Der Fall Zapp

von Philipp Renninger*

A. Einleitung: Der Fall Zapp

Der emeritierte Freiburger Kanonist Hartmut Zapp erklärte am 05.07.2007 vor dem Standesamt seines Wohnorts Staufen im Breisgau den Austritt aus der Religionsgemeinschaft „€žrömisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes“€œ1 gem. § 26 Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg (KiStG). Hintergrund war seine Überzeugung, der staatlich-rechtliche Austritt habe (eo ipso) keine innerkirchlichen Konsequenzen und die in den deutschen Diözesen geübte „€žRechtspraxis der Umdeutung des Körperschafts- in einen „€šKirchenaustritt“€˜“€œ2 verstoߟe gegen kanonisches Recht. In einem Rechtsstreit, den das betroffene Erzbistum Freiburg gegen die Stadt Staufen anstrengte, hatten das VG Freiburg, der VGH Baden-Württemberg und letztlich das BVerwG zu klären, ob die Formulierung Zapps einen verbotenen Zusatz i.S.d. § 26 I 2 Hs. 2 KiStG darstellte. Insbesondere das BVerwG diskutierte, ob sie als „€žmodifizierte Kirchenaustrittserklärung“€œ aufzufassen sei, und erörterte dabei allgemein die staatskirchenrechtliche Zulässigkeit jener Formulierungen, die zum Ausdruck bringen, dass für den innerkirchlichen Bereich ein Austritt nicht gewollt ist,3 und meist dazu dienen sollen, die staatlich-rechtliche Kirchensteuerpflicht zu umgehen, aber die innerkirchlichen Mitgliedsrechte zu erhalten.4 Das BVerwG knüpfte damit an einen Streit an, der zwischen 1970 und 1980 in Literatur und Rechtsprechung gefochten wurde, 1979 bereits vor das BVerwG getragen wurde und ab 2006 wieder aufflammte.

Ein modifizierter Austritt ist theoretisch denkbar, da sich die staatlich-rechtliche Austrittserklärung nur auf Wirkungen im „€žekklesiologisch notwendig farbenblinden“€œ5 staatlichen Recht richtet.6 Ihre allfälligen kirchenrechtlichen Folgen werden allein von den Kirchen7 bestimmt,8 da die Mitgliedschaftsregelung deren „€žeigene Angelegenheit“€œ9 und somit Teil des Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 137 III WRV ist. Das Kirchenrecht kann folglich einen modifizierten Austritt zulassen, indem es keine negativen Rechtsfolgen an die staatliche Austrittserklärung knüpft. Es sei also zuerst ein Blick auf die jeweilige innerkirchliche Rechtslage geworfen.

B. Kirchenrechtliche Grundlagen

I. Katholisches Kirchenrecht

Beim Erlass innerkirchlichen Mitgliedschaftsrechts sind die Kirchen nach h.M. nicht an staatliches (Verfassungs-)Recht gebunden.10 Daher ist nach h.M. auch zulässig, dass die katholische Kirche Personen gegen deren Willen innerkirchlich als Mitglieder behandelt.11 So bestimmt c. 849 CIC, dass die Taufe einen character indelebilis (untilgbares Prägemal) verleihe.12 Semel catholicus, semper catholicus:13 Ein Getaufter kann aus der Kirche weder austreten noch ausgeschlossen werden, sondern nur in seinen Mitgliedsrechten beschränkt werden.14

Umstritten ist daher, welche innerkirchlichen Folgen die staatlich-rechtliche Austrittserklärung zeitigen kann. Eine groߟe Debatte löste ein Antwortschreiben des Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte (PCLT) 2005 an den Diözesanbischof von Rottenburg-Stuttgart und insbesondere das daran anknüpfende, von Papst Benedikt XVI. approbierte Rundschreiben des PCLT 2006 an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen aus. Laut diesen setzte ein „€žactus formalis defectionis ab Eccclesia catholica„€œ (cc. 1086 § 1, 1117, 1124 CIC, mittlerweile aufgehoben15) im kanonischen Eherecht voraus: eine innere Austrittsentscheidung, deren äuߟere Manifestation durch Erklärung gegenüber der zuständigen kirchlichen Autorität sowie die Prüfung durch letztere, ob Wille und Erklärung übereinstimmen.16 Ein Austritt allein „€žrechtlich-administrativen Charakter[s“€œ genüge dafür nicht, da „€žder Wille zum Verbleib in der Glaubensgemeinschaft bestehen bleiben könnte“€œ.17 Einige Kirchenrechtler folgerten daraus, dass der Austritt nach staatlich deutschem Recht


* Der Autor ist Student der Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

1 VG Freiburg, KirchE 54 (2009), 32.

2 Zapp, KuR 2007, 66, 77.

3 BayVGH, KirchE 15 (1975/76), 190, 194.

4 Kuntze, ZevKR 58 (2013), 101.

5 Barion, in: FS C. Schmitt, 1959, S. 1, 30.

6 Rieder, Staat und Kirche nach modernem Verfassungsrecht, 1928, S. 135 f.; Mikat, in: FS Nottarp, 1961, S. 197, 208 f.

7 Aus Gründen der Praktikabilität wird im Folgenden der Terminus „€žKirchen“€œ verwendet anstelle von „€žReligions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 V WRV innehaben“€œ.

8 BVerfG, KirchE 12 (1971/72), 101, 110; Hollerbach, in: Kasper (Hrsg.), Christsein ohne Entscheidung oder soll die Kirche Kinder taufen?, 1970, S. 225, 231.

