Prof. Dr. Jasper Finke, LL.M.*
Im Zusammenhang mit den handelspolitischen Maßnahmen der Trump Administration wird regelmäßig vor einem bevorstehenden Handelskrieg gewarnt. Ist das nun Alarmismus im Sinne einer unnötigen oder übertriebenen Warnung oder ein realistisches Szenario? Wie so häufig, lässt sich diese Frage nicht so leicht beantworten. Schließlich gibt es von Seiten der Trump Administration bisher wenig Konkretes. Stattdessen überwiegen im Duktus des ewigen Wahlkampfes gehaltene Ankündigungen, die mangels Umsetzung oder zumindest Präzisierung eine welthandelsrechtliche Beurteilung erschweren. Hinzu tritt Trumps Unberechenbarkeit und damit das Problem, dass jegliche Beschäftigung mit aktuellen Ankündigungen schon morgen hinfällig sein kann, nur um übermorgen in anderem Gewand wieder auf der Tagesordnung zu stehen.
Dennoch zeichnet sich ein Trend ab. So lassen unterschiedliche Ankündigungen der Trump Administration darauf schließen, dass diese gewillt ist, die Grenzen des Welthandelsrechts zu strapazieren, um dem Wahlkampfslogan „America First“ handelspolitisch umzusetzen. Mit den Grenzen des Welthandelsrechts sind aber nicht nur die materiellrechtlichen gemeint, sondern auch die institutionellen, d.h. die Gefahr einer Instrumentalisierung des Streitbeilegungsverfahrens der Welthandelsorganisation (WTO) und der im Dispute Settlement Understanding (DSU) enthaltenen Durchsetzungsmechanismen, um auch im Fall offensichtlicher Verstöße gegen die handelsrechtlichen Regeln Zeit zu schinden. Insbesondere darin liegt eine wirkliche Gefahr für die WTO.
A. Ankündigungen der Trump Administration
Noch im Wahlkampf hat Trump lauthals verkündet, dass Unternehmen, die in Mexiko für den U.S.-amerikanischen Markt produzieren, bei der Einfuhr der Waren in die USA mit einem Strafzoll von 35% rechnen müssen. Diese Drohung hat nicht nur den deutschen Autohersteller BMW getroffen, sondern auch U.S.-amerikanische Unternehmen. Welthandelsrechtlich ist die Bewertung dieser Ankündigung recht einfach: Sie ist mit dem WTO-Recht unvereinbar. Das primäre Ziel des Welthandelsrechts war der Abbau tarifärer Handelshemmnisse, d.h. der Reduzierung von Zöllen als dem protektionistischen Handelsinstrumentarium schlechthin. In diversen Welthandelsrunden seit Ende des 2. Weltkriegs wurde das weltweite Zollniveau in einem solchen Ausmaß reduziert, dass heutzutage Zölle den internationalen Handel nicht mehr nennenswert beschränken, so dass der Fokus mittlerweile auf dem Abbau sog. nichttarifärer Handelshemmnisse liegt. Dennoch bleiben Zölle natürlich nur im Rahmen der vereinbarten Zollgrenzen erlaubt. Zwar ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, darüberhinausgehende Zölle zu erheben, die man der Einfachheit halber auch als „Strafzölle“ bezeichnen könnte. Das setzt aber voraus, dass der einführende Staat ausnahmsweise berechtigt ist, solche Zölle zu erheben. Es bedarf keiner vertieften Kenntnisse des Welthandelsrechts, um zu erkennen, dass die Situationen, in denen die Trump Administration Strafzölle angedroht hat, keinesfalls dazu berechtigen, dies zu tun. Produkte beim Import mit einem Strafzoll zu belegen, weil sie im Ausland produziert werden, ist schließlich ein Paradebeispiel für die Form des Protektionismus, die durch das Welthandelsrecht verhindert werden soll. Solche Zölle sind diskriminierend. Es gibt für sie keine Rechtfertigung.
Dass mit solchen Maßnahmen kein welthandelsrechtlicher Blumentopf gewonnen werden kann, scheint auch die Trump Administration zu wissen. Zumindest hat sich die Tonlage aus dem Weißen Haus seit Übernahme der Präsidentschaft geändert. Sie ist strategischer geworden, d.h. die Ziele sind dieselben geblieben, nicht aber die Mittel, mit deren Hilfe sie erreicht werden sollen. So hat die Trump Administration u.a. angekündigt, gegen ausländische Stahlproduzenten vorzugehen und deren Importe mit Antidumpingzöllen zu belegen. Dieser Strategiewechsel ist doppelt bezeichnend. So würde sich ein solcher Antidumpingzoll nahtlos in die seit 15 Jahren andauernden Bemühungen der USA einreihen, die eigene, nicht mehr wettbewerbsfähige Stahlindustrie
* Prof. Dr. Jasper Finke, LL.M. ist Juniorprofessor der Bucerius Law School, Hamburg.
zu schützen. Bereits unter Präsident Bush wurden 2002 Ausgleichszölle in Höhe von 8-30% eingeführt. Zur Rechtfertigung beriefen sich die USA auf Art. XIX GATT, der es erlaubt, Zollgeständnisse zurückzunehmen, sofern aufgrund kurzfristig steigender Einfuhren die einheimische Industrie ernstlich geschädigt wird oder ein solcher Schaden droht. Es geht um einen kurzfristigen und zeitlich begrenzten Ausgleich für die Verwerfungen, die die Liberalisierung in bestimmten Industriezweigen auslösen kann. Die Revisionsinstanz der WTO – der Appellate Body (AB) – hat diese Rechtfertigungsversuche der USA für eine protektionistische Maßnahme zugunsten eines Industriezweigs, der mangels Innovationen und Investitionen nicht mehr konkurrenzfähig war, in vollem Umfang zurückgewiesen (WTO DS 252), und das nicht zum ersten Mal. Es war vielmehr das vierte Mal, dass der AB Maßnahmen der USA zum Schutz der Stahlindustrie beanstandete (siehe die Verfahren WTO DS 202, 212 und 213).
