Neue Forschungsfelder zwischen Recht und Ökonomik
by Professor Dr. Thomas Eger, Juniorprofessor Dr. Patrick C. Leyens, LL.M. (London), Professor Dr. Stefan Voigt*
Das Schlagwort der Globalisierung macht seit Jahren eine erfolgreiche Karriere. Spätestens seit der durch die Lehman-Pleite ausgelösten Finanz- und Wirtschaftskrise ist klar, dass Globalisierung mehr ist als bloß ein Schlagwort. Wir leben in einer Welt hochgradig interdependenter wirtschaftlicher und politischer Zusammenhänge. Die Finanz- und Wirtschaftskrise verdeutlicht, dass wir Regeln benötigen, mit denen negative grenzüberschreitende Effekte eingedämmt werden können. Die Krise ist jedoch nur eines von vielen Beispielen dafür, wie wichtig Regeln jenseits des Nationalstaats sind. Weitere aktuelle Fragestellungen betreffen etwa globale Umweltprobleme und die Übernutzung von Gemeinschaftsgütern, wie sie von Elinor Ostrom (Nobelpreis 2009) aus ökonomischer Sicht erforscht wurde. Zu denken ist auch an die Konsequenzen staatlichen Scheiterns („Failing States“) und an Regeln zur Sicherung von Eigentumsrechten an ausländischen Direktinvestitionen.
Ökonomen und Juristen beschäftigen sich seit langem mit den Konsequenzen der Globalisierung. Eine wichtige Konsequenz der Globalisierung besteht darin, dass sich die bestehenden Rechtsnormen immer weniger aus dem autonomen Wirken der nationalen Gesetzgeber erklären lassen. Das Recht wird zunehmend international – sei es durch bilaterale und multilaterale völkerrechtliche Verträge, sei es durch den Einfluss supranationaler Strukturen auf die nationale Gesetzgebung, sei es aufgrund der Tatsache, dass die betroffenen Parteien aus der nationalen Rechtsordnung herausoptieren können, wie es im Vertragsrecht und – in Europa – inzwischen auch im Gesellschaftsrecht der Fall ist.
Die Kernfrage lautet: Unter welchen Bedingungen wird die Regelsetzung auf den verschiedenen Ebenen zu einer Gestaltung des Globalisierungsprozesses beitragen, die Wohlstandssteigerungen ermöglicht? Auffällig ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Ökonomen und Juristen im Bereich des internationalen Rechts bisher keine zentrale Rolle gespielt hat. Im Bereich des Privatrechts ist dies ganz anders.
Wie bei den führenden U.S.-amerikanischen Law Schools ist die ökonomische Analyse des Privatrechts auch aus dem Curriculum der Hamburger Universität nicht mehr wegzudenken. Das Hamburger Graduiertenkolleg soll in die Forschungslücke der „Ökonomik der Internationalisierung des Rechts“ vorstoßen.
Mit Stipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert, werden von April 2010 an bis zu 15 Doktoranden und ein Post-Doktorand die Arbeit aufnehmen. Hamburg ist wie kein zweiter Forschungsstandort in Deutschland prädestiniert, die Methoden der ökonomischen Analyse des Rechts und der Rechtsvergleichung zusammenzuführen: Langjährige Erfahrungen in der interdisziplinären Forschung und Zusammenarbeit werden vom Institut für Recht & Ökonomik eingebracht, das das Graduiertenkolleg zusammen mit Kooperationspartnern führen wird. In Hamburg verbinden sich mit dem Max-Planck-Institut für internationales und ausländisches Privatrecht, der Bucerius Law School und dem Institut für Recht und Ökonomik drei Einrichtungen mit jeweils eigenem Forschungsprofil zu einer Kooperation, die auf diesem Forschungsgebiet international einzigartig und für den Wissenschaftsstandort zukunftsweisend ist.
