Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung

Carl-Anton Sack*

A. Einleitung

Am 12.12.2015 verabschiedeten 195 Staaten – darunter auch Deutschland – und die Europäische Union das Klimaschutzübereinkommen von Paris.1 Art. 2 Abs. 1 lit. c) dieses Abkommens besagt, dass die globalen Finanzströme mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden müssen. Denn die Transformation in eine nachhaltige Volkswirtschaft verlangt nach Anpassungen in allen Lebens- und Rechtsbereichen.2 Zur Umsetzung der Paris Klimaziele rechnet die Europäische Kommission daher mit einem jährlichen zusätzlichen privaten Investitionsbedarf in Höhe von 180 Milliarden Euro bis 2030.3 Um Privatkapital für solche Investitionen zu mobilisieren, bedarf es einer gezielten Anreizsetzung. Dem Finanzsystem attestiert die Europäische Kommission zur Lenkung dieser Finanzströme eine Schlüsselrolle.4 Dies rührt aus der Tatsache, dass die Finanzmärkte aufgrund ihrer Allokationsfunktion zur Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen, zur Transformation sowie zur Beschleunigung des Wandels geeignet sind.5 Denn sowohl der Finanzmarkt als auch Nachhaltigkeit haben eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie schauen beide in die Zukunft.6

B. Grundlagen

Zunächst werden die Grundlagen von Green Finance und von Anreizsetzung im Recht dargestellt.

I. Green Finance

1. Begriffsbestimmung

Grundsätzlich umfasst „Finance“ jede Tätigkeit auf dem Finanzmarkt, also im hiesigen Kontext insbesondere die Finanzanlage sowie das Kreditwesen.7 Der Terminus „Green Finance“ (auf Deutsch etwa „Grünes Finanzwesen“) ist weder einheitlich definiert noch wird er einheitlich verwendet.8 Nach einem Verständnis stellt Green Finance eine Unterkategorie von Sustainable Finance dar.9 Sustainable Finance möchte die Finanzierung von Investitionen entsprechend der am Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit ausgelegten ESG11 -Kriterien fördern.12 Faktisch lässt sich allerdings bei den aktuellen regulatorischen Initiativen zu Sustainable Finance ein eindeutiger ökologischer Schwerpunkt des Nachhaltigkeitsbegriffs feststellen.13 Dies zeigt sich auch in Art. 3 i.V.m. Art. 9 Taxonomie-VO, wonach bislang nur die ökologische Nachhaltigkeit für die Definition nachhaltiger Anlagen in den Blick genommen wird. Ohnehin lassen sich die meisten Aussagen aufgrund der nur geringen Abweichung im Hinblick auf die Mittelverwendung von Sustainable Finance auf Green Finance und andersherum übertragen.14 Im Gegensatz zur mehrdimensionalen Nachhaltigkeit bei Sustainable Finance geht es bei Green Finance isoliert um die Kategorie environment. Teilweise wird argumentiert, dass im Rahmen von Sustainable Finance alle ESG-Kriterien gleichermaßen beachtet werden müssen. In diesem Fall müsste Green Finance mit seinem alleinigen Fokus auf ökologische Nachhaltigkeit als eigenständiger Bereich danebenstehen.15 Unstrittig ist jedenfalls, dass es bei Green Finance darum geht, Finanzströme vorrangig in ökologisch nachhaltige Investitionen umzulenken.16 Andere geläufige Bezeichnungen mit ähnlichen Zielrichtungen sind Environmental Finance, Climate Finance und teilweise auch Socially Responsible Investing (SRI)17. Zudem setzt sich Green Finance zum Ziel, zusätzliches Kapital für klimafreundliche Zwecke zu mobilisieren sowie die Stabilität und Effektivität des Finanzmarkts im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken sicherzustellen.18

2. Grüne Produkte auf dem Finanzmarkt

Green Finance hat sich vor allem einerseits in Form von grünen Finanzinstrumenten auf dem Kapitalmarkt, andererseits durch grüne Bankgeschäfte auf dem Kreditmarkt etabliert.

a) Grüne Finanzinstrumente

Grüne Finanzinstrumente erfassen das gesamte Spektrum kapitalmarktgängiger Wertpapiere i.S.d. § 2 Abs. 1 WpHG,


*Der Autor ist Student an der Bucerius Law School, Hamburg.

