Prof. Dr. Götz T. Wiese*
A. Einführung
Im internationalen Konzern erbringen Organmitglieder sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Muttergesellschaft oftmals auch Tätigkeiten für Konzerngesellschaften. So werden zum Beispiel (i) Mitarbeiter in Konzerngesellschaften entsandt, (ii) Organmitglieder oder Mitarbeiter in Geschäftsführungsorgane von Konzerngesellschaften berufen oder (iii) Richtlinien aufgestellt, die der Muttergesellschaft ein Direktionsrecht für geschäftsleitende Maßnahmen auf Ebene von Konzerngesellschaften geben.
Wenn die Muttergesellschaft im Inland und die Konzerngesellschaften im Ausland ansässig sind, ergeben sich aus solchen Tätigkeiten praktische Probleme im Bereich des internationalen Steuerrechts. Diese Probleme sind auch in dogmatischer Hinsicht zum Teil noch ungelöst. Zwar gilt im Kapitalgesellschaftskonzern steuerlich weitgehend das Trennungsprinzip für die Besteuerung von Körperschaften, wonach Kapitalgesellschaften als eigenständige Steuersubjekte zu behandeln sind und Abschirmwirkung entfalten.1 Das Territorialitäts-2 und das Betriebsstättenprinzip3 qualifizieren die Zuordnung der Einkünfte, auch unter Anwendung der maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen.4 Dabei ist vom Fremdvergleichsmaßstab auszugehen;5 konzerninterne Leistungen sind entsprechend abzurechnen.
Bei ausländischen Konzerngesellschaften, die niedrig besteuerte Einkünfte erzielen, stellt sich indes die Frage, inwieweit diese Einkünfte im Inland steuerpflichtig werden, weil ein Organmitglied oder ein Mitarbeiter der qualifiziert beteiligten inländischen Muttergesellschaft (oder eine dieser nahestehende Person) an der Einkünfteerzielung der ausländischen Gesellschaft „mitwirkt“. Das Recht der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) führt im Falle einer schädlichen „Mitwirkung“ zur Durchbrechung der Abschirmwirkung und damit zur Besteuerung im Inland.
Im Folgenden werden die Voraussetzungen einer schädlichen „Mitwirkung“6 dargestellt. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf funktionalen Erwägungen, die den Telos der Mitwirkungsbestimmungen prägen. Zugleich werden praktische Gestaltungsüberlegungen angestellt.
B. Hinzurechnungsbesteuerung und
„Mitwirkung“
I. Übersicht
Das Recht der Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7 ff. AStG sieht vor, dass Einkünfte ausländischer Körperschaften7 den steuerpflichtigen Einkünften in Deutschland zugerechnet werden,8 wenn im Wesentlichen drei Voraussetzungen vorliegen:
(i) Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger an der ausländischen Körperschaft zu mehr als 50% („Deutschbeherrschung“, § 7 AStG);
(ii) „niedrige Besteuerung“ im Ausland von weniger als 25% (§ 8 Abs. 3 AStG); und
(iii) Vorliegen „passiver Einkünfte“, also solcher Einkünfte, die nicht auf einer „Positivliste“ aktiver Tätigkeiten (vgl. § 8 Abs. 1 AStG) verzeichnet sind.9
* RA/StB/FAStR Prof. Dr. Götz T. Wiese ist Partner bei WIESE LUKAS in Hamburg und Honorarprofessor der Bucerius Law School, Hamburg.
1 Schaumburg, in: Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 13.1; Hummel in: Gosch, KStG, 3.A. 2015, Rn. 1.
2 Schaumburg, in: Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 6.2 ff.
3 Schaumburg/Häck, in: Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 19.240.
4 Lehner in: Vogel/Lehner, DBA, 6.A. 2015, Grundl. Rn. 19 ff., auch zu finanzwissenschaftlichen Rahmenbedingungen.
5 Arm’s length principle; zu Art. 9 OECD-MA Ditz in: Schönfeld/Ditz, DBA, 2013, Art. 9 Rn. 1 ff.; zu § 1 AStG Baumhoff/Liebchen, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld (nachstehend „F/W/B/S“), AStR (Std. 2015), § 1 AStG Rn. 155 ff.; zur Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften Schaumburg, Int. StR, 4.A. 2017, Rn. 21.136 ff.