Prima facie geht es bei der Internationalisierung des Rechts zunächst darum, wohlfahrtssteigernden Tausch auch über nationalstaatliche Grenzen hinweg abzusichern. So betrachtet, stehen Transaktionen im Fokus der Analyse, und die Transaktionskostenökonomik – im Jahr 2009 ausgezeichnet durch den Nobelpreis an Oliver Williamson – stellt hierfür ein ausgefeiltes Analyseinstrumentarium bereit. Tausch findet aber nicht nur zwischen Privatrechtssubjekten und nicht nur in Bezug auf Güter statt: Nationalstaatliche Regierungen tauschen Versprechungen darüber aus, wie sie sich in Zukunft verhalten bzw. nicht verhalten wollen. Sowohl die Gründe für den Tausch von Versprechen als auch deren Fol-
* Die Verfasser sind am Institut für Recht & Ökonomik der Universität Hamburg tätig; Eger und Voigt als Direktoren, Leyens als Juniorprofessor.
gen sind in den vergangenen Jahren von Vertretern der Konstitutionenökonomik erforscht worden. Herangehensweise wie Ergebnisse sind jetzt für die Analyse der Internationalisierung des Rechts fruchtbar zu machen.
Die von nationalstaatlichen Regierungen gemachten Versprechen richten sich aber nicht nur an andere Regierungen, sondern auch an Privatrechtssubjekte: Das Versprechen, Eigentumsrechte an Direktinvestitionen zu schützen, wendet sich an potentielle Investoren auch im Ausland. Das Versprechen, Menschenrechte zu schützen, richtet sich an alle Menschen, die sich im Hoheitsbereich des jeweiligen Staates aufhalten usw.
Es ist erstaunlich, wie wenig wir über die Folgen der Ratifikation internationaler Abkommen wissen: Führt bereits die Ratifikation einer Konvention dazu, die Reputation der unterzeichnenden Regierung zu erhöhen? Kommt es nach der Ratifikation tatsächlich zu Verhaltensänderungen? Anders formuliert: Wie steht es mit der Implementierung bzw. der Befolgung von Konventionen? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen internationalen Konventionen und nationaler Gesetzgebung? Schließlich werden Versprechen, etwa Eigentums- oder Menschenrechte zu schützen, ja auch auf nationaler Ebene abgegeben. Die hiermit zusammenhängenden Fragen sind auch einer ökonometrischen Analyse zugänglich, also einer empirischen Untersuchung auf Grundlage quantitativer Daten.
Mit den gerade aufgeworfenen Problemkreisen zu den Ursachen und Folgen der Internationalisierung des Rechts sind grundlegende normative Fragen verbunden: Dazu zählt die vertikale Gewaltenteilung: Welche Aufgaben sollten weiter auf nationalstaatlicher Ebene erledigt und welche an internationale Gremien delegiert werden? Mit einer zunehmenden Zahl internationaler Organisationen ist auch deren Verhältnis zueinander in den Blick zu nehmen: Wie sieht die optimale Aufgaben- und Kompetenzabgrenzung zwischen ihnen aus? Ist es vorteilhaft, mehrere Organisationen mit der Durchführung derselben Aufgabe zu betrauen, weil dadurch ein Wettbewerb zwischen ihnen entsteht? Führt ein solcher Wettbewerb zur Schonung oder zur Verschwendung von Ressourcen? Auf diese im Grunde doch sehr nahe liegenden Fragen gibt es bisher kaum systematisch hergeleitete Antworten.
Die hier skizzierten Fragen deuten nur einen kleinen Teil möglicher Forschungsprojekte an, die im Rahmen des Ham- burger Graduiertenkollegs thematisiert werden können. Die Ausschreibung für die bis zu 15 Stipendien hat gerade begonnen; Bewerbungsfrist ist der 15.02.2010. Weitere Informationen sind über die Webseite des Instituts erhältlich (www.ile-hamburg.de).