1 BGBl. 2016, S. 1082.

2 Dombret, in: Stapelfeldt et al. (Hrsg.), Greening Finance, 2018, S. 5, 6.

3 COM(2018) 97 final, S. 3, im Folgenden „Aktionsplan“; HLEG, Abschlussbericht, 2018, S. 2.

4 COM, Aktionsplan, S. 1.

5 Schoenmaker/Schramade, Principles of Sustainable Finance, 2019, S. 3.

6 Ebd., S. 4.

7 Ebd.

8 BReg, Deutsche Sustainable Finance-Strategie, 2021, S. 10; LBBW, Grüne Finanzierung auf dem Vormarsch, 2019, S. 5.

9 Vgl. Bucerius Law School, Green Finance, abrufbar unter:
https://www.law-school.de/forschung-fakultaet/institute-und- zentren/center- for- interdisciplinary- research- on- energy- climate- and- sustainability/forschung/green- finance (letzter Zugriff: 15.06.2022).

10 https://www.law-school.de/forschung-fakultaet/institute-und-zentren/center-for-interdisciplinary-research-on-energy-climate-and-sustainabi-lity/forschung/green-finance.

11 „Environment, Social, Governance”.

12 Möslein/Mittwoch, WM 2019, 481, 482; Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 3; Remer, Gabler-Banklexikon: Sustainable Finance, abrufbar unter: https://www.gabler-banklexikon.de/definition/sustainable-finance-99711 (letzter Zugriff: 15.06.2022).

13 Möslein/Mittwoch, WM 2019, 481, 482; beispielhaft COM, Aktionsplan, S. 5; aus Anlegerperspektive Bueren, ZGR 2019, 813, 861.

14 LBBW (Fn. 9), S. 4.

15 Remer, Gabler-Banklexikon: Green Finance, abrufbar unter: https://www.gabler-banklexikon.de/definition/green-finance-99713 (letzter Zugriff: 15.06.2022); vgl. auch LBBW (Fn. 9), S. 4; für eine synonyme Verwendung Deutsche Energie-Agentur, Green & Sustainable Finance mit Fokus auf den Immobilienbereich, 2021, S. 4.

16 Köndgen, in: FS K. Schmidt, S. 671, 672; COM, Aktionsplan, S. 2; Grunow/Zender, Green Finance, 2020, S. 2; ähnlich Schäfer, Green Finance and the German banking system, 2017, S. 2; Bueren, ZGR 2019, 813, 874.

17 Obwohl SRI grundsätzlich das ganze Nachhaltigkeitsspektrum erfasst, ist der Begriff hauptsächlich jedenfalls aus Anlegerperspektive auf Umweltbelange gerichtet, vgl. Berry/Junkus, 112 J. Bus. Ethics (2013), 707, 715; siehe auch Fleischer, AG 2017, 509, 524; vertiefend Scharlau, Socially Responsible Investment, 2009, S. 7 ff.

18 Vgl. Bucerius Law School (Fn. 10).

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung119

ob Eigenkapitalinstrumente wie grüne Aktien oder Fremdkapitalinstrumente wie grüne Anleihen.19 Letztere (sog. „Green Bonds“) waren die ersten grünen Finanzinstrumente und haben auch heute noch den größten Marktanteil.20 Green Bonds unterscheiden sich von konventionellen Anleihen darin, dass sie Aktivitäten finanzieren, die die Umwelt positiv beeinflussen und den Wandel der Wirtschaft hin zur Klimaverträglichkeit unterstützen.21 Mehrheitlich dienen sie der Refinanzierung grüner Kredite.22 Sowohl Staaten als auch private Institutionen emittieren Green Bonds.23 Auf Anlegerseite lässt sich feststellen, dass größtenteils institutionelle Investoren nachhaltige Anlageprodukten nachfragen.24 Grüne forderungsbesicherte Wertpapiere oder Verbriefungen (Asset Backed Securities) können genutzt werden, um einzelne grüne Kredite zu bündeln.25 Der Kleinanleger kann über spezielle grüne Themenfonds in nachhaltige Anlagen investieren.26

