Die Finanzierung von Ausbau, Modernisierung und Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur zwischen Bund und Deutsche Bahn AG: Ökonomische Anreize zu mehr Umweltschutz?

by Philipp Fritzsche*

A. Einleitung

„Wir haben ein Monstrum geschaffen“,1 lautet angesichts der Lärmbelästigung durch den Schienenverkehr die Meinung vieler Bewohner des Mittelrheintals. Dennoch ist die Verkehrsverlagerung auf die Schiene zur Verbesserung des Umweltschutzes ein Ziel der Politik.2 Diese widerstreitenden Interessen zeigen, dass das Verhältnis von Eisenbahnverkehr und Umwelt von Zielkonflikten geprägt ist.

Sowohl die Intensität der vom Schienenverkehr ausgehenden Umweltbelastungen als auch die Attraktivität desselben im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern (sog. intermodaler Wettbewerb) hängen von der Leistungsfähigkeit der Eisenbahninfrastruktur ab. Der Großteil des deutschen Schienennetzes wird von der DB Netz AG als Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) betrieben. Diese steht, vermittelt über eine Holdingstruktur,3 im Alleineigentum des Bundes, den gemäß Art. 87e IV 1 GG eine Gewährleistungsverantwortung für die Eisenbahninfrastruktur trifft. Das Verbot einer materiellen Privatisierung der Infrastrukturunternehmen gemäß Art. 87e III 2 und 3 GG sichert die Dauerhaftigkeit dieser Aufgabe. Der Bund tritt demnach nicht nur als Gesetzgeber, Regulierungsinstanz und Inhaber einer Gewährleistungsverantwortung im Rahmen der Infrastrukturfinanzierung auf, sondern verfügt als Alleinaktionär des DB-Konzerns auch über unternehmensinternen Einfluss. Daraus resultiert ein Mix aus internen und externen Steuerungsinstrumenten gegenüber der DB Netz AG, die in unterschiedlicher Weise den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes beeinflussen. Im Folgenden sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Steuerungsinstrumente sowie deren Anreizwirkungen für einen verstärkten Umweltschutz untersucht werden.

B. Umwelt und Eisenbahnverkehr

Mobilität und Warenhandel sind für eine freiheitliche Gesellschaft und prosperierende Volkswirtschaft unabdingbar,4 gehen jedoch stets auch mit Umwelteinwirkungen einher. Es bedarf mithin einer Verkehrspolitik, die Mobilität und Warenhandel gewährleistet, die Umwelt aber so wenig wie möglich beansprucht. Daher sind die Umweltauswirkungen des jeweiligen Verkehrsträgers in Gestalt von Lärm und Luftverschmutzung in Relation zu der erbrachten Verkehrsleistung zu setzen.

I. Die Umweltbilanz des Eisenbahnverkehrs im Vergleich

Im Personenverkehr liegt der Anteil des Eisenbahnverkehrs am Primärenergieverbrauch und an den CO2-Emissionen deutlich unter der anteiligen Verkehrsleistung. Hingegen entspricht der Anteil des Straßenverkehrs am Energieverbrauch und an den CO2-Emissionen in etwa der Verkehrsleistung. Am ineffizientesten und klimaschädlichsten ist der Luftverkehr. Die Zahlen für den Güterverkehr sind ähnlich, wobei sich das Verhältnis von CO2-Emissionen zur Beförderungsleistung weiter zugunsten des Eisenbahnverkehrs verschiebt.5

Hinsichtlich der Lärmbelastung wendet sich das Blatt zum Nachteil des Eisenbahnverkehrs. Der lärmintensive Güterverkehr erreicht auch nachts Werte von über 100 dB(A).6 Während sich vom Straßenverkehr 53 % der Bevölkerung gestört und belästigt fühlen, sind es beim Schienenverkehr zwar nur ungefähr die Hälfte (22 %), in Relation zur Verkehrsleistung allerdings überproportional viele. Einzig der Flugverkehr hat noch schlechtere Werte.7

II. Verkehrsträgerübergreifende und eisenbahnspezifische Umweltziele

Die ambivalente Umweltbilanz des Eisenbahnverkehrs im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern verlangt eine Priorisierung der Umweltbelange anhand der jeweiligen Gefahrenpotentiale sowie der zur Bekämpfung notwendigen Kosten. Bei der Luftverschmutzung weist der ohnehin schon klimafreundliche Eisenbahnverkehr den Vorteil auf, dass eine weitreichende Umstellung der Energienutzung auf erneuerbare Energien schnell realisierbar ist.8 Zudem lässt sich die Lärmbelästigung durch Umrüstung der Bremsanlagen sowie mithilfe


* Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 F.A.Z. v. 17.06.2014, S. 4.

2 CDU/CSU/SPD, Koalitionsvertrag 2013, S. 31, abrufbar unter: https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsver-trag.pdf; Europäische Kommission,Weissbuch – Die europäische Verkehrspolitik bis 2010, S. 29, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/themes/strategies/doc/2001_white_paper/ lb_texte_complet_de.pdf, jeweils letzter Abruf am 05.10.2014.

3 Die weiteren Infrastrukturtöchter der Deutschen Bahn AG (DB AG) sind die DB Station&Service AG und die DB Energie GmbH, DB AG, Geschäftsbericht 2013, S. 46 f. und 70, abrufbar unter: http://www.deutschebahn.com/file/6629646/data/2013_dbkonzern.pdf, letzter Abruf am 05.10.2014; zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur von der DB Netz AG gesprochen.

4 Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des staatlichen Infrastrukturauftrags Dörr, VVDStRL 73 (2013), 323, 338-340.

5 Zum Ganzen Umweltbundesamt, Daten zum Verkehr – Ausgabe 2012, S. 6, 12, 20 und 30, abrufbar unter: http://www.umwelt-bundesamt.de/ sites/default/files/medien/publikation/long/4364.pdf; Statistisches Bundesamt, Verkehr auf einen Blick, 2013, S. 12-17 und 42, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/TransportVerkehr/ Querschnitt/BroschuereVerkehrBlick0080006139004.pdf?__blob=publi-cationFile, jeweils letzter Abruf am 05.10.2014.

