Transparenz im Dritten Sektor

Streitgespräch im Rahmen des Deutschen StiftungsTags am 21. Mai 2014

Es diskutierten:

 

  • Prof. Dr. Michael Göring, Vorsitzender des Vorstands, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Hamburg, Stellvertretender Vorsitzender, Bundesverband Deutscher Stiftungen
  • Dr. Christian Meyn, Geschäftsführer Auridis gGmbH, Vorsitzender Social Reporting Initiative e.V.
  • Michael Sommer, Referent Unternehmerische Belange/Ökonomie, Deutscher Caritasverband e.V., Berliner Büro, Berlin
  • Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen, Bucerius Law School, Hamburg
  • Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter, Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen, Berlin
  • Moderation: Werner Ballhausen, Staatssekretär a.D., Initiator und langjähriger Koordinator des Bündnisses für Gemeinnützigkeit, Bonn

 

Ballhausen: Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen zu einer der ersten Veranstaltungen hier auf dem Deutschen StiftungsTag 2014, zum Thema „Transparenz“. Diese Veranstaltung wurde vom Bucerius Law Journal in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. organisiert.

„Transparenz im Dritten Sektor“ – das ist ein aktuelles und spannendes Thema. Ein paar Stichworte beweisen dies: Unicef Deutschland, eine spendensammelnde Organisation, gerät in die Schlagzeilen zu der Frage, ob sie Fundraising-Kosten ordnungsgemäß verbucht hat. Die Treberhilfe in Berlin, eine Einrichtung der Freien Wohlfahrtspflege, leistet sich als Dienstfahrzeug für den Geschäftsführer einen Maserati. Und nun, hochaktuell, der ADAC, der als „Gefallener Engel“ von sich reden macht. Drei Beispiele, die in den Medien und dann auch in der Politik jeweils hohe Wellen geschlagen haben.

Hat der Dritte Sektor, wie es diese Beispiele nahelegen, ein Transparenzproblem – und, wenn ja: Wie ist dieses Problem zu lösen? Diesen Fragen wollen wir heute nachspüren und versuchen, eine Antwort darauf zu finden, wie im Dritten Sektor das „Prinzip der Öffentlichkeit“ und der „Grundsatz der Privatautonomie“ ausbalanciert werden sollten. Wir hier auf dem Podium sind übereingekommen, dass jeder der fünf Diskutanten kurz, zugespitzt, ein Eingangsstatement abgibt zu der Frage: „Hat der Dritte Sektor ein Transparenzproblem?“ Dann können Sie im Zuge der Diskussion im Lichte der Eingangsstatements hören, wie die Argumente möglicherweise wechseln, sich verändern und verstärken. Deswegen zugespitzt die Frage: „Hat der Dritte Sektor ein Transparenzproblem?“ Frau Professorin Weitemeyer, Sie haben das Wort.

Weitemeyer: Ja herzlichen Dank, Herr Ballhausen, dass ich sprechen kann, und herzlichen Dank auch dem Bundesverband, dass wir diese Frage hier mit fachkundigem und betroffenem Publikum diskutieren können, denn ich meine, es ist eine wichtige Frage.

Erlauben Sie mir vorab ein bisschen Theorie: Wir wissen alle, dass die Stiftungen eigentümerlos sind, und deswegen hat sich schon der Gesetzgeber des BGB 1900 etwas sehr Kluges überlegt, er hat nämlich die Stiftungsaufsicht geschaffen, die früher natürlich noch viel stärker eingegriffen hat in die Stiftungsverwaltung und auch eine Fachaufsicht war, die aber im Grunde dieses Manko der Stiftung, dass es keine Eigentümer gibt, die eigene Interessen an der Stiftung haben, ausgleichen soll.

Wenn wir einen Blick auf den Verein werfen – den man gut im Kontrast sehen kann –, dann hat der Gesetzgeber das beim Verein nicht so geregelt. Man hat gesagt, wir haben hier Mitglieder, die haben eigene Interessen, die sie im Verein verfolgen, und deswegen werden sie ihrem Vorstand oder wem auch immer schon Beine machen, wenn es darum geht, ob etwas im Verein gut oder schlecht läuft. Was man damals aber noch nicht kannte, das war die ökonomische Analyse des Rechts; die kam dann erst in Amerika auf und hat folgende Erkenntnis gebracht: Sowohl in großen Publikumsaktiengesellschaften als auch in großen Vereinen gibt es eine rationale Apathie. Der Einzelne ist also aus sinnvollen Gründen gar nicht interessiert daran, seinen Verein voranzutreiben, weil er einer unter ganz Vielen ist und im Grunde einfach austreten kann und sich vielleicht etwas anderes sucht. Dieses Phänomen gehört zu dieser Transparenzdebatte irgendwo natürlich mit dazu und wir beobachten es im Moment beim ADAC wie an einem Lehrbuchbeispiel: Weil der ADAC nicht gemeinnützig ist, haben wir dort nicht die Kontrolle durch das Gemeinnützigkeitsrecht, also durch das Finanzamt, was sonst auch vieles auffängt. Die Mitglieder haben kein Interesse an vielen Details, können es gar nicht durchsetzen bei vielen Million Mitgliedern – und deswegen fehlt es an Kontrolle, die wir im Grunde als Ursache für mangelnde Rechenschaftslegung, mangelnde Transparenz, feststellen können.

Wir wollen hier aber nicht über die Vereine, sondern vor allem über die Stiftungen reden. Und da ist natürlich immer wieder festgestellt worden, auch Herr Kollege Anheier vom CSI in Heidelberg hat das in einer Studie vor kurzem konstatiert, dass wir in Deutschland mit der Stiftungsaufsicht und der Finanzaufsicht im Grunde bereits eine ordentliche Kontrolle haben. Dabei handelt es sich nicht um Transparenz, weil das


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nicht Informationen sind, die an die Öffentlichkeit gehen – wir haben ja das Steuergeheimnis, auch wenn das bei Prominenten manchmal durchbrochen wird – sondern es handelt sich um Accountability, sagen die Amerikaner, nämlich Rechenschaftslegung gegenüber einer anderen Stelle. Die ist auch sehr wichtig, aber sie ist natürlich keine Transparenz gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit. Und da überlegt man jetzt: Reicht das aus? Reicht also diese Rechenschaftslegung aus, plus, was W. Rainer Walz auch immer propagiert hat, eine freiwillige Transparenz durch die Organisation selbst? Das ist die große Frage, die schon Herrn Walz beschäftigt hat, die uns immer noch beschäftigt und wahrscheinlich auch noch ein paar Jahre weiterbeschäftigen wird.

Ich wage die These, dass diese Accountability auf der einen Seite und die Freiwilligkeit auf der anderen Seite schon ganz viel an Transparenz geschaffen haben, aber vielleicht nicht ganz ausreichen. Das Problem ist, dass die schwarzen Schafe dadurch eben doch nicht erreicht werden. Die Finanzverwaltung kontrolliert natürlich nicht jeden Prozentsatz. Da gibt es, wie wir wissen, Verwaltungsquoten von bis zu 50%, die erlaubt sind, und trotzdem würden wir alle sagen: Das ist auf Dauer für eine ordentlich wirtschaftende Stiftung zu hoch. Die Finanzverwaltung ist natürlich an allgemeine Gesetze gebunden und kann nicht jeden Einzelfall bis ins Detail kontrollieren. Ich meine, dass wir für solche Fälle eine ein Stück weit stärkere verpflichtende Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit bräuchten, und wenn es auch nur – das ist jetzt ein Vorschlag, den Herr Kollege Hüttemann und auch andere in den Raum geworfen haben – die schlichte Tatsache ist, dass das Finanzamt eine Online-Liste erstellt, aus der Sie ersehen können, welche Organisation in Deutschland überhaupt als gemeinnützig anerkannt ist. Selbst das weiß man nicht. Natürlich kann man sich als Großspender oder Förderer die Bescheide von der Organisation selbst vorlegen lassen, das sollte man auch tun, aber das allgemeine Publikum weiß das nicht und hat auch keine Möglichkeit, das Finanzamt darf die Entziehung der Gemeinnützigkeit nicht offenlegen und auch die Presse erfährt nichts. Das wäre meines Erachtens ein erster Einstieg in mehr Transparenz, ob man das nicht hinbekäme, so eine Gemeinnützigkeitsliste staatlicher Weise zur Verfügung zu stellen.

Und der zweite Bereich, bei dem ein Problem besteht: Ich finde es sehr gut, dass sich der Bundesverband schon seit einigen Jahren das Thema „Treuhandstiftung“ auf die Fahnen geschrieben hat und hierzu Grundsätze guter Treuhandstiftungen erstellt hat. Ich meine, jede Treuhandstiftung sollte sich daran halten, und dazu gehört auch Transparenz. Die Treuhandstiftungen werden nur durch das Finanzamt kontrolliert. Es gibt dort keine Stiftungsaufsicht und das ist ja gerade der Grund dafür, warum dieses Konstrukt manchmal gewählt wird. Viele Treuhandstiftungen, die vielleicht von Banken, von Sparkassen verwaltet werden, werden von ihren Treuhandverwaltungen sehr gut betreut, aber wenn sie es gut machen, könnten sie auch für mehr Transparenz sorgen. Ein weiterer Graubereich: Stiftungsverwaltungsreferenten kommen immer wieder zu mir und sagen: Ja, wir können nicht so richtig etwas gegen Gestaltungen in Grauzonen machen. Wir beobachten etwa die „Eierlikörstiftungen“, bei denen ältere Damen zur Stiftungserrichtung überredet wurden und dann sind der Steuerberater, der Rechtsanwalt und der Notar im Vorstand und jeder bekommt noch ein kleines Honorar und für die Gemeinnützigkeit bleibt nicht mehr viel übrig. Solche Treuhandstiftungen mag es vielleicht auch geben und das wollen wir eigentlich im Dritten Sektor nicht. Von daher mein Appell, sich vielleicht doch einmal mit dem Gedanken einer größeren Transparenz anzufreunden.

Ballhausen: Ja, herzlichen Dank. Sie haben es gehört, ein vorsichtiges „Ja, wir haben ein Problem“. Zwei Vorschläge, insbesondere zu den Treuhandstiftungen. Herr Professor Göring, Sie sind stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und Frau Professor Weitemeyer hat die Stiftungsgrundsätze angesprochen, in denen ja auch etwas zu der Frage der Transparenz steht. Vielleicht könnten Sie in Ihrem Eingangsstatement auch sagen, wie diese denn umgesetzt sind? Sind Sie mit dem Stand der Umsetzung der Grundsätze guter Stiftungspraxis zufrieden?

Göring: Ja, sehr gerne, Herr Ballhausen. Vielen Dank für diese Einladung. Ich gratuliere zunächst meiner Kollegin zu einer neuen Wortschöpfung. Mir war der Begriff der „Eierlikörstiftung“ bis heute nicht bekannt. Ich werde ihn jetzt aber in meinem Fundus von Stiftungen aufnehmen. So ungefähr gleich neben der operativen Stiftung und der fördernden Stiftung: Die Eierlikörstiftung.