9 Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, 1956, S. 69; Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966, S. 110.

10 Engelhardt, Die Kirchensteuer in der Bundesrepublik Deutschland, 1968, S. 95; Pirson, in: FS Ruppel, 1968, S. 277, 297; Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, 2004, S. 112; a.A. Mess, AöR N.F. 10 (1926), 1, 4: „€žinnerhalb des Satzungsbereichs bürgerlicher Vereine“€œ; a.A. für eine Bindung an Verfassungsrecht anscheinend BVerwG, KirchE 7 (1964/65), 218, 222; Bock, ZevKR 42 (1997), 319, 326.

11 Siehe nur Haߟ, Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft nach evangelischem und katholischem Kirchenrecht, 1997, S. 56; a.A. Mess, AöR N.F. 10 (1926), 1, 8, der hierin einen ܜbergriff in das Selbstbestimmungsrecht des Staates“€œ sieht.

12 Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, I. Band, 1964, S. 176; Muckel, JZ 2009, 174.

13 Zumbült, KuR 2010, 176, 178, 180.

14 Krämer, Stimmen der Zeit 225 (2007), 44, 53; Bier, Herder Korrespondenz 66 (2012), 551.

15 Durch das Motu Propio „€žOmnium in mentem“€œ vom 26.10.2009, L“€˜Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 25 (25.06.2010), S. 9.

16 Antwortschreiben vom 03.05.2005, AKathKR 174 (2005), 171, 172; Rundschreiben vom 13.03.2006, Communicationes 38 (2006), 175-177, zit. nach: Bier (Hrsg.), Der Kirchenaustritt, 2013, S. 15, 16 f.

17 Beide Zitate: Rundschreiben vom 13.03.2006 (Fn. 16), S. 15, 16.

Renninger, Der Fall Zapp (BLJ 2015, 21)22

entgegen der bisher h.M.18 nicht automatisch Apostasie, Häresie oder Schisma darstelle, also nicht die Tatstrafe der Exkommunikation nach sich ziehe.19 Motive und persönliche Schuld müssten im Einzelfall geprüft werden.20

Dem trat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) 2006 mit einer Erklärung zum Austritt aus der katholischen Kirche entgegen. Der staatlich-rechtliche Austritt erfülle zum einen die Voraussetzungen des actus formalis, zum anderen den Tatbestand des Schismas gem. c. 751 CIC und bewirke somit eine Exkommunikation.21 Diese Position revidierte die DBK 2012 in einem Allgemeinen Dekret zum Kirchenaustritt, welches den Austritt nur noch als „€žschwer[e Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft“€œ22 bezeichnet. Ein schismatischer, häretischer oder apostatischer Akt und somit die Exkommunikation seien nur nach entsprechender Reaktion in einem Wiedereingliederungsgespräch zu bejahen.23 Allerdings führt die Austrittserklärung nun automatisch zu einer weitgehenden Beschränkung innerkirchlicher Mitgliedsrechte,24 was einen modifizierten Austritt nach diesem in Deutschland geltenden kanonischen Partikulargesetz25ausschlieߟt.

II. Evangelisches Kirchenrecht

Anders stellt sich die Ausgangslage in den evangelischen Landeskirchen in Deutschland dar. Hier wird nicht primär zwischen Kirche im staatlichen und im kirchlichen Rechtskreis differenziert, sondern zwischen rechtlich verfasster Partikularkirche und geistlicher ecclesia universalis, die menschlichem Recht unverfügbar sei.26 Die geistliche Gliedschaft an letzterer, mithin am Leib Christi, wird unverlierbar durch die Taufe begründet.27 Die juristische Mitgliedschaft hingegen endet automatisch „€žmit dem Wirksamwerden der nach staatlichem Recht zulässigen Austrittserklärung“€œ28. Deshalb ist ein modifizierter Austritt auch nach evangelischem Kirchenrecht ausgeschlossen.

III. Staatskirchenrecht

Aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen muss der Staat grundsätzlich an deren Mitgliedschaftsrecht anknüpfen. Hierbei ist er allerdings an die Schranke des „€žfür alle geltenden Geset[zes“€œ gem. Art. 137 III 1 WRV gebunden.29 Da insbesondere die katholische Kirche keinen Austritt zulässt, also quasi eine Zwangsmitgliedschaft vorsieht, muss der Staat eigene Austrittsregelungen erlassen.30 Dies folgt aus der negativen Bekenntnisfreiheit gem. Art. 4 I GG,31 der negativen religiösen Vereinigungsfreiheit gem. Art. 4 I, II GG, Art. 137 II WRV und dem vor allem aus Art. 4 I, II GG, Art. 137 I WRV und Art. 137 III WRV hergeleiteten32 Neutralitätsgebot.33 Der Austritt wird von den Bundesländern zumeist in Kirchenaustritts- oder Kirchensteuergesetzen geregelt.34 In 15 Ländern ist die Austrittserklärung vor einer staatlichen Stelle abzugeben, in Bremen hingegen vor einer kirchlichen Behörde.35 Die Austrittsregelungen gelten nur für Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts, da nur hier die Mitgliedschaft öffentlich-rechtliche Folgen zeitigt.36 Für privatrechtlich verfasste Religionsgemeinschaften ist hingegen § 39 BGB einschlägig, und zwar mit verfassungskonform verkürzter Austrittsfrist.37

Ursprünglich enthielten die Austrittsregelungen keinerlei materielle Anforderungen an die Austrittserklärung. Rechtsprechung und Literatur qualifizierten aber von Beginn an einen Austritt unter Bedingungen oder Vorbehalten als unzulässig.38 Auch durfte nach h.M. der Austritt nicht auf einen Teilbereich der staatlich-rechtlichen Wirkungen beschränkt werden.39 Bis heute äuߟerst umstritten ist jedoch, ob modifizierte Austrittserklärungen zulässig sind. Dies beurteilt sich anhand zweier Fragen: Sind Zusätze generell möglich (C.I.)? Wenn ja, dürfen sie zum Ausdruck bringen, dass für den innerkirchlichen Bereich ein Austritt nicht gewollt ist (C.II.)?