b) Grüne Bankgeschäfte

Unter den grünen Bankgeschäften sind insbesondere grüne Kredite i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG hervorzuheben. Bei solchen sog. „Green Loans“ handelt es sich um Darlehen, die zur (Re-)Finanzierung von geeigneten „grünen Projekten“ eingesetzt werden.27 Im Kern geht es bei Projektfinanzierungen also lediglich um den vorbestimmten Einsatz der Darlehensvaluta. Die Darlehensaufnahme wird häufig an zusätzliche Mindestanforderungen bezüglich des Verwendungszwecks sowie der Projektauswahl, Mittelverwendung und eingeräumter Informationsrechte geknüpft.28 Solche Kredite werden insbesondere von staatlichen Förderbanken angeboten, die damit klimafreundliche Investments attraktiver machen wollen.29 Eine andere gängige Erscheinungsform von grünen Krediten sind sog. „Positive Incentive Loans“ bzw. „Sustainability-linked Loans“.30 Diese knüpfen die Zinsmarge an die Klimabilanz des Unternehmens oder an die Einhaltung vorbestimmter Nachhaltigkeitsziele.31 Das bietet dem Kreditnehmer in der Regel den Vorteil, frei über die Mittelverwendung entscheiden zu können und keiner Bindung an konkrete Umweltvorhaben zu unterliegen.32 Die gleiche Unterscheidung ist auch bei grünen Schuldscheinen zu finden.33

3. Zeitlicher Überblick über regulatorische Initiativen

Während die Entwicklung sich anfänglich durch verschiedene Vorstöße der Marktteilnehmer auszeichnete, wurde Green Finance schnell zum Regulierungsobjekt.34 Die wesentlichen Initiativen und Stellungnahmen werden nachfolgend skizziert.

a) Europäische Ebene

Auf Grundlage ihrer Kompetenz aus Art. 26 AEUV wird die Regulatorik im Zusammenhang mit Green Finance primär auf Initiative der EU angestoßen. Die europäischen Bemühungen um ein nachhaltigeres Finanzwesen begannen im Herbst 2016, als die Europäische Kommission die High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) einsetzte.35 Im Januar 2018 veröffentlichte diese ihren Abschlussbericht „Financing a Sustainable European Economy“. Die Europäische Kommission hat die Empfehlungen der HLEG im März 2018 in ihrem Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ aufgegriffen, welcher Zielrichtungen und geplante Initiativen der EU darstellte.36 Einige der geplanten Maßnahmen aus dem Aktionsplan wurden in den Folgejahren zügig umgesetzt.37 Der im Dezember 2019 vorgestellte „European Green Deal“38 unterstrich nicht nur die klimapolitischen Ambitionen der aktuellen Kommission, sondern setzte mit dem „Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa“39 auch neue Akzente im Hinblick auf Green Finance.40 Am 06.07.2021 veröffentlichte die Kommission eine aktualisierte „Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft“,41 die auf dem Aktionsplan aufbaut.

Daneben erhielt auch die Bankenregulierung nachhaltigkeitsbezogene Komponenten im Rahmen von Änderungen der CRD42 und der CRR43, welche unter anderem die EBA zu Prüfaufträgen in diesem Kontext ermächtigt. Daraufhin präsentierte die EBA im Jahr 2019 das Konsultationspapier „Draft Guidelines on loan originating and monitoring“ und einen „EBA Action Plan on Sustainable Finance“.44 Die ESMA veröffentlichte im Februar 2020 eine „Strategy on Sustainable Finance“ und die EZB im November 2020 einen „Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken“.

b) Bundesebene

Mit Blick auf Deutschland hat die Bundesregierung im Juni 2019 den Sustainable Finance Beirat eingesetzt, der im


19 Köndgen (Fn. 16), S. 671, 674; zur Begriffsabgrenzung Röh/Scherber, RdF 2020, 250, 253.

20 Grunow/Zender (Fn. 16), S. 47; Zoeller, Kreditwesen 2017, 862, 863.

21 Bueren, ZGR 2019, 813, 829; Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 272; Geisel/Spieles, RdF 2018, 328; vertiefend Ekkenga/Roth, WM 1161 ff.

22 Köndgen (Fn. 16), S. 671, 674.

23 Ebd.

24 Ebd., 676.

25 Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 68; Gajo, GmbHR 2019, R93.

26 Grunow/Zender (Fn. 16), S. 51.

27 Kropf, WM 2020, 1102, 1104; ders. WM 2022, 162, 163.

28 Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 288 f.

29 Kropf, WM 2020, 1102, 1103.

30 Geläufig ist auch die Bezeichnung „ESG-linked Loans“.

31 Kropf, WM 2020, 1102, 1105; Grunow/Zender (Fn. 16), S. 50; vgl. Bueren, ZGR 2019, 813, 832.

32 Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 288.