Die Bedeutung der Stahlindustrie für die U.S.-amerikanische Politik erklärt sich aus einem Bündel an Faktoren. Die von der ausländischen Konkurrenz in ihrer Existenz gefährdeten Unternehmen liegen fast alle im sog. Rust Belt, z.B. in Ohio und West Virginia. Gerade Ohio ist ein klassischer swing state, der für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen vielfach entscheidend war. Gleichzeitig stand die U.S.-Stahlindustrie für die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA, so dass der Niedergang des einstigen Aushängeschilds besonders symbolträchtig ist. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass auch die Obama Administration dem Druck der Stahllobby ausgesetzt war. Statt jedoch auf Ausgleichszölle bzw. die Suspendierung von Zollzugeständnissen auf Grundlage von Art. XIX GATT zu setzen, änderte sie die Taktik und leitete Untersuchungen wegen des Verdachts von Dumping-Praktiken ausländischer Stahlproduzenten ein. Genau diesen Weg setzt die Trump Administration nun fort. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass die angedrohten Antidumpingzölle um ein Vielfaches höher sind als dies unter Obama der Fall war. Dahinter verbirgt sich auch ein Grundproblem des Welthandelsrechts, das zumindest in Teilen auf abstrakten Grundsätzen basiert, die zunächst konkretisiert werden müssen, um sie überhaupt operabel zu machen. Dies gilt insbesondere für die Feststellung, dass die Preisgestaltung von Produkten tatsächlich vom Tatbestand des Dumpings in Art. VI GATT erfasst wird. Dies ist, vereinfacht gesprochen, dann der Fall, wenn ein Produkt im Ausland unter den Herstellungskosten im Inland verkauft wird. Wie aber genau werden die Herstellungskosten berechnet, gerade bei Unternehmen, die z.B. ihren Sitz in Deutschland haben, aber weltweit produzieren? Diese Frage ist keineswegs trivial. So hat der deutlich höhere Antidumpingzoll, den die Trump Administration nun ins Spiel bringt, seinen Grund in der Anwendung einer neuen Berechnungsmethode. Dass diese neue Berechnungsmethode zu einem Ergebnis führt, das den protektionistischen Wahlkampfparolen Trumps entspricht, sollte stutzig machen. Dennoch handelt es sich nicht um eine offensichtliche Nichtbeachtung der Grundsätze der WTO-Rechtsordnung, sondern um einen Versuch, das gewünschte politische Ziel zumindest partiell mit Hilfe der Gestaltungsspielräume, die das Welthandelsrechts mangels Konkretisierung zunächst lässt, zu nutzen. Ob diese Konkretisierung mit dem Welthandelsrecht vereinbar ist, müssen wiederum die Streitbeilegungsinstanzen der WTO, die sog. Panel und der AB als Revisionsinstanz, klären.
Ähnlich verhält es sich mit einer weiteren handelspolitischen Maßnahme, die in den vergangenen Monaten diskutiert worden ist: eine border adjustment tax (BAT oder „Grenzausgleichsabgabe“). Ob sie eingeführt wird, ist derzeit völlig ungewiss. So hat Trump gegenüber dem Wall Street Journal gesagt, dass eine solche Steuer zu kompliziert sei, während sie für viele Republikaner nach wie vor einen wesentlichen Bestandteil der angestrebten Unternehmenssteuerreform darstellt. Hinter der Abkürzung BAT versteckt sich ein Systemwechsel in der Besteuerung von Unternehmen. Statt den Unternehmensgewinn zu besteuern, ist es der Cash-Flow, der besteuert wird, und zwar mit 20% im Gegensatz zu den bisherigen 35% auf den Unternehmensgewinn. Das welthandelsrechtliche Problem entsteht erst dadurch, dass nur noch inländische Produktionskosten steuerabzugsfähig sein sollen, d.h. Unternehmen, die viel im Ausland produzieren lassen, können diese Kosten nicht von der Steuer absetzen, so dass Unternehmen, die vor allem in den USA herstellen bzw. Produkte verwenden, die in den USA hergestellt worden sind, bevorzugt werden, weil sie letztlich einen geringeren Steuersatz zahlen. Das wiederum scheint ein recht eindeutiger Fall von Diskriminierung und damit Protektionismus zu sein und damit ein Verstoß gegen den in Art. III:2 GATT festgelegten Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Allerdings ist die wirtschaftliche Wirkung einer solchen BAT sehr viel komplexer als dies zunächst den Anschein hat. Denn zumindest theoretisch müsste der Vorteil für U.S.-amerikanische Produkte dadurch aufgehoben werden, dass durch die vermehrte Produktion im Inland und abnehmende Importe das U.S.-Leistungsbilanzdefizit verringert wird. Dies müsste wiederum zu einer Aufwertung des Dollar führen, so dass ausländische Produzenten vergleichsweise kostengünstiger produzieren. Die schlechtere Steuerabzugsfähigkeit würde durch geringere Produktionskosten aufgrund des gestiegenen Dollars ausgeglichen werden. Mit anderen Worten: Es käme gar nicht zu einer faktischen Schlechterstellung der Unternehmen, die nicht in den USA produzieren oder dort produzierte Produkte verwenden. Ob diese theoretischen Überlegungen allerdings tatsächlich eintreten, ist keineswegs sicher. Dementsprechend gilt auch hier: Ob die BAT diskriminierend wirkt, hängt erstens von ihrer konkreten Ausgestaltung ab und muss zweitens in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren geklärt werden.
