Oleg Goldschmidt, LL.B.*
A. Einleitung
„Das Schlichten [ist] so alt wie das Richten“1 – verstaubt, ist weder das eine noch das andere. Vor allem auf dem Gebiet der alternativen Streitbeilegung herrscht mächtig Bewegung. In der gesamten EU gibt es über 750 verschiedene Stellen und Organisationen, die sich der alternativen Streitbeilegung verschrieben haben.2 Und die Anzahl der behandelten Fälle steigt und steigt von Jahr zu Jahr.3
Nur die Schiedsgerichtsbarkeit ist im Gegensatz zu anderen Verfahren in Verbrauchersachen nicht besonders weit verbreitet.4 Dieses Phänomen lässt sich aber nicht erklären, wenn man nur die Zahlen in Europa betrachtet. Vielmehr lohnt sich ein Blick über den Tellerrand: In den USA sind Schiedsverfahren mit Verbrauchern an der Tagesordnung.5 Wie lässt sich solch eine Divergenz begründen?
B. Rechtspraxis der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und in den USA
I. Begrifflichkeiten
1. Schiedsgerichtsbarkeit
Die Schiedsgerichtsbarkeit soll eine äquivalente Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit bieten.6 In Deutschland ist das Schiedsrecht als Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes in den §§ 1025 ff. ZPO geregelt, in den USA im FAA7 , einem Bundesgesetz von 1925 mit dem nach und nach die schiedsfreundliche „federal policy favoring arbitration“8 etabliert wurde. Ein besonderes Merkmal der Schiedsgerichtsbarkeit ist, dass sie einzig auf einer privatautonomen Entscheidung der Parteien beruht sich dieser zu unterwerfen.9 Diese Schiedsvereinbarung10 entfaltet eine in Hinblick auf die staatliche Gerichtsbarkeit derogative und in Hinblick auf die Schiedsgerichtsbarkeit prorogative Wirkung.11 Zu unterscheiden ist die Schiedsvereinbarung, welche einem Schiedsgericht Zuständigkeit für bestimmte Streitigkeiten einräumt von der Schiedsverfahrensvereinbarung, die Aufschluss über die Modalitäten des angestrebten Schiedsverfahrens gibt.12
Bezüglich des anwendbaren Rechts sind die Parteien frei das von ihnen gewünschte Recht zu wählen.13
Auch den Schiedsort, welcher die rechtliche Anbindung an einen bestimmten Staat und damit die lex arbitri, § 1025 Abs. 1 ZPO, regelt,14 können die Parteien in einem Schiedsprozess frei wählen.15 Diese Wahl bedingt, nach welchem Recht sich ein eventuelles Aufhebungsverfahren richtet.16 Zu unterscheiden ist er vom tatsächlichen Tagungsort, an dem das Schiedsgericht zusammentritt.17
2. Verbraucher
Die Definition des Verbrauchers im schiedsrechtlichen Kontext entspricht dem Begriff des § 13 BGB.18
Mangels bundesweiten Verbraucherbegriffs in den USA19 soll für die Zwecke der folgenden Arbeit die Definition des Arbitration Fairness Act of 2015 verwendet werden, wonach Verbraucher jede natürliche Person ist, die für persönliche Zwecke Mobilien oder Immobilien, Dienstleistungen oder Sicherheiten erwirbt, Kredite aufnimmt oder Investitionen tätigt.
II. Quantitative Analyse der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit
In den USA ist die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit seit der Jahrhundertwende allgegenwärtig.20 Nach einer Studie des CFPB sind Millionen von Verbrauchern Schiedsvereinbarungen unterworfen.21 Besonders hoch ist die Anzahl im Finanzdienstleistungssektor: 53% der Kreditkarten-, 44,4% der Bankkonto-, ca. 83% der Prepaid cards-, 98,5% der Kleinkredit- und 99,9% der Mobilfunkverträge auf dem US-amerikanischen Markt enthalten Schiedsvereinbarungen.22
* Der Autor ist Alumnus der Bucerius Law School, Hamburg.
1 Meller-Hannich/Höland/Krausbeck, ZEuP 2014, 8, 35.
2 Study on the use of Alternative Dispute Resolution in the European Union, Berlin 2009, S. 8.
3 Ibid., S. 8.
4 Näheres dazu unter B.II.
5 Ibid.
6 Schwab/Walter, in: Schwab/Walter(Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit: Systematischer Kommentar zu den Vorschriften der Zivilprozeßordnung, des Arbeitsgerichtsgesetzes, der Staatsverträge und der Kostengesetze über das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren7, 2005, Kap.1 Rn. 1.
7 Federal Arbitration Act (9 U.S.C. §§ 1 ff.).
8 Moses H. Cone Memorial Hospital v. Mercury Construction Corp., 460 U.S. 1, 24 (1983); Shearson/American Express Inc. v. McMahon, 482 U.S. 220, 226 (1987).
9 Voit, in: Musielak/Voit, (Hrsg.), Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz13, 2016, § 1029 ZPO Rn. 3.
10 § 1029 ZPO/ 9 U.S.C. § 2.
11 Wolf/Eslami, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar ZPO20, 2016, § 1029 Rn. 18.
12 BGHZ 202, 168, 174.
13 Im deutschen Recht ergibt sich das aus der Sonderkollisionsnorm § 1051 ZPO, vgl. Wilske/Markert, in: BeckOK ZPO (Fn.11),Rn. 1.Für das US-amerikanische Recht bestätigte dies kürzlich DIRECTV, Inc. v. Imburgia, 136 S.Ct. 463, 468 (2015).
14 Voit, in: Musielak/Voit (Fn. 9), § 1043 Rn. 1.
15 Dies ergibt sich in Deutschland aus §–1043 Abs. 1 ZPO.
16 § 1059 ZPO; Wilske/Markert, in: BeckOK ZPO (Fn.11), § 1043 Rn. 1.
17 § 1043 Abs. 2 ZPO; Voit, in: Musielak/Voit (Fn. 9), Rn. 4f.