6 F.A.Z. v. 02.05.2014, S. 37. Zum Vergleich: Die für Neubauten zu beachtenden Immissionsgrenzwerte liegen gemäß § 2 I Nr. 2 der 16. BImSchV nachts bei 49 db(A).

7 Zum Ganzen Umweltbundesamt (Fn. 5), S. 50 und 52; Statistisches Bundesamt (Fn. 5), S. 46.

8 Vgl. DB AG (Fn. 3), S. 136.

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aktiver und passiver Schallschutzmaßnahmen reduzieren.9 Daraus ergibt sich ein zweistufiges Grundkonzept, vor dessen Hintergrund die Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur auf ihre Umweltschutzanreize zu überprüfen ist: Zunächst muss die Verkehrsverlagerung von der Straße und der Luft auf die Schiene katalysiert werden. In einem zweiten Schritt bedarf es effektiver Lärmsanierungsmaßnahmen im Eisenbahnverkehr. Diese Systematisierung ist nicht zeitlich zu verstehen, sondern konzeptionell. In zeitlicher Hinsicht bedarf es vielmehr eines Nebeneinanders der Maßnahmen. Schließlich setzt das übergeordnete Ziel der Verkehrsverlagerung auf die Schiene eine ausreichende Akzeptanz für diese als Verkehrsträger in der Bevölkerung voraus. Diese misst sich auch nach der Wahrnehmung und Inkaufnahme von Schienenlärm.

Die angestrebte Verkehrsverlagerung auf die Schiene bedarf indes einer Trendwende, da sich die Verkehrsleistung des Eisenbahnverkehrs im Personen- und Güterverkehr zuletzt unterdurchschnittlich entwickelt hat.10 Insbesondere das starke Wachstum des umweltschädlichen Flugverkehrs birgt erhebliche Gefahren für die Umsätze der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU).11 Zudem droht günstige Konkurrenz durch den gerade entstehenden Fernbusmarkt.12 Eine erfolgreiche Trendwende verlangt im Personenverkehr eine höhere Reisegeschwindigkeit sowie eine bessere flächendeckende Vernetzung. Im Güterverkehr kommt außerdem der Einbindung des Verkehrsträgers Schiene in die Logistikkette große Bedeutung zu.13

C. Umweltschutzanreize einzelner Steuerungsinstrumente

Die Steuerungsinstrumente des Bundes erlauben sowohl externe als auch interne Einflussnahme auf die Investitions- und Geschäftstätigkeit der DB Netz AG. Die Kategorie der externen Steuerungsinstrumente umfasst die Rechte und Pflichten, die der Bund in seiner Funktion als Hoheitsträger und Regulierungsinstanz wahrnimmt. Die Steuerung durch den Bund ist hingegen unternehmensintern, soweit sie auf den rechtlichen und faktischen Befugnissen beruht, die sich aus seiner Eigentümerstellung des DB-Konzerns ableiten.

I. Externe Steuerungsinstrumente

Externe Finanzierungsregelungen sind Ausfluss der Gewährleistungsverantwortung aus Art. 87e IV 1 GG.14 Angesichts der Erkenntnis, dass das Schienennetz ein natürliches Monopol darstellt15 und nicht kostendeckend betrieben werden kann16 , muss der Investitionsaufwand auch aus Steuermitteln gespeist werden. Daraus resultiert die sektorspezifische Besonderheit einer Doppelfinanzierung aus Trassennutzungserlösen einerseits und staatlichen Zuschüssen andererseits. Die Wahrnehmung der Finanzierungsverantwortung durch staatliche Zuschüsse erfolgt durch verschiedene Instrumente und hat eine gewisse Zersplitterung zur Folge. Nicht nur gesetzliche Ausgestaltungen auf Grundlage des Art. 87e IV 2 GG, sondern auch politische Maßnahmen wie z.B. Konjunkturpakete prägen die Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur zwischen der DB Netz AG und dem Bund.17

1. Die Regelungen des Bundesschienenwegeausbaugesetzes

Das Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG)18 regelt die Finanzierung von Ausbau und Erhaltung des Schienenwegenetzes. Gemäß § 8 I BSWAG trifft den Bund die Finanzierungsaufgabe für Neubau, Ausbau sowie Ersatzinvestitionen. Hingegen sind gemäß § 8 IV BSWAG die Eisenbahnen des Bundes dazu verpflichtet, für die Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten aufzukommen. Die Vorgaben des BSWAG für Ersatzinvestitionen (§§ 8 I 1 und 2, 11 BSWAG) und Instandhaltungsmaßnahmen (§ 8 IV BSWAG) sind in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV19) zwischen Bund, der DB AG und deren Infrastrukturtöchtern konkretisiert. Die ursprüngliche Laufzeit der LuFV wurde zwar bis zum 31. Dezember 2015 verlängert, wird jedoch nun vorzeitig durch eine LuFV II mit Geltung ab dem 1. Januar 2015 abgelöst.20

a) Neubau und Ausbau der Schieneninfrastruktur als Bedarfsplanvorhaben

Der Bund finanziert gemäß § 8 I 1 und 2 BSWAG den Bau und Ausbau der Schienenwege. Obwohl § 10 I BSWAG eine zumindest anteilige Rückzahlungspflicht der DB Netz AG abhängig von ihrem unternehmerischen Interesse an dem Bauprojekt vorsieht, wurde im Jahr 1998 vereinbart, sämtliche Bedarfsplanvorhaben zu 100 % über Baukostenzuschüsse zu finanzieren.21

Die Aufstellung des Bedarfsplans soll in Abstimmung mit den Plänen anderer Verkehrsträger unter Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes erfolgen (§ 3 II BSWAG). Die Umsetzung eines Bedarfsplanvorhabens bedarf gemäß