B. Instrumentalisierung des WTO-Streitbei-legungsverfahrens
Das Ausreizen der materiell-rechtlichen Grenzen des Welthandelsrechts könnte trotz des ungewissen Ausgangs eines der strategischen Ziele der Trump Administration sein, um auf diese Weise die Eigenheiten des WTO-Streitbeilegungsverfahrens zum eigenen Vorteil zu nutzen. Der Vorteil bestünde zum einen darin, dass die USA Zeit gewinnen, indem sie handelsrechtliche Zugeständnisse zumindest bis zum Abschluss des Streitbeilegungsverfahrens einseitig außer Kraft setzen können ohne dafür einen Ausgleich leisten oder aber Sanktionen der anderen WTO-Mitglieder fürchten zu müssen. Zwar würde die Reputation der USA als verlässlicher Handelspartner leiden, aber Verlässlichkeit
und Reputation scheinen für Präsident Trump ohnehin keine relevanten Kategorien zu sein. Zum anderen kann sich hinter dieser Taktik ein noch viel weitergehendes Ziel verbergen: und zwar die Aushebelung der gesamten WTO-Rechtsordnung.
Dass sich das Streitbeilegungsverfahren der WTO in dieser Form instrumentalisieren lässt, hat folgende Gründe. So handelt es sich bei der WTO-Rechtsordnung um einen package deal, d.h. die Verpflichtungen, die WTO-Mitglieder übernehmen, sind nicht für alle Wirtschaftszweige eines Landes vorteilhaft. Etwaige Nachteile, so die Idee, werden jedoch durch die Vorteile in anderen Bereichen zumindest ausgeglichen. Dies setzt aber voraus, dass Mitglieder etwaige Nachteile nicht dadurch umgehen, dass sie die eingegangenen Verpflichtungen für die Wirtschaftszweige, die aufgrund der Konkurrenz aus dem Ausland unter Druck geraten, missachten, während die anderen Wirtschaftszweige vom Welthandel profitieren. Dieses als free-riding bzw. Trittbrettfahren bezeichnete Phänomen gilt es auf ein Mindestmaß zu beschränken, weil ansonsten alle Mitglieder einen Anreiz hätten, die welthandelsrechtlichen Verpflichtungen einseitig außer Kraft zu setzen – zumindest in den Bereichen, in denen ein Mitglied aufgrund der WTO-Mitgliedschaft Nachteile erleidet, auch wenn diese nur vorübergehend sein mögen. Dies würde letztlich dazu führen, dass die WTO-Rechtsordnung bedeutungslos wird.
Aus diesem Grund ist das WTO-Streitbeilegungssystem für völkerrechtliche Verhältnisse auch vergleichsweise effizient ausgestaltet. So ist zwar formal der sich aus den Mitgliedern zusammensetzende Dispute Settlement Body (DSB) für die Streitbeilegung verantwortlich. Er überträgt die Durchführung jedoch den bereits erwähnten Paneln. Diese müssen zwar für jede Streitigkeit durch den DSB neu eingesetzt werden. Allerdings erfolgt die Einsetzung aufgrund des mit der Errichtung der WTO eingeführten negativen Konsensus-Verfahrens quasiautomatisch. Denn anders als zu Zeiten des GATT 47 bedarf es keines positiven Konsensus für die Einsetzung eines Panels, wobei Konsensus die Abwesenheit eines formalen Widerspruchs meint. Voraussetzung ist vielmehr ein Konsensus für die Nichteinsetzung des Panels. Gibt es einen solchen nicht, wird es eingesetzt. Das Mitglied, das beim DSB mithin die Einsetzung eines Panels beantragt, kann durch formalen Widerspruch einen Konsensus für die Nichteinsetzung verhindern, so dass das Panel eingesetzt wird und seine Arbeit aufnehmen kann. Diese besteht in der Durchführung eines gerichtsähnlichen Verfahrens, an dessen Ende ein Bericht steht, in dem das Panel über die Vereinbarkeit der angegriffenen Maßnahme mit den WTO-Abkommen entscheidet. Stellt es die Unvereinbarkeit fest, enthält der Bericht außerdem Empfehlungen, wie das Mitglied seine nationale Rechtsordnung wieder in Einklang mit den welthandelsrechtlichen Verpflichtungen bringen kann. Der Panel-Bericht muss zwar durch den DSB angenommen werden. Aber auch hier gilt das Prinzip des negativen Konsensus, so dass das Mitglied, dessen Maßnahmen im Widerspruch zum WTO-Recht stehen, nicht durch formalen Widerspruch den Konsensus und damit die Annahme des Berichts verhindern kann.