C. Positiv-rechtliche Aspekte

I. Verbot jeglicher Zusätze?

1. Entwicklung

Ab Mitte der 1970er Jahre verbot die Mehrzahl der Landesgesetzgeber Austrittserklärungen unter Bedingungen, Vorbehalten, Einschränkungen oder Zusätzen.40 Auߟerdem begannen Teile der Rechtsprechung, etwa der Bayerische


18 Siehe nur Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, III. Band, 1979, S. 424; Primetshofer, in: FS M. Kaiser, 1989, S. 187, 196-199; Listl, in: Listl/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts2, 1999, S. 209, 216-219.

19 Bier, Herder Korrespondenz 60 (2006), 348, 351; Güthoff, in: Güthoff/Haering/Pree (Hrsg.), Der Kirchenaustritt im staatlichen und kirchlichen Recht, 2011, S. 124, 128-130, 136. Bereits zuvor Steinmüller, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 4 (1970), 199, 217; Lüdicke, in: FS S. Ritter,1988, S. 275, 278 f.

20 Hallermann, Una Sancta 53 (1998), 226, 234, 239.

21 Erklärung vom 24.04.2006, ABl. Erzdiözese Freiburg 2006, 349.

22 Dekret vom 24.09.2012 ABl. Erzdiözese Freiburg 2012, 343.

23 Dekret vom 24.09.2012 (Fn. 22), 343.

24 Dekret vom 24.09.2012(Fn. 22), 343; krit. Bier (Fn. 14), 551, 553: „€žAls (Quasi-)Tatstrafe wird eine (Quasi-)Exkommunikation angedroht.“€œ

25 Haering, in: Bier (Hrsg.), Der Kirchenaustritt, 2013, S. 133, 141, 148 f.

26 Link, in: Herzog/Kunst/Schlaich/Schneemelcher (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Band I3, 1987, Spalte 1595, 1596.

27 Stein, Evangelisches Kirchenrecht3, 1992, S. 92; v. Campenhausen, in: Pirson/Listl(Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band2, 1994, S. 755, 768; Ennuschat, ZevKR 55 (2010), 275, 277.

28 § 10 Nr. 3 Kirchenmitgliedschaftsgesetz der EKD vom 10.11.1976, ABl. EKD 1976, 389.

29 V. Campenhausen, in: ZevKR 41 (1996), 129,132 f.

30 Vgl. bereits Hinschius, Staat und Kirche, 1883, S. 234; Rieder (Fn. 6), S. 135.

31 BVerfG, KirchE 12 (1971/72), 101, 107 f.

32 Ehlers, ZevKR 45 (2000), 201, 205.

33 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 18.

34 Löffler, Ungestraft aus der Kirche austreten?, 2007, S. 124 (dortige Fn. 608).

35 Schmal, Das staatliche Kirchenaustrittsrecht in seiner historischen Entwicklung, 2013, S. 268.

36 Löffler (Fn. 34), S. 123.

37 Suhrbier-Hahn, Das Kirchensteuerrecht, 1999, S. 74; v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht4, 2006, S. 120.

38 OLG Oldenburg, KirchE 11 (1969/70), 136, 140.

39 OLG Hamm, KirchE 11 (1969/70), 317, 324 f.; Engelhardt, Der Austritt aus der Kirche, 1972, S. 20; a.A. ein auf Angelegenheiten des Kirchensteuerrechts beschränkter Austritt sei möglich: Obermayer, NJW 1970, 1645; Renck, BayVBl 1976, 468, 469.

40 Auߟer in Brandenburg, Hessen, dem Saarland und Thüringen; s. Suhrbier-Hahn (Fn. 37), S. 73 f.; Löffler (Fn. 34), S. 146 (dortige Fn. 731).

Renninger, Der Fall Zapp (BLJ 2015, 21)23

VGH 1976, nach dem Wortlaut voraussetzungslose Austrittsgesetze i. S. e. Verbots jeglicher Zusätze auszulegen. Beides wurde vom BVerwG 1979 und vom BVerfG 1980 gebilligt; das BVerwG sah 2012 Zusätze gar staatskirchenrechtlich zwingend als ausgeschlossen. Laut den Gerichten dürfe der Staat nicht einmal den Anschein erwecken, er bestätige über die staatliche Sphäre hinaus, der Austritt sei innerkirchlich ohne Bedeutung.41 Ansonsten mischte er sich in innere Angelegenheiten der Kirchen und verletzte damit deren Selbstbestimmungsrecht,42 die korporative Religionsfreiheit gem. Art. 4 I, II GG,43 das Trennungsgebot gem. Art. 137 I WRV44 und das Neutralitätsgebot.45 Der Staat müsse bereits der abstrakten Gefahr von zusatzbedingten Unklarheiten begegnen, was aus dem Prinzip der Rechtssicherheit46 und der aus Art. 137 IV, V WRV hergeleiteten Schutzbedürftigkeit der Kirchen vor unklaren Austrittserklärungen47 folge. Die positive Bekenntnisfreiheit des Austrittswilligen gem. Art. 4 I GG werde „€žallenfalls geringfügig […] beschränkt“€œ48, da er seine Sicht der innerkirchlichen Wirkungen an anderer Stelle hinreichend kundgeben könne.49