Worum es mir bei der Transparenz immer wieder geht, ist: Transparenz ist in ganz engem Zusammenhang zu sehen mit Vertrauen. Wir haben in dieser Republik seit einigen Jahren ein Vertrauensproblem. Das gilt für die Politik, für die Politiker, das gilt für die Banken, das gilt für sehr viele Leute im Wirtschaftsbereich. Und es ist ein hohes Gut, dieses Vertrauen. Wir müssen alle daran arbeiten, dass Vertrauen in dieser Gesellschaft wieder wachsen kann. Und wenn ich jetzt auf Stiftungen schaue, kann ich zum Glück sagen: Stiftungen genießen in der Bevölkerung weiterhin ein sehr hohes Renommee; genießen hohes Vertrauen. Wir haben es geschafft, uns von liechtensteinischen Stiftungen und österreichischen Stiftungen abzusetzen, Gott sei Dank, sodass dieses hohe Renommee, dieser Vertrauensvorschuss, gegeben ist. Das ist ein hohes Gut. Und wir sollten alle daran arbeiten, dass dieses hohe Gut erhalten bleibt. Wir sind jetzt über 20.000 selbständige Stiftungen in der Bundesrepublik, 96% davon gemeinnützig. Das heißt: 20.000 Stiftungen haben die Verantwortung, dass in ihren Gremien so sauber gearbeitet wird, dass dieser Vertrauensvorschuss bleibt. Es reicht, wenn das in drei, vier Stiftungen mal nicht der Fall ist, dann kommen alle ins Gerede. Und deshalb gibt es für mich immer einen ganz pragmatischen Zugang, zu Transparenz.

Ich halte es für selbstverständlich, dass jeder von uns sagt, mit welchem Kapital er arbeiten kann, wie die Stiftung heißt, was die Förderzwecke sind und auch, was man im letzten Jahr an Stiftungsmitteln zur Verfügung hatte. Ich denke, das ist etwas, was wir nicht zu verbergen brauchen. Ich weiß aber, dass ich da schon in einen gewissen Konflikt gerate mit der grundsätzlich privaten Verfasstheit des Stiftungswesens, die für mich ungeheuer wichtig ist. Diese Privatheit der Stiftung korrespondiert mit unserer freiheitlichen Grundordnung in der Bundesrepublik. Dass jeder ein Recht hat, zu stiften, und die Stiftung Autonomie hat für das, was sie tut, ist Zeichen einer freiheitlichen Gesellschaft. Man weiß ja, dass


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in nicht-freiheitlichen Gesellschaften, im Kommunismus, im Nationalsozialismus, Stiftungen abgeschafft wurden, ausradiert wurden oder einfach nicht weiter leben konnten.

Wir haben jedoch diese freiheitlichen Möglichkeiten – und so steht die Freiheit des einzelnen Stifters in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem Gebot der Transparenz. Aber ich denke, wenn der einzelne Stifter, auch der, der eine kleine Stiftung – Eierlikörstiftung – gegründet hat, mit dieser Stiftung nun um Vertrauen und für den Stiftungsgedanken werben will, dann sollte auch für die Eierlikörstiftung gelten: Den Namen unserer Stiftung geben wir bekannt, das Stiftungskapital geben wir bekannt und die Förderzwecke geben wir bekannt. Die Mindestliste, von der die Kollegin Weitemeyer sprach, halte ich für selbstverständlich. Jeder soll doch wissen können, wie viele und welche gemeinnützigen Stiftungen es in dieser Republik gibt – und ob die wirklich gemeinnützig und nicht vielleicht Familienstiftungen sind.

Jetzt aber zu Ihrer Frage: „Was kann der Bundesverband tun?“ Ich glaube, der Bundesverband hat sehr erfolgreich in den letzten zehn Jahren immer insoweit Druck ausgeübt, dass sich Transparenz lohnt. Das kann man vielleicht noch ein bisschen stärken. Es gibt ja mehr und mehr Stiftungen, die gerne kooperieren wollen, die ein kleines Problem haben in der Niedrigzinsphase und daher ein wenig für sich werben wollen. Für alle diese Stiftungen muss es selbstverständlich sein, dass sie die Grundsätze guter Stiftungspraxis ratifiziert haben, und dass sie diese auch umsetzen. Also ich denke, auf diesem Weg sollten wir weitermachen, sollten uns aber auch gewissen normativen Forderungen nicht verweigern, wie beispielsweise der Einführung eines allgemein gültigen Stiftungsverzeichnisses, das dann auch gesetzlich so ausgestattet werden muss, dass man tatsächlich einem solchen Verzeichnis glauben kann, Stichwort Gutgläubigkeit. Reicht Ihnen das erst einmal?

Ballhausen: Für das Eingangsstatement reicht mir das, wir haben alle gehört: Ja, ein kleines Problem, Handlungsbedarfgegeben und der Bundesverband wird weiterhin an der Spitze der Bewegung marschieren. Damit Stiftungen das Vertrauenskapital bewahren können, was sie – alle – im Moment noch haben. Herr Dr. Meyn, sehen Sie das auch so? Sie sind, wie man nachlesen kann, ein absoluter Transparenzfreak, gerade auch bei der Wirkungstransparenz.

Meyn: Vielleicht ganz kurz zur Einordnung: Die Auridis, die ich in den letzten Jahren geleitet habe, ist die gemeinnützige Förderorganisation der Unternehmensgruppe ALDI Süd. Die Auridis ist eine normale gemeinnützige GmbH. Für sie gelten strenge Transparenzrichtlinien, nämlich die des HGB, und diesen genügt sie auch. Es ist aber auch so, dass wir bei der Auridis keine offensive Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Dafür haben wir schlicht keine Ressourcen. Wir haben aber jedem, der uns gefragt hat, immer alles erzählt, was wir machen. Es hat uns nur kaum mal jemand gefragt, und ich glaube, das beschreibt einen Teil des möglichen Transparenzproblems. Transparenz heißt ja, dass ich Informationen veröffentliche, und mit diesen Informationen muss irgendjemand anderes auch etwas anfangen können, ein Interesse daran haben und sie einordnen können.

Und worauf kommt es an bei der Transparenz von Organisationen im dritten Sektor? Kommt es wirklich auf die Verwaltungskostenquote an? Kommt es wirklich darauf an, was der Vorstand verdient? Kommt es wirklich darauf an, welche Fundraisingkosten die Organisation hat? Das ist alles relevant, in gewisser Weise sind das Effizienzkriterien. Aber tatsächlich geht es bei den Organisationen in erster Linie um die Wirkung – was bewirken sie gesellschaftlich? Was passiert mit meinem Spendeneuro, wenn ich ihn dieser Organisation gebe, was erreicht die Organisation? Für diese Kommunikation über die Wirkung fehlt uns etwas das Vokabular, und zum Teil fehlt uns auch – und ich sage das kritisch auch in Bezug auf die eigene Berufsgruppe, ich habe Journalist gelernt –, das Gegenüber, dem wir das vernünftig erklären können. Denn wenn über den dritten Sektor berichtet wird, sind es entweder freundliche Scheckübergabefotos, das ist immer nett, oder Skandale. Da fährt mal wieder einer das falsche Auto, hat ein zu hohes Gehalt oder hat gegenüber dem DZI eine Angabe falsch berichtet. Dann ist gleich die ganze Organisation Mist.

Eigentlich geht es darum, was die Organisation bewirkt. Dieses Thema berührt und beschäftigt nicht nur uns, sondern auch viele andere, seit Jahren. Wir haben gemeinsam mit anderen Organisationen einen Rahmen für eine wirkungsorientierte Berichterstattung entwickelt, den Social Reporting Standard (SRS). Es gibt einen kleinen Trägerverein, dessen Vorsitzender ich bin, und wir stellen den SRS als Angebot zur Verfügung und sagen: Aus unserer Sicht ist das eine Struktur, mit der man gut und nachvollziehbar die eigene Wirkung dokumentieren kann, damit wir nicht nur über Kostenquoten und über das reden, was sich leicht messen, zählen und wiegen lässt, sondern darüber reden, warum es uns eigentlich gibt und warum sich die Leute engagieren. Der SRS stellt im Kern fünf Fragen: Was ist das gesellschaftliche Problem, das ihr angehen wollt, was sind aus eurer Sicht die Ursachen, wo setzt ihr an, was wird sich daraufhin verändern und woran merkt ihr, dass das passiert? Das sind die Kernfragen des SRS, und wir sehen jetzt, dass es die ersten einhundertfünfzig Organisationen gibt, die ihn anwenden und feststellen: Erstens ist es ein interessanter Prozess, uns diese Fragen selbst zu stellen – welches gesellschaftliche Problem gehen wir an, was stellen wir uns genau unter unserer Wirkung vor und wie finden wir heraus, ob sie eintritt? Und zweitens sehen wir – und wir machen als Förderorganisation auch einen solchen Bericht für unseren Förderer, also das Unternehmen -, dass sich die Kommunikation über unsere Arbeit verändert.

Jetzt reden wir konkreter über unsere Arbeit und ihre Wirkung. Früher hieß es: „Ihr macht da doch so etwas mit Kindern.“ Mit dem Social Reporting Standard haben wir es jetzt zum ersten Mal geschafft, unseren eigenen Leuten nachvollziehbar zu erklären, was wir tun – dass wir Organisationen bei der Verbreitung guter Angebote für Kinder unterstützen, häufig in Form eines Social Franchise. Und wir merken, dass viele andere, die den Standard für ihre Berichterstattung anwenden, auch neue Erkenntnisse darüber haben, wo auf der Gegenseite das Verständnis für die manchmal komplizierten Wirkungsketten fehlt, die eine Organisation hat.

In meinen Augen liegt das Transparenzproblem weniger auf der Ebene „ich will hier nicht verraten, was ich mache“ oder „ich habe etwas zu verbergen“, sondern darin, dass es ganz


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schön schwierig zu erklären ist, was manche von uns machen. Das liegt auch daran, dass die Probleme so schwierig und die Lösungen nicht einfach sind und nicht nach dem Motto funktionieren: „Ich drück‘ auf den Knopf, und dann geht‘s allen Kindern besser.“ Wenn wir aber zunehmend bereit sind, über solche komplizierten Mechanismen zu reden, dann wird die ganze Diskussion viel interessanter.

Ballhausen: Und habe ich Sie richtig verstanden, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, über das, was die Organisationen im Rahmen der Wirkungstransparenz erarbeitet haben, zu erfahren?

Meyn: Das haben Sie gesagt. Ich glaube, einen Anspruch haben in erster Linie die, die sie finanzieren.