Aber auch wenn der Bericht mit Annahme für die Streitparteien verbindlich ist, können weder Panel, noch der AB oder der DSB die nationalen Regelungen, die gegen WTO-Recht verstoßen, für nichtig erklären. Auch nach dem angenommenen Bericht sind diese weiterhin wirksam. Es bedarf mithin einer Umsetzung durch das jeweilige Mitglied selbst. Kommt es dieser Pflicht nicht nach, kann die andere Streitpartei beim DSB beantragen, ebenfalls Zugeständnisse auszusetzen. Der Verstoß gegen das Welthandelsrecht wird also durch Maßnahmen sanktioniert, die an sich ebenfalls gegen das Welthandelsrecht verstoßen, aber als Gegenmaßnahme nach entsprechender Autorisierung durch den DSB zulässig sind. Auch wenn dies der Durchsetzungslogik des Völkerrechts entspricht, führt es die ökonomische Logik, auf der das WTO-System basiert, ad absurdum. Denn dieses geht davon aus, dass Beschränkungen des Welthandels grundsätzlich Nachteile für die Staaten haben, dass es also insgesamt zu Wohlfahrtverlusten kommt statt zu Wohlfahrtsgewinnen. Dies gilt für jegliche Beschränkungen, auch solche, die Streitparteien in Reaktionen auf einen vorangegangenen Verstoß gegen die WTO-Rechtsordnung einführen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass auch bei einem Verstoß das Ziel der Streitbeilegung allein darin besteht, dass dieser für die Zukunft abgestellt wird. Für die Vergangenheit gibt es keine Form der Kompensation in Form von Schadensersatz oder dergleichen. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, welthandelsrechtliche Streitigkeiten in möglichst kurzer Zeit beizulegen. Denn für den Zeitraum der Streitigkeit besteht das Problem des free-riding.
Dieser Problematik trägt das DSU Rechnung, indem es einen sehr straffen Zeitrahmen für die Durchführung des Panel-Verfahrens festlegt. Aber gerade politisch sensible Verfahren, die darüber hinaus auch noch komplexe Rechts- und Tatsachenfragen berühren, können sich in die Länge ziehen. Die veränderte Argumentationsstrategie der Trump Administration könnte wiederum als Indiz dafür gewertet werden, dass es ihr primär darum geht, zusätzlich Zeit zu gewinnen. Die protektionistischen Maßnahmen, insbesondere die Antidumpingzölle, könnten länger die heimische Industrie schützen und dieser Anpassungsprozesse ermöglichen, um langfristig auch ohne Schutz wieder im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Spätestens wenn der DSB die Suspendierung von Zugeständnissen autorisiert, müssten sich die USA jedoch überlegen, ob die damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf die U.S.-Wirtschaft es wert sind, an den Maßnahmen festzuhalten. So hat z.B. die Bush-Administration die eingeführten Ausgleichszölle wieder zurückgenommen, um zu verhindern, dass die EU durch Einführung von Zöllen auf U.S.-Produkte wirtschaftliche Zugeständnisse im Wert von 2 Milliarden U.S.-Dollar suspendiert.
C. Welches Ziel verfolgt Präsident Trump?
Die entscheidende Frage ist, ob es der Trump Administration nur um diesen strategischen Vorteil geht oder ob sie noch weitergehende Ziele verfolgt. Anders gefragt: Wie ernst ist es Präsident Trump mit seiner protektionistischen Rhetorik? Handelt es sich vor allem um lautes Getöse zu Wahlkampfzwecken, verbunden mit der Hoffnung, dass schon die Drohung mit wirtschaftlichen Beschränkungen bei den betroffenen Akteuren zu einem Nachgeben führt, oder geht es tatsächlich um mehr? Ist letzteres der Fall, so werden auf die WTO stürmische Zeiten
zukommen. Jede von den USA tatsächlich eingeführte handelspolitische Maßnahme, die vor den Streitbeilegungsinstanzen der WTO keinen Bestand hat, würde eben nicht dazu führen, dass die USA sich wider WTO-konform verhalten. Stattdessen müssten sich die Handelspartner der USA überlegen, ob sie ihrerseits nach entsprechender Autorisierung durch den DSB Zugeständnisse suspendieren. Dies führt aber nur dazu, dass Handelsbeschränkungen weltweit zunehmen, die auch für die Handelspartner der USA wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen haben werden. Andererseits bleibt ihnen strategisch kaum eine andere Option, weil ansonsten der Protektionismus der USA ohne Konsequenzen bliebe.
In einer solchen Situation droht tatsächlich ein Handelskrieg, d.h. die Einführung immer neuer Handelsbeschränkungen, ohne dass es dafür eine einvernehmliche Lösung geben würde. Auch die WTO kann dies nicht verhindern. Sie ist aufgrund der Durchsetzungssystematik sogar Teil des Problems. Eine solch verfahrende Situation könnten die USA wiederum nutzen, um Nach- oder Neuverhandlungen der bestehenden Regelungen durchzusetzen und damit das bestehende System deutlich zu schwächen. Derzeit weiß niemand, ob dies das Ziel der Trump Administration ist. Angesichts der Forderung von Trump, NAFTA – das nordamerikanische Freihandelsabkommen – neu zu verhandeln und der jüngsten Attacken gegen Kanada wegen angeblich unfairer Handelspraktiken, scheint es jedoch wahrscheinlich zu sein, dass es den USA um mehr geht als um den vorübergehenden Schutz eines Industriezweigs aus wahltaktischen Gründen. Lassen sich die Handelspartner der USA jedoch nicht auf diese Strategie ein, könnte sich die Lage weiter zuspitzen, indem wechselseitig neue Handelsbeschränkungen eingeführt werden. Ein solches Szenario und damit ein Handelskrieg scheint durchaus realistisch, auch wenn er keineswegs zwingend ist. Es kommt vielmehr darauf an, wie besonnen die Handelspartner der USA reagieren. Dennoch steht eines fest: Diskriminierungsfreier Handel wird es in Zukunft schwer haben.
