Verfassungsgericht erschafft grundrechtlichen Schutz gegen Entvölkerung!

Anmerkung zum BVerfG-Urteil „Braunkohletagebau Garzweiler“

by Moritz von Rochow*

„Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“1 dichtete einst Herbert Grönemeyer. Das Bundesverfassungsgericht folgt nun offenbar dieser Sichtweise, indem es den Heimatbezug statt in Art. 11 Abs. 1 GG in den Schutzbereich von Art. 14 GG einordnet.

A. Gegenstand des Urteils zum Braunkohletagebau in Garzweiler2

Am 17.12.2013 sprach das Bundesverfassungsgericht sein lange erwartetes Urteil zum Braunkohletagebau in Garzweiler und Erkelenz am Niederrhein. Geklagt hatten einerseits ein Hauseigentümer im zukünftigen Abbaugebiet gegen die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes durch das Bergamt Düren und andererseits der BUND gegen die Enteignung eines als Streuobstwiese genutzten Grundstückes mittels Abtretungsbeschlusses. Die vom BUND allein gerügte Verletzung in den Grundrechten auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1, Abs. 3 GG und auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG hatte Erfolg. Insbesondere sei nach Auffassung der Richter keine hinreichende Gesamtabwägung erfolgt3 und der Rahmenbetriebsplan sei seinerzeit aufgrund einer Auslegung des Bundesberggesetzes zugelassen worden, die keine hinreichenden Rechtschutzmöglichkeiten gewährt habe4.

Demgegenüber hatte der private Hauseigentümer neben einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Abs. 3 GG auch eine Verletzung seines „Rechtes auf Heimat“ bereits durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes gerügt, welches sich aus Art. 11 Abs. 1 GG ergebe. Dies sah das Bundesverfassungsgericht jedoch anders: Es hielt den Schutzbereich des Art. 11 GG nämlich aufgrund entgegenstehender allgemeingültiger Regelungen der Bodenordnung und Bodennutzung für nicht eröffnet,5 nahm also letztlich eine aufgrund der engen Schrankenbestimmungen gebotene teleologische Reduktion des Schutzbereiches vor.

Einen Eingriff in das Eigentum des Anwohners durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes erkannte das Bundesverfassungsgericht zwar an, sah diesen allerdings aufgrund des entgegenstehenden Gemeinwohlziels des angestrebten Energiemixes des Landes Nordrhein-Westfalen als gerechtfertigt an.6 Da ein enteignender Abtretungsbeschluss in diesem Verfahren noch nicht ergangen war, musste an die grundrechtsbeeinträchtigende Wirkung des bergrechtlichen Rahmenbetriebsplanes angeknüpft werden. Dieser entfaltet anders als etwa viele Planfeststellungsbeschlüsse keine enteignungsrechtliche Vorwirkung, welche in das Eigentum eingreifen könnte, sondern stellt lediglich die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit eines Tagebauvorhabens fest. Insofern sind die einzigen zu einer gegenwärtigen Betroffenheit führenden möglichen Rechtsbeeinträchtigungen des Rahmenbetriebsplanes die Auswirkungen auf das soziale und räumlich-städtebauliche Wohnumfeld und eine damit einhergehende Entwertung eines möglichen Rechtsschutzes gegen die möglicherweise später anstehende Grundabtretung.7 Plastisch ausgedrückt nutzt dem Beschwerdeführer ein erfolgreiches Verfahren gegen seine spätere Enteignung nichts, wenn sein Umfeld entvölkert und planiert ist.

B. Erweiterung des Schutzbereiches von Art. 14 GG

Während bislang vom Eigentum alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugewiesen sind,8 umfasst waren, hat mit dem Garzweiler-II-Beschluss das Bundesverfassungsgericht den sachlichen Schutzbereich signifikant erweitert. Nunmehr schützt „Art. 14 GG […] den Bestand des konkreten (Wohn-)Eigentums auch in seinen sozialen Bezügen.9 Während etwa Ingolf Pernice10, Susanne Baer,11aber auch der Bund der Vertriebenen12 u.v.a.m.13 aus der negativen Freizügigkeit (Recht an einem Orte zu bleiben) aus Art. 11 Abs. 1 GG oder Christian Tomuschat14 und die UN-Unterkommission für Dis-


* Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Juniorprofessur für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht (Prof. Dr. Jasper Finke) an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 Herbert Grönemeyer, „Heimat“, 1999.

2 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08.

3 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 159 ff.

4 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 219 ff.

5 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 256.

6 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 268 ff.