9 Zu der Systematisierung in aktive und passive Schallschutzmaßnahmen vgl. §§ 2 I Nr. 4, 41, 42 BImSchG.

10 Die Erreichung der europäischen Zielvorgabe von 10 % im Personenverkehr bis 2020 ist angesichts des geringen Wachstums von 7 % (1995) auf 8 % (2013) in Deutschland unwahrscheinlich, vgl. Europäische Kommission (Fn. 2), S. 30; Umweltbundesamt (Fn. 5), S. 20; auch im Schienengüterverkehr liegt die Zielsetzung von 24,3 % bis 2015 in weiter Ferne, vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bundesverkehrswegeplan 2003, BT-Drucks. 15/2050, S. 12; DB AG (Fn. 3),

S. 95 und 97.

11 Umweltbundesamt (Fn. 5), S. 20; F.A.Z. v. 26.06.2014, S. 29; Drapatz, Die Zukunft der Deutschen Bahn, 2008, S. 120.

12 Vgl. F.A.Z. v. 16.06.2014, S. 19.

13 Zum Ganzen Drapatz (Fn. 11), S. 112-123.

14 Vgl. Ronellenfitsch, in: Asada/Assmann/Kitagawa/Murakami/Nettes-heim (Hrsg.), Das Recht vor den Herausforderungen neuer Technologien, 2000, S. 91, 99.

15 Erwägungsgrund 71 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 21.11.2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, ABl. EU Nr. L 343, S. 32.

16 Hermes, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungs-recht3, 2012, § 25 Rn. 57.

17 Dazu Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2012, BT-Drucks. 18/580, S. 168 f.

18 BGBl. I 1993, S. 1874.

19 Abrufbar unter: http://www.eba.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/ Finanzierung/LuFV/LuFV_inkl_erster_Nachtrag.pdf, letzter Abruf am 05.10.2014.

20 Überblick über die Neuerungen durch die LuFV II abrufbar unter: http://www.deutschebahn.com/file/8318534/data/20141017_LuFV.pdf, letzter Abruf am 05.10.2014.

21 Heise, Die DB AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, 2013, S. 255 f.

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§ 18 AEG der Planfeststellung, bei deren Abwägungsentscheidung die Umweltauswirkungen berücksichtigt werden müssen. Da die Regelungen des §§ 41 f. BImSchG auf Straßen und Schienenwege gleichermaßen Anwendung finden (§ 2 I Nr. 4 BImSchG), ergeben sich hieraus keine Auswirkungen auf den intermodalen Wettbewerb.22 Ein Vorteil für den Schienenverkehr ergäbe sich nur, sofern die Gewährleistungsverantwortung gemäß Art. 87e IV 1 GG den Bund dazu zwingen würde, Baumaßnahmen i.S.d. § 8 I BSWAG zu präferieren. Dem steht jedoch entgegen, dass Art. 87e IV 1 GG generell von Verkehrsbedürfnissen spricht und § 1 V AEG eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für die Verkehrsträger verlangt.23 Eine grundsätzliche Priorisierung von Baumaßnahmen für den Eisenbahnverkehr ist damit nicht vereinbar. Die Gewährleistung des Allgemeinwohls durch Wahrnehmung der Infrastrukturverantwortung (Art. 87e IV 1 GG) zwingt den Bund jedoch bei Ausübung seiner weiten Einschätzungsprärogative nicht nur, die erforderliche Grundversorgung sicherzustellen,24 sondern auch, divergierende Interessen wie den Umweltschutz (Art. 20a GG) zu berücksichtigen.25 Im Ergebnis hängt das Ob und Wie von Neu- und Ausbau des Schienennetzes von der finanziellen Situation des Bundes26 sowie von der politischen Konsensfähigkeit des Projektes ab.27 Eine Stärkung der Eisenbahninfrastruktur zur Vorteilsverschaffung im intermodalen Wettbewerb kann daher nur erhofft, nicht aber erwartet werden.

b) Ersatzinvestitionen und Instandhaltungsmaßnahmen

Die Finanzierung von Ersatzinvestitionen und Instandhaltungsmaßnahmen wird in der LuFV aus dem Jahr 2009 konkretisiert. Diese entspricht den vom Unionsrecht vorgesehenen Mehrjahresverträgen (Art. 30 II RL 2012/34/EU).28 Sie stellt einen synallagmatischen Vertrag29 dar, der den Bund zur Zahlung von jährlich 2,5 Mrd. € für Ersatzinvestitionen verpflichtet (§ 2.1 LuFV). Als Gegenleistung der EIU ist die Einhaltung definierter Qualitätsmerkmale (vgl. § 13 LuFV), der Einsatz eigener Finanzmittel in der zur Einhaltung der Qualitätsmerkmale erforderlichen Höhe (§ 4.1 LuFV) sowie die Investition von jährlich 500 Mio. € für die Erhaltung und Modernisierung des Bestandsnetzes (§ 8.2 LuFV) vorgesehen. Die Begrenzung der Bundesmittel auf einen über die Jahre gleichbleibenden Betrag gekoppelt mit der Inflation bewirkt einen Degressionseffekt, der die EIU zu mehr Effizienz bei der Infrastrukturerhaltung bewegen soll.30