18 Voit, in: Musielak/Voit (Fn. 9), § 1031 Rn. 8.
19 Der Begriff ist von einzelstaatlicher Rechtsprechung geprägt, vgl. Evans, 63 A.L.R. 5th (1998), 1ff.
20 Bělohlávek, B2C Arbitration: consumer protection in arbitration, 2012, S. 326.
21 § 1.4.1 Arbitration study: Report to congress, pursuant to Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act § 1028(a), 2015.
22 § 2.3 Ibid.
In Deutschland hingegen gibt es kaum praktische Erfahrungen mit der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit und somit auch keine belastbaren Zahlen23 hinsichtlich ihrer wohl äußerst geringen Verbreitung.24
III. Erklärungsansätze
In diesem Abschnitt soll untersucht werden, wie sich die eklatanten Unterschiede in der Rechtspraxis in Deutschland und den USA erklären lassen.
Dafür muss zunächst der Frage nachgegangen werden, wie es dazu kommen kann, dass sich ein Verbraucher hinsichtlich alltäglicher Verträge vor einem Schiedsgericht wiederfinden kann. Die Entscheidung prorogativ das Forum und den grundsätzlichen Verfahrensablauf zu ändern, muss bewusst getroffen werden. Dabei ist es Gang der Dinge, dass Schiedsvereinbarungen in der Regel auf Betreiben von Unternehmern in die Verträge aufgenommen werden. Deswegen ist es für die folgende Analyse entscheidend, die Problemstellung durch die Linse eines rationalen Unternehmers zu betrachten.
Zu diesem Zweck wurden vier Thesen aus den gegenwärtigen Diskussionsthemen in der Wissenschaft herausdestilliert, die im Folgenden unter Zugrundelegung interdisziplinärer Erklärungsmodelle auf ihre Stimmigkeit untersucht und in einem letzten Schritt in Hinblick auf ihren Einfluss bewertet werden sollen.
1. Einfacherer Abschluss einer Schiedsvereinbarung
Ein erster Erklärungsansatz könnte sein, dass es in den USA weniger Aufwand bedarf, eine Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher abzuschließen.
a) Deutschland
Generell reicht für eine Schiedsvereinbarung die Schriftform, die in § 1031 Abs. 1-4 ZPO speziell geregelt ist und niedrigere Voraussetzungen aufstellt, als die des BGB nach § 126 BGB.25 Für Schiedsvereinbarungen, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, muss sich die Schiedsvereinbarung in einer von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde (§ 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO), die keine anderen Vereinbarungen enthält, § 1031 Abs. 5 S. 3 Hs.1 ZPO, befinden. Dieser Voraussetzung ist jedoch genügt, wenn die Schiedsvereinbarung innerhalb eines Dokuments von anderen Vereinbarungen deutlich räumlich getrennt ist und gesondert unterschrieben wird.26
b) USA
§ 2 FAA sieht mit dem Schriftformerfordernis keine allzu hohe Hürde vor. So ist eine per E-Mail geschlossene Schiedsvereinbarung ausreichend.27 Daraus lässt sich schließen, dass in den USA die Beweisfunktion der Schiedsvereinbarung im Vordergrund steht.
Darüber hinaus existieren keine Sondervorschriften für Verbraucher.28
2. Breiteres Spektrum an Streitgegenständen
Ein weiterer Erklärungsansatz könnte es sein, dass der Unternehmer in den USA in einer größeren Vielzahl von Bereichen Schiedsverträge mit Verbrauchern abschließen kann.
Während in Deutschland §§ 2, 4 ArbGG einen Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit für den Großteil individualarbeitsrechtlicher Streitigkeiten vorsehen und die subjektive Schiedsfähigkeit von Nichtkaufleuten in § 37h WpHG bei Streitigkeiten im Bereich der Wertpapiergeschäfte ausschließt, sofern die Vereinbarung vor Entstehen der Streitigkeit geschlossen wurde, ist die Schiedsfähigkeit in den USA kaum begrenzt.29 Eine Vielzahl von Individualarbeitsverträgen enthält Schiedsklauseln30 und für Investoren, als welche auch Verbraucher anzusehen sein können, existiert ein gesetzliches Wahlrecht zwischen staatlicher und Schiedsgerichtsbarkeit bei bestimmten Wertpapiertransaktionen,31 welches aber regelmäßig abbedungen wird.
3. Beschränkte gerichtliche Kontrolle
Ob auch eine geringere gerichtliche Kontrolldichte von Verbraucherschiedsvereinbarungen die unterschiedliche Verbreitung in den USA und Deutschland erklären kann, soll im Folgenden untersucht werden.
a) Kompetenz-Kompetenz
Nach § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Schiedsgericht provisorisch die Kompetenz über seine eigene Zuständigkeit zu urteilen. Die Parteien können nämlich eine vermutete Kompetenzüberschreitung nach § 1040 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO bei den ordentlichen Gerichten rügen, wodurch diese ein durch Zweitklauseln nicht abdingbares Letztentscheidungsrecht innehaben.32
Auch in den USA sahen Gerichte die sogenannten „delegation clauses“ kritisch:33 Insbesondere wurde angeführt, dass derartige Klauseln den repeat player effect verschlimmerten und daher unwirksam seien.34 Der repeat player effect beschreibt dabei das Phänomen, dass erfahrene Schiedsparteien wie Unternehmen, bei den Schiedsrichtern einen Vorteil\linebreak gegenüber sogenannten one shot playern, also Parteien, die
23 Die DIS administrierte im Jahr 2016 insgesamt 172 Schiedsverfahren. Der Anteil an Verbraucherschiedsverfahren daran ist nicht zu ermitteln, wird aber eher niedrig sein vgl. DIS-Verfahrenseingänge 2016.
24 Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, S. 42.
25 Voit, in: Musielak/Voit (Fn. 9), § 1031 Rn. 4.
26 BGH 19.5.2011, NJW 2011, 2976, 2977.
27 Campbell v. General Dynamics Government Systems Corp., 407 F.3d 546, 557 (1st Cir. 2007).
28 Von den Bundesstaaten erlassene Formvorschriften sind mit § 2 FAA nicht vereinbar, vgl. Doctor’s Associates, Inc. v. Casarotto, 517 U.S. 681, 688 (1996).