Ballhausen: Herr Sommer, ich glaube, der Deutsche Caritasverband veröffentlicht seit Jahren den Jahresbericht, die Bilanz, alles steht im Internet, es gibt einen Caritas-Diakonie-Standard, in dem drinsteht, was zu tun ist, und: Sie haben einen Standard für die einzelnen Dienste und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Trifft zu, was Herr Meyn gesagt hat: Keiner nimmt das zur Kenntnis, ich meine jetzt nicht im Bereich der freien Wohlfahrtspflege, sondern aus dem Bereich der geneigten Öffentlichkeit? Wer weiß , dass der Deutsche Caritasverband seine Zahlen veröffentlicht, wer weiß , dass der Deutsche Caritasverband als Bundesverband an der Initiative „Transparente Zivilgesellschaft“ teilnimmt und dort seine Kennzahlen veröffentlicht? Sie haben die Möglichkeit, das einmal hier darzustellen.

Sommer: Ja, Herr Ballhausen, vielen herzlichen Dank. Ich denke, es ist gut, darauf die Frage zu richten. In der Tat sind wir als Deutscher Caritasverband seit Jahren unterwegs im Thema Transparenz, wir haben uns in all den genannten Initiativen engagiert. Wir veröffentlichen dazu viel und haben auch das DZI Spendensiegel.

Die entscheidende Frage ist: Kommt die Information, die wir geben, dort an, wo sie ankommen soll? Geben wir die richtigen Antworten? Finden sie die Fragenden? Ein spannendes Thema in der Debatte um Transparenz ist für mich, dass wir uns selbst vielfältigsten Standards unterwerfen oder ihnen vom Gesetzgeber unterworfen werden. Allein durch unsere sozialen Dienstleistungen sind wir über einem Dutzend Gesetze und einer Vielzahl daraus folgender Verordnungen unterworfen. Es ist sehr vielfältig, was wir alles wem berichten. Die Frage ist dann: Wer liest das? Wen interessiert das? Das ist alles mit Arbeit verbunden, und das ist die Arbeit unserer Praktiker – der Deutsche Caritasverband ist kein Konzern, sondern ein Dachverband von 8.500 selbstständigen Rechtsträgern aller Rechtsformen, die im Dritten Sektor unterwegs sind. Wen interessiert das, was da alles erarbeitet wird?

Haben wir ein Transparenzproblem? Es ist sicherlich kein quantitatives Problem. Die Frage ist, wie wir richtig zugespitzt Informationen vermitteln können. Die Praktiker in unseren Einrichtungen sagen: „Ich stell’ schon drei Mann in unserem Rechnungswesen ab, die alle möglichen Dokumente nach allen möglichen Vorgaben ständig umbauen, damit sie den jeweiligen Berichtsstandards entsprechen.“ Da muss man dann gut werben. Und wenn, Christian [Herr Meyn], euer Social Reporting Standard um die Ecke kommt, sind unsere Träger natürlich nicht direkt hellauf begeistert: „Da kommt der nächste Standard, nach dem wir wieder anders unser wirtschaftliches Handeln darstellen sollen.“ Wir müssen also die richtigen Fragen und Antworten an die richtigen Positionen bringen.

Fakt ist: Wir leben von dem Vertrauen, das Spenderinnen und Spender in uns haben, wenn sie uns Geld spenden, aber wesentlich auch vom Vertrauen der Menschen, die unsere Einrichtungen nutzen. Insbesondere dort, wo das Gefälle zwischen Menschen und deren persönlicher Situation und Entscheidungshorizont und der Einrichtung, in der sie sich befinden, besonders steil ist, nämlich im Bereich der Pflege, berichten wir umfänglich – unter anderem mit diesen Pflegenoten, man kann dazu stehen wie man will. Dort berichten wir auch öffentlich, aber da wird zu Recht auch die Frage gestellt: „Naja, alles ist immer zwischen 1,1 und 2,1, was sagt mir das eigentlich?“ Was hilft es dem Verbraucher an dieser Stelle, der fragt: „Kann ich meine Angehörigen, meine Mutter, meinen Vater, in diese Einrichtung geben?“

Da sind eine Menge Fragen und dieses ganze Konglomerat sollte auf die wichtigen Fragen fokussiert werden, damit wir dem öffentlichen Interesse gerecht werden können und damit das auch wahrgenommen wird. Herr Ballhausen hat zu Recht zu Anfang darauf hingewiesen: Kaum einer kriegt es mit. In der Tat sind es Skandale, die dann wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit anziehen. Dass das alles natürlich viel komplizierter ist, brauche ich Ihnen nicht zu erläutern. Aber wir merken, dass das Handeln von Einzelpersonen und das Handeln von Organisation zwar völlig voneinander gelöst ist, aber dann aber doch auch wieder eng miteinander zusammenhängt. Also, lange Rede kurzer Sinn: Fokussieren, zusammenbringen, die richtigen Fragen stellen, die den richtigen Adressaten weiterhelfen.

Ballhausen: Also kein Transparenzproblem, sondern das Problem, dass Transparenz mit ungeheurem Aufwand verbunden ist. Da müsste man Erleichterung schaffen, aber Sie sind auf dem richtigen Weg.

Sommer: Ich würde nicht sagen, dass wir kein Problem haben, das wäre vermessen. Natürlich gibt es sehr viele Baustellen, an denen auch noch mehr geht. Es ist übrigens eine Konsequenz des Steuergeheimnisses, dass man nicht mal weiß, ob eine unserer Mitgliedsorganisationen gemeinnützig ist – sie dürfen nur bei uns Mitglied sein, wenn Sie gemeinnützig sind, aber das können Sie natürlich dem normalen Interessenten nicht erklären. Da sind wir völlig entspannt, da sehen wir kein Problem.

Wir müssen aber vielleicht unseren Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern vor Ort bei einem gewissen Maß von Transparenz auch immer wieder sehr genau zuhören, nämlich dann, wenn gewisse Geschäftszahlen, die veröffentlicht werden, von Kostenträgern missbraucht werden. Das heißt: Wenn einer unserer Vereine einen Gewinn von 250.000 Euro im Jahresabschluss macht, dann kann es nicht sein, dass in einer Kommune mit Haushaltsnotstand der kommunale Kämmerer kommt und sagt: „Ah, das ist ja hochinteressant, ihr macht


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hier einen Gewinn, da streiche ich euch das jetzt bei der Zuwendung für eure kommunale Suchtberatung.“ Da zucken natürlich unsere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer und sagen: So kann es nun auch nicht sein, da halte ich es lieber unter dem Tisch, ehe es mir im Halse herumgedreht wird. Das ist ein Problem, bei dem man auch noch eine Kommunikationsleistung Richtung Politik zu erbringen hat. Das müssen wir ernst nehmen, wir können als Deutscher Caritasverband aber nur empfehlen, am Ende entscheiden und verantworten müssen es die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer vor Ort.

Ballhausen: Ja, herzlichen Dank, Herr Sommer. Herr Wilke, als langjähriger Geschäftsführer des Zentralinstituts mit den Erfahrungen des Spendensiegels, haben Sie einen hervorragenden Einblick. Sind die Einrichtungen überfordert mit den verschiedenen Standards, Rechnung zu legen? Wie sehen Sie das? Hat der dritte Sektor ein Transparenzproblem?

Wilke: Die Einrichtungen sind nicht überfordert, aber einzelne Einrichtungen sind überfordert – und da liegt das Transparenzproblem des Dritten Sektors. Der Sektor ist außerdem so groß, dass man eben nicht von „dem Sektor“ sprechen kann. Das Projekt „Zivilgesellschaft in Zahlen“ hat dazu vor einigen Monaten gute Rahmendaten veröffentlicht. Allerdings ist das Image des gesamten Sektors betroffen, wenn bei einzelnen Einheiten des Dritten Sektors Probleme auftauchen. Insofern hat auch der gesamte Sektor ein Problem mit der Transparenz, wenngleich Transparenz heutzutage sicherlich eine notwendige Bedingung ist, um Vertrauen zu schaffen, aber noch keine hinreichende Bedingung. Und die Zielgröße muss Vertrauen oder auch, um in der Kategorie von Herrn Dr. Meyn zu sprechen, die bestmögliche Wirkung sein. Transparenz ist hier also ein Baustein.

Um kurz zu skizzieren, wie das DZI zu diesem Thema gekommen ist: Wir bieten seit 1893 Hilfen für Helfer an, indem wir über unsere Fachbibliothek im Bereich soziale Arbeit, die Literaturdatenbank, die Fachzeitschrift, aber eben auch die Spenderberatung, Informationen aufbereiten. Dadurch liefern wir Entscheidungshilfen und wirken seit über 100 Jahren am Thema Transparenz mit. Aber die direkte Transparenz, die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, dass eine einzelne Einrichtung auch Zahlen veröffentlicht, die ist eigentlich erst in den letzten zehn, zwanzig Jahren entstanden. Wir sprechen hier also auch über unterschiedliche Begrifflichkeiten von Transparenz. Es kommt nicht selten vor, dass uns im Brustton der Überzeugung eine Organisation sagt: „Wir sind transparent und wir müssten doch das Spendensiegel im Grunde sofort bekommen. Wir berichten nämlich dem Finanzamt all‘ unsere Zahlen.“ Keine Website, kein Jahresbericht – aber diese Organisation versteht ihre Transparenz dahingehend, dass sie wirklich diesem einen Stakeholder berichtet. Das ist schon ein sehr verengtes Bild – vor allem dann, wenn eine solche Organisation sich durch Spenden finanziert und so einer breiten Stakeholderschaft rechenschaftspflichtig ist. Nach unserer Erfahrung sind die Finanzierungsquellen eine ganz wesentliche Quelle der Transparenzverantwortung. Gegenüber dem Stakeholder, durch den ich mich finanziere, sollte ich auch transparent sein. Neben Transparenz ist im Übrigen eine gut funktionierende Leitungs- und Kontrollstruktur notwendige Bedingung, um Vertrauen im Dritten Sektor zu schaffen. Dazu gehören auch eine wahrhaftige Öffentlichkeitsarbeit (inklusive einer gut ausgebauten Fundraising-Ethik), Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, aber auch Wirksamkeit, sowie eine aussagekräftige Rechnungslegung, abhängig von der Größe der Organisation.

Also meine These ist: Es gibt ein Transparenzproblem dort, wo einzelne Organisationen des Dritten Sektors einzelnen ihrer Stakeholder nicht ausreichend Rechenschaft ablegen. Und hier sollten die Organisationen kundiger als bisher aus der Toolbox schöpfen, die es mittlerweile im Bereich von Transparenz gibt, angefangen von einem guten eigenen Jahresbericht über die Selbstverpflichtung etwa im Bundesverband Deutscher Stiftungen oder die Grundsätze Guter Stiftungspraxis bis hin zu geprüfter Transparenz, etwa dem Spendensiegel oder auch fachlichen Qualitätsmanagementzertifikaten. Die Transparenzherausforderung für den Sektor ist meines Erachtens, die Vielfalt der Transparenzinstrumente noch genauer auszuwählen als bisher und auch der Öffentlichkeit zu erklären, weshalb etwa eine kleine Organisation mit 50.000 Euro Einnahmen eben „nur“ die Initiative Transparente Zivilgesellschaft unterzeichnet und etwa ein DZI-Spendensiegel für sie keinen Sinn machen würde, weil hier gar nicht diese Finanzierungszusammenhänge und Finanzierungsverantwortungen bestehen.