Folglich könnte die LuFV die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs durch geringere Endkundenpreise und höhere Geschwindigkeiten steigern. Die angestrebte Senkung der Trassenentgelte (Erwägungsgrund 4 der Präambel der LuFV) aufgrund verbesserter Effizienz könnte sich positiv auf die Endkundenpreise auswirken.31 Seit dem Tarifaufhebungsgesetz32 und der Novellierung des § 12 AEG33 besteht indes keine Beförderungsentgeltkontrolle mehr, sodass eine Attraktivitätssteigerung des Schienenverkehrs die tatsächliche Weitergabe sinkender Kosten durch die EVU an die Endkunden voraussetzt. Allerdings sind die Trassennutzungsentgelte für die EVU seit 2009 stetig gestiegen, wohingegen die Endkundenpreise in den letzten zehn Jahren gesunken sind.34 Die LuFV leistet demnach keinen kausalen Beitrag zur Senkung der Endkundenpreise.35 Neben dem Preis bestimmt auch die Geschwindigkeit der Beförderungsleistung die Attraktivität des Schienenverkehrs. Die synallagmatische Verknüpfung von Geld und Qualität zwingt die EIU zur Einhaltung der in § 13 LuFV genannten Qualitätskriterien. Ein solches ist die Streckengeschwindigkeit (vgl. § 13.2 (i) LuFV i.V.m. Anlage 13.2.1). Diese Kanalisierung der Investitionen in geschwindigkeitsfördernde Maßnahmen hat angesichts der Einhaltung der vereinbarten Geschwindigkeitszielwerte durch die DB Netz AG36 und des stagnierenden Marktanteils des Schienenverkehrs37 jedoch keine positive Wirkung im intermodalen Wettbewerb entfalten können. Zudem zwingt der Degressionseffekt die EIU zur Sparsamkeit. Angesichts des Investitionsstaus38 erscheint dies zumindest langfristig bedenklich. Im Ergebnis setzt die LuFV keinen Anreiz zur Senkung der Endkundenpreise und auch die Förderung der Streckengeschwindigkeit führt nicht zu einer merklichen Besserstellung des Schienenverkehrs im intermodalen Wettbewerb.

Des Weiteren könnte die LuFV einen Anreiz zu mehr Umweltschutz durch Verringerung der Eisenbahnverkehrsemissionen setzen. Im Hinblick auf Lärm führen die von der LuFV erzwungenen Maßnahmen zur Geschwindigkeitsverbesserung augenscheinlich zu einem gegenteiligen Ergebnis, ist doch mit höherer Geschwindigkeit stets auch mehr Lärm verbunden. Zudem hat die sanktionsbewehrte Festlegung von Qualitätsstandards eine faktische Bindung der Mittel zugunsten solcher Instandhaltungsmaßnahmen zur Folge, die zur Einhaltung dieser Qualitätsstandards beitragen. Da der


22 Dies gilt spätestens mit Wegfall der Schienenbegünstigungsklausel des § 43 I 2 BImSchG zum 01.01.2015.

23 Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 584; vgl. auch Ronellenfitsch (Fn. 14), S. 91, 100.

24 Stamm, Eisenbahnverfassung und Bahnprivatisierung, 2010, S. 100; Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, 2006, S. 57 f.

25 Fehling, in: ders./Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 10 Rn. 16; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar6, 2011, Art. 87e Rn. 63.

26 Fehling, in: ders./Ruffert (Fn. 25), § 10 Rn. 14; Hermes, in: ders./Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEG-Kommentar2, 2014, § 11 Rn. 10.

27 Zu dem „politisch-gestaltenden Charakter“ von Infrastrukturentscheidungen Wißmann, VVDStRL 73 (2013), 369, 400 und 411; allerdings eine „Infrastruktur-Müdigkeit“ konstatierend Kühling, DVBl. 2013, 1093, 1093 f.

28 EuGH, EuZW 2013, 666; a.A. Kühling, N&R 2013, 139, 144.

29 „Geld gegen Qualität“, Gersdorf, DVBl. 2009, 942, 946.

30 Bredt/Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Einführung in das Eisenbahn-Regulierungsrecht, 2010, Rn. 783.

31 So Gersdorf, DVBl. 2009, 942, 949.

32 BGBl I 1993, S. 1489; dazu Gerstner, in: Hermes/Sellner (Fn. 26), § 12 Rn. 9.

33 Vgl. Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 2012, § 12 Rn. 2 f.

34 Bundesnetzagentur, Marktuntersuchung – Eisenbahnen 2013, S. 31 und 40-42, abrufbar unter: http://www.bundesnetz-agentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Eisenbahn/Unter-nehmen_Institutionen/Veroeffentlichungen/Marktuntersuchungen/ Marktuntersuchung-Eisenbahnen/Marktuntersuchung-Eisenbahn-2013.pdf?__blob=publicationFile&v=2, letzter Abruf am 05.10.2014.

35 Mangels rechtlicher Senkungsmechanismen der LuFV bereits an sinkenden Trassenentgelten zweifelnd Kühling, N&R 2013, 139, 144; Neumann, N&R 2013, 199, 204.

36 DB AG, Infrastrukturzustand- und -entwicklungsbericht 2013, S. 30, abrufbar unter: http://www.eba.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/ Finanzierung/ IZB/IZB_2013.pdf?__blob=publicationFile&v=5, letzter Abruf am 05.10.2014.

37 Umweltbundesamt (Fn. 5), S. 6 und 20.

38 Dieser beläuft sich laut Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der DB AG, auf 30 Mrd. €, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/investitionsstau-im-schienennetz-bahn-chef-fordert-staatli-che-milliarden-spritze/9020654.html, letzter Abruf am 05.10.2014.

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Umweltschutz – anders als in der europäischen Vorlage39 – kein solches Qualitätskriterium darstellt, ist unwahrscheinlich, dass die EIU die begrenzten Mittel für Lärm- oder Klimaschutzmaßnahmen verwenden. Folglich dient die LuFV weder der Verkehrsverlagerung auf die Schiene noch einer Verringerung der eisenbahnspezifischen Emissionen.