6 Der Begriff „Mitwirkung“ wird im Folgenden unter Zugrundelegung der Vorschriften des Aktivitätskatalogs des § 8 Abs. 1 AStG behandelt. Neben dem AStG kommen auch weitere steuerrechtliche Vorschriften in Betracht, denen der Gedanke einer „Mitwirkung“ des Stammhauses zugrunde liegt, namentlich das Recht der Verrechnungspreise, der Funktionsverlagerung und des Fremdvergleichsmaßstabs bei verbundenen Unternehmen (§ 1 AStG; § 90 Abs. 3 AO), das Recht der verdeckten Einlage und der verdeckten Gewinnausschüttung bei Körperschaften (insb. § 8 Abs. 3 KStG), und – ganz allgemein – das Recht über den Ort der Geschäftsleitung und die Begründung von Betriebsstätten im nationalen (§§ 10 ff. AO; §§ 1 f. KStG) und internationalen Recht (Art. 4 f., 7, 9 OECD-MA).
7 In die Hinzurechnungsbesteuerung werden nicht nur Gesellschaften, an denen Steuerinländer unmittelbar beteiligt sind, sondern auch nachgeschaltete Untergesellschaften einbezogen (§ 14 AStG). Die Regelungen gelten also auch in mehrstufigen Beteiligungsketten.
8 Die nach § 7 AStG im Inland steuerpflichtigen Einkünfte werden dem inländischen Anteilseigner – unter Beseitigung der Abschirmwirkung der ausländischen Körperschaft – zugerechnet (§ 10 Abs. 1 S. 1 AStG). Vor Zurechnung der Einkünfte werden diese um die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften erhobenen Steuern gekürzt. Auch wenn keine Ausschüttung der hinzugerechneten Beträge erfolgt, handelt es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen, die unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen gelten (§ 10 Abs. 2 S. 1 AStG). Allerdings sind die Regelungen über die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) sowie das Teileinkünfte- (§ 3 Nr. 40 EStG) und das Nulleinkünfteverfahren (§ 8b KStG) nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 2 S. 3 EStG), so dass die im Ausland niedrig besteuerten Einkünfte im Inland grundsätzlich der vollen Besteuerung unterliegen. Um eine Doppelbesteuerung der Hinzurechnungsbeträge zu vermeiden, ist eine Gewinnausschüttung bei dem inländischen Anteilseigner steuerfrei, soweit für das Jahr, in dem sie bezogen wurde, oder für die vorangegangenen sieben Jahre die Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer unterlegen haben (§ 3 Nr. 41 Buchst. a) EStG).
9 Die Positivliste folgt dabei nicht der herkömmlichen Unterteilung in Einkunftsarten, wie sie in § 2 Abs. 1 EStG vorgenommen wird. Vielmehr wird funktionsbezogen nach einzelnen Wirtschaftszweigen unterschieden, und es werden jeweils für einzelne Betätigungen Tatbestandsmerkmale und Rückausnahmen definiert. Dabei wird hingenommen, dass bei ausländischen Gesellschaften häufig unterschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten zusammenfallen. Dann ist für jede einzelne Tätigkeit gesondert zu untersuchen, ob eine aktive Tätigkeit besteht. Zudem überschneiden sich die einzelnen Aktivitätstatbestände; ist eine wirtschaftliche Betätigung nach einem Tatbestand als aktiv zu qualifizieren, wird von einer Hinzurechnung abgesehen.