7 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 272 f.

8 BVerfGE 70, 191,199; 78, 58, 71.

9 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 269.

10 Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 12, 2004, Art. 11 Rn. 17.

11 Baer, NVwZ 1997, 27, 28 ff.

12 Blumenwitz, Bund der Vertriebenen (Hrsg.), 50 Jahre Flucht, Deportation, Vertreibung – Unrecht bleibt Unrecht, 1995, S. 12 ff.

13 Exemplarisch: Kunig in: von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar I5, 2000, Art. 11 Rn. 18; Randelzhofer, in: Bonner Kommentar, Art. 11 Rn. 55; Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 73, 2009, 309, Rn. 46; a.A.: Gusy, in: v. Mangold/Klein/Stark (Hrsg.), GG, Bd. 16, Art. 11, Rn. 30, der von „Heimat lediglich den Ort, nicht aber jene Faktoren, die den Ort zur Heimat machen, also gerade die hier relevanten sozialen Bezüge, erfasst sieht.

14 Tomuschat, in: FS Partsch, 1989, S. 183, 194; so auch: Kimminich, Das Recht auf die Heimat: Ein universelles Menschenrecht, 1996, S. 2 f.; de Zayas, in: de Zayas, Hillgruber (Hrsg.), Gerechtigkeit schafft Frieden, 1997, S.14.

von Rochow, Verfassungsgericht erschafft grundrechtlichen Schutz gegen Entvölkerung! (BLJ 2014, 43)44

kriminierungsverhütung und Minderheitenschutz15 aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker ein solches „Recht auf Heimat herleiteten, sieht das Bundesverfassungsgericht dieses nunmehr als von Art. 14 GG erfasst:

„Die besonderen Bezüge der Eigentümer oder Mieter von Hausgrundstücken und Wohnungen zu ihrem Wohnumfeld in sozialer und städtebaulicher Hinsicht sind in ihrem Bestand und in ihrer aus diesen gewachsenen, dauerhaften Beziehungen folgenden besonderen Wertigkeit durch das Eigentumsgrundrecht geschützt. Bei dieser rechtlichen Einordnung hat das Oberverwaltungsgericht den Bezug der Eigentumsgarantie auf den sozialen Kontext („Heimatbezug“) nicht gewürdigt.“16

Die Aufnahme dieses Heimatbezuges in den Schutzbereich des Art. 14 GG sollte in ihrer Konsequenz nicht unterschätzt werden: Waren bislang nur vermögenswerte Rechtspositionen erfasst17, so ist nun erstmals auch ein subjektives „Gefühl“ Gegenstand des grundrechtlichen Eigentumsschutzes, denn einen objektiven Vermögenswert wird man sozialen Beziehungen schwerlich beimessen können. Zwar lässt sich wohl nicht bestreiten, dass sich auch der objektive Vermögenswert eines Grundstückes in einem für den Tagebau avisierten Gebiet erheblich mindert, aber genau auf diese objektive Wertminderung stellt das Verfassungsgericht nicht ab, sondern rekurriert vielmehr auf diffuse Begriffe wie „sozialen Kontext“ und „Heimatbezug“ –
Begriffe die traditionell eher mit dem durch Art. 11 Abs. 1 geschützten Recht an einem Ort zu bleiben, verbunden werden.18