Zwei abschließende Kommentare, wo wir sonst noch Probleme mit Transparenz sehen. Organisationen, die die Öffentlichkeit aktiv um Unterstützung bitten – und das müssen nicht nur Spendensammlungen sein, das kann auch etwa eine Advocacy-Organisation sein, die das öffentliche Mandat stark sucht – haben häufig noch einen zu wenig aussagekräftigen Jahresbericht. Die Initiative Transparente Zivilgesellschaft hat, obwohl sie ein niedrigschwelliges Angebot ist, aktuell 560 Unterzeichner. Die Zielgruppe sind 600.000 Vereine und 20.000 Stiftungen, der gesamte Sektor als Mindestgröße. Die ITZ wird vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, dem Kulturrat, dem DZI und auch von anderen Dachverbänden unterstützt – dann ist 560 eine enttäuschende Zahl. Auch hier liegt also ein Problem, wenn bisher selbst ein so niedrigschwelliges Angebot so wenig Zuspruch findet. Letzter Punkt dazu: Im internationalen Vergleich sehen wir immer, dass bei vielen deutschen Organisationen, Stiftungen, Vereinen und anderen Rechtskörpern die Bereitschaft zu Kommunikation und Kooperation geringer ausgeprägt ist als in anderen Ländern. Auch das ist eine gewisse Transparenzbremse und bedeutet auch, dass einzelne Organisationen, die stark auf sich selbst fixiert sind, zu einem idealisierten Selbstbild neigen. Sie glauben dann, vorbildlich transparent zu sein, weil sie mangels Austauschs mit anderen das bessere Beispiel oft gar nicht kennen.

Mein Fazit: Die Leuchttürme des Dritten Sektors, also einzelne Stiftungen, einzelne NGOs und auch die Dachorganisationen, sollten als Vorbilder, Treiber und Motivatoren in Sachen angemessener Transparenz wirken und Verantwortung übernehmen.

Ballhausen: Herzlichen Dank. Herr Professor Göring, Sie drückt es, Sie wollen etwas sagen.

Göring: Also zunächst einmal möchte ich mich dem letzten


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Statement sehr gern anschließen und bekräftigen, dass wir als Bundesverband die Funktion haben, diese Vernetzung herzustellen, die Kommunikation zu ermöglichen, sich auch mal über Flops auszutauschen und das Ganze in Bewegung zu bringen. Ich möchte jetzt nur, nachdem wir von so einem großen Verband wie der Caritas gehört haben, doch noch einmal eine Lanze für die kleine Stiftung brechen. Ich sagte eben, wir sind 20.000 Stiftungen in der Bundesrepublik, mehr als 50% haben ein Vermögen von unter 500.000 Euro. Nur 10% der deutschen Stiftungen können sich überhaupt eine professionelle Verwaltung leisten, jemanden, dem sie dafür ein kleines Entgelt zahlen, dass er die Stiftung führt. Das heißt: Ein Großteil der Stiftungen wird vom Stifter oder dem Sohn, der Tochter des Stifters geführt – und das trifft auf jeden Fall auf die Stiftung zu, die mal mit 100.000 DM oder 50.000 Euro gegründet wurde. Die muss sich jetzt mit dem Gedanken der Transparenz beschäftigten. Da ist es dann sehr schön, wenn man einen Social Reporting Standard hat, aber schon der Begriff ist ja für so manchen zu viel, der seine 50.000 Euro-Stiftung hat und jetzt ganze 1.250 Euro von der Bank überwiesen bekam, weil er zum Glück noch 2,5% Anlagen hat – demnächst sind es nur noch 1,5%. Der geht nicht zum Social Reporting Standard oder zur Initiative Transparente Zivilgesellschaft und lässt sich da beraten. Der ist froh, wenn er dieses Geld einigermaßen gescheit unterbringen kann und dann kommt noch der Bundesverband und sagt: „Jetzt pass mal auf, ein bisschen Transparenz muss aber auch her!“

Ich finde, da müssen wir ganz konkret rangehen. Ich habe mit Herrn Fleisch darüber gesprochen, ob wir nicht im Bundesverband so etwas anbieten, dass wir auch einer kleinen Stiftung sagen: „Es gibt hier Homepages, die sind kostenlos zugänglich. Da haben Sie eine Plattform, da können sie alles Wichtige eingeben.“ Was mir sehr gefallen hat, Herr Meyn, ist Ihr Gedanke, dass Transparenz immer auch einen Faktor in sich selbst, also ein reflexives Moment hat. Die Stiftung, die anfängt zu sagen: „Ich will durchaus auch im Internet erzählen, was wir tun“, die fängt auch an darüber nachzudenken: „Ja, was tun wir eigentlich? War das so sinnvoll, die Grundschule X und das Gymnasium Y zu fördern, oder den Sportverein hier und ein Forschungsprojekt da? Müssen wir uns nicht etwas mehr konzentrieren? Wir haben nur wenig Mittel, dann doch eher diese Mittel fokussieren!“ Und dann fängt der Stifter, die Stifterin an, über Wirkung nachzudenken, und fühlt sich ermutigt, in ein, zwei Sätzen auf der Homepage zu erzählen, warum die 800 Euro gerade an diese Schule gegangen sind. Dass diese Schule nämlich ein gutes Konzept vorgelegt hat, das die Stiftung überzeugt hat, weil man eben beispielsweise Kinder mit Integrationsschwierigkeiten fördern möchte.

Wir dürfen also nicht immer nur an die großen Stiftungen denken, die Apparate haben, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben, sondern müssen als Bundesverband gerade auch die kleinen sehen, in denen die Stifterin selbst sich hinsetzt und – mit dem Eierlikör daneben – eintippt, was die Stiftung im letzten Jahr getan hat.

Ballhausen: Frau Professorin Weitemeyer.

Weitemeyer: Es ist alles richtig, was hier gesagt worden ist. Ich glaube, wir haben hier gute Aspekte zusammengetragen, und ich möchte auch nochmal betonen, Herr Sommer, dass wir in manchen Bereichen eine Überregulierung haben, gerade im sozialen Bereich. Natürlich ist es auch wichtig, dass es da Standards gibt, aber da gibt es zum Teil sehr viele zum Teil auch sich überschneidende Standards. Da ist man rechenschaftslegungspflichtig gegenüber den Sozialkassen, gegenüber den Leistungserbringern, da gibt es die Krankenhausbuchführungsverordnung. Und da gibt es das Heimrecht, das seit der Föderalismusreform Landesrecht geworden ist, das heißt, wir haben jetzt 16 Heimrechte. Somit muss eine Organisation, die deutschlandweit Pflege- oder Altersheime betreibt, sich mit 16 verschiedene Ordnungen auseinandersetzen, die auch noch unterschiedlich angewendet werden. Wir haben bei den Organisationen, die sagen, wir machen freiwillig eine Rechnungslegung entsprechend HGB und veröffentlichen das auch, das Problem, dass sie für das Finanzamt wieder ganz andere Zahlenwerke zusammenstellen müssen, denn IDW-Standard des Instituts der Wirtschaftspüfer passt nicht mit den Angaben, die das Finanzamt benötigt, zusammen. Neuerdings, wenn ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegt, wird zusätzlich eine E-Bilanz benötigt, sodass die Daten direkt elektronisch dem Finanzamt geliefert werden. Das ist irgendwann zu viel! Es gibt da den schönen Begriff in der Wissenschaft: „MAD“ – Multiple Accountability Disorder. Also wie eine Krankheit: Wenn man zu vielen Adressaten gegenüber rechenschaftspflichtig ist, dann führt das dazu, dass der Einzelne Überwacher auch das Interesse verliert. Also im konkreten Fall: „Das macht doch die Stiftungsaufsicht oder das Finanzamt, wieso müssen wir jetzt noch aufpassen?“. Und es führt dazu, dass natürlich der zu Überwachende irgendwann auch überfordert ist.

Also: Es steckt viel Arbeit dahinter, um diese verschiedenen Standards im Sektor zusammenzuführen und zu vereinheitlichen. Eventuell sind die ganzen freiwilligen Kodizes, die hier zur Sprache kamen – wir haben in einer Studie zwölf große Kodizes gezählt – auch ein Problem, dass man nicht, wie im Aktienrecht einen nationalen Corporate Governance Kodex hat, sondern viele verschiedene. Wenn man diese irgendwie zusammenfassen könnte, wäre ein Kodex auch besser sichtbar. Zusätzlich brauchen wir für einen Nationalen NPO-Kodex auch so eine Art Baukastensystem, sodass bestimmte kleine Organisationen nur eine Mindestanforderung erfüllen müssen und es dann bestimmte Stufen gibt, wie die Größenstufen für Vereine in Österreich, auf deren Basis dann weitere Anforderungen an Rechnungslegung und Transparenz hinzukommen. Dieser Kodex wäre zunächst nur freiwillig, er wäre aber vereinheitlicht, sodass alle sich zusammenfänden, um einen nationalen Kodex zu erfüllen Wenn nun eine Organisation noch weiter gehen möchte, so kann die Organisation, entsprechend § 161 AktG, angeben, ob sie sich an den Kodex hält. Ja oder Nein – und wenn nicht, warum etwa nicht. Die DAX-Unternehmen veröffentlichen die Gehälter der Vorstände nicht, das ist auch in Ordnung, damit habe ich kein Problem, aber ansonsten hat die Regel „comply or explain“, also halte dich daran oder erkläre, warum nicht, doch dazu geführt, dass wir diesen Corporate Governance Kodex im Aktienrecht ganz gut umgesetzt haben.

Ballhausen: Das heißt also: Viel Arbeit in erster Linie für die Dachverbände und nur hilfsweise Aufgaben für den Staat?

Weitemeyer: Sicher, man kann schließlich nicht bis in die


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kleinste Organisation ganz viele Regeln vorgeben, das will glaube ich keiner von uns. Ich sehe auch das Problem, dass, wenn die Wissenschaft jetzt sagt, wir machen ein Angebot und wir arbeiten mit den Organisationen zusammen und erarbeiten eine gemeinsame Regel, dass die Umstellung für die einzelne Organisation immer ersteinmal einen größeren Aufwand darstellt. Da ist also ein gewisses Beharrungsinteresse.

Ballhausen: Herzlichen Dank, Herr Dr. Meyn, dann Herr Sommer und dann Herr Wilke.

Meyn: Herr Göring, Sie haben mich auf die kleinen Organisationen angesprochen. Der Leitfaden, den wir für den Social Reporting Standard gemacht haben, erscheint in den kommenden Tagen neu. Er ist auf der Webseite http://www.social-reporting-standard.de/ zum Download abrufbar. Dieses Dokument ist schon etwas vereinfacht, weil wir seit vier Jahren unterwegs sind und gerade die kleinen Organisationen uns gesagt haben: „26 Seiten Leitfaden, habt ihr sie noch alle?“ Den kleinen Organisationen hat nicht immer die Antwort gereicht, dass der Text eine Vielzahl von Fällen abdeckt, die für die einzelne Organisation gar nicht relevant sind.

