Zum 10-jährigen Geburtstag des Bucerius Law Journal

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Katharina Boele-Woelki*

Bei der Gründung der Bucerius Law School fungierten führende amerikanische law schools als Vorbilder. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch das Bucerius Law Journal entsprechend der amerikanischen Rechtstradition von Studierenden gegründet und geleitet wird. Während in Deutschland und Europa juristische Zeitschriften selten von Studierenden herausgegeben werden, ist das in den USA die Regel. Beinahe jede amerikanische law school verfügt neben einer law clinic auch über ein von Jurastudierenden geleitetes journal oder review. Es gehört zum Ausbildungskonzept: auf der einen Seite kann praktische Erfahrung in der Rechtsberatung gesammelt werden, auf der anderen Seite können Studierende erlernen, wissenschaftliche Aufsätze und Studien zu beurteilen und zu veröffentlichen. Einer der berühmtesten studentischen Chefredakteure war wohl Barack Obama, der Anfang der 90er Jahre zum ersten afro-amerikanischen Präsidenten der Harvard Law Review gewählt wurde.

Anlässlich des runden Geburtstages des Bucerius Law Journals, zu dem ich ganz herzlich gratuliere, wurde ich gebeten, über meine Erfahrungen mit solchen Fachzeitschriften zu berichten, welche von Jurastudierenden geführt werden.

Selber habe ich einmal einen Artikel in einer studentischen Zeitschrift in den USA veröffentlicht, namentlich der Louisiana Law Review. Erstaunlich war die Akribie der Redakteure und Redakteurinnen. Beinahe jeder Satz wurde umformuliert, obwohl ein Muttersprachler meinen Beitrag vorher revidiert hatte, und nahezu jeder Satz musste mit einer Fußnote belegt werden. Das war eine besondere Erfahrung: zwar erkannte ich meinen eigenen Text nicht mehr wieder, doch ist es heute ein Aufsatz, der häufig zitiert wird und über die amerikanischen Databanken wie Lexis und Westlaw einfach zu finden ist.

\baselineskipMeine guten Erfahrungen mit studentischen Zeitschriften habe ich insbesondere in den Niederlanden gesammelt. Dort gibt es für die Rechtswissenschaft eine studentische Zeitschrift, die jede(r) Jurist(in) kennt. ARS AEQUI wurde 1951 gegründet und seit 1957 in der Form einer Stiftung geleitet. Die Redaktion wird von Studierenden der neun juristischen Fakultäten geführt und bevor die Digitalisierung in die Verlagswelt Einzug gehalten hat, gab es zeitweise eine Auflage von 28.000 Exemplaren, womit ARS AEQUI die viertgrößte juristische Zeitschrift in Europa war. Das sind erstaunliche Zahlen. Das Konzept dahinter ist allerdings einfach. Während des Studiums kostet die 11 Mal im Jahr erscheinende Monatszeitschrift heute nur 15 Euro im Jahr. Sie erscheint sowohl als Print- als auch als elektronische Version. Und zu guter Letzt möchte auch nach dem Studium eigentlich kein(e) Jurist(in) mehr auf diese Zeitschrift verzichten, da sie alle Rechtsgebiete umfasst, Beiträge auf hohem wissenschaftlichen Niveau enthält und mit tiefgreifenden Analysen über die neuesten Entwicklungen informiert. Selber durfte ich 20 Jahre lang für ARS AEQUI einen Quartalsbeitrag zu den neuesten Entwicklungen im Internationalen Privatrecht schreiben. Neben der rechtswissenschaftlichen Zeitschrift gibt es auch einen ARS AEQUI Verlag, der insbesondere Ausbildungsliteratur und Gesetzessammlungen veröffentlicht. Dem Stiftungszweck entsprechend erhält ein (Buch-)Autor weder ein Honorar noch Lizenzgebühren.