Im Zusammenhang mit den handelspolitischen Maßnahmen der Trump Administration wird regelmäßig vor einem bevorstehenden Handelskrieg gewarnt. Ist das nun Alarmismus im Sinne einer unnötigen oder übertriebenen Warnung oder ein realistisches Szenario? Wie so häufig, lässt sich diese Frage nicht so leicht beantworten. Schließlich gibt es von Seiten der Trump Administration bisher wenig Konkretes. Stattdessen überwiegen im Duktus des ewigen Wahlkampfes gehaltene Ankündigungen, die mangels Umsetzung oder zumindest Präzisierung eine welthandelsrechtliche Beurteilung erschweren. Hinzu tritt Trumps Unberechenbarkeit und damit das Problem, dass jegliche Beschäftigung mit aktuellen Ankündigungen schon morgen hinfällig sein kann, nur um übermorgen in anderem Gewand wieder auf der Tagesordnung zu stehen.
Dennoch zeichnet sich ein Trend ab. So lassen unterschiedliche Ankündigungen der Trump Administration darauf schließen, dass diese gewillt ist, die Grenzen des Welthandelsrechts zu strapazieren, um dem Wahlkampfslogan „America First“ handelspolitisch umzusetzen. Mit den Grenzen des Welthandelsrechts sind aber nicht nur die materiellrechtlichen gemeint, sondern auch die institutionellen, d.h. die Gefahr einer Instrumentalisierung des Streitbeilegungsverfahrens der Welthandelsorganisation (WTO) und der im Dispute Settlement Understanding (DSU) enthaltenen Durchsetzungsmechanismen, um auch im Fall offensichtlicher Verstöße gegen die handelsrechtlichen Regeln Zeit zu schinden. Insbesondere darin liegt eine wirkliche Gefahr für die WTO.
A. Ankündigungen der Trump Administration
Noch im Wahlkampf hat Trump lauthals verkündet, dass Unternehmen, die in Mexiko für den U.S.-amerikanischen Markt produzieren, bei der Einfuhr der Waren in die USA mit einem Strafzoll von 35% rechnen müssen. Diese Drohung hat nicht nur den deutschen Autohersteller BMW getroffen, sondern auch U.S.-amerikanische Unternehmen. Welthandelsrechtlich ist die Bewertung dieser Ankündigung recht einfach: Sie ist mit dem WTO-Recht unvereinbar. Das primäre Ziel des Welthandelsrechts war der Abbau tarifärer Handelshemmnisse, d.h. der Reduzierung von Zöllen als dem protektionistischen Handelsinstrumentarium schlechthin. In diversen Welthandelsrunden seit Ende des 2. Weltkriegs wurde das weltweite Zollniveau in einem solchen Ausmaß reduziert, dass heutzutage Zölle den internationalen Handel nicht mehr nennenswert beschränken, so dass der Fokus mittlerweile auf dem Abbau sog. nichttarifärer Handelshemmnisse liegt. Dennoch bleiben Zölle natürlich nur im Rahmen der vereinbarten Zollgrenzen erlaubt. Zwar ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, darüberhinausgehende Zölle zu erheben, die man der Einfachheit halber auch als „Strafzölle“ bezeichnen könnte. Das setzt aber voraus, dass der einführende Staat ausnahmsweise berechtigt ist, solche Zölle zu erheben. Es bedarf keiner vertieften Kenntnisse des Welthandelsrechts, um zu erkennen, dass die Situationen, in denen die Trump Administration Strafzölle angedroht hat, keinesfalls dazu berechtigen, dies zu tun. Produkte beim Import mit einem Strafzoll zu belegen, weil sie im Ausland produziert werden, ist schließlich ein Paradebeispiel für die Form des Protektionismus, die durch das Welthandelsrecht verhindert werden soll. Solche Zölle sind diskriminierend. Es gibt für sie keine Rechtfertigung.
Dass mit solchen Maßnahmen kein welthandelsrechtlicher Blumentopf gewonnen werden kann, scheint auch die Trump Administration zu wissen. Zumindest hat sich die Tonlage aus dem Weißen Haus seit Übernahme der Präsidentschaft geändert. Sie ist strategischer geworden, d.h. die Ziele sind dieselben geblieben, nicht aber die Mittel, mit deren Hilfe sie erreicht werden sollen. So hat die Trump Administration u.a. angekündigt, gegen ausländische Stahlproduzenten vorzugehen und deren Importe mit Antidumpingzöllen zu belegen. Dieser Strategiewechsel ist doppelt bezeichnend. So würde sich ein solcher Antidumpingzoll nahtlos in die seit 15 Jahren andauernden Bemühungen der USA einreihen, die eigene, nicht mehr wettbewerbsfähige Stahlindustrie
zu schützen. Bereits unter Präsident Bush wurden 2002 Ausgleichszölle in Höhe von 8-30% eingeführt. Zur Rechtfertigung beriefen sich die USA auf Art. XIX GATT, der es erlaubt, Zollgeständnisse zurückzunehmen, sofern aufgrund kurzfristig steigender Einfuhren die einheimische Industrie ernstlich geschädigt wird oder ein solcher Schaden droht. Es geht um einen kurzfristigen und zeitlich begrenzten Ausgleich für die Verwerfungen, die die Liberalisierung in bestimmten Industriezweigen auslösen kann. Die Revisionsinstanz der WTO – der Appellate Body (AB) – hat diese Rechtfertigungsversuche der USA für eine protektionistische Maßnahme zugunsten eines Industriezweigs, der mangels Innovationen und Investitionen nicht mehr konkurrenzfähig war, in vollem Umfang zurückgewiesen (WTO DS 252), und das nicht zum ersten Mal. Es war vielmehr das vierte Mal, dass der AB Maßnahmen der USA zum Schutz der Stahlindustrie beanstandete (siehe die Verfahren WTO DS 202, 212 und 213).