33 Ebd., 289.

34 Ausführlich Bueren, ZGR 2019, 813, 835 ff.; Möslein/Sørensen, 15 Europ. Comp. L. J. (2018), 221; kritisch Park, 54 Stan. J. Int’l L. (2018), 1, 46 f.

35 Lange, BKR 2020, 216, 217 f.

36 Siehe bereits Fn. 3.

37 Beispielsweise durch die Verabschiedung der Taxonomie-VO oder der Offenlegungs-VO.

38 COM(2019) 640 final.

39 COM(2020) 21 final.

40 Lange, BKR 2020, 216, 219.

41 COM(2021) 390 final; im Folgenden „Strategie“.

42 Richtlinie 2013/36/EU (Eigenkapitalrichtlinie).

43 Verordnung (EU) 575/2013 (Kapitaladäquanzverordnung).

44 Dazu Reich, AG 2020, R24 f.

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung120

Februar 2021 seinen Abschlussbericht „Shifting the Trillions“ veröffentlichte.45 Im Mai 2021 folgte anschließend die „Deutsche Sustainable Finance-Strategie“ der Bundesregierung, welche die europäischen Initiativen berücksichtigt, aber auch auf konkrete Empfehlungen zur Stärkung des Finanzstandorts Deutschland eingeht.

Bezüglich der Bankenaufsicht ist im Wesentlichen auf das „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ hinzuweisen, das die BaFin im Dezember 2019 veröffentlichte.

II. Anreizsetzung durch Recht

Bevor konkrete Möglichkeiten zur Anreizsetzung im Fall von Green Finance dargestellt werden, ist zunächst zu erörtern, was für hiesige Zwecke unter Anreizsetzung zu verstehen ist.

1. Zugrundeliegender Anreizbegriff

Zunächst sind auf normativer Ebene Anreizregelungen von Rechtspflichten zu unterscheiden.46 Letztere gelten im Wege der direkten Verhaltenssteuerung unmittelbar und unbedingt, während Anreizregelungen als Instrument der indirekten Verhaltenssteuerung das gewünschte Verhalten gerade nicht zur Rechtspflicht erheben.47 Die genaue Definition des Anreizbegriffs ist allerdings ungeklärt. Johanna Wolff spricht sich für einen engen juristischen Anreizbegriff aus. Nach diesem sind Anreize Rechtsakte, die staatlicherseits als Instrumente eingesetzt werden und unmittelbar Verhalten beeinflussen sollen, ohne dass ein Verhalten rechtlich zwingend vorgegeben wird.48 Dem steht ein weites, eher wirkungsorientiertes Verständnis des Anreizbegriffs entgegen. So versteht beispielsweise Ute Sacksofsky „Anreiz“ nicht einmal als einen juristischen Begriff. Vielmehr begreift sie einen Anreiz als jeden Umstand, der einen Akteur zu einem bestimmten Verhalten veranlasst oder veranlassen soll.49

2. Insbesondere: Erfassung sog. „Nudges“

Die Frage nach dem zugrundeliegenden Anreizbegriff wird vor allem für die Erfassung sog. „Nudges“ relevant. Denn von diesen macht die Regulatorik zunehmend Gebrauch, beispielsweise im Verwaltungsrecht in Form von staatlichen Warnungen.50 Auch Nudges sind genauso wie Anreize als Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung zu qualifizieren.51 Unter Nudging sind in der Verhaltensökonomik Maßnahmen zu verstehen, die auf das Unterbewusstsein des Menschen abzielen, um ein erwünschtes Verhalten zu erreichen.52 Nudging ist dabei ein Lenkungsinstrument, welches das Verhalten von Menschen verändert, ohne ein bestimmtes Verhalten zu ge- oder verbieten, respektive wirtschaftliche Anreize stark zu verändern. Zudem besteht für den Einzelnen beim Nudging immer die Möglichkeit, die Verhaltenslenkung einfach zu umgehen.53 Da es sich beim Nudging nach verwaltungsrechtlicher Dogmatik in der Regel um Realakte handelt, würde eine Einordnung von „Nudging“ als Anreiz mangels Rechtsaktqualität nach dem engen juristischen Verständnis ausscheiden.54 Zudem erscheint problematisch, dass Nudges nicht unbedingt – wie sonst für Anreize typisch – konkrete Folgen an ein Verhalten knüpfen.55 Überwiegend werden Nudges jedoch als „sanfte“ Anreize eingeordnet.56 Im Rahmen der hiesigen Darstellung soll dem weiten Verständnis gefolgt werden. So erscheint eine Erfassung von Nudges jedenfalls aufgrund der mit Anreizen vergleichbaren Wirkung konsequent.57 Denn dieser Beitrag soll diejenigen rechtlichen Möglichkeiten vollständig aufzeigen, die eine Anreizwirkung für Green Finance entfalten können.

