Hinzurechnungsbesteuerung und „Mitwirkung“

Prof. Dr. Götz T. Wiese*

A. Einführung

Im internationalen Konzern erbringen Organmitglieder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mutter­gesell­schaft oftmals auch Tätigkeiten für Kon­zern­gesellschaften. So werden zum Beispiel (i) Mitarbeiter in Kon­zern­gesellschaften entsandt, (ii) Organ­mit­glie­der oder Mit­ar­bei­ter in Geschäftsführungs­organe von Kon­zern­­gesell­schaften berufen oder (iii) Richtlinien auf­gestellt, die der Mutter­ge­sell­schaft ein Direk­tions­­recht für geschäftsleitende Maßnahmen auf Ebene von Konzern­ge­sell­schaften geben.

Wenn die Muttergesellschaft im Inland und die Konzerngesellschaften im Ausland ansässig sind, ergeben sich aus solchen Tätigkeiten praktische Probleme im Bereich des internationalen Steuerrechts. Diese Probleme sind auch in dogmatischer Hinsicht zum Teil noch ungelöst. Zwar gilt im Kapitalgesellschaftskonzern steuerlich weitgehend das Tren­nungs­prinzip für die Be­steuerung von Körperschaften, wonach Kapital­gesellschaften als eigen­ständige Steuersubjekte zu behandeln sind und Abschirm­wirkung entfalten.1 Das Territoriali­täts-2 und das Betriebsstätten­prin­zip3 qualifizieren die Zuord­nung der Ein­künfte, auch unter Anwendung der maßgeblichen Dop­pel­­be­steue­rungs­­ab­kom­men.4 Dabei ist vom Fremd­ver­gleichsmaßstab auszugehen;5 kon­zern­interne Leistungen sind entsprechend ab­zu­rechnen.

Bei ausländischen Konzerngesellschaften, die niedrig besteuerte Ein­künfte erzielen, stellt sich indes die Frage, inwieweit diese Einkünfte im Inland steuer­pflichtig werden, weil ein Organ­mitglied oder ein Mitarbeiter der qualifiziert beteiligten inländischen Muttergesellschaft (oder eine dieser nahestehende Person) an der Einkünfte­erzielung der aus­län­dischen Gesell­schaft „mitwirkt“. Das Recht der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) führt im Falle einer schäd­lichen „Mitwirkung“ zur Durchbrechung der Abschirmwirkung und damit zur Be­steue­rung im Inland.

Im Fol­gen­den werden die Voraussetzungen einer schädlichen „Mitwir­kung“6 dargestellt. Ein Schwer­punkt der Darstellung liegt dabei auf funktionalen Erwägungen, die den Telos der Mit­wir­kungs­bestimmungen prägen. Zugleich werden praktische Gestaltungsüberlegungen ange­stellt.

B. Hinzurechnungsbesteuerung und

„Mitwirkung“

I. Übersicht

Das Recht der Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7 ff. AStG sieht vor, dass Einkünfte aus­län­discher Körperschaften7 den steuerpflichtigen Einkünften in Deutschland zugerechnet werden,8 wenn im Wesentlichen drei Voraussetzungen vorliegen:

(i) Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger an der ausländischen Körperschaft zu mehr als 50% („Deutschbeherrschung“, § 7 AStG);

(ii) „niedrige Besteuerung“ im Ausland von weniger als 25% (§ 8 Abs. 3 AStG); und

(iii) Vorliegen „passiver Einkünfte“, also solcher Einkünfte, die nicht auf einer „Positiv­liste“ aktiver Tätigkeiten (vgl. § 8 Abs. 1 AStG) verzeichnet sind.9


* RA/StB/FAStR Prof. Dr. Götz T. Wiese ist Partner bei WIESE LUKAS in Hamburg und Honorarprofessor der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Schaumburg, in: Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 13.1; Hummel in: Gosch, KStG, 3.A. 2015, Rn. 1.