Die Behauptung, dass „ein durch Maßnahmen zur Bodenordnung und Regelungen der Bodennutzung verursachter Zwang zur Aufgabe des Aufenthalts oder Wohnsitzes keine Beeinträchtigung des Schutzbereichs von Art. 11 Abs. 1 GG19 bedeute, da die besonderen sozialen und räumlich-städtebaulichen Belastungen der Betroffenen durch Art. 14 Abs. 1 und 3 GG sowie, durch Art. 2 Abs. 1 GG (falls kein Bezug zum Wohneigentum) hinreichend aufgefangen werden, ignoriert nicht nur, dass diese Grundrechte keinen gleichwertigen Schutz gewähren, sondern nennt die strengen Schranken des Art. 11 Abs. 2 ausdrücklich als Motivation für das Ausweichmanöver.20 So bleibt der schale Beigeschmack, dass das Bundesverfassungsgericht eine zentrale Ausgestaltung der Menschenwürde21 preisgibt, etwa so als würde man einem Schiffbrüchigen statt einer Rettungsinsel einen hölzernen Kontrabass zuwerfen mit der Begründung, dieser würde ihm hinreichend Schutz bieten. Zwar kann auch der Kontrabass schwimmen, ist aber ansonsten als Rettungsmittel denkbar ungeeignet. Hierdurch wird nicht nur der Ertrinkende dem ungestümen Meer preisgegeben, sondern auch der Kontrabass derart zweckwidrig umfunktioniert, dass er seiner ursprünglichen Funktion als Musikinstrument wohl dauerhaft beraubt sein dürfte. Eine solche zweckwidrige Umfunktionierung erfährt jetzt auch der Schutzbereich des Art. 14 GG, der nunmehr auch rein subjektive Wertbeimessungen schützt, wenn auch nur in Bezug auf ein tatsächlich werthaltiges Wohneigentum. Das Urteil lässt diesbezüglich zwei alternative Interpretationen zu: Entweder das Bundesverfassungsgericht hat das Erfordernis eines Vermögenswertes endgültig aufgegeben, oder es hat sich nunmehr zu der marktwirtschaftlichen Auffassung durchgerungen, dass letztlich jedem Gut ein Vermögenswert innewohne,22 indem der Bürger für einen angemessenen Preis auch sein Heimatgefühl „verkauft hätte. Der Ausdruck einer aus „dauerhaften Beziehungen folgenden besonderen Wertigkeit“ spricht eher für letztere Interpretation mit allen sich daraus ergebenden ethisch-moralischen Fragen des Eindringens marktwirtschaftlicher Denkweisen in die besonderen Ausprägungen der Menschenwürde, als welche die soziale Einbindung in eine menschliche Gemeinschaft anerkannt23 und daher unter die behütenden Fittiche eines strengen Art. 11 GG gestellt wurde.

Die Argumentation des Verfassungsgerichts, die teleologische Reduktion des Schutzbereiches von Art. 11 Abs. 1 um Fälle der Raumordnung und Bodennutzung sei geboten um weiterhin raumintensive Großprojekte realisieren zu können, erscheint einerseits methodisch sehr vom Ergebnis gedacht, indem zu strenge Schranken-Schranken bewusst und in voller Absicht schlicht umgangen werden. Andererseits übersieht dieser Ansatz die vom Verfassungsgericht selbst entwickelte Dogmatik, dass über spezielle Schrankenbestimmungen hinaus auch verfassungsimmanente Schranken zur Rechtfertigung herangezogen werden können,24 was mit Blick auf die Sicherstellung der Energieversorgung der Bevölkerung zumindest nicht absurd erscheint, mit Blick auf einen bestimmten Energiemix hingegen schon.25

C. Neue Eingriffsdimensionen

Spannend an der aktuellen Entscheidung ist jedoch nicht nur der erweiterte Schutzbereich von Art. 14 GG, sondern auch die Ausführungen zum Eingriff selbst. So geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass bereits der sich andeutende Wegzug der Mitmenschen einen Eingriff in das Eigentum darstellt:

„Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans greift auch deshalb in das Grundeigentum des Beschwerdeführers ein, weil spätestens mit dieser Entscheidung in den von einem Tagebau betroffenen Gemeinden der Abwanderungsprozess von Menschen, Betrieben und sonstigen öffentlichen und privaten Einrichtungen angestoßen wird, der zu einer zunehmend massiven Veränderung des mit einem Wohneigentum verbundenen sozialen und städtebaulichen Umfelds führt, so dass angesichts der vollständigen Beseitigung der sozialen Bezüge des Wohneigentums bereits zu diesem Zeitpunkt das Eigentum nachhaltig beeinträchtigt ist.“

Dass eine nachteilige Veränderung der Ortsumgebung einen Eingriff in das Eigentum darstellt, ist indes nicht neu. Bereits


15 UN ECOSOC, ‘Final report of the Special Rapporteur, Mr. Al-Khasawneh’ (27.06.1997), UN Doc E/CN.4/Sub.2/1997/23.

16 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 330.

17 BVerfGE 78, 58, 71 m.w.N.

18 Vgl. Fn 7.

19 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn. 266.

20 BVerfG, Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, / 1 BvR 3386/08, Rn. 267.

21 Alberts, NVwZ 1997, 45, 46 f. sieht von Art. 11 als besonderer Ausgestaltung der Menschenwürde nicht nur den Ort, sondern auch das Milieu, also die Mitmenschen erfasst.