Die Bedeutung der Stahlindustrie für die U.S.-amerikanische Politik erklärt sich aus einem Bündel an Faktoren. Die von der ausländischen Konkurrenz in ihrer Existenz gefährdeten Unternehmen liegen fast alle im sog. Rust Belt, z.B. in Ohio und West Virginia. Gerade Ohio ist ein klassischer swing state, der für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen vielfach entscheidend war. Gleichzeitig stand die U.S.-Stahlindustrie für die wirtschaftliche Vormachtstellung der USA, so dass der Niedergang des einstigen Aushängeschilds besonders symbolträchtig ist. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass auch die Obama Administration dem Druck der Stahllobby ausgesetzt war. Statt jedoch auf Ausgleichszölle bzw. die Suspendierung von Zollzugeständnissen auf Grundlage von Art. XIX GATT zu setzen, änderte sie die Taktik und leitete Untersuchungen wegen des Verdachts von Dumping-Praktiken ausländischer Stahlproduzenten ein. Genau diesen Weg setzt die Trump Administration nun fort. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass die angedrohten Antidumpingzölle um ein Vielfaches höher sind als dies unter Obama der Fall war. Dahinter verbirgt sich auch ein Grundproblem des Welthandelsrechts, das zumindest in Teilen auf abstrakten Grundsätzen basiert, die zunächst konkretisiert werden müssen, um sie überhaupt operabel zu machen. Dies gilt insbesondere für die Feststellung, dass die Preisgestaltung von Produkten tatsächlich vom Tatbestand des Dumpings in Art. VI GATT erfasst wird. Dies ist, vereinfacht gesprochen, dann der Fall, wenn ein Produkt im Ausland unter den Herstellungskosten im Inland verkauft wird. Wie aber genau werden die Herstellungskosten berechnet, gerade bei Unternehmen, die z.B. ihren Sitz in Deutschland haben, aber weltweit produzieren? Diese Frage ist keineswegs trivial. So hat der deutlich höhere Antidumpingzoll, den die Trump Administration nun ins Spiel bringt, seinen Grund in der Anwendung einer neuen Berechnungsmethode. Dass diese neue Berechnungsmethode zu einem Ergebnis führt, das den protektionistischen Wahlkampfparolen Trumps entspricht, sollte stutzig machen. Dennoch handelt es sich nicht um eine offensichtliche Nichtbeachtung der Grundsätze der WTO-Rechtsordnung, sondern um einen Versuch, das gewünschte politische Ziel zumindest partiell mit Hilfe der Gestaltungsspielräume, die das Welthandelsrechts mangels Konkretisierung zunächst lässt, zu nutzen. Ob diese Konkretisierung mit dem Welthandelsrecht vereinbar ist, müssen wiederum die Streitbeilegungsinstanzen der WTO, die sog. Panel und der AB als Revisionsinstanz, klären.
Ähnlich verhält es sich mit einer weiteren handelspolitischen Maßnahme, die in den vergangenen Monaten diskutiert worden ist: eine border adjustment tax (BAT oder „Grenzausgleichsabgabe“). Ob sie eingeführt wird, ist derzeit völlig ungewiss. So hat Trump gegenüber dem Wall Street Journal gesagt, dass eine solche Steuer zu kompliziert sei, während sie für viele Republikaner nach wie vor einen wesentlichen Bestandteil der angestrebten Unternehmenssteuerreform darstellt. Hinter der Abkürzung BAT versteckt sich ein Systemwechsel in der Besteuerung von Unternehmen. Statt den Unternehmensgewinn zu besteuern, ist es der Cash-Flow, der besteuert wird, und zwar mit 20% im Gegensatz zu den bisherigen 35% auf den Unternehmensgewinn. Das welthandelsrechtliche Problem entsteht erst dadurch, dass nur noch inländische Produktionskosten steuerabzugsfähig sein sollen, d.h. Unternehmen, die viel im Ausland produzieren lassen, können diese Kosten nicht von der Steuer absetzen, so dass Unternehmen, die vor allem in den USA herstellen bzw. Produkte verwenden, die in den USA hergestellt worden sind, bevorzugt werden, weil sie letztlich einen geringeren Steuersatz zahlen. Das wiederum scheint ein recht eindeutiger Fall von Diskriminierung und damit Protektionismus zu sein und damit ein Verstoß gegen den in Art. III:2 GATT festgelegten Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Allerdings ist die wirtschaftliche Wirkung einer solchen BAT sehr viel komplexer als dies zunächst den Anschein hat. Denn zumindest theoretisch müsste der Vorteil für U.S.-amerikanische Produkte dadurch aufgehoben werden, dass durch die vermehrte Produktion im Inland und abnehmende Importe das U.S.-Leistungsbilanzdefizit verringert wird. Dies müsste wiederum zu einer Aufwertung des Dollar führen, so dass ausländische Produzenten vergleichsweise kostengünstiger produzieren. Die schlechtere Steuerabzugsfähigkeit würde durch geringere Produktionskosten aufgrund des gestiegenen Dollars ausgeglichen werden. Mit anderen Worten: Es käme gar nicht zu einer faktischen Schlechterstellung der Unternehmen, die nicht in den USA produzieren oder dort produzierte Produkte verwenden. Ob diese theoretischen Überlegungen allerdings tatsächlich eintreten, ist keineswegs sicher. Dementsprechend gilt auch hier: Ob die BAT diskriminierend wirkt, hängt erstens von ihrer konkreten Ausgestaltung ab und muss zweitens in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren geklärt werden.