Für die Qualifizierung der in der „Positivliste“ aufgeführten Tätigkeiten „Handel“, „Dienstleistungen“ und „Vermietung und Verpachtung“ als aktive Tätigkeiten ist es zudem entscheidend, dass keine schädliche „Mitwirkung“ vorliegt.10 Nach der gesetzgeberischen Wertung ist eine Tätigkeit nicht als aktiv zu qualifizieren, wenn sie im Wesentlichen aus dem Inland heraus erbracht wird.11 Wenn also ein inländischer Steuerpflichtiger, der gemäß § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, oder eine einem solchen Steuerpflichten nahestehende Person i.S. des § 1 Abs. 2 AStG an der Erzielung der Einkünfte „mitwirkt“, kommt es zur Umqualifizierung einer grundsätzlich aktiven Tätigkeit in eine passive Tätigkeit. Das Mitwirkungskonzept ist dabei funktionaler Natur: Wenn die genannten Personen, die der Sphäre des inländischen Gesellschafters zugerechnet werden, Tätigkeiten übernehmen, die Teil der der ausländischen Gesellschaft zufallenden Leistungsfunktion sind, kommt es zur Hinzurechnung der Einkünfte im Inland (Durchbrechung der Abschirmwirkung). Keine Mitwirkung erfolgt dann, wenn die genannten Personen Gesellschafterrechte ausüben, die funktional nicht der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind.12
II. Mitwirkende Person
Mitwirkende Person im Rahmen der vorgenannten Mitwirkungstatbestände kann entweder ein im Inland unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter, der an der ausländischen Gesellschaft gemäß § 7 AStG beteiligt ist (Inlandsbeteiligter), oder eine diesem Gesellschafter nahestehende Person sein. Ohne weiteres gilt dies für Mitarbeiter, deren Handlungen dem Gesellschafter oder einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zuzurechnen sind.
Durchaus problematisch ist dagegen die Frage, inwieweit im Falle der Arbeitnehmerentsendung eine Mitwirkung des an der Zwischengesellschaft Beteiligten vorliegt.13 Maßgeblich ist die rechtliche Ausgestaltung der Arbeitnehmerentsendung:14
\begingroup \leftskip1em Im Falle des sog. Entsendemodells wird der Arbeitnehmer im Rahmen seines bestehenden Arbeitsverhältnisses zu der ausländischen Tochtergesellschaft entsandt. In einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag wird das Arbeitsverhältnis befristet angepasst, aber nicht ruhend gesellt. Es wird keine eigene arbeitsrechtliche Beziehung zur ausländischen Tochtergesellschaft begründet.15 Die Muttergesellschaft bleibt alleiniger Arbeitgeber.
Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers dürften grundsätzlich der inländischen Muttergesellschaft zuzurechnen sein.
Im Falle des sog. Versetzungsmodells dagegen geht das Anstellungsverhältnis auf das ausländische Unternehmen über.16 In einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vereinbaren die inländische Muttergesellschaft und der Arbeitnehmer, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen befristet ruhend gestellt wird (es verbleibt im Inland ein sog. „Rumpfarbeitsverhältnis“). Der Arbeitnehmer und die Auslandsgesellschaft schließen einen befristeten lokalen Arbeitsvertrag nach dem Recht des ausländischen Staates, unter dem die ausländische Gesellschaft insbesondere den Personalaufwand trägt.
Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers dürften der ausländischen Gesellschaft, mit der der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, zuzurechnen sein. Eine Mitwirkung durch die inländische Muttergesellschaft liegt daher grundsätzlich nicht vor.17 Anders wäre dies ggfs. zu beurteilen, wenn sich die inländische Muttergesellschaft in der Nebenabrede zum Hauptarbeitsvertrag oder auf andere Weise weitgehende Weisungsrechte und Berichtspflichten vorbehält. Dann könnte der entsandte Arbeitnehmer als eine der Muttergesellschaft nahestehende Person i.S. des § 1 Abs. 2 AStG anzusehen sein. Dies dürfte anzunehmen sein, wenn die inländische Muttergesellschaft trotz der Entsendung weiterhin Einflussmöglichkeiten auf den Arbeitnehmer – z.B. über die Möglichkeit des kurzfristigen Rückrufs18 – hätte (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 AStG). Auch könnte der Entsandte eine nahestehende Person sein, wenn er ein eigenes (wirtschaftliches oder persönliches) Interesse an der Erzielung der Einkünfte der inländischen Obergesellschaft hat oder umgekehrt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AStG). Allein aus der Entsendung kann indes kein in diesem Sinne relevantes Interesse des Arbeitnehmers von besonderem Gewicht gefolgert werden, wenn während der Entsendung der inländische Arbeitsvertrag ruht.19
\endgroup
III. Relevante Mitwirkungshandlung der mitwirkenden Person
Grundsätzlich ist eine Mitwirkung gegeben, wenn ein Inlandsbeteiligter bzw. eine diesem nahestehende Person Tätigkeiten übernimmt, die zum Tätigkeitsbereich der ausländischen Gesellschaft gehören. Dabei ist eine funktionale Betrachtungsweise zugrunde zu legen.20 Eine Mitwirkung ist danach
10 Die Tatbestände des § 8 Abs. 1 AStG sind nicht völlig einheitlich konzipiert. Neben den hier behandelten Tatbeständen der Mitwirkung sind z.T. auch andere Leistungsbeziehungen zwischen ausländischer Gesellschaft und inländischem Gesellschafter (bzw. nahestehender Person) schädlich.