2. Regulierung der Trassenentgelte

Die Trassenentgelte stellen für die EVU einen wesentlichen Teil ihrer Kosten dar und haben somit eine erhebliche Bedeutung für die Konkurrenzfähigkeit des Eisenbahnverkehrs.40 Der nationale Rechtsrahmen für die gemäß des verhandelten Netzzugangs (§ 14 VI AEG) vertraglich vereinbarten Entgelte ergibt sich aus § 14 IV AEG sowie der verordnungsrechtlichen Konkretisierung in den §§ 20-23 Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV)41. Gemäß § 14 IV 1 AEG haben die Trassenentgelte die Kosten der Erbringung aller Pflichtleistungen42 zuzüglich einer marktüblichen Rendite zu decken. Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 14 IV 1 AEG mithin für das Prinzip der Vollkostendeckung entschieden.43 Dieses wird durch eine Untergrenze in Höhe der Grenzkosten des Zugbetriebs gemäß § 14 IV 2 AEG ergänzt. Innerhalb dieses Rahmens verfügen die EIU über eine Wahlfreiheit bei der Entgeltbildung,44 wenngleich sie stets das Diskriminierungsverbot (§ 14 I 1, IV 1 AEG i.V.m. § 21 VI 1 EIBV) sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs (§ 14 IV 2 AEG) wahren müssen. Auf Verordnungsebene sind die Regelungen zur Leistungsabhängigkeit der Trassenentgelte in § 21 I EIBV, die automatische Minderung in § 21 VI 2 EIBV sowie die Zulässigkeit von Knappheits- und Umweltaufschlägen gemäß § 21 II und III EIBV für eine umweltpolitische Analyse der Trassenentgelte besonders bedeutsam.

Aufgrund der fehlenden Effizienzprüfung bei Anwendung des Vollkostenansatzes45 bestehen keine Anreize zur Kostenreduzierung, sodass auch die Trassenentgelte nicht sinken.46 Jedoch erlaubt der Vollkostenansatz eine umfassende Investitionstätigkeit in die Infrastruktur. Er fördert somit die Reduzierung eisenbahnspezifischer Emissionen, wirkt sich im intermodalen Wettbewerb für den Eisenbahnverkehr jedoch nachteilig aus, sofern man annimmt, dass aus Sicht der Endkunden die hohen Kosten der Modernisierungsmaßnahmen schwerer wiegen als die verbesserte Infrastrukturqualität. Auch das Diskriminierungsverbot sowie der Vorbehalt der Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs können die Nachteile einer kostenbasierten Regelung, wie etwa ein strukturelles Informationsdefizit der Regulierungsbehörde sowie versteckte Diskriminierungspotentiale in vertikal integrierten Unternehmen,47 nicht kompensieren. Der dadurch behinderte Preiskampf auf Diensteebene ist für die Attraktivität des Eisenbahnverkehrs nicht förderlich.

Unabhängig von diesen praktischen Schwierigkeiten, Diskriminierungen von Wettbewerbern durch die Infrastruktursparte eines vertikal integrierten Konzerns wirksam zu bekämpfen, hat das normative Verständnis des Diskriminierungsverbots Einfluss auf den Grundsatz der Vollkosten. Hält man das Diskriminierungsverbot auch im Falle identifizierbarer Ineffizienzkosten für einschlägig, nähert sich der Vollkostenansatz in gewissem Maße an die Kosten effektiver Leistungserbringung an. Die Weitergabe identifizierbarer Ineffizienzkosten über Trassenentgelte hat für die Verkehrsunternehmen des DB-Konzerns aufgrund der bestehenden Gewinnabführungsverträge keinen kostensteigernden Einfluss, belastet aber deren Konkurrenten, worunter die Attraktivität des Eisenbahnverkehrs leidet.48 Ein solches Verständnis des Diskriminierungsverbots steht jedoch im Widerspruch zum Vollkostenansatz, der eine Effizienzprüfung gerade nicht vorsieht.49 Die Einführung einer solchen durch die Hintertür des Diskriminierungsverbots scheint nicht intendiert.

Für die Trassenentgelte gelten zusätzlich die Vorschriften der §§ 21-23 EIBV. Erstens stellt § 21 I 1 EIBV eine leistungsabhängige Entgeltkomponente dar, die Anreize zu einer gewissenhaften Qualitätssicherung setzt, sofern die Sanktionen der Höhe nach die notwendigen Investitionen zur Verhinderung von Störungen übersteigen. Die daraus resultierende höhere Streckengeschwindigkeit wirkt sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs aus. Zweitens besteht ein Minderungsautomatismus gemäß § 21 VI 2 EIBV. Dieser hat die zwischen EIU und EVU vertraglich vereinbarten Qualitätsstandards zum Gegenstand. Die Minderung der Trassenentgelte muss nicht von dem EVU durch die Ausübung eines Gestaltungsrechts geltend gemacht werden, sondern vollzieht sich ipso iure.50 Diese Verlagerung des Prozessrisikos auf das EIU verstärkt den Anreiz zur Erhaltung der Infrastruktur zusätzlich. Drittens besteht die Möglichkeit einer Erhebung von Umweltaufschlägen gemäß § 21 II EIBV. Wird hiervon Gebrauch gemacht, setzt dies einen Anreiz für das EVU, die Lärmemissionen und/oder die Luftverschmutzung ihrer Schienenfahrzeuge zu verringern. Wiederum fehlt jedoch eine rechtliche Absicherung, dass der Umweltaufschlag die Nachrüstungskosten übersteigt. Wenn ein EIU von Umweltaufschlägen Gebrauch macht, begrenzt § 21 II 2 EIBV seine Gesamterlöse auf das Niveau, das ohne Umweltkostenaufschlag erzielt würde. Dies kann je nach Verständnis der Norm und Ausgestaltung der Entgeltbedingungen in zwei Richtungen Anreize zu Umweltschutz setzen. Versteht


39 Art. 30 RL 2012/34/EU i.V.m. Anhang V und dortige Nr. 3 f.); im Zeitpunkt des Abschlusses der LuFV galt jedoch noch Art. 6 II-V der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 26.02.2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung, ABl. EU Nr. L 75, S. 29, der den Umweltschutz nicht als mögliches Qualitätskriterium nannte.

40 Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, 2007, S. 20; Fehling, DÖV 2002, 793, 801.