2 Schaumburg, in: Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 6.2 ff.

3 Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 19.240.

4 Lehner in: Vogel/Lehner, DBA, 6.A. 2015, Grundl. Rn. 19 ff., auch zu finanzwissen­schaft­lichen Rahmen­be­dingungen.

5 Arm’s length principle; zu Art. 9 OECD-MA Ditz in: Schönfeld/Ditz, DBA, 2013, Art. 9 Rn. 1 ff.; zu § 1 AStG Baumhoff/Liebchen, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld (nachstehend „F/W/B/S“), AStR (Std. 2015), § 1 AStG Rn. 155 ff.; zur Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 21.136 ff.

6 Der Begriff „Mitwirkung“ wird im Folgenden unter Zugrundelegung der Vorschriften des Aktivitäts­kata­logs des § 8 Abs. 1 AStG behandelt. Neben dem AStG kommen auch weitere steuerrechtliche Vor­schriften in Betracht, denen der Gedanke einer „Mitwirkung“ des Stammhauses zugrunde liegt, namentlich das Recht der Ver­rechnungs­preise, der Funktionsverlagerung und des Fremdvergleichsmaßstabs bei ver­bun­denen Unter­nehmen (§ 1 AStG; § 90 Abs. 3 AO), das Recht der verdeckten Einlage und der verdeckten Gewinn­aus­schüt­tung bei Körperschaften (insb. § 8 Abs. 3 KStG), und – ganz allgemein – das Recht über den Ort der Geschäftsleitung und die Begründung von Betriebsstätten im nationalen (§§ 10 ff. AO; §§ 1 f. KStG) und internationalen Recht (Art. 4 f., 7, 9 OECD-MA).

7 In die Hinzu­rechnungs­besteuerung werden nicht nur Gesellschaften, an denen Steuerinländer unmittelbar beteiligt sind, sondern auch nachgeschaltete Untergesellschaften einbezogen (§ 14 AStG). Die Regelungen gelten also auch in mehrstufigen Beteiligungsketten.

8 Die nach § 7 AStG im Inland steuerpflichtigen Einkünfte werden dem inländischen Anteilseigner – unter Beseitigung der Abschirmwirkung der ausländischen Körperschaft – zugerechnet (§ 10 Abs. 1 S. 1 AStG). Vor Zurechnung der Einkünfte werden diese um die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften erhobenen Steuern gekürzt. Auch wenn keine Ausschüttung der hinzugerechneten Be­träge erfolgt, handelt es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen, die unmittelbar nach Ablauf des maß­gebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen gelten (§ 10 Abs. 2 S. 1 AStG). Allerdings sind die Regelungen über die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) sowie das Teileinkünfte- (§ 3 Nr. 40 EStG) und das Nulleinkünfteverfahren (§ 8b KStG) nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 2 S. 3 EStG), so dass die im Ausland niedrig besteuerten Einkünfte im Inland grundsätzlich der vollen Be­steuerung unterliegen. Um eine Doppelbesteuerung der Hinzurechnungsbeträge zu vermeiden, ist eine Gewinn­ausschüttung bei dem inländischen Anteilseigner steuerfrei, soweit für das Jahr, in dem sie bezogen wurde, oder für die vorangegangenen sieben Jahre die Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer unter­le­gen haben (§ 3 Nr. 41 Buchst. a) EStG).

9 Die Positivliste folgt dabei nicht der herkömmlichen Unterteilung in Einkunftsarten, wie sie in § 2 Abs. 1 EStG vorgenommen wird. Vielmehr wird funktionsbezogen nach einzelnen Wirtschaftszweigen unter­schieden, und es werden jeweils für einzelne Betätigungen Tatbestandsmerkmale und Rückausnahmen de­fi­niert. Dabei wird hingenommen, dass bei ausländischen Gesellschaften häufig unterschiedliche wirt­schaftliche Aktivitäten zusammenfallen. Dann ist für jede einzelne Tätigkeit gesondert zu untersuchen, ob eine aktive Tätigkeit besteht. Zudem überschneiden sich die einzelnen Aktivitätstatbestände; ist eine wirt­schaftliche Betätigung nach einem Tatbestand als aktiv zu qualifizieren, wird von einer Hinzurechnung ab­gesehen.