3. Abgrenzung zu anderen Maßnahmen im Green-Finance-Kontext

Mangels Anreizwirkung bleiben einige Instrumente im Kontext von Green Finance für diese Darstellung jedoch außer Betracht. Zunächst sind für die vorliegende Betrachtung Informations- bzw. Kennzeichnungsregelungenvon Anlagen als „grüne Anlagen“ nicht als Anreizsetzung zu verstehen. Dies gilt insbesondere für die einheitliche Klassifikation im Rahmen der Taxonomie-VO, deren Aufgabe die Schaffung einer common language ist.58 Denn die Taxonomie-VO schafft mittels einer rechtlichen Definition des Begriffs „grün“ ein praktisch handhabbares Verständnis von Nachhaltigkeit.59 Es wird sich später zeigen, dass mögliche Anreizmechanismen von der Nachhaltigkeitsdefinition der Taxonomie-VO Gebrauch machen können. Im Kern verleiht die Definition von Nachhaltigkeit dem Gedanken Ausdruck, dass Finanzmarkttransparenz eine essenzielle Voraussetzung für den Aufbau eines gut funktionierenden nachhaltigen Finanzsystems darstellt.60 So wird etwa Greenwashing entgegengewirkt. Anders könnte die Einordnung der Informationsbereitstellung dann ausfallen, wenn die Informationen im Sinne des Gesetzgebers verhaltensbeeinflussend präsentiert werden.61 Dieser Gedankengang lässt sich auch auf Standards wie etwa einen EU-Green-Bond-Standard übertragen.62 Auch die Offenlegungs-VO verpflichtet primär lediglich zur Transparenz bezüglich Nachhaltigkeit.63 Letztlich sind auch die von der Benchmark-VO eingeführten nachhaltigen Referenzwerte keine Anreize im Sinne der hiesigen Betrachtung.64 Diese dienen lediglich der Ver-


45 Müller/Reinke, BB 2021, 939.

46 Sacksofsky, in: Hoffmann-Riem et al. (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2012, S. 1580 f.

47 Ebd., S. 1580; Böker, Nudge im Spiegel des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 2021, S. 77.

48 Wolff, Anreize im Recht, 2020, S. 7 f.

49 Sacksofsky (Fn. 46), S. 1579; in diese Richtung auch Böker (Fn. 47), S. 77.

50 Beispiel nach der Typologie von Gerg, Nudging, 2019, S. 64.

51 Böker (Fn. 47), S. 77.

52 Hufen, JuS 2020, 193, 193.

53 Gerg (Fn. 50), S. 22; vgl. Thaler/Sunstein, Nudge, 2009, S. 89 ff.; zu Problemen dieser Definition im rechtswissenschaftlichen Kontext Böker (Fn. 47), S. 54 ff.

54 Wolff (Fn. 48), S. 21 f.

55 Vgl. Sacksofsky (Fn. 46), S. 1580.

56 Wörtlich Kirchhof, ZRP 2015, 136; Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 395; in diese Richtung auch bezüglich des Aktionsplans Möslein/Mittwoch, WM 2019, 481, 483.

57 So sogar Wolff (Fn. 48), S. 22.

58 BReg in BT-Drucks. 19/5240 v. 24.10.2018, S. 2.

59 Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 286; zur Abgrenzung von Informationen und Nudges Böker (Fn. 47), S. 81.