Im Kern geht es immer noch um die fünf Fragen: 1. Was ist das Problem? 2. Was sind die Ursachen? 3. Was macht Ihr? 4. Was verändert sich? 5. Woran merkt Ihr, dass es besser wird? Die muss jede Organisation beantworten können und das ist auch der Kern der ganzen Berichterstattung. Wir haben den SRS als Vollstandard angelegt, mit dem auch über Organisationsaspekte berichtet werden kann, aber nicht muss. Und wir haben gelernt, dass wir gerade den Wirkungsteil in Zukunft etwas stärker herausziehen sollten. Wir wollen mehr mit anderen darüber reden, wie dieser – relativ schmale – Teil des Standards, mit dem sie den Kern ihrer Arbeit beschreiben können, an anderen Stellen genutzt werden kann.

Wenn ein Ministerium eine Maßnahmendatenbank mit 42 Feldern hat, die nach Zuwendungsrechtsvorschriften erforderlich sind, und dann gibt es noch ein Freitextfeld zu der Frage: „Was macht die Organisation überhaupt?“ (das spielt in der ganzen Maßnahmenförderung immer nur so eine Randrolle), dann könnte das die Struktur sein, wie man dieses Freitextfeld sinnvoll füllt – mit diesen fünf Fragen. Ich glaube, da ist auch etwas für die kleinen Organisationen dabei. Wir arbeiten aber weiter an der Verbesserung des Standards und sind froh über jeden, der mitmacht. Wo können wir diese Art, über Wirkungen zu reden und Wirkungen transparent darzustellen, noch sinnvoll unterbringen, und wem könnte das helfen?

Natürlich sind wir im Gespräch mit ganz vielen Organisationen der freien Wohlfahrtspflege. Die bilden den Kern der sozialen Arbeit in Deutschland. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass es ihnen nicht immer gelingt, überzeugend zu erklären, wie gut sie sind und warum sie so wichtig sind. Wenn neue externe Anforderungen formuliert werden, hier müsst ihr nochmal berichten und da müsst ihr nochmal nachrechnen, dann impliziert das ja die Vermutung: „Wir wissen nicht, was ihr da treibt. Wir wollen euch nicht regulieren, aber ein bisschen besser kontrollieren.“ Entweder bleibt man in der defensiven Position und wehrt jede weitere Zumutung ab. Oder wir versuchen gemeinsam, Wege zu finden, wie man das, was eine Organisation Gutes macht, noch deutlicher herausstellen kann, um auch mehr Vertrauen und Freiräume zu gewinnen. Die Alternative heißt, vollkommen durchreguliert zu werden.

Ballhausen: Das Gute herausstellen – für die Öffentlichkeit?

Meyn: Für die Öffentlichkeit und für die Zuwendungsgeber und die kommunalen Haushälter, die immer sagen: „Diese Verbände, die erzählen irgendwas …“

Ballhausen: Okay. Herr Sommer, Sie sind angesprochen:

Sommer: Erstmal noch ganz kurz die Replik darauf: Wir sind schon heute sehr stark durchreguliert. Es geht immer noch mehr, wenn hier Mitarbeiter aus der öffentlichen Verwaltung sitzen würden, denen würde bestimmt noch etwas einfallen. Aber natürlich sind wir grundsätzlich am Thema Wirkung interessiert und arbeiten auch mit der Social Reporting Initiative zusammen. Die Masse unserer Mitglieder sind kleine Einrichtungen mit um die zehn Mitarbeitern, aber es gibt auch riesige Einrichtungen mit mehreren tausend Mitarbeitern. Da sind wir dabei zu schauen: Wie kann das passen? Da sind wir in der Diskussion und da sind wir auch dankbar für.

Worauf ich aber eigentlich nochmal ansprechen wollte, Frau Weitemeyer, ich bin ebenso dankbar dafür, dass auch bei der Wissenschaft mittlerweile angekommen ist, was für einem Konglomerat wir da entgegenstehen. Natürlich ist es elektrisierend, alle Berichtspflichten zu vereinheitlichen, und das hört sich auch alles gut an. Die Praxis ist natürlich anders, der Pluralismus wurde uns hier angediehen, da haben wir ein großes Problem. Wir haben in der Caritas bereits einen Governance Standard mit der Verfassten Kirche zusammen verabredet – und was das für ein Wahnsinnsprozess war: Wir sind nicht nur 16 Bundesländer, sondern auch mit 27 Diözesen, 27 Bischöfen usw. gesegnet. Das ist ein wahnsinnig dickes Brett und ich denke darüber nach, wie wir da jetzt sinnvoll einen Schritt machen können. Das ist für mich eine offene Frage.

Hier oben gibt es so einen Riesensaal, den müssen wir glaube ich buchen, um alle Stakeholder in einen Raum zu holen, wenn wir alles für alle vereinheitlichen wollten. Meine Befürchtung ist, dass das ausgeht wie das Hornberger Schießen, jeder will seine Vorgaben da bewahren und pflegen, weil die alle wichtig sind. Wo kann man da anfangen? Da sind wir sicherlich im Bündnis für Gemeinnützigkeit auch dabei, uns etwas zu überlegen, aber das ist auch eine Frage an alle Beteiligten. Wie sind erste Schritte realistisch möglich, damit wir uns nicht verzetteln und jede Gruppe am Ende wieder nur ihre eigenen Pfründe sichern will – und damit jeder stattdessen seine guten Erfahrungen einbringen kann? Das ist für mich offen.

Ballhausen: Herr Wilke!

Wilke: Um die Frage von Herrn Sommer und das Petitum von Frau Professor Weitemeyer für gewisse Vereinheitlichungen existierender, auch freiwilliger Regelungen aufzugreifen: Die Initiative Transparente Zivilgesellschaft versucht gerade dies. Ein Zwischenerfolg ist immerhin, dass sich dort etwa sieben oder acht Dachverbände zusammengetan haben, einschließlich des Nicht-Dachverbands DZI als unabhängige Auskunftsstelle. Das DZI, der Bundesverband Deutscher


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Stiftungen, der Deutsche Fundraising Verband, VENRO, der Deutsche Kulturrat und einige weitere haben sich dort auf den kleinsten gemeinsamen Nenner eines Basisangebots für Transparenz verständigt, zugeschnitten gerade auf kleine Organisationen. Schon da haben aber nicht alle Dachverbände mitgemacht. Das Bündnis für Gemeinnützigkeit und andere Dachverbände müssen sich hierzu also positionieren, denn so schwach, wie das Zwischenergebnis derzeit ausgefallen ist, provoziert es trotz aller Zwischenerfolge über kurz oder lang gesetzliche Regelungen.

Im November 2013 hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Magdeburg in einem Beschluss angeregt, dass es eine gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe geben soll, um Rechnungslegungs- und Publizitätsgrundsätze für gemeinnützige Organisationen zu erarbeiten. Das ist vermutlich eine Spätfolge der Treberhilfe-Debatte, aber auch der anderen Transparenz-Debatten im gemeinnützigen Sektor. Ich bezweifle, dass all’ diese Stakeholder-Anforderungen – jetzt kommen eben hier Bund und Länder in diesem Sinne verstärkt mit dazu – letztlich durch ein oder zwei Instrumente abzudecken sind. Da, wo es Austausch und Abstimmung geben soll, muss der unbedingt stattfinden. Als das DZI 2010/2011 seine Spendensiegel-Standards überarbeitet hat, haben wir beispielsweise den intensiven Dialog mit VENRO gesucht, die 2008 mit unserer Mitwirkung die Transparenz-Standards errichtet haben, und so weit wie möglich eine Abstimmung herbeigeführt. Von solchen Projekten sollte es sicherlich noch mehr geben, aber ich bezweifle stark, dass für den gesamten Sektor bei der Vielfalt von großen und kleinen Stiftungen, Vereinen und zunehmend auch anderen Rechtskörpern letztlich ein oder zwei Instrumente ausreichend sind.

Ein Beispiel bietet hier etwa die Website der US-Dach-organisation Independent Sector mit ihrer Accountability-Suchfunktion. Dort werden die etwa 150 bis 160 Verhaltenskodizes des amerikanischen Sektors nach Themen und Regionen ebenso dargestellt wie die fünf oder sechs Spendensiegel und allgemeinen Zertifizierungen. Das Dach der Dächer, Independent Sector, übernimmt hier also eine Art Lotsenfunktion, um eine bessere Einordnung dieser Instrumente zu durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Ballhausen: Ja, herzlichen Dank! Ich habe so herausgehört, dass alle auf dem Podium die Auffassung vertreten, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, woher eine gemeinnützige Organisation ihr Geld bekommt und wofür sie es ausgibt, um das Vertrauen zu erhalten. Das gilt insbesondere für diejenigen, die Spenden einsammeln oder mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, die in Form einer Zeitspende mitwirken wollen. Reicht da Freiwilligkeit aus?

An der Initiative Transparente Zivilgesellschaft, die es seit 2010 gibt, nehmen mittlerweile mehr als 500 Organisationen teil, obwohl es, wie Sie gerade gesagt haben, ein Minimalstandard ist. Die Grundsätze guter Stiftungspraxis des Bundesverbandes, so das Ergebnis der Stiftungsstudie 2010: 24% der befragten 202 Stiftungen machen mit. Die Leitlinien des deutschen Zentralinstituts für soziale Fragenfür dasSpendensiegel erfüllenca. 250 Organisationen. Das sind die Ergebnisse freiwilliger Regelungen. Reicht uns das oder muss jetzt doch ein bisschen mehr Druck entweder über die Dachverbände oder aber durch den Gesetzgeber in den Sektor hineingegeben werden? Herr Professor Göring!

Göring: Ich wäre sehr dafür, dass wir das Ziel Transparenz über die Verbände schaffen, dass wir mehr Anreize vorstellen, dass wir mehr Möglichkeiten bieten. Ich habe das eben schon erwähnt, dass jetzt alle, die hier sitzen und die noch keine eigene Homepage haben und über die wichtigsten Details ihrer Stiftung Informationen abgeben mögen, Herrn Fleisch anrufen können und fragen: „Wie kann ich das am besten machen? Ich möchte transparent sein!“ Transparenz muss einfach in diesem Sinne „in“ sein.