Wiese, Mitwirkung8

Für die Qualifizierung der in der „Positivliste“ aufgeführten Tätigkeiten „Handel“, „Dienst­leistungen“ und „Vermietung und Verpachtung“ als aktive Tätigkeiten ist es zudem ent­schei­dend, dass keine schädliche „Mitwirkung“ vorliegt.10 Nach der gesetzgeberischen Wertung ist eine Tätigkeit nicht als aktiv zu qualifizieren, wenn sie im Wesent­lichen aus dem Inland heraus erbracht wird.11 Wenn also ein inländischer Steuerpflichtiger, der gemäß § 7 AStG an der ausländischen Gesell­schaft beteiligt ist, oder eine einem solchen Steuerpflichten nahestehende Person i.S. des § 1 Abs. 2 AStG an der Erzielung der Einkünfte „mitwirkt“, kommt es zur Umqualifizierung einer grundsätzlich aktiven Tätigkeit in eine passive Tätigkeit. Das Mit­wir­kungskonzept ist dabei funktio­naler Natur: Wenn die genannten Personen, die der Sphäre des inländischen Gesellschafters zugerechnet werden, Tätigkeiten übernehmen, die Teil der der aus­län­dischen Gesellschaft zufallenden Leistungsfunktion sind, kommt es zur Hinzurechnung der Einkünfte im Inland (Durchbrechung der Abschirm­wirkung). Keine Mitwirkung erfolgt dann, wenn die genannten Personen Gesell­schafterrechte ausüben, die funktional nicht der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind.12

II. Mitwirkende Person

Mitwirkende Person im Rahmen der vorgenannten Mitwirkungstatbestände kann entweder ein im Inland unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter, der an der aus­län­dischen Gesellschaft gemäß § 7 AStG beteiligt ist (Inlandsbeteiligter), oder eine diesem Gesellschafter nahe­stehen­de Person sein. Ohne weiteres gilt dies für Mitarbeiter, deren Handlungen dem Gesellschafter oder einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zuzurechnen sind.

Durchaus problematisch ist dagegen die Frage, inwieweit im Falle der Arbeitnehmerentsendung eine Mitwirkung des an der Zwischengesellschaft Beteiligten vorliegt.13 Maßgeblich ist die rechtliche Ausgestaltung der Arbeitnehmer­entsendung:14

\begingroup \leftskip1em Im Falle des sog. Entsendemodells wird der Arbeitnehmer im Rahmen seines bestehenden Arbeitsverhältnisses zu der ausländischen Tochtergesellschaft ent­sandt. In einer Neben­ab­rede zum Arbeitsvertrag wird das Arbeitsverhältnis befristet an­ge­passt, aber nicht ruhend gesellt. Es wird keine eigene arbeitsrechtliche Beziehung zur ausländischen Toch­ter­gesellschaft begründet.15 Die Muttergesellschaft bleibt alleini­ger Arbeitgeber.

Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers dürften grundsätzlich der inländischen Mutter­gesell­schaft zuzurechnen sein.

Im Falle des sog. Versetzungsmodells dagegen geht das Anstellungs­ver­hält­nis auf das aus­län­di­sche Unternehmen über.16 In einer Nebenabrede zum Arbeits­vertrag vereinbaren die in­län­dische Muttergesellschaft und der Arbeitnehmer, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen befristet ruhend gestellt wird (es verbleibt im Inland ein sog. „Rumpf­arbeits­verhältnis“). Der Arbeitnehmer und die Auslandsgesellschaft schließen einen befristeten lokalen Arbeitsvertrag nach dem Recht des ausländischen Staates, unter dem die ausländische Gesellschaft insbesondere den Personalaufwand trägt.

Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers dürften der ausländischen Gesellschaft, mit der der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, zuzurechnen sein. Eine Mitwirkung durch die inländische Muttergesellschaft liegt daher grundsätzlich nicht vor.17 Anders wäre dies ggfs. zu beurteilen, wenn sich die inländische Muttergesellschaft in der Ne­ben­abrede zum Hauptarbeitsvertrag oder auf andere Weise weitgehende Weisungsrechte und Berichts­pflich­ten vorbehält. Dann könnte der entsandte Arbeitnehmer als eine der Mutter­gesellschaft nahestehende Person i.S. des § 1 Abs. 2 AStG anzusehen sein. Dies dürfte an­zu­nehmen sein, wenn die inländische Muttergesellschaft trotz der Entsendung weiter­hin Einflussmöglichkeiten auf den Arbeitnehmer – z.B. über die Möglichkeit des kurzfristigen Rückrufs18 – hätte (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG). Auch könnte der Ent­sandte eine nahestehende Person sein, wenn er ein eigenes (wirt­schaftliches oder per­sönliches) Interesse an der Erzielung der Einkünfte der in­län­dischen Obergesellschaft hat oder umgekehrt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG). Allein aus der Entsendung kann indes kein in diesem Sinne relevantes Interesse des Arbeitnehmers von besonderem Gewicht gefolgert werden, wenn während der Entsendung der inländische Arbeitsvertrag ruht.19

\endgroup

III. Relevante Mitwirkungshandlung der mitwirkenden Person

Grundsätzlich ist eine Mitwirkung gegeben, wenn ein Inlands­beteiligter bzw. eine diesem nahe­stehende Person Tätigkeiten übernimmt, die zum Tätigkeits­bereich der ausländischen Gesell­schaft gehören. Dabei ist eine funktionale Betrachtungsweise zugrunde zu legen.20 Eine Mitwirkung ist danach


10 Die Tatbestände des § 8 Abs. 1 AStG sind nicht völlig einheitlich konzipiert. Neben den hier behandelten Tat­beständen der Mitwirkung sind z.T. auch andere Leistungsbeziehungen zwischen ausländischer Ge­sell­schaft und in­län­dischem Gesellschafter (bzw. nahestehender Person) schädlich.

11 Vgl. Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 37.

12 Nachw. u. Beispiele bei Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143 ff. u. 31 ff.

13 Zwischen den Spitzenverbänden der Wirtschaft und der Finanzverwaltung wurden Musterfälle zum Mitwirkungstatbestand beim Handel erörtert. Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung in einem koor­di­nierten Ländererlass dargelegt, vgl. Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 153 (Fall 3) unter Hinweis auf FinMin. NW, Erlass v. 29.12.1978 – S 1352 – 5 VB 2.

14 Nicht immer liegt im Fall der Arbeitnehmerentsendung eines der beiden nachstehend skizzierten Modelle in „Reinform“ vor. Denkbar ist z.B. auch, dass das inländische Arbeitsverhältnis ruhend gestellt und ein Arbeits­verhältnis mit der ausländischen Gesellschaft begründet wird, Arbeitgeberpflichten und -rechte aber zwischen den beteiligten Gesellschaften aufgeteilt werden. Hier kommt es für die Frage der Zuordnung des Arbeitnehmers fürs Zwecke des § 8 AStG auf die konkrete Ausgestaltung und Durchführung der Arbeitnehmerentsendung im Einzelfall an.

15 Stahl, ISR 2016, 229, 231.

16 Stahl, ISR 2016, 229, 232.

17 Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 41.1; vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), \linebreak§ 8 AStG Rn. 153.