2. Kritik

Daran ist einerseits zu bemängeln, dass die Gerichte zu hohe Maߟstäbe für eine Verletzung der Bekenntnisfreiheit anlegen, indem sie eine „€žunzumutbare, innere Belastung“€œ50 des Austrittswilligen fordern. Dies missachtet, dass der Zwang zur Bekenntnisauskunft bei der Austrittserklärung nur ausnahmsweise gem. Art. 136 III 2 WRV gerechtfertigt ist und durch Zusätze entscheidend abgeschwächt werden könnte.51Andererseits stellen die Gerichte an kollidierendes Verfassungsrecht zu niedrige Anforderungen, indem sie einen Eingriff bereits bei bloߟen Anscheinen und abstrakten Gefährdungen bejahen. Auch wird das Neutralitätsgebot durch ein komplettes Zusatzverbot gerade verletzt, da der Staat in der Sache eine Entscheidung zugunsten der Kirche und zulasten des austrittswilligen Mitglieds trifft.52

Geboten erscheint daher eine Differenzierung, wie sie von den Oberlandesgerichten ab Ende 1971 vorgenommen,53 vom BVerwG 1979 prinzipiell für zulässig erachtet54 und in den Bundesländern ohne gesetzlichem Zusatzverbot noch in den 1990er Jahren praktiziert wurde.55 Die Entgegennahme von Austrittserklärungen mit Zusätzen ist als zulässig anzusehen, die Aufnahme von Zusätzen in die Austrittsbescheinigung hingegen nicht. Denn erst durch die Bescheinigung „€žnach auߟen“€œ können ein Präjudizieren der Kirchen und eine Gefährdung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit drohen.56 Die „€žnach innen“€œ gerichtete Entgegennahme hingegen kann nicht einmal den Anschein innerkirchlicher Einmischung erwecken57 und lässt den Kirchen ganz unbenommen, binnenrechtliche Konsequenzen aus der Austrittserklärung zu ziehen58. Das Entgegennahmeverbot in § 26 I 2 Hs. 2 KiStG ist somit zur Wahrung der Rechtssicherheit oder der kirchlichen Rechtsposition nicht erforderlich und stellt eine verfassungswidrige Beschränkung der positiven Bekenntnisfreiheit dar.

II. Verbot rein „€žweltlicher“€œ Austritte?

Fraglich ist zweitens, ob die entgegenzunehmenden Zusätze zum Ausdruck bringen dürfen, dass ein Austritt allein für den staatlich-rechtlichen Bereich gewollt ist „€“ bzw. ob solche Formulierungen nach geltender Gesetzeslage „€žbei einer bundesrechtskonformen Auslegung“€œ59 gem. § 26 I 2 Hs. 2 KiStG verboten sind.

1. Ausforschungsrecht bzw. -pflicht

Was die Ermittlung des Erklärungsinhalts betrifft, verkündete der VGH Baden-Württemberg das Recht und die Pflicht staatlicher Stellen zur „€žaktiven Ausforschung des Erklärenden“€œ.60 Alle begleitenden oder nachträglichen Ąuߟerungen und Umstände seien bei der Auslegung der Austritterklärung zu berücksichtigen und hätten sich bei Zapp „€žzu einem beredten Schweigen“€œ61 verdichtet. Das BVerwG sah darin zu Recht einen Verstoߟ gegen die Bekenntnisfreiheit des Austrittswilligen:62 Für die Auslegung der Erklärung dürfe es allein auf deren protokollierten Wortlaut ankommen.63

2. Gesamttrennungswille

Was den zulässigen Inhalt der Austrittserklärung angeht, verlangte das BVerwG (entsprechend der Vor-64 und entgegen der Erstinstanz65), man müsse den Willen zur Trennung von der Kirche „€žals solcher“€œ66 (Gesamttrennungswille) deutlich machen und dürfe nicht die „€žZugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft […] von der Erklärung ausnehmen“€œ.67 Dies unterscheidet sich trotz gegenteiliger Beteuerung68 nicht vom Kriterium „€žAufgabe des öffentlichen Bekenntnisses“€œ69 des OVG Hamburg 1974,70 dem es ebenfalls um den erklärten Willen zum innerkirchlichen Fortbestehen der Mitgliedschaft


41 BayVGH, KirchE 15 (1975/76), 190, 196 f.

42 Zilles, DRiZ 1971, 419, 421.

43 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 28 f.

44 Hammer, KuR 2011, 108, 112.

45 OVG Hamburg, KirchE 14 (1974/75), 144, 151.

46 BayVGH, KirchE 15 (1975/76), 190, 196.

47 BVerwG, KirchE 17 (1978/79), 183, 190.

48 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 35.

49 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 33.

50 BVerwG, KirchE 17 (1978/79), 183, 189.

51 Augsberg, AöR 138 (2013), 493, 506.

52 Augsberg (Fn. 51), 493, 507 f.

53 OLG Oldenburg, KirchE 12 (1971/72), 333, 338; OLG Frankfurt, KirchE 16 (1977/78), 143, 147 f.; krit. Listl, AKathKR 142 (1973), 656, 661.

54 BVerwG, KirchE 17 (1978/79), 183, 185 f. Fehlinterpretation durch Muckel, JA 2013, 314, 315, das BVerwG habe 1979 den modifizierten Austritt für verfassungswidrig erklärt.