B. Instrumentalisierung des WTO-Streitbei-legungsverfahrens
Das Ausreizen der materiell-rechtlichen Grenzen des Welthandelsrechts könnte trotz des ungewissen Ausgangs eines der strategischen Ziele der Trump Administration sein, um auf diese Weise die Eigenheiten des WTO-Streitbeilegungsverfahrens zum eigenen Vorteil zu nutzen. Der Vorteil bestünde zum einen darin, dass die USA Zeit gewinnen, indem sie handelsrechtliche Zugeständnisse zumindest bis zum Abschluss des Streitbeilegungsverfahrens einseitig außer Kraft setzen können ohne dafür einen Ausgleich leisten oder aber Sanktionen der anderen WTO-Mitglieder fürchten zu müssen. Zwar würde die Reputation der USA als verlässlicher Handelspartner leiden, aber Verlässlichkeit
und Reputation scheinen für Präsident Trump ohnehin keine relevanten Kategorien zu sein. Zum anderen kann sich hinter dieser Taktik ein noch viel weitergehendes Ziel verbergen: und zwar die Aushebelung der gesamten WTO-Rechtsordnung.
Dass sich das Streitbeilegungsverfahren der WTO in dieser Form instrumentalisieren lässt, hat folgende Gründe. So handelt es sich bei der WTO-Rechtsordnung um einen package deal, d.h. die Verpflichtungen, die WTO-Mitglieder übernehmen, sind nicht für alle Wirtschaftszweige eines Landes vorteilhaft. Etwaige Nachteile, so die Idee, werden jedoch durch die Vorteile in anderen Bereichen zumindest ausgeglichen. Dies setzt aber voraus, dass Mitglieder etwaige Nachteile nicht dadurch umgehen, dass sie die eingegangenen Verpflichtungen für die Wirtschaftszweige, die aufgrund der Konkurrenz aus dem Ausland unter Druck geraten, missachten, während die anderen Wirtschaftszweige vom Welthandel profitieren. Dieses als free-riding bzw. Trittbrettfahren bezeichnete Phänomen gilt es auf ein Mindestmaß zu beschränken, weil ansonsten alle Mitglieder einen Anreiz hätten, die welthandelsrechtlichen Verpflichtungen einseitig außer Kraft zu setzen – zumindest in den Bereichen, in denen ein Mitglied aufgrund der WTO-Mitgliedschaft Nachteile erleidet, auch wenn diese nur vorübergehend sein mögen. Dies würde letztlich dazu führen, dass die WTO-Rechtsordnung bedeutungslos wird.
Aus diesem Grund ist das WTO-Streitbeilegungssystem für völkerrechtliche Verhältnisse auch vergleichsweise effizient ausgestaltet. So ist zwar formal der sich aus den Mitgliedern zusammensetzende Dispute Settlement Body (DSB) für die Streitbeilegung verantwortlich. Er überträgt die Durchführung jedoch den bereits erwähnten Paneln. Diese müssen zwar für jede Streitigkeit durch den DSB neu eingesetzt werden. Allerdings erfolgt die Einsetzung aufgrund des mit der Errichtung der WTO eingeführten negativen Konsensus-Verfahrens quasiautomatisch. Denn anders als zu Zeiten des GATT 47 bedarf es keines positiven Konsensus für die Einsetzung eines Panels, wobei Konsensus die Abwesenheit eines formalen Widerspruchs meint. Voraussetzung ist vielmehr ein Konsensus für die Nichteinsetzung des Panels. Gibt es einen solchen nicht, wird es eingesetzt. Das Mitglied, das beim DSB mithin die Einsetzung eines Panels beantragt, kann durch formalen Widerspruch einen Konsensus für die Nichteinsetzung verhindern, so dass das Panel eingesetzt wird und seine Arbeit aufnehmen kann. Diese besteht in der Durchführung eines gerichtsähnlichen Verfahrens, an dessen Ende ein Bericht steht, in dem das Panel über die Vereinbarkeit der angegriffenen Maßnahme mit den WTO-Abkommen entscheidet. Stellt es die Unvereinbarkeit fest, enthält der Bericht außerdem Empfehlungen, wie das Mitglied seine nationale Rechtsordnung wieder in Einklang mit den welthandelsrechtlichen Verpflichtungen bringen kann. Der Panel-Bericht muss zwar durch den DSB angenommen werden. Aber auch hier gilt das Prinzip des negativen Konsensus, so dass das Mitglied, dessen Maßnahmen im Widerspruch zum WTO-Recht stehen, nicht durch formalen Widerspruch den Konsensus und damit die Annahme des Berichts verhindern kann.