29 Der Supreme Court hat die schiedsverfahrensfreundliche Auslegung auf innerstaatliche Sachverhalte ausgeweitet, vgl. Carbonneau, The Law and Practice of Arbitration, 2014, S. 271.
30 Duve/Sattler, in: FS Graf von Westphalen, 2010, S. 81, 87.
31 Ware, U. Cin. L. Rev. Vol. 76 (2008), 447, 452.
32 BGHZ 162, 9, 13.
33 Chandrasekher/Horton, 104 Geo. L.J. 2015-2016, 57 ,71.
34 Vgl. nur Ontiveros v. DHL Express (USA), Inc., 79 Cal. Rptr. 3d 471 (Cal. Ct. App. 2008).
wie Verbraucher nur selten vor Schiedsgerichten auftreten, genießen.35 So ist es naheliegend, dass ein Schiedsrichter, der im Sinne des repeat players urteilt, von diesem mit größerer Wahrscheinlichkeit auch für den nächsten Prozess ausgewählt wird. Delegation clauses verschlimmern diesen Effekt dadurch, dass der Schiedsrichter wohl aus Selbstinteresse eher nicht gegen die Wirksamkeit einer Schiedsklausel entscheiden würde.36
Der Supreme Court hat dies nicht als Problem angesehen: In seiner Rent-A-Center, West, Inc. v. Jackson37 Entscheidung urteilte er, dass eine „delegation clause“ nicht per se unwirksam sei.38 Als eigenständiger Vertrag muss die Kompetenz-Kompetenz-Klausel nach den allgemeinen Regeln über die Unwirksamkeit von Verträgen angegriffen werden39 , was in der Rechtspraxis äußerst restriktiv gehandhabt wird.40
Der Vergleich zeigt mithin deutlich, dass es in den USA wirkungsvollere Instrumente als in Deutschland gibt, die Kontrollfunktion der Gerichte zu minimieren.
b) Inhaltskontrolle
Im Folgenden soll gesondert betrachtet werden, welche Instrumentarien in den Jurisdiktionen für die inhaltliche Überprüfung von Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen zur Verfügung stehen, bevor diese dann konkret auf immer wiederkehrende Problemkreise angewandt werden sollen.
aa) Deutschland
(1) AGB-Kontrolle von Schiedsvereinbarungen\smallskip
Im Regelfall wird eine Schiedsvereinbarung, die meist aus einer der Schiedsinstitutionen empfohlenen Klauseln41 besteht, durch AGB Teil eines Vertrags werden.42
(a) EU-Vorgaben\smallskip
Die Inhaltskontrolle von Schiedsvereinbarungen ist innerhalb der EU in erster Linie durch die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen geprägt.43
In deren Anwendungsbereich können auch Schiedsklauseln fallen.44 Der deutsche Gesetzgeber trägt den Unionsvorgaben durch eine richtlinienkonforme Auslegung von § 307 BGB Rechnung.45
Als Resultat sind formularmäßige Schiedsklauseln mit Verbrauchern nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht unzulässig,46 solange sie den Vorschriften im zehnten Buch der ZPO entsprechen.47
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 6 der Klauselrichtlinie, der die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet Verbraucher vor Bindung durch missbräuchliche Klauseln zu bewahren, Teil des europäischen ordre public.48 Das hat zur Folge, dass das Gericht in einem Aufhebungsverfahren ex officio unter § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO zwingend sicherstellen muss, dass der Verbraucher nicht an eine missbräuchliche Schiedsklausel gebunden ist.49
(b) Unvereinbarkeit mit dem Grundgedanken der disponierten Regelung – § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB\smallskip
Für die Beurteilung, ob eine Schiedsklausel eine unangemessene Benachteiligung entgegen der Gebote von Treu und Glauben darstellt, muss wiederum zwischen Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarung unterschieden werden.
An sich stellt nach Rechtsprechung des BGH die Derogation von den staatlichen Gerichten keine unangemessene Benachteiligung dar. 50
Das Augenmerk muss daher in einer Einzelfallprüfung auf der konkreten Ausgestaltung eines Schiedsverfahrens51 durch die Schiedsverfahrensvereinbarung liegen, um die Vereinbarkeit einer konkreten Klausel mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu beantworten.
Klauseln jedoch, die die prozessuale Waffengleichheit zwischen den Parteien beeinträchtigen, indem sie zum Beispiel einen einseitig antizipierten Beweisverzicht des Verbrauchers stipulieren, stellen eindeutig eine unangemessene Benachteiligung dar.52
bb) USA
(1) Doctrine of unconscionability und public policy-Kontrolle\smallskip
Im US-amerikanischen Schiedsrecht regelt § 2 FAA abschließend53 die Grenzen der Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen. Auf Grund betonter Gleichwertigkeit mit anderen Verträgen54 lässt der Supreme Court als absolute Unwirksamkeitsgründe nur solche des allgemeinen Vertragsrechts wie Täuschung, Nötigung oder Sittenwidrigkeit zu (doctrine of unconscionability).55 Daneben wird auch eine public policy-Kontrolle vorgenommen, die sich in ihrem Anwendungsbereich teilweise mit der doctrine of unconscionability
35 Bělohlávek (Fn. 20), S.55f.; Galanter, 9 Law & Soc’y Rev. (1974), 95, 97.
36 Ontiveros v. DHL Express (USA), Inc., 79 Cal. Rptr. 3d 471, 480-82 (Cal. Ct. App. 2008).
37 Rent-A-Center, West, Inc. v. Jackson, 561 U.S. 63 (2010).
38 Ibid., 66f.
39 Ibid., 72f.
40 Versuche solch eine Geschäftspraxis anzugreifen werden als „nothing more than an expression of a judicial hostility to arbitration” bezeichnet, vgl. Malone v. Superior Court, 173 Cal. Rptr. 3d 241, 255 (Cal. Ct. App. 2014).