55 Zapp, in: FS May, 2006, S. 673, 686 f.; Löffler (Fn. 34), S. 146 f.

56 Pirson, JZ 1971, 608, 611.

57 V. Campenhausen, DܖV 1970, 801, 804.

58 Weber, NJW 1975, 1904, 1905.

59 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 42; krit. zu dieser Methode Reimer, JZ 2013, 136, 138.

60 VGH Baden-Württemberg, KirchE 55 (2010), 266, 273.

61 VGH Baden-Württemberg, KirchE 55 (2010), 266, 275.

62 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 36-41.

63 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 38.

64 VGH Baden-Württemberg, KirchE 55 (2010), 266, 272.

65 VG Freiburg, KirchE 54 (2009), 32, 41.

66 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 13.

67 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 15.

68 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 37.

69 Listl, JZ 1971, 345, 347.

70 Vgl. OVG Hamburg, KirchE 14 (1974/75), 144, 148.

Renninger, Der Fall Zapp (BLJ 2015, 21)24

ging.71 Die Vorinstanz argumentierte damit, dass die „€žKirchensteuer in ihrem Charakter als Pflichtabgabe“€œ nicht „€žin das Belieben des einzelnen Kirchenmitglieds“€œ72gestellt werden dürfe. Dagegen ist einzuwenden, dass Art. 137 VI WRV kein „€žwirtschaftliches Grundrecht“€œ73 der Kirchen darstellt.74 Er gibt ihnen kein Recht auf den Erhalt kirchensteuerpflichtiger Mitglieder, sondern nur auf den privilegierten Einzug von Beitragszahlungen.75 Auߟerdem darf es bei jeder staatlich-rechtlichen Anknüpfung an die Kirchenzugehörigkeit nur auf die objektiv bestehende, nicht die subjektiv gewollte Mitgliedschaft ankommen,76 da letztere als materielle, individuelle Überzeugung nicht vom staatlichen Fragerecht gem. Art. 136 III 2 WRV umfasst ist.77

Das BVerwG führte hingegen teleologisch an, dass eine Austrittsmöglichkeit als Beschränkung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nur dann eingeräumt werden dürfe, wenn die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft entfallen sei.78 Der Austrittswillige müsse daher von seinen negativen religiösen Freiheitsrechten Gebrauch machen79 „€“ von der Glaubensfreiheit, indem er eine negative Glaubensentscheidung treffe,80 von der religiösen Vereinigungsfreiheit, indem er sich völlig von der Gemeinschaft löse.81 Einzuwenden ist erstens, dass eine direkte Berufung auf Art. 4 GG als Schranke zumindest ungenau ist82, da das Grundrecht in den Austrittsregelungen einfachgesetzlich konkretisiert ist83 „€“ mitsamt der Bestimmung, der Austritt habe nur „€žbürgerlich[e Wirkung“€œ. Zweitens wird das Neutralitätsgebot trotz anfänglicher Erwähnung als Schranke84 nicht geprüft, ist aber berührt, wenn der Staat eine Erklärung des Trennungswillens auch für den innerkirchlichen Bereich erzwingt.85 Drittens missachtet das Gericht, dass ein Austritt ebenso durch die positive Glaubens- und Bekenntnisfreiheit86 und die negative nichtreligiöse Vereinigungsfreiheit gem. Art. 9 I GG87 geschützt sein kann. Viertens prüft das BVerwG Art. 4 I GG lediglich i. S. d. negativen religiösen Vereinigungsfreiheit, obwohl es zuvor auch die negative Bekenntnisfreiheit darin verortet,88 und verneint daher fälschlicherweise den Schutzbereich.89 Fünftens kehrt das BVerwG durch das Abstellen auf die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft als alleiniges Telos die Schutzrichtung der negativen religiösen Freiheitsrechte um, indem es aus ihnen erhöhte Anforderungen an den Bürger abgeleitet.

Die Forderung eines Gesamttrennungswillens durch das BVerwG ist somit verfassungsrechtlich nicht haltbar und es spricht alles dafür, den Wortlaut der Austrittsregelungen („€žmit bürgerlicher Wirkung“€œ) ernstnehmend, zur Rechtsprechung des BVerwG 1979 und auch des VG Freiburg 2009 zurückzukehren. Es sollte genügen, dass die Formulierung der Austrittserklärung „€ždie Eindeutigkeit des Austrittswillens für den Bereich des staatlichen Rechts nicht in Frage stell[t]“€œ.90

III. „€žVergrundrechtlichung“€œ

Rechtsprechung und Literatur stellten im Laufe der Zeit in ihren Begründungen immer mehr auf Grundrechte ab,91 was als Ausdruck der „€žVergrundrechtlichung“€œ92 des Staatskirchenrechts gesehen werden kann, also des Ansatzes, das „€žspezifisch auf religiöse Sachverhalte bezogene Verfassungsrecht […] von der individuellen Religionsfreiheit her zu begreifen“€œ93. Gleichzeitig wurden sowohl die Gesetzeslage als auch die Rechtsprechung bezüglich modifizierter Austrittserklärungen immer restriktiver. Das Weniger an individuellem Grundrechtsschutz ist aber nicht auf die „€žVergrundrechtlichung“€œ selbst zurückzuführen, sondern vielmehr auf ein Vortäuschen derselben. In der Argumentation des BVerwG erscheint das Grundrecht aus Art. 4 GG teilweise nur noch als Topos, als Gemeinplatz, der „€žgerade dadurch, daߟ [er] keinen genauen Inhalt [hat], universal anwendbar und zugleich allgemein akzeptiert“€œ94 ist, um die negative Entscheidung gegenüber den Austrittswilligen zu rechtfertigen. In Wirklichkeit wird jedoch das institutionelle Staatskirchenrecht überbetont: Das Neutralitätsgebot wird nur in seiner respektierenden/positiven Seite als Einmischungsverbot betrachtet95 und die korporative Religionsfreiheit wird als mit Art. 137 III 1 WRV identisch bzw. als in diesem voll erhalten vorausgesetzt.96 So erscheinen beide nur als Ausprägung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und dienen zu dessen verdeckter ܜbergewichtung in Argumentation und Abwägung.