Ich würde Transparenz jedoch eingrenzen. Ich glaube beispielsweise nicht, dass eine Stiftung auch sagen muss, woher die Kapitalerträge kommen. Wieviel Geld gestiftet wurde, sollte schon gesagt werden, aber ich denke nicht, dass es dann heißen muss, dieser Betrag ist in diesem Fond angelegt und jener ist in jenem Fond. Dann heißt es nämlich, mit der Bank kann man auch nicht zusammenarbeiten, die hat ja schlechte Sachen gemacht. Sowas muss private Entscheidung bleiben. Der für bürgerlich-rechtliche Stiftungen so zentrale Charakter des Privaten ist mir in der Debatte um Transparenz so wichtig, dass ich dafür bin, möglichst viel verbandsmäßig zu regeln. Ich hätte schreckliche Sorge, dass bei gesetzlicher Regelung eine ausufernde Bürokratie auf uns zukommt, denn immer dann, wenn etwas gesetzlich geregelt wird, muss es ja nachvollziehbar bleiben. Nachvollziehbar heißt aber, man muss es nach ganz bestimmten Kriterien einreichen. Und ich denke einfach immer wieder an die vielen Stiftungen unter 500.000 Euro Kapital, die wir in der Bundesrepublik haben: was kann man denen zumuten? Wir müssen immer dafür sorgen, dass Stiften etwas bleibt, was auch für den Privatmann und die Privatfrau machbar, umsetzbar ist: etwas, wozu sie Lust haben und woran sie nicht durch einen Wust von Regularien gehindert werden. Es scheint mir überhaupt in unserem Land eine Tendenz zu geben, alles regulieren zu wollen. Wir werden einen Purismus entwickeln, der sondergleichen ist, uns aber irgendwann auch wieder ganz schrecklich einschränkt.

Und deshalb, um diesen Dingen nicht noch weiter Vorschub zu leisten, die Aufforderung an Sie alle: Werden Sie in Ihren Stiftungen transparent, werben Sie damit, dass Sie transparent sind, halten Sie andere dazu an. Wir im Bundesverband werden alles dafür tun, um Sie dabei zu unterstützen, damit Herr Ballhausen demnächst sagen kann: 80% der 4.000 Stiftungen im Bundesverband haben die Grundsätze guter Stiftungspraxis nicht nur unterschrieben, sondern erfüllen sie tatsächlich.

Ballhausen: Ich höre Beifall aus dem Publikum. Und ich darf Sie auch herzlich einladen, wir nähern uns so langsam dem Ende, sich mit Ihrem guten Beispiel und Ihren Fragen an das Podium wenden. Aber zuvor Herr Dr. Meyn und dann Herr Wilke.

Meyn: Ich wollte noch einmal die Frage ansprechen, wozu Transparenz überhaupt gut sein kann. Das eine ist ja die Verantwortlichkeit der geförderten Organisationen gegenüber demjenigen, der sich dort engagiert, mit Geld oder mit Zeit. Offensichtlich entscheiden jeden Tag viele Millionen


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Menschen in diesem Land: Ich gebe einer Organisation Geld oder ich engagiere mich dort ehrenamtlich. Meine Vermutung ist: In sehr vielen dieser Fälle haben die vorher weder den Jahresabschluss gelesen noch sich umfänglich über die Gemeinnützigkeit dieser Organisation informiert. Sie machen das vielmehr, weil sie einen guten Eindruck von der Arbeit haben, weil sie sie vielleicht aus eigener Anschauung kennen, weil sie den Menschen vertrauen, mit denen sie dort zu tun haben, und weil sie hoffen, dass ihr Beitrag dort wertgeschätzt wird. Das sind, so glaube ich, die wesentlichen Motive.

Ob diese Beiträge, die Spenden oder die eingebrachte Zeit, auch gut ankommen, darum kümmert sich jeder genau so sehr, wie es ihn interessiert. Mancher denkt sich: „Ich überweise Geld einer Naturschutzorganisation und dann geht es hinterher dem Otter besser oder der Kröte. Aber wenn ich den Jahresbericht downloade und nachschaue, wie geht es nun meinem Otter, dann weiß ich ja auch nicht so genau, ob das alles so stimmt.“ Die Verantwortlichkeit in Form von Berichten und Jahreszahlen herzustellen ist vermutlich häufig weniger wichtig als der persönliche Kontakt und die transparente Darstellung dessen, wofür ich diesen Einsatz haben will.

Das andere ist: Kann man mit Transparenz Missbrauch verhindern? Ich denke: Leute, die sich selbst bedienen wollen, die schreiben auch einfach einen falschen Bericht. Sicherlich gibt es Fälle, in denen man durch verschärfte Transparenz noch dem einen oder anderen Halunken auf die Schliche kommt. Aber davon gibt es in diesem Sektor auch nicht mehr als in anderen Sektoren – und selbst dort, wo weiter gehende Transparenzregelungen herrschen, zum Beispiel bei Unternehmen, klappt es auch nicht viel besser. Die Perspektive nur auf die Verhinderung von Missbrauch zu richten, wäre mir auch deutlich zu eng.

Ballhausen: Eine klare Position. Herr Wilke und dann die beiden Wortmeldungen dort hinten.

Wilke: Vielem kann ich zustimmen. Ich möchte die Grenze von staatlichen Regulierungen aber noch von einer anderen Seite her aufzeigen. Auch von einer Publizitätspflicht – wenn sie denn käme – sollte man nicht zu viel erwarten. Es gibt in Großbritannien und in den USA Publizitätspflichten. Auch dort gibt es Missbrauchsfälle – und zwar nach allem, was man weiß, nicht weniger als hier. Aber – und da möchte ich eigentlich Mut machen – wir haben in Deutschland doch einige Engagement-Kennziffern, die deutlich niedriger sind als etwa in Großbritannien und den USA. Wir haben eine Spenderquote von 40%. Wie können es alle Beteiligten schaffen, die Öffentlichkeit zu mehr Engagement zu bewegen? Wir müssen auf diese 60% Nichtspender zielen, oder auch Nichtstifter. Ich weiß nicht, wie hoch dort die Stifterquote ist, aber wir haben mit Blick auf die Spenderquote der USA erheblich Luft nach oben – natürlich mit einem anderen gesetzlichen Hintergrund, aber auch einer anderen Kultur. Und die Veröffentlichungspflicht der Jahresabschlusszahlen hindert zumindest diese deutlich höhere Spenderquote nicht.

Nach unserer Erfahrung würde zumindest eine gesetzliche Verpflichtung den vielen Organisationen etwas auf die Sprünge helfen, die aus vollkommen falscher Angst oder Vorsicht fürchten, es würde Werweißwas passieren, wenn ihre Bilanz veröffentlicht würde. Es würde ja ausreichen, das in wenigen Grundzügen zu tun. Man könnte sich da am Recht für Kapitalgesellschaften orientieren – mit etwas abgesenkten Größenstufen. Das wird eine unausweichliche Reaktion sein, wenn der Sektor weiter an Bedeutung zunimmt. Das sollten die Dachverbänden des Sektors proaktiv begleiten.

Aber auch eine solche finanzielle Veröffentlichungspflicht wird nicht das Grundproblem von betrügerischen Fällen lösen. Dafür ist erforderlich, dass sich das Positivbeispiel Sammlungsaufsicht in Rheinland-Pfalz – ein einsames Beispiel in Deutschland, da fast alle anderen Bundesländer das Sammlungsrecht abgeschafft haben – als best practice fortsetzt. Dort wird nicht die Mehrzahl der seriösen Organisationen mit Bürokratie belästigt, sondern bei Verdachtsfällen gezielt recherchiert. So werden etwa 10-15 Sammlungsverbote im Jahr verhängt – nur eben ausschließlich gültig in Rheinland-Pfalz, und das versteht kein Spender.

Ballhausen: Die ziehen dann weiter in ein anderes Bundesland.

Wilke: Ja.

Ballhausen: Dort hinten haben sich zwei Damen gemeldet. Bitte sehr, sagen Sie ganz kurz Ihr Anliegen.

Zuschauerin: Ich bin von der terre des femmes-Stiftung. Das ist eine Förderstiftung für den Verein terre des femmes e.V., der aus einem Mix von verschiedenen Einnahmen lebt, also Spenden, Mitgliedsbeiträge, Zuschüsse. Und wir haben auch sehr viele Berichte zu schreiben. Wir gehen auch schon in die Richtung Caritas, dass also etliche Mitarbeiterinnen, oder die Zeit dieser Mitarbeiterinnen, für Berichte benutzt werden muss. Unsere Krux sind die Verwaltungskosten. Wir sind immer noch auf der Suche nach einer einheitlichen Definition von Verwaltung, Verwaltungskosten. Ich finde, das fehlt noch. Und da könnten sich auch die Verbände engagieren. Ich weiß, dass das DZI eine solche aufgestellt hat, aber wenn wir zum Beispiel an Ministerien unsere Abrechnungen machen, dann stimmen die Kriterien nicht. Da müssen wir wieder neue Abrechnungen machen.

Das fände ich zum Beispiel wirklich mal eine Aufgabe der Dachverbände, da eine einheitliche Regelung zu finden, eine einheitliche Definition, eine einheitliche Abrechnung. Weil das ja auch das ist, was in der Öffentlichkeit immer zum Thema gemacht wird: „Wie hoch sind die Verwaltungskosten einer Organisation?“ – Und wenn ich jetzt immer mehr investieren muss in Abrechnungen, sind das ja Verwaltungskosten. Ich finde, da muss man auch mal ehrlich mit der Öffentlichkeit umgehen und sagen: „Sorry, was wollt ihr eigentlich? Ihr wollt immer mehr Transparenz, ihr wollt immer mehr Offenlegung, aber gleichzeitig erhöht das doch auch die Kosten für Verwaltung und für Personal.“ – Und ich finde, das ist so ein Widerspruch, den man (auch mal) angehen muss und mit dem man offensiv umgehen muss: dass man nicht alles haben kann, geringe Verwaltungskosten und gleichzeitig Abrechnungen in vielfältiger Form.

Ballhausen: Ja, herzlichen Dank. Also auch Entbürokra-


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tisierung des Zuwendungsrechts – eine Frage an Herrn Wilke: Definition Verwaltungskosten. Der junge Mann in der gleichen Reihe hatte sich als Zweiter gemeldet.

Zuschauer: Herr Prof. Göring, ich habe eine Frage. Sie haben gesagt, dass Sie auch kleinen Stiftungen die Möglichkeit geben wollen, sich beispielsweise auf der Seite des Bundesverbands, wenn ich das richtig verstanden habe, vorzustellen. Wenn man das jetzt von der anderen Seite angeht, also wenn man sagt, es gibt die Öffentlichkeit, die sich informieren will – sehen Sie da die Möglichkeit des Bundesverbandes, eventuell auch eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen? Zum Beispiel ein Verzeichnis, wo die Stiftungen im Bundesverband verzeichnet sind, was sie genau machen, welchen Stiftungszweck sie haben, was da überhaupt getan wird – dass man sich da eventuell auch informieren kann. Besonders dann eventuell auch für die Geldgeber.

Göring: So ein Verzeichnis gibt es, das Verzeichnis deutscher Stiftungen. Das ist allerdings ein freiwilliges Verzeichnis. Da sind mittlerweile 20.000 Stiftungen enthalten. Das gibt es als CD und traditionell als Buch, die Neuauflage erscheint im Oktober. Meine Überlegung eben war nicht, dass wir im Bundesverband eine einheitliche Homepage für kleine Stiftungen haben, sondern den Stiftungen Hinweise geben, wo sie kostenlos eine Homepage schlicht und einfach einrichten können, um Transparenz voranzubringen.

