum der Order.35 Wichtig ist allerdings, dass nach Art. 10 Nr. 2 lit. i) der delegierten Verordnung (EU) 2016/522 an Bedingungen geknüpfte Geschäfte erst bei Bedingungseintritt und tatsächlicher Ausführung erfasst sind.36
Der Begriff des Geschäftstags wird vom Verordnungsgeber nicht definiert. Die BaFin versteht darunter alle Tage, die nicht Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag am Sitz des Emittenten, in Hessen oder Nordrhein-Westfalen (Dienstsitze der BaFin) sind.37 Eine Rechtsgrundlage für diese Definition ist nicht ersichtlich.38 Die Praxis muss sich jedenfalls daran halten – schon in Ermangelung einer anderslautenden Bestimmung.
Für die Mitteilung ist zwingend das Formular im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) 2016/523 zu verwenden. Darin sind komplizierte wertpapiertechnische Angaben zu machen39, so dass Laien hierfür typischerweise Unterstützung benötigen werden. Selbst bei einfachen Börsengeschäften wird die begleitende Bank eine Reihe von Angaben zuliefern müssen. Entsprechende notwendige Informationen sollten daher bereits vor Abschluss des Geschäfts eingeholt werden.
Für die Frage nach dem notwendigen Adressaten dieser Mitteilungen, ist namentlich Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 zu beachten, wonach Führungskräfte getätigte Eigengeschäfte sowohl dem Emittenten, als auch der zuständigen Behörde zu melden verpflichtet sind. Die BaFin sieht diese Vorgabe in dem Fall, in welchem sie die zuständige Behörde nach Art. 19 Abs. 2 Uabs. 2 MMVO ist, indessen schon als erfüllt an, sofern der Meldepflichtige einen Dritten mit der Übermittlung der Meldung beauftragt.40 Erwähnenswert erscheint hier, dass die BaFin in diesem Zusammenhang beispielhaft sowohl die Übermittlung mithilfe des Emittenten, als auch mithilfe eines Rechtsanwalts anführt.41
24 Ausführlich Stenzel, DStR, 2017, 883, 887; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1484 f. unter Verweis auf die Wertung in ESMA 70-145-111, Frage 7.5.
25 Stenzel, DStR, 2017, 883, 887 unter Verweis auf ESMA 2015/224 S. 50 (Tz. 136).
26 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, II. 12.
27 In diese Richtung auch Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1486; Stüber, DStR 2016, 1221, 1224.
28 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, V. 1.
29 Art. 19 Abs. 8 MMVO.
30 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, III. 2.
31 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, III. 1.
32 ESMA70-145-111, Frage 7.3.
33 Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483; 1487; Stüber, DStR 2016, 1221, 1222.
34 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, II. 13. Abweichend (dinglicher Vollzug) wohl Stenzel, DStR 2017, 883, 887.
35 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, IV. 3.
36 Die BaFin stellt in den FAQ zu Art. 19 MMVO, IV. 2. verkürzend gleich auf den dinglichen Vollzug ab. Näher hierzu auch noch unten VI.
37 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, IV. 4.
38 Kritisch auch Simons, AG 2016, 651, 653 f.
39 Einzelheiten bei Stüber, DStR 2016, 1221, 1225.
40 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, IV. 5.
41 BaFin FAQ zu Art. 19 MMVO, IV. 5.
E. Veröffentlichungspflicht des Emittenten
Der Emittent hat die Mitteilung nach Art. 19 Abs. 3 MMVO unverzüglich zu veröffentlichen, spätestens jedoch abermals nach drei Geschäftstagen. Die Frist rechnet sich aber nicht ab dem Zugang der Mitteilung, wie dies z.B. nach § 26 Abs. 1 WpHG der Fall ist, sondern ab dem Geschäft, so dass die Frist parallel zu der für den Mitteilungspflichtigen läuft. Diese offenkundige Fehlleistung des Verordnungsgebers wird bislang auch nicht im Wege der Auslegung korrigiert, obwohl der Emittent für die Veröffentlichung dann nur noch eine logische Sekunde hat, wenn der Meldepflichtige seine Frist voll ausnutzt. Damit bleibt der Praxis nur, Mitteilungspflichtige um eine möglichst zeitnahe Mitteilung zu bitten, damit genügend Zeit für die Veröffentlichung besteht.42 Teilweise wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, auch emittentenintern schon möglichst alle beteiligten Mitarbeiter im Rahmen des gegebenen arbeitsrechtlichen Rahmens zu einer frühestmöglichen Mitteilung meldungspflichtiger Inhalte zu verpflichten.43 Mangels Arbeitsverhältnis mit den meisten Meldepflichtigen dürfte das schwierig sein. Man wird eher auf Einsicht setzten müssen.