18 Vgl. dazu Stahl, ISR 2016, 229, 233.

19 Stahl, ISR 2016, 229, 234.

20 S.o. Fn. 12; vgl. BMF v. 14.5.2004 (BStBl. I 2004, S. 3, IV B 4-S 1340-11/04) Tz. 8.1.4.3.1.; dazu auch Was­ser­­meyer/Schön­feld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143.

Wiese, Mitwirkung9

nur gegeben, wenn die relevante Person Tätigkeiten übernimmt, die Teil der der ausländischen Ge­sell­schaft zufallenden Verteiler- oder Leistungs­funktion sind.21

1. „Sich-Bedienen“ einer relevanten Person

Der Bedienenstatbestand setzt in Bezug auf Dienstleistungstätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a AStG) voraus, dass der unbeschränkt steuer­pflichtige Gesellschafter oder die diesem nahe­stehen­de Person bei der konkreten Er­brin­gung der Dienstleistung eingeschaltet wird. Maß­geb­lich ist, dass die Person eine der aus­län­dischen Gesellschaft bei deren Dienstleistungs­er­brin­gung obliegende Handlung übernimmt. Nach Ansicht der Finanz­ver­waltung bedient sich die aus­ländische Gesellschaft einer Person für die in Betracht kommen­de Dienstleistung, „wenn sie diese Person heranzieht, um eigene Ver­pflichtungen zum Er­brin­gen oder zum Verschaffen dieser Dienstleistung ganz oder zu einem nicht nur unwesentlichen Teil zu erfüllen. Es genügt, wenn die herangezogene Person nicht selbst, sondern durch den Einsatz von Personal oder von Einrichtungen an der Dienstleistung mitwirkt.“22 Nicht ausreichend ist es, wenn diese Person bei anderen Tätigkeiten oder allgemein innerhalb des Konzerns auch für die ausländische Gesell­schaft tätig wird.23

Dies bedeutet, dass die für die Erbringung der Dienstleistung herangezogene Person bei der Erbringung der Dienstleistung gerade in ihrer Funktion als im Inland steuerpflichtiger Gesellschafter oder als eine diesem nahestehende Person handeln muss. Handelt die herangezogene Person demgegenüber bei der Erbringung der Dienstleistung als Arbeitnehmer und/oder Organ der ausländischen Gesellschaft, wäre diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Solange eine für die Dienstleistung heran­ge­zo­ge­ne natürliche Person bei Erbringung der Dienst­leistung ausschließlich als Arbeitnehmer bzw. Organ der ausländischen Gesellschaft handelt – nicht aber als Arbeitnehmer bzw. Organ des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesell­schafters –, wirkt sie bei Erbringung der Dienstleistung der unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter nicht mit. Die ausländische Gesellschaft bedient sich also nicht des unbeschränkt steuer­pflicht­igen Gesellschafters, sondern handelt ausschließlich selbst durch ihre eigenen Arbeit­­nehmer und eigenen Organe.24

Das Sich-Bedienen einer dem Inlandsbeteiligten nahestehenden Person ist im Übrigen nur dann relevant, wenn die nahestehende Person mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Inland steuerpflichtig ist. Eine nahestehende Person ist mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Inland steuerpflichtig, wenn sie mit den Einkünften aus ihrem Leistungsbeitrag für die ausländische Gesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuer­pflichtig ist; eine sog. erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG reicht aus.25

2. Leistungserbringung an eine relevante Person

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Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 lit. b), Nr. 5 lit. b) AStG liegt eine passive Tätigkeit auch vor, wenn die ausländische Gesellschaft die Leistung dem Inlandsbeteiligten oder einer diesem nahe­ste­hen­den Person erbringt. Dabei kann der Steuerpflichtige aber den Funktionsnachweis er­brin­gen, dass die ausländische Gesellschaft einen für das Bewirken derartiger Leistungen ein­ge­rich­te­ten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält und die dazugehörigen Tätigkeiten ohne Mitwirkung eines Inlandsbeteiligten oder einer sol­chen nahestehenden Person ausgeübt werden. Auch hier dürfte aber erforderlich sein, dass die mit­wirkende nahestehende Person im Inland steuerpflichtig ist.26