11 Vgl. Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 37.
12 Nachw. u. Beispiele bei Wassermeyer/Schönfeld in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143 ff. u. 31 ff.
13 Zwischen den Spitzenverbänden der Wirtschaft und der Finanzverwaltung wurden Musterfälle zum Mitwirkungstatbestand beim Handel erörtert. Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung in einem koordinierten Ländererlass dargelegt, vgl. Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 153 (Fall 3) unter Hinweis auf FinMin. NW, Erlass v. 29.12.1978 – S 1352 – 5 VB 2.
14 Nicht immer liegt im Fall der Arbeitnehmerentsendung eines der beiden nachstehend skizzierten Modelle in „Reinform“ vor. Denkbar ist z.B. auch, dass das inländische Arbeitsverhältnis ruhend gestellt und ein Arbeitsverhältnis mit der ausländischen Gesellschaft begründet wird, Arbeitgeberpflichten und -rechte aber zwischen den beteiligten Gesellschaften aufgeteilt werden. Hier kommt es für die Frage der Zuordnung des Arbeitnehmers fürs Zwecke des § 8 AStG auf die konkrete Ausgestaltung und Durchführung der Arbeitnehmerentsendung im Einzelfall an.
15 Stahl, ISR 2016, 229, 231.
16 Stahl, ISR 2016, 229, 232.
17 Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 41.1; vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), \linebreak§ 8 AStG Rn. 153.
18 Vgl. dazu Stahl, ISR 2016, 229, 233.
19 Stahl, ISR 2016, 229, 234.
20 S.o. Fn. 12; vgl. BMF v. 14.5.2004 (BStBl. I 2004, S. 3, IV B 4-S 1340-11/04) Tz. 8.1.4.3.1.; dazu auch Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143.
nur gegeben, wenn die relevante Person Tätigkeiten übernimmt, die Teil der der ausländischen Gesellschaft zufallenden Verteiler- oder Leistungsfunktion sind.21
1. „Sich-Bedienen“ einer relevanten Person
Der Bedienenstatbestand setzt in Bezug auf Dienstleistungstätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 lit. a AStG) voraus, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter oder die diesem nahestehende Person bei der konkreten Erbringung der Dienstleistung eingeschaltet wird. Maßgeblich ist, dass die Person eine der ausländischen Gesellschaft bei deren Dienstleistungserbringung obliegende Handlung übernimmt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung bedient sich die ausländische Gesellschaft einer Person für die in Betracht kommende Dienstleistung, „wenn sie diese Person heranzieht, um eigene Verpflichtungen zum Erbringen oder zum Verschaffen dieser Dienstleistung ganz oder zu einem nicht nur unwesentlichen Teil zu erfüllen. Es genügt, wenn die herangezogene Person nicht selbst, sondern durch den Einsatz von Personal oder von Einrichtungen an der Dienstleistung mitwirkt.“22 Nicht ausreichend ist es, wenn diese Person bei anderen Tätigkeiten oder allgemein innerhalb des Konzerns auch für die ausländische Gesellschaft tätig wird.23
Dies bedeutet, dass die für die Erbringung der Dienstleistung herangezogene Person bei der Erbringung der Dienstleistung gerade in ihrer Funktion als im Inland steuerpflichtiger Gesellschafter oder als eine diesem nahestehende Person handeln muss. Handelt die herangezogene Person demgegenüber bei der Erbringung der Dienstleistung als Arbeitnehmer und/oder Organ der ausländischen Gesellschaft, wäre diese Voraussetzung nicht erfüllt.