Ansonsten ist eine Ergebniskorrektur zumindest auf der Rechtsfolgenseite möglich und nötig, indem man bei einer späten Mitteilung wohl zumindest ein Verschulden des Emittenten verneint, das für die Verhängung eines Bußgeldes Voraussetzung ist.44
F. Besondere Problematiken im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten
Bei Übernahmeangeboten können Mitteilungspflichten zu Managers‘ Transactions in beide Richtungen auftreten: Eine Person mit Führungsaufgaben oder in enger Beziehung zu ihr stehende Person kann Aktien in das Angebot einliefern (oft nach vorherigem Abschluss einer Andienungsvereinbarung mit dem Bieter)45. Umgekehrt kann eine solche Person auch Bieter eines Angebots sein, meist wenn Organmitglieder die Bietergesellschaft mehrheitlich halten.46
In der ersten Konstellation kommen verschiedene Zeitpunkte für die Annahme eines meldepflichtigen Geschäfts in Frage: Der Abschluss einer Andienungsvereinbarung, die Einlieferung der Aktien in das (meist noch bedingte) Angebot, der Zeitpunkt, in dem das Angebot unbedingt wird sowie die Abwicklung des Angebots. Die Verwaltungspraxis der BaFin geht dahin, noch keine Meldung der Andienungsvereinbarung zu verlangen, da dem Bedingungen i.S.v. Art. 10 Nr. 2 lit. i) der delegierten Verordnung 2016/522 entgegenstehen. Vielmehr soll die Mitteilung erfolgen, wenn die Meldepflichtigen das Angebot angenommen haben, was in der Praxis neben der Annahmeerklärung die Umbuchung der Aktien in eine separate ISIN erfordert. Das gilt aber auch dann, wenn das Angebot wie üblich noch unter aufschiebenden Bedingungen steht. Das ist mit der erwähnten lit. i) nur schwer in Einklang zu bringen. Treten die Bedingungen später ein und wird das Angebot abgewickelt, löst das keine erneute Meldepflicht aus. Fallen die Bedingungen hingegen aus, so dass das Angebot nicht abgewickelt wird, sieht man in der Praxis weitere Mitteilungen, die das Entfallen des Geschäfts offenlegen, was aus Transparenzgesichtspunkten zu begrüßen ist.
Praktisch schwieriger wird es, wenn mitteilungspflichtig nicht der annehmende Aktionär ist, sondern der Bieter. Denn beim Bieter fallen deutlich mehr relevante Geschäftsvorfälle an. Während der Annahmefrist (und der weiteren Annahmefrist) werden täglich Aktien angedient, was zum Zustandekommen von Kaufverträgen führt. Für den daraus resultierenden Annahmestand enthält § 23 WpÜG mit den sog. Wasserstandsmeldungen des Bieters ein eigenes Transparenzregime.47 Dieses verdrängt nach der Verwaltungspraxis sonst erforderliche Stimmrechtsmitteilungspflichten nach § 25 Abs. 1 WpHG, obwohl der durch die Annahme zustande gekommene aufschiebend bedingte Kaufvertrag tatbestandlich eigentlich ein bei Schwellenrelevanz meldepflichtiges Finanzinstrument wäre. Diese Praxis wird von der BaFin weitergeführt, obwohl die früher in § 25a WpHG a.F. enthaltenen ausdrücklichen Vorrangregelungen für § 23 WpÜG nicht in § 25 n.F. WpHG übernommen wurden.48 Hierfür sprechen die weitgehend parallelen Regelungszwecke. Für die Praxis stellt diese Handhabung durch die BaFin eigentlich eine nützliche Vereinfachung dar, führt aber zu anderen Problemen, da die Position der BaFin aus europarechtlichen Gründen in der Literatur zT abgelehnt wird, was Bieter in ein Dilemma bringt.49 Richtigerweise fehlt es bei einem Unterlassen der Mitteilung, die sich auf die sicher nicht unvertretbare Auffassung der BaFin stützt, an dem für einen Rechtsverlust nach § 28 WpHG erforderlichen Verschulden, weil sonst sogar Aufsichtsmaßnahmen drohen.50
Noch problematischer ist aber die Lage für Managers‘ Transactions-Mitteilungen: Tatbestandlich dürfte jede Annahme für den meldepflichtigen Bieter ein Eigengeschäft darstellen.51 Wäre davon jedes Einzelne zu melden, da die Aggregation eines Handelstages nicht mehr zugelassen wird, würde dies einen geradezu prohibitiven administrativen Aufwand bedeuten.52 Sinnvoll wäre es daher, einen Vorrang der Wasserstandsmeldungen nach dem WpÜG anzunehmen, was zusammen mit den Pflichtangaben in der Angebotsunterlage alle berechtigten Informationsbedürfnisse befriedigen müsste. Es bleibt abzuwarten, ob eine praktisch dringend gebotene Einschränkung schon de lege lata erreicht werden kann oder ob hierfür eine Änderung der MMVO erforderlich wäre, was dann kaum realistisch erschiene.53