D. Rechtstheoretische Aspekte

I. „€žIdentitätsfrage“€œ

Von Anfang an wurde über die „€žIdentitätsfrage“€œ diskutiert, also ob die Kirche(nmitgliedschaft) nach staatlichem und


71 Listl, NJW 1975, 1902, 1903.

72 Beide Zitate VGH Baden-Württemberg, KirchE 55 (2010), 266, 271 f.

73 So aber wohl Bock (Fn. 10), 319, 334; zur Begriffsgeschichte siehe Huber, in: Lienemann (Hrsg.), Die Finanzen der Kirche, 1989, S. 130, 147 f.

74 BVerfG, KirchE 7 (1964/65), 338, 345; Gehm, VBlBW 2010, 424, 425.

75 Löhnig/Preisner, AöR 137 (2012), 118, 125.

76 BayVGH, KirchE 15 (1975/76), 190, 194.

77 Kuntze, ZevKR 55 (2010), 416, 420.

78 OVG Hamburg, KirchE 14 (1974/75), 144, 148 f.; Engelhardt (Fn. 39), S. 41 f.

79 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 22; Muckel, KuR 2010, 26, 27.

80 Marrß©, Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart2, 1990, S. 45.

81 Engelhardt (Fn. 39), S. 41.

82 Reimer (Fn. 59), 136, 138.

83 Zapp (Fn. 2), S. 66, 85.

84 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 18.

85 OLG Frankfurt, KirchE 16 (1977/78), 143, 147.

86 Priessnitz, DVBl 1975, 416, 420; Pirson (Fn. 56), 608, 610.

87 Weber (Fn. 58), 1904.

88 Vgl. Reimer (Fn. 59), 136, 138, 139.

89 Löhnig/Preisner (Fn. 75), 118, 129. Auch das BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 28.08.1980, 1 BvR 1158/78 und 1 BvR 493/79, zit. nach Hollerbach, AöR 106 (1981), 218, 252, geht davon aus, dass Art. 4 I GG nur gewahrt ist, wenn die staatliche Austrittsregelung (in dem Fall das Zusatzverbot) die innerkirchliche Mitgliedschaft nicht berührt.

90 BVerwG, KirchE 17 (1978/79), 183, 188; vgl. VG Freiburg, KirchE 54 (2009), 32, 41 f.

91 So bezeichnete Listl (Fn. 69), 345, 349 als „€žKernfrage“€œ noch die Rechtsnatur der Kirchenmitgliedschaft; Reimer (Fn. 59), 136, 139 hingegen eine allfällige Verletzung des Art. 4 I GG.

92 Siehe nur Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003, S. 497.

93 Grzeszick, in: Heinig/Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, 2007, S. 131, 133. Vgl. Morlock, in: Heinig/Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, 2007, S. 185, 190-194.

94 Struck, Zur Theorie juristischer Argumentation, 1977, S. 61.

95 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 28 f.

96 Muckel, NVwZ 2013, 260, 261.

Renninger, Der Fall Zapp (BLJ 2015, 21)25

kirchlichem Recht eine identische/einheitliche sei.

1. Monismus

Laut Monismus sind die Kirche im staatlich-rechtlichen und jene im kirchenrechtlichen Sinne identisch und unteilbar.97 Die „€žKörperschaft des öffentlichen Rechts“€œ sei keine selbständige Figur, sondern lediglich die konkrete Existenzform der Kirche in Deutschland.98 Es existiere nur eine einzige Kirche und damit auch nur eine einzige Mitgliedschaft, die einmal kirchen-, einmal staatskirchenrechtlich ausgeformt werde.99

Laut dem früher vertretenen strengen Monismus hebt ein Austritt die Mitgliedschaft mit automatischer und unmittelbarer Wirkung für beide Rechtsordnungen auf. Was die positiv-rechtliche Frage angeht, welche Rechtsordnung die Mitgliedschaft und somit den Austritt inhaltlich ausformt, soll nach einer Meinung100 ein Primat des Kirchenrechts gelten; dies verletzt bei einem unmittelbaren Gesamtaustritt jedoch Trennungsprinzip und Neutralitätsgebot. Die h.A.101 und frühere Rechtslage102, die von einem staatlich-rechtlichen Primat ausgehen, verstoߟen darüber hinaus noch gegen das Selbstbestimmungsrecht der Kirche103 und die Glaubensfreiheit des Austrittswilligen.104

Aufgrund dieser inakzeptablen Konklusionen wurde aber nicht die Prämisse der einheitlichen Mitgliedschaft abgeändert, sondern die staatlichen Austrittsregelungen wurden i. S. e. gemäߟigten Monismus „€žtheologisch reduziert“€œ: Trotz eines „€žAustritts“€œ bleibe die Zugehörigkeit zur Kirche im staatlichen und im kirchlichen Rechtsbereich bestehen.105 Es entfielen nur die staatlich durchsetzbaren Konsequenzen der einheitlichen, unkündbaren Mitgliedschaft106.