Aber auch wenn der Bericht mit Annahme für die Streitparteien verbindlich ist, können weder Panel, noch der AB oder der DSB die nationalen Regelungen, die gegen WTO-Recht verstoßen, für nichtig erklären. Auch nach dem angenommenen Bericht sind diese weiterhin wirksam. Es bedarf mithin einer Umsetzung durch das jeweilige Mitglied selbst. Kommt es dieser Pflicht nicht nach, kann die andere Streitpartei beim DSB beantragen, ebenfalls Zugeständnisse auszusetzen. Der Verstoß gegen das Welthandelsrecht wird also durch Maßnahmen sanktioniert, die an sich ebenfalls gegen das Welthandelsrecht verstoßen, aber als Gegenmaßnahme nach entsprechender Autorisierung durch den DSB zulässig sind. Auch wenn dies der Durchsetzungslogik des Völkerrechts entspricht, führt es die ökonomische Logik, auf der das WTO-System basiert, ad absurdum. Denn dieses geht davon aus, dass Beschränkungen des Welthandels grundsätzlich Nachteile für die Staaten haben, dass es also insgesamt zu Wohlfahrtverlusten kommt statt zu Wohlfahrtsgewinnen. Dies gilt für jegliche Beschränkungen, auch solche, die Streitparteien in Reaktionen auf einen vorangegangenen Verstoß gegen die WTO-Rechtsordnung einführen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass auch bei einem Verstoß das Ziel der Streitbeilegung allein darin besteht, dass dieser für die Zukunft abgestellt wird. Für die Vergangenheit gibt es keine Form der Kompensation in Form von Schadensersatz oder dergleichen. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, welthandelsrechtliche Streitigkeiten in möglichst kurzer Zeit beizulegen. Denn für den Zeitraum der Streitigkeit besteht das Problem des free-riding.
Dieser Problematik trägt das DSU Rechnung, indem es einen sehr straffen Zeitrahmen für die Durchführung des Panel-Verfahrens festlegt. Aber gerade politisch sensible Verfahren, die darüber hinaus auch noch komplexe Rechts- und Tatsachenfragen berühren, können sich in die Länge ziehen. Die veränderte Argumentationsstrategie der Trump Administration könnte wiederum als Indiz dafür gewertet werden, dass es ihr primär darum geht, zusätzlich Zeit zu gewinnen. Die protektionistischen Maßnahmen, insbesondere die Antidumpingzölle, könnten länger die heimische Industrie schützen und dieser Anpassungsprozesse ermöglichen, um langfristig auch ohne Schutz wieder im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Spätestens wenn der DSB die Suspendierung von Zugeständnissen autorisiert, müssten sich die USA jedoch überlegen, ob die damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf die U.S.-Wirtschaft es wert sind, an den Maßnahmen festzuhalten. So hat z.B. die Bush-Administration die eingeführten Ausgleichszölle wieder zurückgenommen, um zu verhindern, dass die EU durch Einführung von Zöllen auf U.S.-Produkte wirtschaftliche Zugeständnisse im Wert von 2 Milliarden U.S.-Dollar suspendiert.
C. Welches Ziel verfolgt Präsident Trump?
Die entscheidende Frage ist, ob es der Trump Administration nur um diesen strategischen Vorteil geht oder ob sie noch weitergehende Ziele verfolgt. Anders gefragt: Wie ernst ist es Präsident Trump mit seiner protektionistischen Rhetorik? Handelt es sich vor allem um lautes Getöse zu Wahlkampfzwecken, verbunden mit der Hoffnung, dass schon die Drohung mit wirtschaftlichen Beschränkungen bei den betroffenen Akteuren zu einem Nachgeben führt, oder geht es tatsächlich um mehr? Ist letzteres der Fall, so werden auf die WTO stürmische Zeiten
zukommen. Jede von den USA tatsächlich eingeführte handelspolitische Maßnahme, die vor den Streitbeilegungsinstanzen der WTO keinen Bestand hat, würde eben nicht dazu führen, dass die USA sich wider WTO-konform verhalten. Stattdessen müssten sich die Handelspartner der USA überlegen, ob sie ihrerseits nach entsprechender Autorisierung durch den DSB Zugeständnisse suspendieren. Dies führt aber nur dazu, dass Handelsbeschränkungen weltweit zunehmen, die auch für die Handelspartner der USA wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen haben werden. Andererseits bleibt ihnen strategisch kaum eine andere Option, weil ansonsten der Protektionismus der USA ohne Konsequenzen bliebe.
In einer solchen Situation droht tatsächlich ein Handelskrieg, d.h. die Einführung immer neuer Handelsbeschränkungen, ohne dass es dafür eine einvernehmliche Lösung geben würde. Auch die WTO kann dies nicht verhindern. Sie ist aufgrund der Durchsetzungssystematik sogar Teil des Problems. Eine solch verfahrende Situation könnten die USA wiederum nutzen, um Nach- oder Neuverhandlungen der bestehenden Regelungen durchzusetzen und damit das bestehende System deutlich zu schwächen. Derzeit weiß niemand, ob dies das Ziel der Trump Administration ist. Angesichts der Forderung von Trump, NAFTA – das nordamerikanische Freihandelsabkommen – neu zu verhandeln und der jüngsten Attacken gegen Kanada wegen angeblich unfairer Handelspraktiken, scheint es jedoch wahrscheinlich zu sein, dass es den USA um mehr geht als um den vorübergehenden Schutz eines Industriezweigs aus wahltaktischen Gründen. Lassen sich die Handelspartner der USA jedoch nicht auf diese Strategie ein, könnte sich die Lage weiter zuspitzen, indem wechselseitig neue Handelsbeschränkungen eingeführt werden. Ein solches Szenario und damit ein Handelskrieg scheint durchaus realistisch, auch wenn er keineswegs zwingend ist. Es kommt vielmehr darauf an, wie besonnen die Handelspartner der USA reagieren. Dennoch steht eines fest: Diskriminierungsfreier Handel wird es in Zukunft schwer haben.