41 BGBl. I 2005, S. 1566.

42 Vgl. §§ 21 I 1, 3 I EIBV i.V.m. Anlage 1 Nr. 1.

43 Gerstner, in: Hermes/Sellner (Fn. 26), § 14 Rn. 181; Fehling, in: ders./Ruffert (Fn. 25), § 10 Rn. 52.

44 Darüber besteht Einigkeit, Gerstner, in: Hermes/Sellner (Fn. 26), § 14 Rn. 182.

45 Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, 2013, S. 322 f.; a.A. Säcker/Böcker, in: Picot (Hrsg.), 10 Jahre Wettbewerbsorientierte Regulierung von Netzindustrien, 2008, S. 69, 81 f. und 85-88.

46 Kunz, in: Knieps/Brunekreeft (Hrsg.), Zwischen Regulierung und Wettbewerb2, 2003, S. 47 und 53; Steinman/Kirchhartz/Kaufmann, N&R 2009, 182, 184.

47 Monopolkommission, Sondergutachten 64 – Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, BT-Drucks. 17/14076, S. 29 f.

48 Fehling, in: Lüdemann (Hrsg.), Telekommunikation, Energie, Eisenbahn – Welche Regulierung brauchen die Netzwirtschaften, S. 118,

130 f.

49 Siehe oben Fn. 45.

50 Vgl. BVerwGE 140, 359, 371 Rn. 34; Gerstner, in: Hermes/Sellner (Fn. 26), § 14 Rn. 200.

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man „Gesamterlöse“ im Sinne von Umsatz,51 dann ist das EIU mit der Einführung von Umweltaufschlägen verpflichtet, die Entgelte für diejenigen Trassennutzungen zu senken, die von den Umweltaufschlägen nicht betroffen sind.52 Diese Senkung der Trassenentgelte könnte sich mittelbar in sinkenden Endkundenpreisen niederschlagen. Interpretiert man „Gesamterlöse“ hingegen als Gewinn, so ist das EIU dazu verpflichtet, Aufwendungen in Höhe der Mehreinnahmen zu tätigen. Dies könnte sich in einer erhöhten Investitionstätigkeit oder der Subventionierung von Umrüstungsmaßnahmen seitens der EVU ausdrücken. Während diese Entgeltregeln zumindest die Möglichkeit eröffnen, den Umweltschutz zu stärken, wirkt sich der Knappheitsaufschlag gemäß § 21 III EIBV in die gegenteilige Richtung aus.53 Wenngleich die EIU im Fall der Überlastung einen Plan zur Erhöhung der Schienenwegekapazität vorlegen müssen (§§ 16-18 EIBV), werden sie dazu ermutigt, einen nachfragegerechten Ausbau der Schieneninfrastruktur möglichst lange hinauszuschieben. Darüber hinaus fließen auch die Knappheitsaufschläge in die Kostenkalkulation der EVU mit ein, was sich mittelbar in höheren Endkundenpreisen ausdrückt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Vollkostenansatz den Wettbewerb auf der Schiene (sog. intramodaler Wettbewerb) schwächt und so die Attraktivität des Eisenbahnverkehrs verringert. Hingegen können die materiell-rechtlich zwingende Anreizkomponente des § 21 I EIBV sowie die fakultative Erhebung eines Umweltaufschlags zur Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und zur Senkung der eisenbahnspezifischen Emissionen beitragen. In beiden Fällen fehlt es jedoch an einer rechtlichen Absicherung, dass die zur Verfügung stehenden Sanktionsmechanismen tatsächlich ökonomisch nachteilig für die EIU bzw. EVU sind. Ein verbesserter Umweltschutz durch die rechtlichen Anforderungen an die Trassenentgeltfestsetzung ist auf die entsprechende Ausgestaltung der Schienennutzungsbedingungen angewiesen.

3. Streckenstilllegung gemäß § 11 AEG

Die Stilllegung von Eisenbahnstrecken der DB Netz AG ist nur im Wege des in § 11 AEG vorgesehenen Verfahrens möglich.54 Ziel dessen ist es, einen Beitrag zum Erhalt der Schieneninfrastruktur zu leisten.55 Gleichzeitig soll den als Wirtschaftsunternehmen geführten EIU (Art. 87e III 1 GG) die Möglichkeit gegeben werden, sich von unwirtschaftlichen Strecken zu trennen. Dies sichert ihre finanzielle Handlungsfähigkeit und erlaubt Investitionen in nachgefragte Strecken. Voraussetzungen der Stilllegung sind gemäß § 11 I 2 AEG auf einer ersten Stufe die Unzumutbarkeit des Betriebs für das EIU sowie erfolglose Übernahmeverhandlungen mit Dritten. Die Zumutbarkeit des Betriebes der Infrastruktureinrichtung kann angesichts des strukturell defizitären Infrastrukturbetriebs nur unter Berücksichtigung der Zuschüsse des Bundes beurteilt werden.56 Im Fall der Zumutbarkeit oder des Fehlens erfolgloser Übernahmeverhandlungen ist die Genehmigung zur Stilllegung zu versagen (§ 11 IV AEG). Andernfalls entscheidet das Eisenbahnbundesamt auf einer zweiten Stufe unter Berücksichtigung verkehrlicher und wirtschaftlicher Kriterien über den Stilllegungsantrag (§ 11 II 1 AEG).

Aus dem Verständnis des Unzumutbarkeitskriteriums des § 11 I 2 AEG als Summe der Trassennutzungserlöse sowie öffentlicher Zuschüsse folgt, dass der Bund jederzeit durch Erhöhung der Zuschüsse die Kostendeckung sichern und eine Stilllegung verhindern kann. Das in diesem Wege gesicherte flächendeckende Schienennetz stärkt die Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnverkehrs. Die Effektivität dieses Instruments hängt indes erneut von haushaltspolitischen Entscheidungen ab.57

II. Unternehmensinterne Steuerung

Der DB Konzern ist als Management Holding aufgebaut, dessen Gesellschaften über Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge verbunden sind. Die Einwirkung auf die Infrastrukturgesellschaften durch den Bund kann daher nur mittelbar durch die DB AG als Konzernmutter erfolgen.