42 So auch Stüber, DStR 2016, 1221, 1224; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1486.
43 Maume/Kellner,ZGR 2017, 273, 288.
44 Gleichsinnig Simons, AG 2016, 651, 657.
45 Sog. Irrevocable Undertaking, dazu allgemein Kiesewetter, in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht, 2017, § 8 Rn. 162 ff.
46 Überblick über solche Angebote in der Vergangenheit bei Kraack, AG 2016, 57 ff.
47 Hierzu z.B. Technau/Berrar, in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht, 2017, § 13 Rn. 95 ff.
48 Technau/Berrar, in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht, 2017, § 13 Rn. 101
49 Die Auffassung der BaFin ablehnend Kraack, AG 2017, 677, 684 ff.
50 Zweifelnd Kraack, AG 2017, 677, 687, der daher zu Meldungen rät.
51 Kraack, AG 2016, 57, 66.
52 Darauf weist zurecht auch Kraack, AG 2016, 57, 67 hin.
53 Hierzu ausführlich Kraack, AG 2016, 57, 67 ff.
G. Zusammenfassende Würdigung
Insgesamt muss man dem europäischen Verordnungsgeber hinsichtlich der Regelung der Managers‘ Transactions (wie übrigens auch in anderen Bereichen der MMVO) leider ein schlechtes Zeugnis ausstellen54:
Die Regelungstechnik ist systematisch unübersichtlich und erschwert zusammen mit der Verteilung der Vorgaben auf Umsetzungsrechtsakte und FAQ die Rechtsanwendung. Hinzu kommen Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachfassungen und ungeregelte Teilbereiche sowie offene Widersprüche und Defizite. Erinnert sei hier nur an die Veröffentlichungsfrist, die zeitgleich mit der Mitteilungsfrist abläuft.55
Im Ergebnis werden Meldepflichtige und Emittenten daher mit einem gestiegenen bürokratischen Aufwand belastet, ohne das Ziel der vorgeblichen Vereinheitlichung durch eine Verordnung statt einer Richtlinie zu erreichen: Die beschriebenen Defizite und Lücken werden von der Verwaltungspraxis der nationalen Aufsichtsbehörden gefüllt. Wenn man sich vor Augen hält, wie oft in diesem Beitrag auf die FAQ der BaFin Bezug genommen wird, ist ersichtlich, dass die MMVO den „Local Counsel Test“ nicht besteht: Kein deutscher Rechtsberater wird einem Mandanten bei einem Sachverhalt unter der MMVO in einem anderen Mitgliedsstaat verlässlichen Rechtsrat erteilen können, ohne einen lokalen Experten einzuschalten. Die Gefahr ist zu groß, dass die dortige Verwaltungspraxis von derjenigen der BaFin abweicht. Entgegen der Zielsetzung der MMVO werden somit keine Transaktionskosten eingespart, sondern aufgrund der gestiegenen Komplexität sogar noch erhöht.
Zugleich entsteht eine Scheintransparenz, die in Wahrheit einen information overload darstellt. Marktteilnehmer erhalten heute in allen Bereichen oft mehr Information, als sie verarbeiten können. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht erforderlich gewesen, etwa eine Erbschaft des Vorstands auch noch als Managers‘ Transaction meldepflichtig zu stellen, auch wenn dadurch keine Stimmrechtsmitteilungsschwelle nach dem WpHG erreicht wird.
54 Kritisch auch Simons, AG 2016, 651, 657.
55 S.o. V.