ARS AEQUI hat ein hohes Ansehen, weil die studentische Redaktion die Qualitätsanforderungen sehr hoch gesteckt hat. Gerade weil es Studierende sind, die sich auf dem wissenschaftlichen Rechtsmarkt beweisen wollen, werden die eingereichten Aufsätze sehr sorgfältig gelesen und gemeinsam besprochen. Das ist in einem kleinen Land wie den Niederlanden ganz einfach, da sich die Studierenden unabhängig davon, ob sie in Maastricht oder Groningen studieren, persönlich an einem Ort ungefähr in der Mitte des Landes treffen können, ohne dafür weite Strecken zurücklegen zu müssen. Diese Redaktionssitzungen scheinen – so habe ich mir erzählen lassen – sehr lehrreich und ergiebig für die Studierenden zu sein. So wird bei den Sitzungen eingehend diskutiert, ohne dabei unverhältnismäßige Vorsicht oder Zurückhaltung gegenüber „großen Namen“ walten zu lassen. Vielmehr beurteilt die Redaktion alle eingereichten oder erbetenen Beiträge kritisch auf ihren Inhalt, ihre Struktur, Schreibweise und Innovation. Dazu muss man als junge(r) Rechtswissenschaftler(in) in das entsprechende Rechtsgebiet tief einsteigen und sich über die neuesten Entwicklungen kundig machen und das kostet viel Zeit. Aber diejenigen, die es schaffen als Redakteur(in) bei ARS AEQUI zugelassen zu werden, gehen auch ihren Weg in der Zukunft. Die Namen werden sorgfältig „notiert“ und viele ehemalige Redakteure und Redakteurinnen haben als Partner in großen Kanzleien oder Universitätsprofessor(in) Karriere gemacht oder sind zu Richter(innen) u.a. auch beim Hoge Raad ernannt worden. Die Keimzelle ihrer beruflichen Erfolge ist in vielen Fällen auf die gemeinsame Redaktion einer angesehenen juristischen Zeitschrift zurückzuführen. Dort haben sie gelernt, genau zu lesen, konstruktive Kritik zu liefern, selber neue Gedanken in editorials zu formulieren sowie miteinander und vor allen Dingen mit den Autoren deutlich zu kommunizieren. Sie gestalten damit ihre eigene Ausbildung und ihre Erfahrungen sind für die berufliche Karriere von großem Nutzen.

In ARS AEQUI erscheinen natürlich auch studentische Beiträge. Meistens handelt es sich um eine Bearbeitung der abschließenden juristischen Diplomarbeit (scriptie). Anders als in Deutschland machen die niederländischen Jurastudierenden ein universitäres Examen. Wurde eine Diplomarbeit hoch bewertet, regen die Betreuer(innen) regelmäßig eine Veröffentlichung an. Viele schaffen es aber nicht, ihre 60-80-seitigen Arbeiten zu einem Aufsatz umzuarbeiten. Sie können es auch bei anderen juristischen Zeitschriften versuchen, aber wenn die hohen Hürden von ARS AEQUI genommen sind, dann ist damit auch oft der erste Schritt für eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen worden.


* Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Katharina Boele-Woelki ist Präsidentin der Bucerius Law School, Hamburg.

Boele-Woelki, Grußwort2

Die Gemeinsamkeiten zwischen dem Bucerius Law Journal und ARS AEQUI sind offensichtlich, aber es gibt auch einige Unterschiede. Für die Zukunft erscheint es mir wichtig, dass die Beiträge im Bucerius Law Journal leichter zugänglich gemacht werden, damit sie auch wahrgenommen und zitiert werden. Das trägt zu einer höheren Sichbarkeit unserer studentischen Zeitschrift, die ausgezeichnete Beiträge veröffentlicht, bei. Sprechen wir von einer elektronischen Veröffentlichung, so sollten wir uns nicht mit einem pdf-Dokument begnügen, sondern besser eine professionelle elektronische Zeitschrift errichten. Hier könnte ARS AEQUI als Inspiration dienen. Ob dem wirklich so ist, sollte aber eigens vor Ort in Erfahrung gebracht werden. Als Geburtstaggeschenk zum 10-jährigen Bestehen möchte ich daher die heutige Redaktion zu einem Besuch des ARS AEQUI Verlages in Nimwegen einladen. Der Vergleich der beiden Zeitschriften und der Erfahrungsaustausch erscheinen mir sehr fruchtbar.

Katharina Boele-Woelki

Präsidentin