by Dr. Volker Römermann*
Erfolgshonorar: Das klingt schon dubios. Der deutsche Anwalt ist doch kein Glücksritter, er arbeitet seriös, sachlich, ist ein „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ (§ 1 BRAO), seinem „Berufsrecht“ verhaftet. Und nun also ein Gastkommentar zum „Anwaltlichen Erfolgshonorar“, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Oder liegt es etwa am Law Journal, wo verderblichen amerikanischen Einflüssen möglicherweise nicht so leicht ein Riegel vorgeschoben werden kann wie in der ehrwürdigen NJW?
Bis heute gilt ein absolutes Verbot von Erfolgshonoraren bei Anwälten. In § 49b II BRAO heißt es unzweideutig: „Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird (Erfolgshonorar) oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrags als Honorar erhält (quota litis), sind unzulässig.“ Als ich mich gemeinsam mit meinem Doktorvater vor etwa einem Dutzend Jahren zum ersten Mal wissenschaftlich mit Erfolgshonoraren bei Anwälten beschäftigte, wollte mir die Notwendigkeit eines totalen Verbots nicht einleuchten (nachzulesen bei Michalski/Römermann, AnwBl. 1996, 241, 244 ff.). Es sollte allerdings noch viele Jahre dauern, bis sich das BVerfG mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen hatte. Manche berufsrechtlichen Normen bleiben nur deswegen so lange in Kraft, weil sich nicht früher ein Fall ergibt, der eine höchstoder gar verfassungsrichterliche Klärung herbeiführt. Seit das BVerfG in seinen „Bastille“-Entscheidungen vom 14. Juli 1987 (NJW 1988, 191, 193) die Berufsfreiheit der freien Berufe wiederentdeckt und insoweit eine Renaissance des tot geglaubten Art. 12 GG bewirkt hat, ist das anwaltliche Berufsrecht nicht mehr zur Ruhe gekommen. Der Gesetzgeber und die von ihm ermächtigte (§ 59b BRAO) anwaltliche Satzungsversammlung waren wieder und wieder tätig und haben doch wenig erreicht, was die nächste gerichtliche Prüfung überdauert hätte. Das gilt für das anwaltliche Werberecht genau so wie für das anwaltliche Gesellschaftsrecht und nun das anwaltliche Gebührenrecht.
Eigentlich sollte es vielleicht gar kein Gesetz über Anwaltsgebühren geben. Als im Jahre 1878 die Rechtsanwaltsgebührenordnung, also der Vorläufer von BRAGO und – seit 2004 – RVG, erlassen wurde, beklagten viele Berufsangehörige schon die damit verbundene Verringerung ihrer Honorare. Bis dahin galten zum Teil regionale Tarife, zum Teil waren Anwaltshonorare dem freien Spiel der Verhandlung unterworfen. Die Hoffnung der Anwaltschaft, der Gesetzgeber werde einer Art Fürsorgepflicht gegenüber dem so gemaßregelten Beruf gehorchen und die Tarife zeitnah an die gestiegenen Kosten anpassen, erwies sich rasch als trügerisch. Seit vielen Jahren kann man daher die Kluft beobachten, die zwischen den ausländischen Berufsträgern, die ohne gesetzliche Vorgaben ihre Gebühren frei verhandeln, und ihren deutschen Kollegen, die sich allzu häufig an den Buchstaben des hiesigen Gesetzes klammern, klafft. Die deutschen Rechtsanwaltskammern sind trotz dieser Erfahrung ebenso wie der Deutsche AnwaltVerein der Überzeugung, der Mehrheit der Anwaltschaft etwas Gutes zu tun, wenn man den Bestand der gesetzlichen Vergütungsregelung als solche verteidigt – um der Gefahr weiter fortschreitenden Gebührendumpings im untersten Bereich vorzubeugen (JuraXX lässt, besser: ließ grüßen). Diesen Hintergrund muss man immer berücksichtigen, wenn man ein zutreffendes Bild von der Diskussion
* Der Autor ist Gründer der Sozietät Römermann Rechtsanwälte, Hamburg/Hannover/Berlin.
über die Zukunft anwaltlicher Gebührenregelungen gewinnen möchte.