41 Weswegen sie als vorformuliert gilt, Basedow, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch7, 2016, § 305 BGB Rn. 13ff.
42 Duve/Sattler (Fn. 30), 81, 98.
43 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klauselrichtlinie).
44 Vgl. Anhang zur Klauselrichtlinie, Buchstabe q.
45 Wurmnest, in: MüKo BGB (Fn. 41), § 307 Rn. 24ff.
46 BGHZ 162, 9, 13.
47 Ibid., S.16.
48 EuGH, C-40/08 – Asturcom, EuGHE I 2009, 9579, 9613, Rn. 13; EuGH, C-168/05 – Mostaza Claro, EuGHE I 2006, 10421, 10448, Rn. 36.
49 EuGH, Asturcom (Fn. 48), Rn. 59.
50 BGHZ 159, 207, 212; 162, 9, 16.
51 Vgl. Schwab/Walter (Fn. 6), Kap. 5 Rn. 14.
52 Duve/Sattler (Fn. 30), 81, 103.
53 Schmitz, 10 Loy. U. Chi. Int’l. L. Rev. (2012), 81, 85.
54 Buckeye Check Cashing, Inc v. Cardegna., 546 U.S. 440, 443 (2006).
55 Rent-A-Center, West, Inc. v. Jackson, 561 U.S. 63, 66 (2010).
überschneidet und die auf Benachteiligungen Anwendung findet, die von der doctrine nicht eindeutig erfasst sind.56
(2) Private regulations on arbitration\smallskip
Darüber hinaus gibt es auch private Schiedsinstitutionen, die aus Eigeninitiative einen Schiedsprozess mit Verbrauchern an besondere Voraussetzungen knüpfen. Schiedsvereinbarungen, die die betreffende Institution auswählen, aber deren designiertes Verfahren nicht deren Voraussetzungen entspricht, sollen abgelehnt, beziehungsweise auf Druck der Institution im Sinne der Leitlinien angepasst werden.57
Am weitesten verbreitet ist wohl das Consumer Due Process Protocol (CDPR) der American ArbitrationAssociation (AAA), der größten US-amerikanischen Schiedsinstitution. Es stellt bestimmte prozessuale Mindeststandards auf, denen ein Schiedsverfahren mit Verbraucherbeteiligung genügen muss.58 Passend dazu erschienen auch Consumer Arbitration Rules,59 die in einem von der AAA begleiteten Verbraucherverfahren Anwendung finden sollen.
cc) Nähere Betrachtung der Gestaltungsmöglichkeiten
Im Folgenden sollen die drei relevantesten Ausgestaltungsmöglichkeiten von Schiedsklauseln auf ihre Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht in den zwei Jurisdiktionen unter Einbeziehung privater Schiedsinstitutionen untersucht werden.
(1) Kosten\smallskip
Kosten, die bei einem Schiedsverfahren für einen Verbraucher entstehen, können seinen Zugang zum Rechtsschutz erheblich erschweren und den Justizgewährungsanspruch vereiteln.60 Diese Beobachtung hat im US-amerikanischem Recht unter dem Ausdruck prohibitive costs Niederschlag gefunden.61
In den USA ist es anerkannt, dass Schiedsvereinbarungen, die mit prohibitive costs einhergehen, den Rechtsschutz des Verbrauchers vereiteln können und deswegen unconscionable sind.62 Auch, wenn verschiedene Ansätze in den unterschiedlichen Gerichten existieren,63 werden doch in die Prüfung meist die Vermögensverhältnisse des Verbrauchers und der voraussichtliche Kostenunterschied zwischen einem hypothetischen Gerichts- und dem tatsächlichen Schiedsverfahren miteinbezogen.64
Auf Ebene der privaten Schiedsinstitutionen deckelt die AAA die Kosten, die einem Verbraucher in einem Schiedsprozess auferlegt werden können generell auf US\$ 200.65
In Deutschland kann mangels einer vergleichbaren Fülle an Jurisprudenz zu diesem Thema, eine Gegenüberstellung nur mit Gerichtskosten erfolgen.66 Dabei kann festgehalten werden, dass grundsätzlich die erwartete Kostenhöhe für den Verbraucher die Summe, die bei einem vergleichbaren staatlichen Gerichtsprozess anfällt, nicht übersteigen sollte.67 Insbesondere wurde in einem der seltenen Prozesse zu diesem Thema eine Klausel für ungültig erklärt, in der die Kosten unabhängig vom realen Streitwert auf einen hohen Pauschalmindestwert angesetzt wurden.68
(2) Tagungs- und Schiedsort\smallskip
Ein weit entfernter Tagungsort kann den Verbraucher vor allem bei geringen Streitwerten davon abhalten seine Rechte geltend zu machen.
In den „Subway“-Fällen69 in Deutschland entschieden die Oberlandesgerichte, dass eine Schiedsvereinbarung, die einen Tagungsort in New York vorsieht, den Franchisenehmer grob benachteilige; dies gelte umso mehr, da mit der Rechtswahl eines „exotischen“ Rechts der Justizgewährungsanspruch des Franchisenehmers faktisch vereitelt werde.70 Mithilfe eines argumentum a fortiori lassen sich diese Wertungen auf Grund des noch stärkeren strukturellen Ungleichgewichts auch auf Verbraucher übertragen.71
Im US-amerikanischen Recht werden die Prinzipien, die für die Unwirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen entwickelt wurden, auch auf Schiedsvereinbarungen angewandt.72 Diese sind daher unwirksam, wenn sie unreasonable sind und damit der Anspruch auf rechtliches Gehör außer Kraft gesetzt wird.73 Ein U.S. District Court entschied, dass nach kalifornischem Recht ein Schiedsort in Denver zu weit entfernt von dem Wohnort der Verbraucher in Santa Cruz sei74 und deswegen ihren Justizgewährungsanspruch verletze.75
(3) Rechtswahl\medskip
Es ist anerkannt, dass die Parteien frei darin sind das anwendbare Recht festzulegen. Dabei ist es möglich verbraucherschutzrechtliche Bestimmungen zu umgehen, sofern diese in der jeweiligen Rechtsordnung keine Eingriffsnormen darstellen. Dadurch, dass die Rom I-VO76 nicht auf Schiedsvereinbarungen Anwendung findet, wird überwiegend geschlussfolgert, dass das europäische Kollisionsrecht