4. Mitwirkung im Falle einer geschäftsführenden

Tätigkeit

Wenn ein Mitarbeiter des Inlandsgesellschafters oder einer diesem nahestehenden Person als Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft bestellt ist, fällt eine Beantwortung der Mit­wir­kungs­frage nicht immer leicht. Auf Grundlage der funktionalen Betrachtungsweise ist die Tätigkeit des Geschäftsführers insoweit „allumfassend“, als der Geschäftsführer die Geschäfte der ausländischen Gesellschaft führt und die Gesellschaft auf Grundlage seiner Organstellung im Rechtsverkehr vertritt.27 Andererseits dürfte die Funktion eines Geschäftsführers im Hin­blick auf konkrete Geschäftsvorfälle oftmals insoweit „unspezifischer“ Natur sein, als eine konkrete tat­säch­liche Mitwirkung an einzelnen Maßnahmen des Handels, der Dienstleistung oder der Vermietung und Verpachtung nicht erfolgt, wenn Mitarbeiter der Auslandsgesellschaft diese Geschäfte weitgehend eigenverantwortlich wahrnehmen.


21 Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143; vgl. auch Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 46.

22 BMF v. 14.5.2004 (BStBl. I 2004, S. 3, IV B 4-S 1340-11/04), Tz. 8.1.5.2.1.

23 Reiche, in: Haase, AStG, 3.A. 2016, § 8 Rn. 51.

24 Zwar könnte aus dem Wort­laut des Mitwirkungstatbestandes geschlossen werden, dass sich die aus­län­dische Ge­sell­schaft in diesem Fall einer dem Inlandsbeteiligten nahe­stehenden Person bedient. Dies wäre indes ein Zirkelschluss: Die für die Erbringung der Dienst­leistung herangezogene natürliche Person handelt bei Erbringung der Dienst­leistung – bei der sie ausschließlich als Arbeitnehmer und/oder Organ der ausländischen Gesellschaft handelt – nicht als eine dem Inlandsbeteiligten nahestehende Person, da sie bei Er­brin­gung der Dienstleistung ausschließlich als Arbeitnehmer und Organ der aus­ländischen Gesell­schaft handelt.

25 BMF v. 14.5.2004 (BStBl. I 2004, S. 3, IV B 4-S 1340-11/04) Tz. 8.1.5.2.2. unter Verweis auf BFH v. 29.8.1984, I R 68/81; Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 187. Sofern der erweitert beschränkt Steuerpflichtige seine Leistungen nicht im Inland erbringt, ist jedoch kaum ein An­wen­dungsfall denkbar, bei dem ein erweitert beschränkt Steuerpflichtiger für die von ihm beigetragenen Leistungen Einkünfte erzielt, die im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zu erfassen sind; regelmäßig wird es sich um ausländische Einkünfte (§ 34c Abs. 1 EStG) handeln, die nicht durch die erweitert beschränkte Steuerpflicht erfasst werden, vgl. Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 306. – Um­stritten ist, ob eine „abstrakte“ Steuerpflicht der nahestehenden Person ausreicht (so Gropp, in: Lademann, AStG, 2.A. 2015, § 8 Rn. 64 m.w.N.), oder ob die nahestehende Person mit ihren aus der beigetragenen Leistung im Inland erzielten Einkünften konkret steuerpflichtig sein – d.h. mit diesen Einkünften im Inland tatsächlich der Besteuerung unterliegen – muss (so die wohl h.M., Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 187; Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 39 i.V.m. Rn. 58; Rödel in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 308). Die Frage wird insbesondere dann relevant, wenn die zugrundeliegenden Einkünfte der nahestehenden Person nach einem DBA im Inland steuerbefreit sind.