2. Dualismus

Bereits elementare rechtstheoretische ܜberlegungen zeigen aber, dass ein dualistisches Verständnis zwingend ist. Staatliches und kirchliches Recht sind zwei eigenständige Rechtsordnungen mit zwei voneinander unabhängigen Rechtserzeugungsinstanzen „€“ Staat einerseits, Kirche andererseits.107 Um staatliche Rechtsfolgen an eine „€žKirchenmitgliedschaft“€œ knüpfen zu können, muss der Staat zwingend eine solche Eigenschaft samt entsprechendem Zurechnungspunkt „€žKirche“€œ durch eigene Rechtsnormen schaffen108 „€“ und sei es nur qua Rezeption oder Transformation des kirchlichen Rechts.109 Denn „€ž[ein] Rechtsverhältnis kann es immer nur innerhalb, und kraft, einer konkreten Rechtsordnung geben“€œ110. Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 137 V WRV und juristische Person des kirchlichen Rechts (z.B. nach c. 113 § 1 CIC) stehen also getrennt nebeneinander.111 Ebenso ist zwischen Mitgliedschaft i. S. d. staatlichen und i. S. d. kirchlichen Rechts zu unterscheiden112. Folglich heiߟt „€žmit bürgerlicher Wirkung auszutreten“€œ gem. § 26 I 1 KiStG, dass nur die „€žstaatskirchenrechtliche Mitgliedschaft“€œ113 aufgehoben wird.

Dass der Dualismus ein gemäߟigter sein muss „€“ also dass gleiche Wirkungen in beiden Rechtsordnungen möglich sind „€“, ergibt sich daraus, dass das staatliche Recht auf das kirchliche verweisen kann und umgekehrt.114 Klar ist, dass nach positivem deutschem Staatskirchenrecht ein Primat des Kirchenrechts gilt, da der Staat an die innerkirchlichen Mitgliedschaftsregelungen anknüpfen muss.115 Lediglich Zapp scheint seit Kurzem einen strengen Dualismus zu vertreten, nach dem innerkirchliche Konsequenzen eines Austritts aus der „€ždeutschbischöflich-katholischen Körperschaftskirche“€œ116 ganz ausgeschlossen seien und der Ausgetretene weiterhin zwingend in der communio plena (c. 205 CIC) stehe.

II. Anwendung im Urteil Zapp

Das BVerwG ging 2012 zunächst von einer falschen Prämisse aus, indem es seinem Urteil ein monistisches Mitgliedschaftsverständnis zugrunde legte. Des Weiteren tätigte das Gericht einen Fehlschluss von der vermeintlichen rechtstheoretischen Erkenntnis auf die staatlich-rechtliche Unzulässigkeit eines modifizierten Austritts.117 Dies ist methodensynkretistisch, da rechtstheoretische Sätze als positiv-rechtliche Normen ausgegeben werden,118 und stellt einen „€žMiߟbrauch“€œ119 rechtstheoretischer Konstruktionen dar, durch den inhaltliche Auseinandersetzungen umgangen werden.120 Auߟerdem bestimmt die Identitätsfrage bei den ganz herrschenden gemäߟigten Theorien nur die Wirkungen des Austritts für den staatlich-rechtlichen Bereich: Wegfall der Rechtsfolgen (Monismus) bzw. Beendigung der separaten Mitgliedschaft (Dualismus). Daraus lässt sich nicht ableiten, welche weiteren Auswirkungen der Austritt auf die kirchlichen Rechtsfolgen der einheitlichen Mitgliedschaft (Monismus) bzw. auf die


97 V. Nell-Breuning, DܖV 1970, 148, 152; Priessnitz (Fn. 86), 416, 418.

98 Heimerl/Pree, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsverhältnisse in Bayern und ֖sterreich, 1993, S. 187.

99 Muckel (Fn. 12), 174, 177.

100 Rieder (Fn. 6), S. 137 f.

101 Schmidt, Der Austritt aus der Kirche, 1893, S. 238.

102 § 11 des Edicts über die äuߟern Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreichs Baiern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, vom 26.05.1818, zit. nach Hausberger, Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983, S. 332.

103 V. Campenhausen (Fn. 57), 801, 804; Löhnig/Preisner, NVwZ 2013, 39, 41; Zumbült (Fn. 13), 176, 180.

104 Link, ÖArchKR 22 (1971), 299, 320 (dortige Fn. 60); Kuntze (Fn. 4), 101, 102.

105 Roca, AKathKR 159 (1990), 427, 442.

106 Link (Fn. 104), 299, 320; BVerwG, JZ 203, 149, Rn. 26.

107 Pirson (Fn. 56), 608, 611; Engelhardt, ZevKR 41 (1996), 142, 144.

108 Hollerbach (Fn. 8), S. 225, 228 f.; Reimer (Fn. 59), 136, 137.

109 Vgl. Jestaedt, in: Brunkhorst/Voigt, Rechts-Staat, 2008, S. 233, 236.

110 Reimer (Fn. 59), 136, 137.

111 Bier (Fn. 14), 551, 552; Reimer (Fn. 59), 136, 137.

112 Pirson (Fn. 10), S. 277, 296; Obermayer (Fn. 39), S. 1645; Bier (Fn. 14), 551, 552.

113 Hollerbach (Fn. 8), S. 225, 228, 231.

114 Engelhardt (Fn. 107), 142, 144.

115 Vgl. Pirson (Fn. 56), 608, 611.

116 Zapp, Kirchensteuer: ‚Memorandum Körperschaftsaustritt‘, abrufbar unter: http://www.kath.net/news/39372, letzter Abruf am 27.04.2015. Vgl. Himmelsbach, in: Bier (Hrsg.), Der Kirchenaustritt, 2013, S. 121.