Ballhausen: Ja, herzlichen Dank. Herr Wilke, Sie sind zu den Verwaltungskosten gefragt worden. Ein kurzer Satz dazu, um dann weiterhin ins Publikum zu gehen.

Wilke: Die ersten zwei Seiten unseres DZI-Konzepts, das bereits seit vielen Jahren existiert und frei downloadbar ist, verwenden wir nur darauf, zu erklären, weshalb man Verwaltungskosten nicht so wichtig nehmen und vor allem nicht so direkt von Organisation zu Organisation vergleichen sollte. Auch das Spendensiegel beruht nur zu einem kleinen Teil auf der Berechnung des Verwaltungskostenanteils und ansonsten auf vielen anderen Kriterien. Die größeren Probleme liegen eigentlich bei Organisationen, die behaupten, sie hätten keine Verwaltungskosten.

Unsere Definition von Verwaltungskosten ist mit unseren Schweizer Kollegen abgestimmt, die sie dort auch mit dem Entwicklungshilfe-Ministerium abgestimmt haben. Auch das deutsche BMZ das Spendensiegen als Verwaltungskosten-Berechnungsnachweis an und erlässt Organisationen, die es tragen, insoweit die BMZ-Prüfung. Und das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland verweist zur empfehlenden Orientierung ebenfalls auf unsere Definition. Wir werden in diesem Jahr noch einmal eine kleine ad hoc-Arbeitsgruppe einrichten, um ein paar Aktualisierungen vorzunehmen. Der aktuelle Stand ist von 2006. Und das Ministerium, welches dieses Vorgehen nicht akzeptiert, könnte sich vielleicht ein Beispiel am BMZ nehmen, denn da funktioniert das seit vielen Jahren gut – soweit ich das weiß, auch beim Auswärtigen Amt.

Ballhausen: Ich weiß, dass die Dachverbände auch versuchen, die Ministerien zu koordinieren. Aber das ist ein ganz schwieriger Job. Jetzt gab es dort eine Wortmeldung.

Zuschauer: Ich glaube, Herr Göring, noch zwanzig neue Stiftungswebsites lösen das Problem nicht. Irgendwann ertrinkt die Öffentlichkeit in 855 Websites, wo es noch wieder neue Informationen gibt, die immer wieder anders strukturiert sind und andere Sachen. Also das, glaube ich, hilft jetzt nicht großartig. Ich glaube auch, dass es nicht sehr praktikabel ist, wie wir es jetzt machen, dass wir die gesamte Kontrolle einer staatlichen Behörde überlassen. Hartz IV zeigt ja, wie völlig absurd der Aufwand ist, um 2% Missbrauch, schwarze Schafe, zu finden, die restlichen 98% in den Wahnsinn zu treiben. Nichts anderes erleben Stiftungen oder alle gemeinnützigen Organisationen in den Verhandlungen darüber, welche Einkommen wie zeitnah zu verwenden gewesen wären. Das ist total grotesk. Das hilft auch niemandem. Das hat sich völlig verselbständigt.

Ich glaube, die effektivste Möglichkeit ist einfach, eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit zuzulassen – letzten Endes das Gleiche wie in den USA, wo die Steuererklärung aller gemeinnütziger Organisationen im Internet abrufbar sind. Das geht für Deutschland sicherlich zu weit, aber ich weiß nicht, warum es nicht möglich sein sollte, rechtsformunabhängig bestimmte Publizitätspflichten staatlicherseits zu verordnen. Es ist dem Spender ja überhaupt nicht zu erklären, warum eine gemeinnützige GmbH anders berichtet als eine Stiftung und anders berichtet als ein Verein, und dass ich die Berichte alle in einer anderen Form in einer anderen Ordnung finde. Das ist ja auch Schwachsinn. Also eine rechtsformübergreifende Publizitätspflicht, die bestimmte Kerndaten verpflichtend macht: Vermögensgröße, Mitarbeiterzahl, Gremienmitglieder, Stiftungszwecke oder Organisationszwecke und vielleicht die fünf wichtigsten Projekte. So, da kann man den Social Reporting Standard schon mit anhängen, wenn man möchte. Ja, ich glaube nicht, dass das wahnsinnig viel Bürokratie schafft. Im Gegenteil. Man müsste gleichzeitig eben diese zeitnahen Mittelverwendung und diesen ganzen Wahnsinn vielleicht ein bisschen zurücknehmen und die Berichtspflichten diesbezüglich. Ich glaube, das wäre wesentlich effektiver, weil dann 80 Millionen interessierte Bürger kontrollieren könnten, was eigentlich da passiert.

Ballhausen: Wer will antworten? Herr Sommer.

Sommer: Wir glauben auch, dass wir kein Sonderregime für eine bestimmte Gruppe – also die Wohlfahrt oder irgendwelche Stiftungen – bekommen dürfen, wenn es eine gesetzliche Regelung geben soll. Wenn, dann muss es ein einheitliches geben. Und das ist uns wichtig, da wir als Kapitalgesellschaft unterwegs sind. Ob das jetzt der Weisheit letzter Schluss ist, was im HGB gefordert wird, das steht auf einem anderen Blatt. Wir stehen in bestimmten Hilfefeldern im extremen Wettbewerb mit for-profit-Anbietern. Dann ist uns wichtig: Wenn wir eine Transparenz haben, dann dürfen wir da nicht ein grundsätzlich anderes Maß anlegen als das, was auch von unseren Konkurrenten gefordert wird. Das würde uns in extreme Schwierigkeiten bringen, auch in Verhandlungen mit Kostenträgern. Wenn wir im Bereich der freien Wohlfahrtspflege etwas bewirken wollen, müssen wir das immer mit bedenken und dürfen da keine Sonderregelungen schaffen.

Es gibt Menschen, die glauben, dass es für uns immer Ausnahmen geben wird, weil wir so gut sind und so nett


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usw. Das halte ich für absurd, auch im Lichte der heutigen Debatte. Wichtig ist: Wenn wir wirklich eine Regulierung brauchen, dann brauchen wir sie deshalb, weil wir es selber nicht hinkriegen. Das ist auch eine Ansage an uns als Dachverbände: Warum kriegen wir es eigentlich nicht hin? Warum sind nur 500 bei der ITZ gelistet, wenn es doch so ein schlanker Standard ist? Eine Anfrage an uns, aber auch an die ITZ natürlich. Was stimmt da vielleicht nicht? Aber wenn es Regulierung geben muss, dann auf einem Niveau, das uns im Wettbewerb nicht schlechter stellt.

Ballhausen: Geben Sie das Mikrophon noch einmal an Professorin Weitemeyer.

Weitemeyer: Herr Sommer, Sie hatten ja auch gefragt, und aus dem Publikum kam es auch: Was kann man machen? Wir versuchen Hilfestellung aus der Wissenschaft zu geben. Ich habe einen fleißigen Doktoranden, der schaut sich alle vorhandenen Kodizes in Deutschland an, vergleicht die mit Großbritannien, USA und Schweiz und versucht einen Super-, Metastandard zu erarbeiten oder wenigstens Hinweise zu geben, damit man eine Grundlage hat für die politische Diskussion, die dann natürlich auch in den Verbänden weitergehen sollte. Und ein anderer fleißiger Kollege guckt sich die Rechnungslegungsvorschriften in Spanien, Schweiz und Deutschland an und wertet die Erfahrungen auch der anderen Länder aus. Also das ist ganz viel Basisarbeit, die wir da auch mit leisten wollen, aber ich möchte auch nochmal appellieren, dass wir im Dritten Sektor zu mehr Transparenz kommen müssen, als wir bis jetzt haben.

Mein Lieblingsbeispiel, insofern abschreckendes Beispiel, ist die Entscheidung des OLG Celle vom 23.08.2013: Ein Verein – keine Stiftung, die Stiftungsaufsicht hätte da rebelliert – aber immerhin ein Verein, der in sechs Jahren über zwölf Millionen Spenden zusammengesammelt hat für die Krebsforschung, natürlich immer mit bedauerlichen Kindern als Fundraisingargument. Über zwölf Millionen Spenden, davon eine Förderquote am Ende dieser sechs Jahre von insgesamt 18%. Gut, da kann man sagen, es ist eine Menge Aufbauarbeit erforderlich, aber 63% dieser gesammelten Spenden sind in die eigene Fundraisingargentur des Vorstands dieses Vereins geflossen. Und dieser Verein war bis zum Schluss zunächst vom Finanzamt nur vorläufig als gemeinnützig anerkannt und dann wurde natürlich diese vorläufige Anerkennung auch entzogen. Aber schon diese Information ist nicht an die Allgemeinheit gedrungen und das OLG Celle sah sich nicht in der Lage, eine Strafbarkeit wegen Betrugs oder Untreue aufgrund der Verwendung der Spendengelder zu konstruieren, weil das Strafrecht – das glaube ich auch – wirklich das falsche Instrument ist.

Ballhausen: Ja, herzlichen Dank nochmal für dieses abschreckende Beispiel. Wir haben noch einige Wortmeldungen. Bitte, fangen Sie an.

Zuschauer: Herr Ballhausen, Ihre Zusammenfassung hat mich verblüfft, bevor die Publikumsrunde begann, dass auf dem Podium Einigkeit sei, „die Öffentlichkeit“ habe Anspruch auf Transparenz. Denn mindestens bei Herrn Meyn, aber auch bei anderen in der Runde habe ich herausgehört, dass es die Stakeholder sind – und der Sprung von Stakeholderöffentlichkeit zu allgemeiner Öffentlichkeit ist so simpel nicht, es sei denn, man nimmt die Steuerzahler als die Stakeholder, diejenigen nämlich, die auf Steuern verzichten, weil sie den Stiftungen einen bestimmten Status zuordnen. Ich würde gerne noch einmal auf das Podium zugehen und fragen: Gibt es eine Differenzierung zwischen individueller Öffentlichkeit – heißt Stakeholder – und allgemeiner Öffentlichkeit – heißt also Präsentation meiner ganzen Ergebnisse im Internet und an anderer Stelle?

Ballhausen: Herzlichen Dank, auch, dass Sie das so kurz zusammengeführt haben. Wir machen gleich hier nochmal eine Schlussrunde. Davor sind Sie noch dran.

Zuschauerin: Ich möchte mal nur so eine ganz allgemeine Frage hier ans Podium stellen, die sehr gut zu den zwei letzten Beiträgen passt: Wenn Vertrauen missbraucht wird, wenn Transparenz nicht eingehalten wird, es anscheinend keinen ethischen Kodex gibt, bei einer großen Stiftung, etwa des Mentorenprojekts „Big Brothers – Big Sisters“ – kann man da nicht im Bundesverband irgendwie eine Plattform finden, um so etwas aufzuarbeiten? Ich finde es sehr schade, dass das einfach irgendwie verschwindet, fast nur im Internet diskutiert wird, obwohl es ein riesen Ding ist. Es wirft ein sehr schlechtes Bild auf Stiftungen, ganz egal, ob sie klein, mittel oder groß sind. Die Großen können sich schützen, die Kleinen nicht.