Solange eine für die Dienstleistung herangezogene natürliche Person bei Erbringung der Dienstleistung ausschließlich als Arbeitnehmer bzw. Organ der ausländischen Gesellschaft handelt – nicht aber als Arbeitnehmer bzw. Organ des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters –, wirkt sie bei Erbringung der Dienstleistung der unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter nicht mit. Die ausländische Gesellschaft bedient sich also nicht des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, sondern handelt ausschließlich selbst durch ihre eigenen Arbeitnehmer und eigenen Organe.24
Das Sich-Bedienen einer dem Inlandsbeteiligten nahestehenden Person ist im Übrigen nur dann relevant, wenn die nahestehende Person mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Inland steuerpflichtig ist. Eine nahestehende Person ist mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Inland steuerpflichtig, wenn sie mit den Einkünften aus ihrem Leistungsbeitrag für die ausländische Gesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist; eine sog. erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG reicht aus.25
2. Leistungserbringung an eine relevante Person
3. \baselineskip
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 lit. b), Nr. 5 lit. b) AStG liegt eine passive Tätigkeit auch vor, wenn die ausländische Gesellschaft die Leistung dem Inlandsbeteiligten oder einer diesem nahestehenden Person erbringt. Dabei kann der Steuerpflichtige aber den Funktionsnachweis erbringen, dass die ausländische Gesellschaft einen für das Bewirken derartiger Leistungen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält und die dazugehörigen Tätigkeiten ohne Mitwirkung eines Inlandsbeteiligten oder einer solchen nahestehenden Person ausgeübt werden. Auch hier dürfte aber erforderlich sein, dass die mitwirkende nahestehende Person im Inland steuerpflichtig ist.26
4. Mitwirkung im Falle einer geschäftsführenden
Tätigkeit
Wenn ein Mitarbeiter des Inlandsgesellschafters oder einer diesem nahestehenden Person als Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft bestellt ist, fällt eine Beantwortung der Mitwirkungsfrage nicht immer leicht. Auf Grundlage der funktionalen Betrachtungsweise ist die Tätigkeit des Geschäftsführers insoweit „allumfassend“, als der Geschäftsführer die Geschäfte der ausländischen Gesellschaft führt und die Gesellschaft auf Grundlage seiner Organstellung im Rechtsverkehr vertritt.27 Andererseits dürfte die Funktion eines Geschäftsführers im Hinblick auf konkrete Geschäftsvorfälle oftmals insoweit „unspezifischer“ Natur sein, als eine konkrete tatsächliche Mitwirkung an einzelnen Maßnahmen des Handels, der Dienstleistung oder der Vermietung und Verpachtung nicht erfolgt, wenn Mitarbeiter der Auslandsgesellschaft diese Geschäfte weitgehend eigenverantwortlich wahrnehmen.
21 Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143; vgl. auch Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 46.
22 BMF v. 14.5.2004 (BStBl. I 2004, S. 3, IV B 4-S 1340-11/04), Tz. 8.1.5.2.1.
23 Reiche, in: Haase, AStG, 3.A. 2016, § 8 Rn. 51.
24 Zwar könnte aus dem Wortlaut des Mitwirkungstatbestandes geschlossen werden, dass sich die ausländische Gesellschaft in diesem Fall einer dem Inlandsbeteiligten nahestehenden Person bedient. Dies wäre indes ein Zirkelschluss: Die für die Erbringung der Dienstleistung herangezogene natürliche Person handelt bei Erbringung der Dienstleistung – bei der sie ausschließlich als Arbeitnehmer und/oder Organ der ausländischen Gesellschaft handelt – nicht als eine dem Inlandsbeteiligten nahestehende Person, da sie bei Erbringung der Dienstleistung ausschließlich als Arbeitnehmer und Organ der ausländischen Gesellschaft handelt.
25 BMF v. 14.5.2004 (BStBl. I 2004, S. 3, IV B 4-S 1340-11/04) Tz. 8.1.5.2.2. unter Verweis auf BFH v. 29.8.1984, I R 68/81; Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 187. Sofern der erweitert beschränkt Steuerpflichtige seine Leistungen nicht im Inland erbringt, ist jedoch kaum ein Anwendungsfall denkbar, bei dem ein erweitert beschränkt Steuerpflichtiger für die von ihm beigetragenen Leistungen Einkünfte erzielt, die im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zu erfassen sind; regelmäßig wird es sich um ausländische Einkünfte (§ 34c Abs. 1 EStG) handeln, die nicht durch die erweitert beschränkte Steuerpflicht erfasst werden, vgl. Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 306. – Umstritten ist, ob eine „abstrakte“ Steuerpflicht der nahestehenden Person ausreicht (so Gropp, in: Lademann, AStG, 2.A. 2015, § 8 Rn. 64 m.w.N.), oder ob die nahestehende Person mit ihren aus der beigetragenen Leistung im Inland erzielten Einkünften konkret steuerpflichtig sein – d.h. mit diesen Einkünften im Inland tatsächlich der Besteuerung unterliegen – muss (so die wohl h.M., Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 187; Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 39 i.V.m. Rn. 58; Rödel in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 308). Die Frage wird insbesondere dann relevant, wenn die zugrundeliegenden Einkünfte der nahestehenden Person nach einem DBA im Inland steuerbefreit sind.