1. Finanzielle Steuerungsinstrumente

Der Gewinnabführungsvertrag zwischen der DB Netz AG und der DB AG hat für erstere seit 2007 zu einem negativen Saldo von 1,2 Mrd. € geführt.58 Gleichzeitig besteht der Bund gegenüber der DB AG auf die Ausschüttung einer Dividende in stattlicher Höhe,59 zahlt jedoch nicht-rückzahlbare Zuschüsse an die Infrastruktursparte. Diese Geldzirkulation verhindert, dass die Einnahmen der DB Netz AG zur direkten Reinvestition in das Schienennetz genutzt werden und birgt die Gefahr einer Zweckentfremdung.

Man könnte daher die Aufhebung des Gewinnabführungsvertrages nach §§ 295, 291 I 1 Alt. 2 AktG erwägen.60 Dies hätte zur Folge, dass die DB Netz AG ihre Jahresüberschüsse thesaurieren und somit ihr Eigenkapital erhöhen würde. Der Führung der DB Netz AG als Wirtschaftsunternehmen ist indes zu entnehmen, dass sie im Ausgangspunkt nur Investitionen mit einer berechtigten Renditeerwartung eingeht.61 Auch der Vollkostenansatz gemäß § 14 IV 1 AEG beinhaltet die Erzielung einer marktüblichen (Eigenkapital-)Rendite. Je höher jedoch der Eigenkapitalanteil bei einzelnen Investitionen ist, desto höher fällt auch die Veranschlagung der Renditeerwartung aus. Eine Steigerung des Investitionsvolumens sowie eine Geringhaltung der Trassenentgelte können daher durch eine möglichst hohe Fremdfinanzierung erreicht werden.62 Die Thesaurierung von Gewinnen würde jedoch


51 Dafür spricht der Wortlaut in der englischen Fassung „revenue“ in Art. 31 V UAbs. 3 RL 2012/34/EU.

52 Darin vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbotes ein zulässiges Differenzierungsmerkmal erkennend Kramer, VerwArch 105 (2014), 277, 286.

53 Spiegelbildlich erlaubt § 23 II EIBV Nachlässe für besonders schwach ausgelastete Strecken.

54 BVerwGE 129, 381, 388 f. Rn. 30.

55 Wilkens (Fn. 24), S. 94; BT-Drucks. 14/8176, S. 4.

56 Hermes, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Fn. 16), § 25 Rn. 62; VG Darmstadt, Urt. v. 06.06.2007 – 4 E 1373/05, Rn. 71 (juris).

57 Hermes, in: ders./Sellner (Fn. 26), § 11 Rn. 10.

58 DB AG (Fn. 3), S. 77; zudem lagen die Abflüsse der DB Station&Service AG bei 1,1 Mrd. € und die der DB Energie GmbH bei 240 Mio. €.

59 Für das Jahr 2014 erwartet der Bund eine Dividende in Höhe von 700 Mio. €, F.A.Z v. 15.05.2014, S. 1, 17.

60 So z.B. Anton Hofreiter, abrufbar unter: https://www.gruene-bundestag.de/presse/2013/januar/eu-kommission-verklagt-deutschland-deutsche-bahn-ag-darf-netzgewinne-nicht-zweckentfremden_ID_4387 101.html, letzter Abruf am 05.10.2014.

61 Vgl. Stamm (Fn. 24). S. 93 f.; ferner Fehling, in: ders./Ruffert (Fn. 25), § 10 Rn. 50.

62 Der Grundsatz, dass Fremdkapital günstiger als Eigenkapital ist (vgl. Neus, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre8, 2013, S. 367 f.) wird im Fall der DB Netz AG aufgrund der Fremdkapitalstruktur in Form zinsfreier, nichtrückzahlbarer Zuschüsse des Bundes sowie der guten Bonität des (staatlichen) DB-Konzerns am Kapitalmarkt verstärkt.

Fritzsche, Eisenbahninfrastruktur (BLJ 2014, 92)97

genau das Gegenteil bewirken63 und auf diese Weise sowohl die Investitionstätigkeit in umweltschützende Maßnahmen als auch die gewünschte Verkehrsverlagerung auf die Schiene hemmen. Folglich bedarf es aus Sicht des Umweltschutzes eines Finanzierungskreislaufs zwischen der DB Netz AG und dem Bund, der gewährleistet, dass die im Infrastrukturbereich erzielten Gewinne in diese zurückfließen, um so die Investitionskosten für die DB Netz AG und mittelbar die Trassenentgelte für die EVU niedrig zu halten.

2. Nicht-monetäre Steuerungsmöglichkeiten

Die Einflussnahme über nicht-monetäre Steuerungsmechanismen ist aufgrund der Weisungsfreiheit der Vorstände vom Staat im Wesentlichen auf Personalentscheidungen beschränkt. Dem Bund kommt das Recht zur Bestellung der Vorstandsmitglieder der DB AG zu (§ 84 AktG). Er hat somit mittelbaren Einfluss auf die Personalentscheidungen der DB Netz AG. Inwiefern bei diesen Personalentscheidungen ein besonderes Augenmerk auf den Umweltschutz gelegt wird und ob dies durch entsprechende Bonusregeln vertraglich untermauert wird, hängt wiederum vom Gestaltungswillen der Politik ab.