Ballhausen: Ja, herzlichen Dank, wir müssen jetzt leider zum Schluss kommen. Jeder der Diskutanten soll noch ganz kurz auf das Publikum antworten können und ein Schlusswort bekommen. Herr Wilke.

Wilke: Das erschreckende Beispiel, das Frau Weitemeyer zitierte, hätten Sie zumindest auf der Liste „Das DZI rät ab“ über viele Jahre finden können. Das hindert diese Organisation aber nicht daran, trotzdem Millionen zu sammeln. Selbst wenn es da eine Veröffentlichungspflicht gegeben hätte, wären diese 85% Fundraisingkosten höchstwahrscheinlich als satzungsgemäße Öffentlichkeitsarbeit tituliert worden und dem durchschnittlich informierten Spender auch dort nicht unbedingt aufgefallen. Das heißt, dass wir für solche Fälle eine Sammlungsaufsicht brauchen, wenn sogar das Strafrecht oder das Zivilrecht hier nicht greifen können.

Zur Publizität gegenüber Stakeholdern: Meines Erachtens sollte allein der Gemeinnützigkeitsstatus eine Minimalauskunftsverpflichtung für alle entsprechenden Organisationen bringen, aber in sehr rudimentärer Form – etwa so, wie Herr Göring es eingangs skizziert hatte. Eine gesteigerte Rechenschaftsverpflichtung sollte es dann bei Organisationen geben, die Spenden einwerben, da diese sich an eine ganz besondere Gruppe von Stakeholdern wenden.

Meyn: Die Liste der Punkte, zu denen ich gerne noch etwas sagen würde, ist lang. Ich konzentriere mich einmal auf das Stichwort ‚Verwaltungskosten‘: Ich finde, die meisten Organisationen in Deutschland haben zu wenig Verwaltungskosten oder eine zu schlechte Verwaltung. Insbesondere, wenn ich ordentliche Berichte, eine gute Buchhaltung, eine strategische Planung, all diese Dinge von gemeinnützigen Organisationen erwarte, dann müssen diese dafür auch Geld ausgeben und


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ihre Kosten nicht nur als Prozentanteile von Projektförderungen abbilden dürfen. Eine Organisation muss auch mal sagen können: „Ich brauche 30% Verwaltungskosten, um den Job ordentlich zu machen.“. Wir bei Auridis fördern praktisch nur Verwaltungskosten, weil wir sehen, dass das bei den anderen immer zu kurz kommt.

Das Zweite: Der Fall „Big Brothers – Big Sisters“ ist in meinen Augen ein relativ komplexes Thema, das ich jetzt nicht im Rahmen eines Schlussstatements abschließend behandeln will. Wir waren einer der größten Förderer der Organisation und haben die Entscheidung, das Programm einzustellen, mitgetragen, weil wir die Gründe nachvollziehbar fanden. Über die Art der Kommunikation kann man reden. Aber wenn die Stiftung, die dieses Programm selbst nach Deutschland gebracht hat, zehn Jahre betrieben hat und dann festgestellt hat, dass andere Organisationen genau das nach eigener Einschätzung besser können, dann beschließt, dass sie das Programm nicht mehr macht, dann ist das erstmal ein ganz mutiger Schritt. Denn das würden sich Viele nicht trauen, weil man schon so viel Geld in das Projekt investiert hat. Viele hätten das Projekt dann irgendwie auslaufen lassen und gesagt: „Vielleicht finden wir hierfür noch jemanden“ – ein Tod auf Raten. Das Vorgehen der Stiftung ist schon sicherlich ungewöhnlich, aber ich finde es manchmal gar nicht so schlecht, wenn die vielleicht sehr guten, aber nicht so effizienten Organisationen Platz machen für die, die es besser können.

Und die Frage, ob die allgemeine Öffentlichkeit einen Transparenzanspruch hat, kann man aus meiner Sicht weder mit Ja noch mit Nein beantworten. Man müsste sich nochmal sehr genau darüber unterhalten, welche Informationen denn Gegenstand dieser Transparenz sind. Und gerade im Stiftungssektor haben wir es viel mit Leuten zu tun, die auch sonst die Öffentlichkeit nicht so sehr suchen. Nicht, weil sie etwas zu verbergen haben, sondern weil sie Angst auch um ihre Privatheit haben, auch weil sie Angst vor einer ungerechten Beurteilung durch die Öffentlichkeit haben. Vielleicht müsste man erst einmal darauf hinwirken, dass der allgemeine Diskurs über das, was da im Gemeinnützigen stattfindet, ein bisschen sachgerechter und auch von Kenntnis auf beiden Seiten geprägt wird.

Weitemeyer: Ja das sollte man hoffen, daran arbeiten wir alle zusammen. Ich bin auch ein ganz großer Fan der Sammlungsaufsicht. Es gibt meines Wissens fünf Bundesländer, die die Sammlungsaufsicht noch haben. Dass man die Sammlungsaufsicht in anderen Bundesländern abgeschafft hat, war falsch verstandene Deregulierung, denn das betraf zum Teil nur anderthalb Personalstellen in den jeweiligen Haushalten. Wir haben dazu auch publiziert, aber das hat damals keinen weiter berührt. Aber das Thema Sammlungsaufsicht kann man, wenn man die Gelegenheit hat, noch einmal entsprechend politisch anbringen.

Ansonsten: Abgestufte Transparenz, abgestufte Verpflichtungen, sodass man sozusagen Stakeholder bis hin zur Allgemeinheit irgendwo einfängt und abholt. Sicherlich auch notwendig ist eine Diskussion darüber, ob der noch lebende Stifter mit seinem Stiftungsvermögen an die Öffentlichkeit muss. Denn da kann man natürlich Rückschlüsse auf das vielleicht noch restlich vorhandene Vermögen ziehen. Und das kann ich schon verstehen, dass man das heute nicht so gerne veröffentlicht sehen will. Aber Vereinfachung und Vereinheitlichung sollten doch dazu führen, dass Transparenz dann auch insgesamt sinnvoller wahrgenommen wird. An dem Thema wird man noch länger arbeiten müssen.

Göring: Es wird Sie nicht wundern, dass auch ich ein Anhänger der abgestuften Transparenz bin. Ich kann verstehen, wenn ein großer deutscher Stifter, der in Heidelberg ein Museum gestiftet hat und von der Presse gefragt wurde, wie teuer es denn war, sagt, dass das Museum ein Geschenk seiner Stiftung an die Stadt Heidelberg sei und man bei einem Geschenk ja auch nicht danach frage, wie teuer es war. Das muss man akzeptieren.

Insofern abgestufte Transparenz! Von Stiftungen, die Spenden einsammeln, muss eine besonders hohe Transparenz erwartet werden, sonst muss man denen die Spendensammelei entziehen. Ich kann nicht verstehen, wie Celle agiert hat. Das ist ein Skandal, das muss man auch als Verband klar und deutlich sagen. Denn die Öffentlichkeit, die zu diesen Spenden aufgerufen wird, hat ein Recht darauf, zu wissen, was mit den Spenden geschieht. Da gibt es eine Bringschuld und nicht eine Holschuld und die muss eingehalten werden.

Bei einer kleinen Stiftung, die mit 100.000 Euro Kapital oder weniger dasteht, muss man, was Transparenzgesichtspunkte angeht, doch etwas nachsichtiger sein. Da sehe ich auch nicht, dass die gesamte Öffentlichkeit der Stakeholder ist, vor allem nicht, wenn diese Stiftung keinerlei Bestrebungen zeigt, Spenden einzusammeln. Also: abgestufte Transparenz. (An einen Zuschauer:) Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie wahrscheinlich mit „Ihrem“ großen Verzeichnis in fünf oder sechs Jahren derjenige sein werden, von dem wir sagen, „das hat er schon 2014 vorausgesagt“. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich so etwas in der allgemeinen Transparenzdiskussion entwickelt, ist relativ groß. Was ich dann nur vermeiden will ist, dass wir das Kind mit dem Bad ausschütten, dass ein potentieller Stifter eine Umgehungsmöglichkeit sucht und keine selbständige, sondern eine unselbständige Stiftung gründet, die irgendwo in einem Anwaltsbüro oder wo auch immer geführt wird. Also: Vorsicht vor Umgehungen, Respekt vor der Freiheit des Stifters und abgestufte Transparenz.

Sommer: Wir motivieren unsere Mitgliedsorganisationen zu einem hohen Maß an Transparenz auch gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit. Das liegt an unserer Rolle: Wenn wir bürgerschaftliches Engagement in unseren Einrichtungen haben wollen, ob es nun in Form von Spenden oder in Form von Zeit oder in irgendeiner anderen Art und Weise ist, dann müssen wir den Menschen gegenüber transparent sein, vollkommen klar. Dass es aber trotzdem Unterschiede gibt und Differenzierungen notwendig sind, habe ich vorhin deutlich gemacht – Stichwort auch missbräuchlicher Umgang mit Daten, die transparent gemacht sind. Daran müssen wir arbeiten.

Ich glaube immer noch, dass wir als Dritter Sektor einen guten Teil selbst machen müssen. Das wird der Staat niemals so hinkriegen und es ist auch nicht unser Anspruch, dass der Staat uns das löst – wenn, dann eben auf einer minimalen Basis. Das Wichtigste, was wir heute mehrfach betont haben, ist, dass es bei aller Regulierung immer wieder Missbrauchs-


Streitgespräch, Transparenz im Dritten Sektor (BLJ 2014, 104)116

fälle geben wird, die sich nicht verhindern lassen. Da liegt es an uns, in unseren Strukturen vernünftige Menschen zu engagieren und dafür zu sorgen, dass die, die das nicht tun, eben entsprechend sanktioniert werden.

Ballhausen: Ja meine Damen und Herren, wir haben etwas überzogen, ich bitte um Nachsicht. Aber ich darf mich auch in Ihrem Namen ganz herzlich bedanken bei denjenigen, die das Thema aufbereitet und mit ihren Beiträgen die Diskussion bereichert haben. Ich darf mich bei Ihnen bedanken, dass Sie so lange ausgehalten haben.

Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat des von mir sehr geschätzten Professors Rainer Walz, das er 2006 veröffentlicht hat. Das unterstützt auch nochmal den Appell von Herrn Professor Göring „Wir müssen selbst etwas tun!“ Prof. Walz schreibt: „Der gesamte gemeinnützige Sektor ist existentiell auf öffentliches Vertrauen in die Integrität der Non-Profit-Organisationen angewiesen. Das gilt für die Bereitschaft der Politik zur Aufrechterhaltung eines günstigen steuerrechtlichen Klimas, für die Akzeptanz von Steuerbegünstigungen beim steuerzahlenden Publikum und für die Spendenbereitschaft der Bevölkerung und das Engagement Ehrenamtlicher.“ Wenn wir alle das auf freiwilliger Basis verwirklichten, wäre das wunderbar.

Herzlichen Dank, wir wünschen Ihnen noch gute Erkenntnisse und wertvolle Begegnungen hier beim Deutschen StiftungsTag. Alles Gute.