56 Niedermaier, Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen, 2013, S. 224.
57 Weidemaier, 40 Creighton L. Rev. (2007), 655, 662.
58 Empirische Studie vgl. Drahozal/Zyontz, 79 Tenn. L. Rev. (2012), 289.
59 Die DIS hat keine besonderen Regeln für den Schiedsprozess mit Verbrauchern.
60 Train, Rev. Arb. 2012, 267, 271.
61 Budnitz, 67 Law & Contemp. Probs.(2004), 133, 135.
62 Der Supreme Court erkennt an, dass „the existence of large arbitration costs could preclude a litigant (…) from effectively vindicating her (…) rights in the arbitral forum”, Green Tree Financial Corp.-Alabama v. Randolph, 531 U.S. 79, 90f. (2000).
63 Bales/Eviston, 42 U.Tol. L. Rev. (2011), 903, 904..
64 Bradford v. Rockwell Semiconductor Systems, Inc., 238 F.3d 549, 556 (4th Cir. 2001).
65 AAA Consumer Arbitration Rules: Costs of Arbitration, 2016, S. 1.
66 Im gerichtlichen Prozess muss ein Verbraucher in Deutschland nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 34 GKG Abs. 1 bei einem Streitwert von 500 € mit 35€ Gerichtsgebühr und bei 5000 € mit 121 € rechnen.
67 Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 936.
68 AG Dortmund 10.11.2006, JurionRS 2006, 35320 Rn. 22.
69 OLG Schleswig 26.9 2013, BeckRS 2013, 21955; OLG Celle 4.12.2008, IPRspr 2008, Nr. 207, 658; OLG Bremen 6.10.2008, NJOZ 2009, 1188; OLG Dresden 7.12.2007, IPRax 2010, 241.
70 So z.B. OLG Celle 4.12.2008, IPRspr 2008, Nr. 207, 658, 660.
71 OLG Celle 4.12.2008, IPRspr 2008, Nr. 207, 658, 660.
72 Niedermaier (Fn. 56), S. 210.
73 M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 12f. (1972).
74 Ca. 2000 Kilometer.
75 Wilmot v. McNabb, 269 F.Supp.2d 1203, 1211 (N.D. Cal. 2003).
76 Art. 1 Abs. 2 lit. e Rom I-VO.
mitsamt seiner verbraucherschützenden Schutzvorschrift in Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO im Schiedsprozess keine direkte Anwendung findet.77
Das OLG München bemaß eine Vereinbarung, durch welche ein Schiedsgericht mit Schiedsort in Kalifornien nach kalifornischem Recht entscheiden sollte, für unwirksam, da es die Gefahr der Umgehung zwingenden Unionsrechts sah.78
Nach der prospective waiver doctrine des Supreme Court, die auf public policy Erwägungen fußt,können Vereinbarungen, die (womöglich)79 statutory rights ausschließen, für unwirksam befunden werden.80\smallskip
c) Auswirkungen
In den entscheidenden Punkten sichern sowohl das US-amerikanische als auch das deutsche System der Inhaltskontrolle die Einhaltung von bestimmten prozessualen sowie materiellrechtlichen Mindestanforderungen, die einer Benachteiligung des Verbrauchers entgegenwirken sollen. Auch trotz der Zulässigkeit von Kompetenz-Kompetenz-Klauseln in den USA gibt es auch dort Mechanismen, die den Verbraucher schützen sollen. Dies erfolgt insbesondere durch den komplementären Ansatz von privaten Regelungen in den USA, der in Verbindung mit der doctrine of unconscionability und der public policy-Kontrolleein relativ wirkungsvolles Netz an Verbraucherschutz schafft. Gemeinsam haben beide Jurisdiktionen, dass Schiedsvereinbarungen für zukünftige Streitigkeiten wirksam sind – ein schiedsfreundlicher Ansatz, der durchaus nicht der Standard im internationalen Vergleich ist.81
Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass der gerichtliche Schutz, der Verbrauchern in den USA geboten wird, den Bestimmungen in Deutschland kaum nachsteht – diese These taugt daher nicht, die größere Verbreitung von Verbraucherschiedsverfahren in den USA zu erklären.
4. Wirtschaftlich vorteilhafte Verfahrensgestaltung
Die letzte These, die aufgestellt und überprüft werden soll, lautet, dass für die Unternehmen in den USA ein ökonomischer Anreiz herrscht, ihre Streitigkeiten mit Verbrauchern vor einem Schiedsgericht auszutragen, da sie hierbei das Verfahren nach ihren Vorstellungen modellieren können.\smallskip
a) USA
aa) Class action waivers
Eine der besonders hitzig diskutierten Facetten der US-amerikanischen Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit sind die class action waivers mit denen in den USA eine Vielzahl von Schiedsvereinbarungen verknüpft werden. Vereinfacht dargestellt ermöglichen es diese Klauseln Unternehmen, einen kostspieligen Sammelklagenprozess zu umgehen, was im Folgenden untersucht werden soll.
(1) Class action/class arbitration\smallskip
Die class action hat in den Vereinigten Staaten seit jeher eine hohe Bedeutung. Gemäß Rule 23 Federal Rules of Civil Procedure können sich Personen unter bestimmten Voraussetzungen zusammenfinden und ihr Rechtsbegehren gemeinsam verfolgen. Der Kläger handelt dabei sowohl in eigenem als auch – als class representative – in Namen der class. Jeder, der objektiv von dem geltend gemachten Schaden betroffen ist, wird Klagepartei, wenn er nicht aktiv aus dem Verfahren ausscheidet.82
Solch eine class action ist aber nicht nur vor den staatlichen Gerichten denkbar: In den USA wird von vielen Seiten erwogen, eine class action als class arbitration auch vor Schiedsgerichten zuzulassen.83 Da jedoch noch nicht abschließend geklärt ist, ob class actions in das Schiedsverfahren übertragen werden können,84 enthalten mittlerweile über 90% der Schiedsvereinbarungen in den USA zur Absicherung einen class action waiver.