3. Praktische Probleme unternehmensinterner Steuerung

In der Praxis besteht die Gefahr, dass der Bund seine Rollen als Schiedsrichter und Spieler nicht hinreichend trennt.64 Diese Gefahr wird dadurch verstärkt, dass der Bund in beiden Rollen sowohl auf dem vorgelagerten Infrastruktur- als auch dem nachgelagerten Verkehrsmarkt tätig ist, wodurch sich Diskriminierungen von Wettbewerbern auf dem Verkehrsmarkt besser verstecken lassen. Des Weiteren bedürfen die Politiker als Inhaber der aktienrechtlichen Steuerungs- und Kontrollrechte über den DB-Konzern der Gunst der Wähler. Sie streben daher eher kurzfristige Erfolge anstelle der Verwirklichung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie an. Hinzu kommt die Gefahr von Vetternwirtschaft zwischen Politik und dem DB-Konzern.65

D. Zusammenhänge und Wechselwirkungen der Steuerungsinstrumente

Die Analyse der Finanzierungsinstrumente für die Eisenbahninfrastruktur fällt aus umweltpolitischer Sicht ernüchternd aus. Die externen Finanzierungsregelungen setzen keine effektiven Anreize zu mehr Umweltschutz und auch die Einflussnahme über unternehmensinterne Steuerungsinstrumente verspricht keine nachhaltige Stärkung des Schienenverkehrs im intermodalen Wettbewerb. Im Hinblick auf Umweltschutzanreize ist daher nicht zu fragen, ob sich die externen Regulierungsmaßnahmen und internen Steuerungsinstrumente gegenseitig ergänzen und befruchten,66 sondern ob sich die schwachen Anreizwirkungen im Zusammenspiel der Steuerungsinstrumente noch weiter abschwächen. Wie gezeigt, bereiten die externen Finanzierungsregelungen durchaus Strukturen vor, aus denen eine gewisse Anreizwirkung für mehr Umweltschutz ausgehen kann.67 Das Problem ist jedoch stets, dass die gesetzlichen Regelungen dem Bund so viel Spielraum lassen, dass es meist an einer effektiven Durchsetzung dieser Anreizmechanismen gegenüber den EIU fehlt. Der schon in der Bahnreform angelegte Zielkonflikt zwischen aktiver Verkehrsverlagerung einerseits und Entlastung des Staatshaushalts andererseits68 wird von den einfachgesetzlichen Finanzierungsregelungen nicht zugunsten der Verkehrsverlagerung gelöst. Hinter der schwachen Anreizwirkung der externen Finanzierungsregelungen für Investitionen im Sinne des Umweltschutzes steht damit die Abhängigkeit der EIU von dem Finanzierungswillen des Bundes. Die unternehmensinterne Steuerung des DB-Konzerns durch den Bund verschärft diese Abhängigkeit. Die Gewinnabführungsverträge entziehen der Infrastruktursparte Erlöse aus den Trassenentgelten und tragen so zur Quersubventionierung des DB-Konzerns bei, die im Interesse des Bundes als Eigentümer und Ausschüttungsberechtigter liegt. Außerdem setzen die Gewinnabführungsverträge einen Anreiz, jedes vorhandene Diskriminierungspotential zu nutzen, da es die übermäßige Kostenabwälzung auf Wettbewerber erlaubt. Dies schwächt den intramodalen und mittelbar auch den intermodalen Wettbewerb. Selbst wenn der Bund die von der DB Netz AG generierten Einnahmen dieser wieder zur Verfügung stellt, erlauben ihm die Gewinnabführungsverträge zunächst, über die Verwendung der Gelder zu entscheiden. Entsprechend wird der Bund auch seine personelle Einflussnahme bei der Besetzung von Führungspositionen ausnutzen. Demnach verstärken sich die umweltpolitischen Schwächen externer und interner Einflussnahme.

E. Fazit und Ausblick

Obwohl die Finanzierungsstrukturen und Steuerungsinstrumente in ihrer Gesamtheit keinen effektiven Anreiz zu mehr Umweltschutz durch eine aktive Verkehrsverlagerung auf die Schiene bei gleichzeitiger Reduktion der eisenbahnspezifischen Emissionen setzen, geben die gesetzlichen Rahmenbedingungen auch Anlass zur Hoffnung für die Umwelt. Der weite Spielraum für den Bund ist insoweit Schwäche und Stärke zugleich. Denn bei entsprechender Ausnutzung der rechtlich vorgesehenen – wenn auch zuweilen versteckten – Anreize ist eine Finanzierung des Schienennetzes möglich, die verstärkt Umweltaspekte berücksichtigt. Die Verzahnung dieser rechtlichen Anreizsetzungen gegenüber den EIU mit den unternehmensinternen Einflussmöglichkeiten bietet effizienzsteigernde Koordinierungspotentiale. Dies erfordert jedoch einen Richtungswechsel in der derzeitigen Politik: Für eine aktive Verkehrsverlagerung auf die Schiene muss der Eisenbahnverkehr umweltfreundlich gestaltet und seine Infrastruktur massiv ausgebaut werden. Dafür sind Investitionen in großem Umfang erforderlich, die sich nur durch eine verstärkte Übernahme finanzieller Verantwortung seitens des Bundes realisieren lassen.


63 Zum Ganzen Heise (Fn. 21), S. 256 f.

64 Vgl. Fehling, in: ders./Ruffert (Fn. 25), § 10 Rn. 48.

65 Z.B. der Wechsel des Bundesministers a.D., Ronald Pofalla, in die Führungsriege der DB AG, http://www.spiegel.de/wirtschaft/unter- nehmen/deutsche-bahn-pofalla-soll-kompetenzen-von-grube-ueberneh-men-a-975574.html, letzter Abruf am 05.10.2014.

66 So aber die Grundthese von Fehling, in: Hochhut (Hrsg.), Rückzug des Staates und Freiheit des Einzelnen – die Privatisierung existenzieller Infrastrukturen, 2012, S. 93, 95.

67 So in Teilen das Trassenentgeltsystem (unter C.I.2.) sowie die mögliche dauerhafte Verhinderung von Streckenstilllegungen (unter C.I.3.).

68 Gersdorf (Fn. 40), S. 20 f.; Fehling, DÖV 2002, 93, 800 f.