Hanna N. lebte in den USA und wollte Restitutionsansprüche ihres von den NS-Machthabern enteigneten Großvaters geltend machen. Anspruch auf Prozesskostenhilfe hatte sie nicht. Sie fand eine deutsche Anwältin, die gegen eine Erfolgsbeteiligung von einem Drittel das Mandat führte. Nachdem der Erfolg eingetreten war, berief sich die US-Mandantin auf einmal auf das deutsche Erfolgshonorarverbot und verweigerte die vereinbarte Vergütung. Die – maßgeblich von Anwälten besetzte – Anwaltsgerichtsbarkeit erkannte zudem auf einen Berufsrechtsverstoß und verurteilte die siegreiche Rechtsanwältin zur Zahlung einer Geldbuße. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde hatte die Anwältin dann zwar im Einzelfall Pech, wird aber jedenfalls in die Rechtsgeschichte eingehen: Das BVerfG stellte mit Beschluss vom 12.12.2006 (BB 2007, 617 m. Anm. Römermann) fest, dass das totale Verbot von Erfolgshonoraren verfassungswidrig ist, wollte es aber bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiter anwenden; hierfür wurde dem Gesetzgeber eine Frist auf den 30. Juni 2008 gesetzt. Nun besteht also Handlungszwang. Inhaltlich steht nur fest, dass Erfolgshonorare dort nicht verboten sein können, wo anderenfalls der Zugang zum Recht verhindert würde – insbesondere also in Fällen bedürftiger Mandanten ohne PKH-Anspruch wie bei Hanna N. (unterstellt, sie sei bedürftig gewesen, wofür der Sachverhalt nichts hergibt). Das BVerfG lässt dem Gesetzgeber ansonsten jeden erdenklichen Spielraum.
Seit dem 19.12.2007 liegt nun ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz vor. „Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren“ lautet die Überschrift, und in der Tat: Nicht um eine Liberalisierung soll es hier gehen, sondern um eine Verteidigung des bestehenden Verbotes, das mit unverändertem Wortlaut den 1. Juli 2008 nicht erleben würde. In § 49b II BRAO-E soll der Grundsatz des Erfolgshonorarverbotes festgeschrieben bleiben, für die Ausnahmen wird auf das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verwiesen. Dort sollen sich zukünftig drei Paragraphen den Vergütungsvereinbarungen widmen: § 3a unter der Überschrift „Vergütungsvereinbarung“ als vor die Klammer gezogener „Allgemeiner Teil“, § 4 „Erfolgsunabhängige Vergütung“ und § 4a „Erfolgshonorar“. Ein Erfolgshonorar darf danach „nur für den Einzelfall und nur dann vereinbart werden, wenn damit besonderen Umständen der konkreten Angelegenheit Rechnung getragen wird. Dies gilt insbesondere, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.“ Bei genauerer Betrachtung, die hier allerdings aus Raumgründen nicht möglich ist (dazu Römermann, BB Heft 11/2008), zeigt sich, dass die Entwurfsverfasser über den minimalen Anwendungsbereich wie im Fall des BVerfG nicht hinaus wollen. Wenn es überhaupt einen zusätzlichen Anwendungsbereich für Erfolgshonorare geben soll, dann bei Gebührenabund nicht -aufschlägen, also die „Misserfolgsgebühr“!
In die Vereinbarung müssen zudem diverse Belehrungen aufgenommen werden. Das geht soweit, dass es in § 4a III RVG-E heißt: „In der Vereinbarung sind außerdem die wesentlichen tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen kurz darzustellen, auf denen die Einschätzung der Erfolgsaussichten beruht“. Wahrheitswidrigen Angaben beider Parteien bei Abschluss der Vereinbarung solle durch diese Pflicht zur schriftlichen Fixierung entgegengewirkt werden, heißt es in der Entwurfsbegründung. In der Konsequenz wird aber de facto eine Pflicht zur Festlegung des Anwalts auch im Hinblick auf seine rechtliche Würdigung eingeführt – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das Mandat gerade erst begründet werden soll! Das ist praxisfern und soll offenbar alles nur dazu beitragen, das nun formal zugelassene Erfolgshonorar gesetzlich so unattraktiv zu machen, dass kein Anwalt Neigung verspürt, es zu vereinbaren. So etwas ist im Berufsrecht kein neues Phänomen. So beeilte sich gleich nach Zulassung der Anwalts-GmbH als „neue“ Rechtsform für Rechtsanwälte der Gesetzgeber im Jahre 1998, die Einzelheiten in den §§ 59c ff. BRAO so unkomfortabel auszugestalten, dass sie möglichst keiner wählen sollte; zehn Jahre später ist etwas Entspannung eingetreten und man denkt über eine Liberalisierung nach. Noch ist es Zeit, beim Erfolgshonorar diesen Umweg zu vermeiden.