(2) Die Schlüsselrolle des FAA – Die Supreme Court Entscheidungen im Fokus\smallskip
In jüngster Zeit kam der Supreme Court nicht umhin, sich mit der Zulässigkeit besagter class action waiver zu beschäftigen und urteilte besonders schiedsfreundlich.
Zuerst85 hatte der Supreme Court zu beurteilen, ob einzelstaatliches Recht die Wirksamkeit einer Schiedsklausel davon abhängig machen darf, dass den Parteien die Möglichkeit einer Sammelklage zur Verfügung steht.86
Das Gericht, dass sich in der unteren Instanz damit befasste, urteilte, dass unter kalifornischem Recht eine Schiedsklausel, die mit einem class action waiver kombiniert worden ist, unter bestimmten Voraussetzungen unconscionable und daher unwirksam sei,87 was zur Aufhebung der Schiedsvereinbarung im konkreten Fall führe.
Der U.S. Supreme Court hob die Entscheidung mit einer knappen Mehrheit von 5:4 Stimmen auf, da die aufgestellten Kriterien eine Diskriminierung von Schiedsverträgen gegenüber anderen Verträgen darstellen würden. Auch wenn die doctrine of unconscionability in ihren Grundzügen von § 2 FAA erfasst sei, so sei diese durch die kalifornische Rechtsprechung einseitig zulasten von Schiedsvereinbarungen88 eingesetzt worden, indem ihre Wirksamkeit an den Zugang zur class arbitration geknüpft wurde.89
77 Übersicht bei Grimm, SchiedsVZ 2012,189ff. AA vertritt insbesondere Mankowski, RIW 2011, 30ff.
78 OLG München 17.5.2006, IPRax 2007, 322, 323-324.
79 Vgl., Thomas v. Carnival Corp., 573 F.3d 1113, 1123 (11th Cir. 2009).
80 Thorn, in: Strukturelle Ungleichgewichtslagen in der internationalen Streitbeilegung: Symposium in Gedenken an Bernd von Hoffmann, 2016, 131, 159f.
81 Neben Österreich sind auch in Ungarn nach Rechtsprechung des Obersten Gerichts formularmäßig vereinbarte Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern unwirksam, vgl. Nagy, 32 Arb. Int. (2016), 287ff.
82 Dies wird als opt-out Prinzip bezeichnet.
83 Cole/Frank, 15 Disp. Resol. Mag. (2008/2009), 30ff.
84 Niedermaier (Fn. 56), S. 119 m.w.N.
85 AT&T Mobility LLC v. Concepcion, 131 S.Ct. 1740 (2011).
86 Niedermaier (Fn. 56), S. 214.
87 Laster v. AT&T Mobility LLC, 584 F.3d 849 (9th Cir. 2009).
88 Dabei sollen Schiedsverträge nicht anders behandelt werden als andere Verträge, vgl. Buckeye Check Cashing, Inc v. Cardegna., 546 U.S. 440, 443 (2006).
89 AT&T Mobility LLC v. Concepcion, 131 S.Ct. 1740, 1748. (2011).
In weiteren Urteilen bekräftigte der Supreme Court seine Linie, indem er urteilte, dass ein class action waiver auch dann wirksam sein kann, wenn die Kosten eines Individualschiedsverfahrens für den einzelnen Kläger den Streitwert des Verfahrens übersteigen90 und, dass selbst wenn explizit ein bundesstaatliches Recht unter dem class action waiver unwirksam sind zur Anwendung komme, eine solche Unwirksamkeit einen Verstoß gegen das FAA darstelle, weswegen sich das FAA in einem solchen Aspekt durchsetze.91
Diesen Urteilen lässt sich deutlich die schiedsfreundliche Leitlinie des Supreme Court entnehmen: Der FAA wird über (fast) alles andere Recht erhoben.
bb) Sonstige prozessbedingte Vorteile für arbitration clauses
(1) Jury-Trial
In den USA haben Parteien in den meisten Zivilverfahren den Anspruch auf einen Jury-Trial.92 Von Seiten vieler Unternehmen wird erwartet, dass Jurys, welche einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden,93 dem Verbraucher, als vermeintlich schwächerer Partei geneigter sind.94 Deswegen gibt es Bestrebungen dem Jury-Trial auszuweichen. Die Gerichte unterstützen diese Linie seit jeher dadurch, dass sie an einen Jury-Trial waiver keine besonderen Voraussetzungen stellen.95
(2) Punitive damages
Des Weiteren haben die Gerichte in den USA die Befugnis Beklagte zur Zahlung von Strafschadenersatz (punitive damages) zu verurteilen.96 Da auch Schiedsgerichten überwiegend die Befugnis zur Verhängung von punitive damages zugesprochen wird,97 gibt es Versuche, Strafschadensersatz vertraglich entweder explizit auszuschließen oder ein Recht zu wählen, welches keine punitve damages kennt.98
Auch wenn eine Schiedsvereinbarung punitive damages nicht vollständig ausschließen kann, schließen Unternehmen eine Schiedsklausel in der Hoffnung ab, dass Schiedsrichter, wenn überhaupt, einen vergleichsweise niedrigen Strafschadenersatz anordnen, da sie nach dem repeat player effect ein Interesse daran haben, von dem Unternehmen wieder gewählt zu werden.99
(3) Discovery
Ein weiterer ökonomischer Vorteil ist die Möglichkeit, die kosten- und zeitintensive pre-trial discovery zu reduzieren.100 Dieses Verfahrensinstrument gewährt im US-amerikanischen Zivilprozess weitreichende Informationsansprüche gegenüber der Gegenpartei und Dritten.101
Der FAA sieht keine pre-trial discovery vor. Er räumt dem Schiedsgericht in § 7 FAA einzig eine beschränkte sub poena power zu, mit der Vorladungen unter Strafandrohung erzwungen werden können.102 Alles weitere steht im Ermessen der Parteien, die den Umfang des discovery Prozesses im Sinne eines unkomplizierten und kostengünstigen Schiedsverfahren reduzieren können.103
b) Vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten in Deutschland
In Deutschland führt schon die Gestaltung des Zivilprozesses vor den ordentlichen Gerichten, der weder teure Sammelklagen noch umfangreiche Beweisdarlegungen vor Verfahrensbeginn, ein jury trial System oder einen generellen Strafschadensersatz kennt,104 dazu, dass ökonomische Einsparungsmöglichkeiten durch Schiedsverfahren nicht in vergleichbarem Umfang in Betracht kommen.