60 Schmidt/Schmotz, DB 2018, 1033, 1038; Bueren, WM 2020, 1611; ders., WM 2020, 1659; Brauneck, WM 2019, 1530, 1531.

61 Abstrakt Böker (Fn. 47), S. 115; abweichend Gerg (Fn. 50), S. 61 f.

62 Vgl. auch Lange, BKR 2020, 261, 270; HLEG (Fn. 3), S. 30.

63 Dazu Kirschhöfer, WM 2021, 1624, 1624 f.

64 Zu dieser eingehend Ipsen/Plappert, WM 2022, 209 ff.

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung121

gleichbarkeit verschiedener Anlageobjekte.65

C. Anreizsetzung durch Kapitalmarktregulierung

Die derzeitigen europäischen Regelungsinitiativen setzen insbesondere auch am Kapitalmarkt an.66 Denn Kapitalmärkte können die Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft als Katalysatoren wirksam beschleunigen.67

I. Regulatorische Maßnahmen

Während ein Großteil der Initiativen mangels Anreizcharakter ausscheidet, gibt es dennoch Maßnahmen der Kapitalmarktregulierung, die Anreizwirkung für grüne Finanzinstrumente entfalten.

1. Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz bei der Anlageberatung

Eine Maßnahme der Kapitalmarktregulierung, die Anreize für grüne Finanzinstrumente schaffen könnte, ist die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz bei der Anlageberatung.

a) Umsetzung durch Änderung der VO (EU) 2017/565

Bislang waren Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.d. § 2 Abs. 10 WpHG (WpDU) bei der Finanzportfolioverwaltung und Anlageberatung i.S.d. § 2 Abs. 8 Nr. 7 bzw. 10 WpHG nach § 64 Abs. 3 WpHG verpflichtet, ihre potenziellen Kunden nach deren Anlageziel, Risikobereitschaft, finanziellen Verhältnissen, Kenntnissen sowie Erfahrungen zu befragen.68 Ab 02.08.2022 sind WpDU nach 69 nunmehr verpflichtet, den Anleger überdies nach seiner Nachhaltigkeitspräferenz zu befragen. Rechtsgrundlage ist die von der Kommission verabschiedete Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in bestimmte organisatorische Anforderungen und Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit von Wertpapierfirmen. Die auf Grundlage der Ermächtigung in Art. 89 MiFID II70 beruhende Verordnung konkretisiert die Explorationspflicht im Rahmen der Geeignetheitsprüfung nach 71.72 Diese wurde durch 73 im deutschen Recht umgesetzt. 74 in zukünftiger Fassung definieren den Inhalt der Nachhaltigkeitspräferenz durch Bezugnahme auf Taxonomie-VO und Offenlegungs-VO.75

b) Bewertung

Die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz ist als Anreizsetzung zu verstehen. Denn hier wird das WpDU zum Nudging eingesetzt.76 Durch die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz macht dieser Nudge vom sozialen Druck auf den Anleger Gebrauch, das vermeintlich „Richtige“ zu tun.77 Infolgedessen werden sich Anleger häufiger – unter Umständen auch gegen ihren tatsächlichen Willen – für die Integration von Nachhaltigkeit in ihre Anlagestrategie entscheiden. Unabhängig von der Frage, ob von der Verleitung von Kleinanlegern bei der Anlageberatung tatsächlich eine relevante Hebelwirkung auf Investitionen in grüne Finanzanlagen ausgehen wird, ist die Maßnahme auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive kritisch zu betrachten. Denn gegen die Zulässigkeit einer Beeinflussung in der Anlageentscheidung könnte ein (unverhältnismäßiger) Eingriff in die Grundrechte des Anlegers sprechen.78 Das Nudging erweist sich als manipulativ gegenüber dem Anleger und bisweilen bevormundend, weil es diesem ein Konzept von der „richtigen“ Anlageentscheidung auferlegt.79 So stellt die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz einen Eingriff in die Privatautonomie des Anlegers dar, welche grundrechtlich von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird.80 Mit Blick auf den Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG bedarf dieser staatliche Paternalismus einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Insbesondere durch die inhaltliche Nähe der eigenverantwortlichen Verwendung der Eigentumspositionen zum Schutzbereich von Art. 14 GG sind an die Rechtfertigung des Nudgings hohe Anforderungen zu stellen.81

Vor diesem Hintergrund müssen zunächst die Folgen einer Investition in grüne Anlagen für den Kleinanleger betrachtet werden. Denn falls grüne Anlagen ohnehin auch im wirtschaftlichen Interesse des Anlegers stünden, wäre der Eingriff jedenfalls im Lichte des Art. 14 GG als weniger schwerwiegend einzuordnen. Hierfür ist auf die Renditeerwartung und das inhärente Risiko grüner Anlagen abzustellen. Zunächst stellt sich die Frage, ob grüne Anlagen per se rentabler sind als herkömmliche Finanzprodukte. Die Studien deuten auf einen schwach positiven Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Rendite hin.82 Dies ist jedoch vor dem Hintergrund auftretender


65 HLEG (Fn. 3), S. 55.

66 Vgl. COM, Aktionsplan; Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 62.

67 COM, Strategie, S. 2; De Haas/Popov, ECB Research Bulletin No. 64, 2019, S. 4.

68 Im Detail Koller, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Kommentar zum Wertpapierhandelsrecht7, 2019, § 64 WpHG Rn. 27 ff.