26 So wohl Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 62 i.V.m. Rn. 39; Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 112 i.V.m. Rn. 39 u. 103; s. auch o. Fn. 25.
27 Dabei ist das jeweilige ausländische Gesellschaftsrecht zu analysieren.
Diese Problematik lässt sich wie folgt auflösen: Zwar wirkt eine in der Geschäftsführung der ausländischen Gesellschaft tätige Person grundsätzlich an der durch die ausländische Gesellschaft erbrachten Tätigkeit mit. Die Übernahme von geschäftsleitenden Tätigkeiten bei der ausländischen Gesellschaft dürfte als – unselbständiger – Teil der einzelnen Tätigkeiten anzusehen sein und kann daher grundsätzlich eine schädliche Mitwirkung begründen.28
Tätigkeiten, die lediglich Ausfluss der Gesellschafterstellung (insbesondere Überwachungs- und Mitspracherechte sowie Weisungsbefugnisse) sind, begründen dagegen keinen Mitwirkungstatbestand.29 Auch wenn sich der Inlandsbesteiligte im Rahmen allgemeiner Kontrollbefugnisse die Genehmigung bestimmter Geschäfte vorbehält, liegt keine schädliche Mitwirkung vor.30 Gleiches gilt für die Einbindung der ausländischen Gesellschaft in die Konzernpolitik über Konzernrichtlinien; diese sind dem unschädlichen Bereich der Überwachungsfunktion und Weisungsrechte des Gesellschafters zuzuordnen.31 Soweit die handelnde Person gegenüber der ausländischen Gesellschaft Gesellschafterrechte wahrnimmt, indem sie als Organ des Gesellschafters dessen Überwachungs- und Mitspracherechte gegenüber der ausländischen Gesellschaft durchsetzt, ist eine schädliche Mitwirkung nicht gegeben.
C. Schlussbemerkung
Das Mitwirkungskonzept der Hinzurechnungstatbestände in § 8 Abs. 1 AStG ist funktionaler Natur: Entscheidende Bedeutung kommt der Frage zu, welcher Gesellschaft im internationalen Konzern eine relevante, potentiell schädliche Handlung zuzurechnen ist. Im Hinblick auf die Tätigkeit von Organmitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Muttergesellschaft und dieser nahestehenden Personen für Konzerngesellschaften ist die Ausgestaltung der jeweiligen Tätigkeit entscheidend. Das Entsendemodell bei der Arbeitnehmerentsendung hat sich in der Praxis weitgehend als unproblematisch erwiesen. Weniger eindeutig ist hingegen die Einbindung inländischer Mitarbeiter und anderer Konzernmitarbeiter in die Leistungserbringung ausländischer Konzerngesellschaften. Wegen der Reichweite der Geschäftsführerfunktion gehen mit der Tätigkeit von Organmitgliedern besondere Herausforderungen einher. Aber auch hier gilt: Bei klarer Funktionsabgrenzung kommt es nicht zu einer schädlichen Mitwirkung. Auf entsprechende Dokumentation und Durchführung ist zu achten.
28 Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 251; wohl auch Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 144 (dort insb. Beispiel 3).
29 Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 37; Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/B/S, AStR (Std. 2014), § 8 AStG Rn. 143; Wöhrle/Schelle/Gross, AStG (Std. 2006), § 8 Rn. 38.
30 Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 251.
31 Lehfeldt, in: Strunk/Kaminski/Köhler, AStG (Std. 2016), § 8 Rn. 41.1; Vogt, in: Blümich, AStG (Std. 2014), § 8 Rn. 47; Rödel, in: Kraft, AStG, 2009, § 8 Rn. 251; so auch FinMin. NW, Erlass v. 29.12.1978 – S 1352 – 5 VB 2, Fall 2.