5. Bewertung des Einflusses auf die Rechtspraxis
Während der Aufwand für die Einbeziehung von Schiedsklauseln und das erweiterte Portfolio an Streitgegenständen durchaus für die Diskrepanz mitverantwortlich sind, spielt die gerichtliche Kontrolle, abgesehen von der Verbreitung von delegation clauses, nach den Ergebnissen dieser Analyse eher eine untergeordnete Rolle. In den USA und Deutschland ist der Verbraucher im Großen und Ganzen ähnlich vor unfairen Geschäftspraktiken geschützt, die ihm seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verwehren könnten.
Mithin sind die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten des Schiedsverfahrens im Vergleich zum Zivilprozess in den USA, die den ökonomischen Anreiz setzen darauf auszuweichen, entscheidend. Im Gegensatz zu Deutschland kreiert dies ein Eigeninteresse das Verfahren möglichst verbraucherfreundlich hinsichtlich des Schiedsorts und der Kosten zu gestalten, wenn dies ermöglicht, andere teurere und aufwändigere Nachteile des US-amerikanischen Zivilprozesses auszuschließen.
C. Zukünftige Tendenzen in der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit
I. Deutschland
Das auf der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (AS-RL 2013/11) beruhende Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) wird auf die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit in Deutschland keinen Einfluss haben, weil solche Verfahren von dem Anwendungsbereich ausgeschlossen wurden in § 5 Abs. 2 VSBG.
90 American Express Co. v. Italian Colors Restaurant, 133 S.Ct. 2304, 2311 (2013).
91 DIRECTV, Inc. v. Imburgia, 136 S.Ct. 463, 470 (2015).
92 7. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten (US Const., amend. VII.).
93 Yeazell, Civil Procedure, S. 546f.
94 Ware, 2001 J. Disp. Resol., 89, 90.
95 Berkovitz v. Arbib & Houlberg, Inc., 130 N.E. 288, 291 (N.Y. 1921); Ware, 67 Law & Contemp. Probs. (2004), 167, 205.
96 Dobbs, Law of Remedies, S.456f.
97 Stipanowich, 92 Nw. U.L. Rev. 1, 1,11f.
98 Die Wahl eines Rechts ohne punitive damages schließt nicht zwangsläufig die Kompetenz eines Schiedsgerichts aus solche zuzusprechen, vgl. Mastrobuono v. Shearson Lehman Hutton, Inc., 514 U.S. 52, 64 (1995).
99 Drahozal/Friel, 71 (2) Arbitration (2005), 131,138.
100 Yeazell, Civil Procedure, S. 407.
101 Niedermaier (Fn. 56), S. 117.
102 Carrington/Haagen, 1996 Sup. Ct. Rev. 331, 336, 348.
103 Niedermaier (Fn. 56), S. 217.
104 Zirngibl, Rechtsschutz, S. 110f.
II. USA
Auch in den USA wird über Reformen des Verbraucherschiedsgerichtsbarkeitswesens nachgedacht. Das US-amerikanische Bureau of Consumer Financial Protection (CFPB) hat im Anschluss an eine Studie zu pre-dispute arbitration agreements105 vorgeschlagen solche Klauseln nur zu erlauben, wenn sie nicht mit einem class action waiver verbunden sind.106
Auch wurde in der Politik mehrmals versucht Reformen anzustoßen: Der aktuellste Versuch ist der „Arbitration Fairness Act“ (AFA) vom 29. April 2015, der pre-dispute arbitration agreements im Verbraucherrecht sowie delegation clauses verbieten sollte, im Kongress aber nicht weiter beachtet wurde.107
Seit der Präsidentschaftswahl scheint sich dieser Trend jedoch wieder umzukehren. Die neue Regierung will den Dodd-Franc Act in erheblichen Teilen einschränken und dem CFBP einen Großteil seiner Kompetenzen rauben.108
III. Bewertung der Tendenzen
Sieht man sich die aktuellen Tendenzen in Europa und den USA an, so wird eine gewisse Skepsis gegenüber der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit deutlich. Es scheint, als sei die Euphorie, die in den Vereinigten Staaten lange herrschte, verflogen, auch wenn dies mit den neusten Entwicklungen wieder umgekehrt werden soll.
Es darf auch nicht verdrängt werden, dass seit einigen Jahren die Rechtsprechungslinie des Supreme Court, mit vereinzelten kritischen Stimmen,109 äußerst schiedsfreundlich ausfällt. Relevant ist aber auch, dass mit Justice Scalia einer der stärksten Befürworter der schiedsfreundlichen Linie des Supreme Court Anfang 2016 verstorben ist.110 Darüber wie sich der von den Republikanern ausgewählte Justice Gorsuch einbringen wird, kann an dieser Stelle nur gemutmaßt werden.
In Deutschland scheint bei Förderung alternativer Streitbeilegung der Fokus nicht auf der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit zu liegen, weswegen in absehbarer Zeit nicht mit einem Anstieg der Aufmerksamkeit zu rechnen ist.
D. Rechtspolitische Bewertung der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit
In diesem abschließenden Teil soll erörtert werden, ob ein weiterer Ausbau der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit rechtspolitisch überhaupt wünschenswert ist.
Dafür muss zuerst erörtert werden, was die Anziehungskraft der Handelsschiedsgerichtsbarkeit unter Kaufleuten ausmacht.