22 Sandel, Was man für Geld nicht kaufen kann, 2012, S. 55.

23 Alberts, NVwZ 1997, 45, 46.

24 BVerfGE 124, 300 (Wunsiedel); BVerfGE 66, 116 (Springer/Wallraff); Manssen, Staatsrecht II – Grundrechte10, S. 42 f.

25 Steinbeis, „Garzweiler-Urteil: My Home is not my Castle“, Verfassungsblog, 17.12.2013, http://www.verfassungsblog.de/de/garzweiler-urteil-my-home-is-not-my-castle/#.UugNFScwdiw, letzter Abruf am 31.01.2014.

von Rochow, Verfassungsgericht erschafft grundrechtlichen Schutz gegen Entvölkerung! (BLJ 2014, 43)45

in BVerfGE 79, 174 (Straßenverkehrslärm) wurde eine Veränderung der Ortsumgebung als Eingriff in das Grundeigentum anerkannt. In BVerfGE 79, 174 wurde in einem Bebauungsplan eine Inhalts- und Schrankenbestimmung gesehen, während in der aktuellen Entscheidung der Rahmenbetriebsplan als mittelbar-faktischer Eingriff verstanden wird.26 Neu ist indes, dass die Beeinträchtigung nicht erst durch die Veränderung objektiver Umstände erfolgt, sondern bereits durch den sich ankündigenden Wegfall der sozialen Verwurzelung.

D. Ausblick

Welche Konsequenzen hat die Entscheidung nun für die Zukunft über den Braunkohletagebau hinaus? „Soweit mit einer tatsächlich innegehabten Wohnung […] feste soziale Bindungen in das örtliche Umfeld und dessen städtebauliche Gegebenheiten verbunden sind, ist diese Verwurzelung bei Eingriffen in das Eigentumsgrundrecht angemessen zu berücksichtigen.27

Das bedeutet, dass ein durch staatliches Handeln oder Unterlassen angestoßener Abwanderungsprozess in Zukunft an Art. 14 GG zu messen sein wird und dies bereits dann, wenn sich die Abwanderung der Bevölkerung lediglich abzeichnet.

Dies kann bedeuten, dass etwa die Aufgabe von Bundeswehrstandorten in Schleswig-Holstein28, die Schließung von Kindergärten, Feuerwehrwachen und Bahnhöfen in Thüringen29, die negativen Auswirkungen eines gesetzlichen Mindestlohnes auf das Arbeitsplatzangebot in der ostdeutschen Provinz30 und nicht zuletzt die demographischen Folgen einer erfolglosen Familienpolitik,31, letzter Abruf am 31.01.2014, S. 14 ff., 46 ff. –
allesamt Faktoren die zur Entvölkerung ganzer Landstriche zumindest beitragen32
in Zukunft an Art. 14 GG zu messen sein werden. Offen bleibt zunächst, ab welcher Intensität des Eingriffes das „Anstoßen eines Abwanderungsprozesses nachweisbar und dem Staat zurechenbar ist. Die im Urteil genannte Schwelle der „vollständigen Beseitigung der sozialen Bezüge ist zugegebenermaßen hoch, jedoch keinesfalls nur in Garzweiler erreicht. So fordert das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung bereits Programme zur gezielten „Evakuierung“ und dem Rückbau von Dörfern, in denen die Versorgung insbesondere der älteren Bevölkerung nicht mehr gewährleistet werden kann.33

Den Betroffenen wird die Erweiterung des Schutzbereiches aufgrund hinreichend gewichtiger Rechtfertigungsgründe oft wenig nützen, wenngleich das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen an solche Gründe vergleichsweise streng ausgestaltet hat. So fordert es, dass zumindest dem Grunde nach die Voraussetzungen einer künftigen Enteignung erfüllt sein müssen, was der Fall sei, „wenn das […] verfolgte Gemeinwohlziel sich aus einer hinreichend präzisen, gesetzlichen Gemeinwohlbestimmung ableiten lässt, das Vorhaben zur Erreichung des Gemeinwohlziels vernünftigerweise geboten ist, die Zulassungsentscheidung nicht in einem Entscheidungsfindungsprozess zustande gekommen ist, der verfassungsrechtliche Mindestanforderungen verfehlt, und die Zulassung vertretbar auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtabwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange erfolgt.“ Rein finanzielle Gründe werden diesen Anforderungen wohl kaum genügen. Auch die Geeignetheit einzelner Maßnahmen kann im Rahmen der Abwägung wohl kritisch beurteilt werden.34