117 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 24, 29; ebenso Listl (Fn. 69), 345, 352.

118 Vgl. Jestaedt, in: Kelsen, Studienausgabe der 1. Auflage 1934, herausgegeben und eingeleitet von Matthias Jestaedt, 2008, S. XI, XXXVI.

119 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre2, 1960, S. 341 bezüglich der Wahl zwischen einem Monismus mit Primat des Völkerrechts oder mit Primat des staatlichen Rechts.

120 Vgl. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, S. 80 am Beispiel der Prinzipientheorie der Grundrechte.

Renninger, Der Fall Zapp (BLJ 2015, 21)26

separate kirchenrechtliche Mitgliedschaft (Dualismus) hat; dies ist allein eine Frage des positiven Kirchenrechts. Zudem ist mit der Feststellung der Wirkungen eines Austritts nach staatlichem Recht noch nichts darüber gesagt, welche Voraussetzungen das staatliche Recht an einen Austritt stellt,121 also weder, ob Zusätze unzulässig sind,122 noch, ob ein Gesamttrennungswille erforderlich ist.123

E. Fazit: Nolite iudicare oder iudicium Salomonis?

Das BVerwG irrt also sowohl in seiner rechtstheoretischen als auch in seiner grundrechtlichen Argumentation. Durch das Zusammenspiel beider Fehler kommt das Gericht aber paradoxerweise zum richtigen Ergebnis: Es hält die Formulierung Zapps, er trete aus der Religionsgesellschaft „€žrömisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechtes“€œ124 aus, für keinen unzulässigen Zusatz i. S. d. § 26 I 2 Hs. 2 KiStG125. Dies liegt in der Offenheit der Formulierung begründet, die im Gegensatz zu früheren Fällen „€žKörperschaft des öffentlichen Rechtes“€œ126 mit einem Komma, nicht mit „€žin ihrer Eigenschaft als“€œ127einleitet. Geht man nun von einem Monismus und dem Erfordernis eines Gesamttrennungswillens aus (wie das BVerwG und das Erzbistum Freiburg), wird man die Formulierung „€žKörperschaft des öffentlichen Rechts“€œ als Hinweis darauf auffassen, dass sich der Austrittswillige von der Kirche als solcher lossage, die in Deutschland eben in dieser konkreten Form existiere. Geht man dagegen von einem Dualismus aus und sieht die Lossagung für den bürgerlichen Bereich als genügend an (wie der vorliegende Aufsatz), wird der Austrittswillige die Phrase für sich so interpretieren, dass er nur aus der weltlichen Körperschaft, nicht aber der kirchlichen Glaubensgemeinschaft ausscheide.128 Dies können weder Staat noch Kirche verhindern, auch wenn aus ihrer Sicht mit dem „€žlistig[en]“€œ129 Gebrauch der Formulierung „€žUnwahres erklärt“€œ130 wird. Indem das BVerwG somit eine für beide hauptsächlich vertretene Sichtweisen nach ihrem Gusto interpretierbare Lösung bietet, erscheint das Urteil bei derzeit geltender „€“ nach dem oben Gesagten wohlgemerkt verfassungswidriger „€“ Gesetzeslage fast als meisterhafter Balanceakt.

Unklar ist, welche Motivation hinter dem konkreten Ergebnis steht, das sehr kurz gehalten ist und in Duktus und Argumentation131 nicht zum Rest des Urteils passt. War es die bewusste Zufriedenstellung beider Seiten? War es ein stringentes Abstellen auf den „€žformalen Gehalt“€œ132 der Erklärung unter Ausblendung der wahren Überzeugungen Zapps, die man ja gerade nicht ausforschen darf? Oder war es „€“honi soit qui mal y pense„€“ der Ausschluss einer Verfassungsbeschwerde Zapps? Letztlich bleibt es der persönlichen Einschätzung überlassen, ob man den Richterspruch des BVerwG mit Matthäus 7, Vers 1″€“2 („€žnolite iudicare„€œ) oder mit 1. Könige 3, Vers 28 („€žiudicium Salomonis„€œ) bewertet.


121 Priessnitz (Fn. 86), 416, 419; Link (Fn. 104), 299, 320 (dortige Fn. 63).

122 So aber Muckel (Fn. 12), 174, 176; Kuntze, Bürgerliche Mitgliedschaft in Religionsgemeinschaften, 2013, S. 4.

123 So aber Barion, DߖV 1968, 532, 535.

124 VG Freiburg, KirchE 54 (2009), 32.

125 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 46-48.

126 Zit. nach VG Freiburg, KirchE 54 (2009), 32, 39.

127 Siehe nur OLG Frankfurt, KirchE 11 (1969/70), 169, 170.

128 Vgl. Löhnig/Preisner (Fn. 75), 118, 126.

129 Hammer (Fn. 44), 108, 112.

130 Hammer, ZevKR 58 (2013), 200, 207. Kritik an Zapps Verhalten durch Himmelsbach (Fn. 116), S. 121, 124, 126.

131 So hält das BVerwG noch direkt davor andere „€žüberflüssige“€œ Formulierungen für schädlich, siehe BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 45.

132 BVerwG, JZ 2013, 149, Rn. 47.