Sie soll schneller und günstiger sein als der gesamte Instanzenzug vor staatlichen Gerichten, Schiedsrichter können für komplexe Entscheidungen ausgewählt werden, die mit neutralem Recht auf neutralem Boden verbindlich die Streitigkeit mit einem international vollstreckbaren Schiedsspruch beenden sollen und all das unter Ausschluss der Öffentlichkeit.111
Gilt das auch bei Teilnahme von strukturell unterlegenen Verbrauchern? Besteht noch das Interesse an einem schnellen und kostengünstigen Verfahren, so decken sich die übrigen Vorteile nicht zwingend mit seiner Interessenlage. Auch schon die Kosten- und Zeitvorteile treten streng genommen nur bei Ausschöpfung des vollen Instanzenzugs in Erscheinung, während das Verfahren innerhalb einer Instanz, zumindest in Deutschland, mindestens genauso effizient ist, wie ein Schiedsverfahren.112 Weiterhin besteht für einfache verbraucherrechtliche Fragen mit geringem Streitwert kein Bedarf, einen besonderen Schiedsrichter auszuwählen. Auch ein neutrales Recht und ein neutraler Schiedsort entsprechen nicht dem Interesse des durchschnittlichen Verbrauchers, der es vorziehen würde, so nah wie möglich an seinem allgemeinen Wohnsitz eine Streitigkeit in seinem eigenen Recht und seiner eigenen Sprache zu führen. Es muss sich vergegenwärtigt werden, dass ein rechtlicher Konfliktfall den Verbraucher immer aus seinem privaten Umfeld herausreißt und nicht wie bei Unternehmern im geschäftlichen Kontext auftritt. Auch die besondere Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens dient weder dem Verbraucher noch dem Rechtsstaat. Verbraucherstreitigkeiten betreffen meist, im Gegensatz zu hochspeziellen handelsrechtlichen Sachverhalten, Rechtsfragen, die für eine Vielzahl von Verbrauchern relevant sein können. Insbesondere werden bestimmte unfaire Geschäftspraktiken auf diese Weise nicht aufgedeckt, da das Schiedsgericht einen Streit bloß entscheidet, aber nicht öffentlichkeitswirksame, faktisch verbindliche Präzedenzwirkung schaffen kann, wie dies zum Beispiel bei einem Urteil des BGH der Fall ist, und damit nicht der Rechtsfortbildung dienen kann.113
Weswegen ist dann die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit für Unternehmer ansprechend? Sollte wirklich der einzige Grund sein, dass sie dadurch für sich vorteilhafte Ergebnisse erzielen können, sei es dadurch, dass der Schiedsrichter ihnen nach dem repeat player effect wohlgesonnen ist oder, dass Verstöße gegen Verbraucherrecht, welches nicht zum ordre public gehört,ungeahndet bleiben, so ist dies keine rechtspolitisch billigenswerte Motivation. Sind solche Auswirkungen bei unverbindlichen Streitentscheidungsmechanismen, die den Rechtsweg für den Verbraucher nicht beschränken, noch zu verkraften, da sie zu einer gütlichen Einigung führen können, so kann es bei einem Verfahren mit verbindlichen Ausgang nicht sein, dass das im staatlichen Gerichtswesen sorgfältig errichtete Netz an Schutzvorschriften durch eine „Flucht in die Schiedsgerichtsbarkeit“114 umgangen werden kann.
105 CFPB Arbitration Study (Fn. 21), 2015.
106 Proposed 1040.4(a)(1).
107 AFA 2015.
108 NY Times 8.6.2017, http://tinyurl.com/ycurwngj, zuletzt abgerufen: 10.6.2017.
109 DIRECTV, Inc. v. Imburgia, 136 S.Ct. 463, 471ff. (2015) (Ginsburg, R., dissenting).
110 NY Times 13.2.2016, http://tinyurl.com/ydb9j9ek, zuletzt abgerufen: 10.6.2017.
111 Eine Übersicht über die Vorteile bietet Schwab/Walter (Fn. 6), Kap. 1 Rn. 8.
112 Keller/Netzer, BB 2013, 1347, 1351.
113 Rechtsfortbildung im Schiedsverfahren, Gaier, NJW 2016, 1367, 1369f.
114 Callies, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge: Rechtssicherheit und Gerechtigkeit auf dem elektronischen Weltmarkt, 2006, S. 254.
An dieser Stelle soll nicht ausgeschlossen werden, dass es auch Situationen gibt, in denen ein Schiedsverfahren eine sinnvolle Lösung für die Beilegung eines Verbraucherstreitfalls darstellt. Als Standard für die Streitbeilegung zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher eignet sich die Schiedsgerichtsbarkeit in ihrer Reinform aber nicht.
Es wäre möglich die Schiedsgerichtsbarkeit so umzugestalten, dass sie den selben Schutzstandard bieten würde, wie ein gerichtliches Verfahren. Man könnte eine révision au fond einführen und die europäischen Verordnungen des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts mitsamt ihren Schutzvorschriften auf Schiedsverfahren ausweiten oder die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit ähnlichen Mechanismen unterwerfen. Jedoch nähme eine solche Gestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit ihre Effektivität und ökonomischen und zeitlichen Vorteile, die sie von der ordentlichen Gerichtsbarkeit abhebt. Das Schiedsgericht würde zu einem „privaten Amtsgericht“ verkommen. Solch eine Lösung ist nicht ideal und würde die Schiedsgerichtsbarkeit in Verbraucher- und Handelsschiedsgerichtsbarkeit trennen, wäre aber allemal besser als eine pauschale Ausweitung der Handelsschiedsgerichtsbarkeit auf Verbrauchersachen.
Die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit ist eine Chimäre. Es zeigt sich, dass die Schiedsgerichtsbarkeit ihrem Wesen nach nicht dafür konzipiert ist Verbraucherstreitigkeiten zu lösen. Deshalb muss sie entweder angepasst und damit „verstümmelt“ werden oder sie sollte einfach dableiben, wo sie herkommt und auch besser aufgehoben ist: Im Geschäftsverkehr.