Nachdem nun die Pforte zum Schutz lediglich subjektiv werthaltiger individueller Interessen durch Art. 14 GG aufgestoßen wurde, bleibt abzuwarten, welche weitere Entwicklung der Schutzbereich des Eigentums nehmen wird, insbesondere was sich in Zukunft unter den Begriff des „Heimatbezuges wird subsumieren lassen und welches staatliche Handeln oder Unterlassen einen hinreichend gravierenden Eingriff hierein darstellt.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt die Befürchtung Albrecht Randelzhofers einer Verkürzung des Schutzes von Art. 11 Abs. 1 GG durch Ausweichen auf weniger geschützte Grundrechte35 Realität werden. Gleichzeitig gerät dieses Ausweichmanöver zu einem Aufweichmanöver von Art. 14. GG in dessen Schutzbereich zukünftig jedes Interesse, welches ein Bürger als subjektiv wertvoll empfindet, inkorporiert werden kann, sofern es einen Bezug zum Wohneigentum aufweist. Darüber hinaus hat der mittelbar faktische Eingriff durch Anstoß einer Abwanderungsbewegung das Potenzial, das Bundesverfassungsgericht in Zukunft intensiv zu beschäftigen, indem er den verbliebenen Anwohnern all jener Dörfer, in denen nur noch der Friedhof wächst, neue Rechtsschutzmöglichkeiten in die Hand gibt.


26 Unter Bezug auf BVerfGE 116, 202, 222; 118, 1, 20; 120, 378, 406.

27 BVerfG Urteil vom 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, Rn.  271.

28 In Folge der Schließung des Standortes verlor der Ort Olpenitz bei Kappeln mit dem Wegzug von ca.1500 Soldaten und deren Familien nahezu seine gesamte Bevölkerung, http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/NYzBCsIwEET_KG sEsXiz9OLRXrReZNuuMZhuynZjL368ieAOzDA8duAGWYxv71B9Z AxwhW7wh341_TqSWVTI60uQHkqGKTlaFIMmdpn9fjxJaYzD894n HmkJSDmE4VLW88oQmbS4EqvP7gQ1ipmjaCgkiWRi_Ajdxja13W_ Zz9VWze7s622zaluYZ6m4xfiShM2/, letzter Abruf am 31.01.2014.

29 Hummel, Dörfer kämpfen um ihre letzten Bewohner, Die Welt Kompakt, 07.02.2012, online abrufbar: http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_politik/article13854116/ Doerfer-kaempfen-um-ihre-letzten-Bewohner.html, letzter Abruf am 31.01.2014; Ehrenstein, Wie die Provinz doch noch eine Zukunft haben könnte, Die Welt, 05.09.2013, online abrufbar: http://www.welt.de/politik/deutschland/article119741560/Wie-die-Provinz-doch-noch-eine-Zukunft-haben-koennte.html, letzter Abruf am 31.01.2014; Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Studie: Die Zukunft der Dörfer, online abrufbar: http://www.berlin-insti-tut.org/fileadmin/user_upload/Doerfer_2011/Die_Zukunft_der_Doerfer _Webversion.pdf, letzter Abruf am 31.01.2014, S. 7, 76.

30 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2013/14 „Gegen rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik, 13.11.2013, S. 268 ff., online abrufbar: http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/gutachten/jg201314/JG13_Ges.pdf, letzter Abruf am 31.01.2014; Sinn, Offener Brief an die Bundeskanzlerin, Wirtschaftswoche, 26.11.2011, online abrufbar: http://www.wiwo.de/politik/deutschland/denkfabrik-ifo-chef-sinn-warnt-merkel-vor-mindestlohn/5886698.html, letzter Abruf am 31.01.2014.

31 Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Studie: Die demographische Lage der Nation, online abrufbar: http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/Die_demografische_Lage_2011/D-Engagement_online.pdf

32 Vogt, Landflucht sorgt für Geisterdörfer, Mainpost, 18,04.2013, online abrufbar: http://www.mainpost.de/regional/hassberge/Landflucht-sorgt-fuer-Geisterdoerfer;art1726,7420546, letzter Abruf am 31.01.2014.

33 Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Studie: Die Zukunft der Dörfer, online abrufbar http://www.berlin-insti-tut.org/fileadmin/user_upload/Doerfer_2011/Die_Zukunft_der_Doerfer_ Webversion.pdf, letzter Abruf am 31.01.2014, S. 76.

34 So z.B. bezogen auf die Einführung eines Mindestlohnes, Friedrich Schneider, Mindestlöhne erzeugen Schwarzarbeit, online abrufbar: http://www.cesifo-group.de/portal/page/portal/ifoContent/N/pr/pr-PDFs/Schnelldienst2008PDF/ifosd_2008_6_10.pdf, letzter Abruf am 31.01.2014.

35 Randelzhofer, in: Bonner Kommentar43, Art. 11, Rn. 14.