26 So wohl Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 62 i.V.m. Rn. 39; Lehfeldt, in: Strunk/Ka­mins­ki/Köh­ler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 112 i.V.m. Rn. 39 u. 103; s. auch o. Fn. 25.

27 Dabei ist das jeweilige ausländische Gesellschaftsrecht zu analysieren.

Wiese, Mitwirkung10

Diese Problematik lässt sich wie folgt auflösen: Zwar wirkt eine in der Geschäftsführung der ausländischen Gesell­schaft tätige Person grundsätzlich an der durch die ausländische Gesellschaft erbrachten Tätigkeit mit. Die Übernahme von geschäfts­leitenden Tätigkeiten bei der ausländischen Gesellschaft dürfte als – unselb­ständiger – Teil der einzelnen Tätigkeiten an­zu­sehen sein und kann daher grundsätzlich eine schädliche Mitwirkung begründen.28

Tätigkeiten, die lediglich Ausfluss der Gesellschafterstellung (ins­be­sondere Überwachungs- und Mitspracherechte sowie Weisungsbefugnisse) sind, begründen dagegen keinen Mit­­wir­­kungs­­tatbestand.29 Auch wenn sich der Inlandsbesteiligte im Rahmen allgemeiner Kon­troll­befugnisse die Genehmigung bestimmter Geschäfte vorbehält, liegt keine schädliche Mit­wir­kung vor.30 Gleiches gilt für die Einbindung der ausländischen Gesell­schaft in die Kon­zern­po­li­tik über Konzernrichtlinien; diese sind dem unschädlichen Bereich der Überwachungs­funk­tion und Weisungsrechte des Gesellschafters zuzu­ordnen.31 Soweit die handelnde Person gegen­über der ausländischen Gesellschaft Ge­sell­schafterrechte wahrnimmt, indem sie als Organ des Gesellschafters dessen Über­wachungs- und Mit­sprache­rechte gegenüber der aus­län­di­schen Gesellschaft durchsetzt, ist eine schädliche Mitwirkung nicht gegeben.

C. Schlussbemerkung

Das Mit­wir­kungskonzept der Hinzurechnungstatbestände in § 8 Abs. 1 AStG ist funktio­naler Natur: Entscheidende Be­deutung kommt der Frage zu, welcher Gesellschaft im internationalen Konzern eine relevante, potentiell schädliche Hand­lung zuzu­rechnen ist. Im Hinblick auf die Tätigkeit von Organ­mit­glie­dern sowie Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern der Muttergesellschaft und dieser nahe­stehenden Personen für Konzerngesellschaften ist die Ausgestaltung der jeweiligen Tätigkeit entscheidend. Das Entsendemodell bei der Arbeitnehmerentsendung hat sich in der Praxis weitgehend als unproblematisch erwiesen. Weniger eindeutig ist hingegen die Einbindung inländischer Mit­arbeiter und anderer Konzernmitarbeiter in die Leistungs­er­brin­gung aus­län­discher Kon­zern­gesellschaften. Wegen der Reichweite der Geschäfts­führer­funktion gehen mit der Tätigkeit von Organmitgliedern besondere Herausforderungen einher. Aber auch hier gilt: Bei klarer Funktionsabgrenzung kommt es nicht zu einer schädlichen Mit­wir­kung. Auf ent­sprechen­de Dokumen­­tation und Durchführung ist zu achten.


28 Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 251; wohl auch Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 144 (dort insb. Beispiel 3).

29 Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 37; Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143; Wöhrle/Schelle/Gross, AStG (Std. 2006), § 8 Rn. 38.

30 Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 251.

31 Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 41.1; Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 47; Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 251; so auch FinMin. NW, Erlass v. 29.12.1978 – S 1352 – 5 VB 2, Fall 2.