69 Art. 54 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO (EU) 2017/565

70 Richtlinie 2014/65/EU.

71 Art. 25 Abs. 2 MiFID II

72 Vgl. Poelzig, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Kommentar zum HGB4, 2020, §§ 63, 64 WpHG Rn. 22; dies., in: Seibt/Buck-Heeb/Harnos (Hrsg.), BeckOK Wertpapierhandelsrecht2, 2021, § 64 WpHG Rn. 4; Spindler, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.), Bankrechts-Kommentar3, 2020, § 64 WpHG Rn. 147 ff.; Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar5, 2020, § 64 WpHG Rn. 53.

73 § 64 Abs. 3 WpHG

74 Art. 2 Nr. 7–9 VO (EU) 2017/565

75 Vgl. auch Bueren, WM 2020, 1659, 1661.

76 Bueren, ZGR 2019, 813, 870; Röh/Scherber, RdF 2020, 250, 251.

77 Zu diesem Typus des Nudgings Gerg (Fn. 50), S. 78 ff.

78 Backmann, in: Stapelfeldt et al. (Hrsg.), Greening Finance, 2018, S. 221, 229.

79 Vgl. Böker (Fn. 47), S. 72.

80 Wolff (Fn. 48), S. 213 ff.; Gerg (Fn. 50), S. 93; vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG16, 2020, Art. 2 Rn. 22.

81 Abstrakt zur Nähe zum Schutzbereich Böker (Fn. 47), S. 114; vgl. Wendt, in: Sachs (Hrsg.), Kommentar zum GG9, 2021, Art. 14 Rn. 22; zur Erfassung des Vermögens in Form der Zusammenfassung der einzelnen Vermögensgegenstände ders., in: Sachs (Fn. 77), Art. 14 Rn. 38.

82 8] Bueren, ZGR 2019, 813, 823 m.w.N.; positiver Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 223 f.; zu keinem klaren Ergebnis kommend Köndgen (Fn. 16), S. 671, 682 f.; Backmann (Fn. 74), S. 221, 225; RBC, Does socially responsible investing hurt investment returns?, 2019, S. 16.

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung122

Mess- sowie Definitionsprobleme des Begriffs „grün“ nur eingeschränkt aussagekräftig.83 Zudem gilt zu beachten, dass beispielsweise grüne Fonds oft mit hohen Verwaltungsgebühren verbunden sind, die zu einer Verschlechterung des Ergebnisses führen.84 Diese Mehrkosten könnten die (möglicherweise) schwach erhöhte Renditeerwartung des Anlegers kompensieren, sodass im Hinblick auf die Renditeerwartung nach gegenwärtiger Datenlage höchstens unerhebliche Abweichungen von konventionellen Anlagen zu erwarten sind. Die erwartete Rendite muss jedoch immer im Verhältnis mit dem verbundenen Risiko beurteilt werden. Zwar besteht kein nachgewiesener Zusammenhang zwischen Unternehmensnachhaltigkeit und Risiko.85 In jedem Fall weisen Anlagen, die in ein ausschließlich grünes Portfolio investieren – etwa in Form von grünen Fonds – aber ein sog. Klumpenrisiko auf.86 Denn weil bestimmte Investitionsobjekte bei solchen Anlagen außer Betracht bleiben müssen, sinkt die Diversifikation des Anlageportfolios zwangsläufig.87 In der Folge hat der individuelle Anleger eine geringere Risikostreuung, wodurch sich sein unternehmensspezifisches Risiko im Vergleich zur konventionellen Anlagestrategie erhöht.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz den Kleinanleger zu einer Anlagestrategie lenkt, die im Vergleich zur konventionellen Strategie schlechteren wirtschaftlichen Konditionen unterliegt. Dies ist bedenklich und findet in der geführten Diskussion in der Regel nur unzureichend Beachtung.88 Verfassungsrechtlich rechtfertigend ist jedoch vorzubringen, dass das Nudging als indirekte Verhaltenssteuerung eine vergleichsweise geringe Eingriffsintensität aufweist.89 Zudem lässt sich die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz auf die Staatszielbestimmung nach Art. 20a GG stützen. Diese ist verfassungsrechtlich bindend und kann aufgrund der Schutzpflichtenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch als Staatsaufgabe bezeichnet werden.90

2. Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Börsenrecht

Weiterhin kommt die Regulierung des organisierten Kapitalmarkts im Rahmen des Börsenrechts zur Anreizsetzung in Betracht.91

a) Integrationsmöglichkeiten

Zunächst könnte bereits die Zulassung an der Börse nach § 32 BörsG von gewissen Mindestanforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit abhängig gemacht werden. Diese könnten im ersten Abschnitt der BörsZulV statuiert werden. Insofern könnte man sich an Section 303A Corporate Governance Standards der NYSE orientieren. Diese stellen zwar keine Anforderungen im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit auf, verpflichten potenzielle Emittenten allerdings zur Einhaltung gewisser Corporate Governance Vorgaben. So müssen potenzielle Emittenten beispielsweise nach Section 303A.04 ein unabhängiges Corporate-Governance-Komitee eingerichtet haben. Daneben könnte Börsen im Rahmen ihrer Rechtssetzungskompetenz die Zulassung in ein Börsensegment nach § 42 Abs. 1 BörsG – etwa den „Prime Standard“ i.S.d. §§ 51 ff. BörsO Frankfurter Wertpapierbörse – an bestimmte Nachhaltigkeitskriterien knüpfen.92 Letztlich könnten solche auch zur Voraussetzung für die Indexaufnahme nach Ziff. 4.1.1.1 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutsche Börse AG werden.93

b) Bewertung

Einerseits entfalten die Anforderungen im Rahmen des Listings Anreizwirkung, da die Börse für Unternehmen eine Möglichkeit zur Aufnahme öffentlichen Kapitals darstellt. Daneben sind die Zulassung zu einem Börsensegment sowie die Indexaufnahme mit höherer Attraktivität insbesondere gegenüber internationalen Investoren verbunden.94 Letztere bietet dem jeweiligen Emittenten folglich geringere Refinanzierungskosten.95

II. Kritische Würdigung

Mit Blick auf die vorgestellten Maßnahmen stellt sich grundlegend die Frage, ob die Regulierung des Kapitalmarkts der richtige Ort für die Förderung von Nachhaltigkeitsbelangen ist. Betrachtet man die bisherige Regulierung lässt sich dies bezweifeln. Denn die tradierten Regelungsziele des Kapitalmarktrechts sind Funktions- sowie Anlegerschutz.96 Neuerdings erkennen einige Autoren mit Verweis auf europäische Rechtsakte die Stabilität des Finanzsystems als zusätzliches Schutzziel an.97 Man könnte erwägen, die Förderung grüner Anlagen aufgrund ihrer stabilisierenden Zielsetzung unter Letztgenanntes zu fassen.98 Dies kann jedoch nicht überzeugen. Denn die Stabilität des Finanzsystems ist eng zu verstehen.99 Im Gegensatz dazu zielt die Verfolgung des Nachhaltigkeitsziels auf eine ungleich breitere Stabilisierung, welche auf die gesamte Wirtschaftstätigkeit gerichtet ist.100 Im Ergebnis weicht die Kommission seit dem Aktionsplan daher – unabhängig von der Anerkennung der Finanzsystemstabilität als Schutzziel – vom bisherigen Verständnis des Kapitalmarktrechts ab. Dieses verfolgt nunmehr zusätzlich eine dienende Funktion für die Realwirtschaft.101 Mit anderen Worten wird die Kapitalmarktregulation als Mittel für die nachhaltige Transformation der


83 Bueren, ZGR 2019, 813, 823.

84 Ebd.; Riedl/Smeets, 72 J. Fin. (2017), 2505, 2519.

85 Gramlich/Finster, 83 J. Bus. Econ. (2013), 631, 661; vgl. Kropf, WM 2020, 1102, 1110.

86 Zu den ökonomischen Grundlagen, insbesondere der Portfoliotheorie Lechnowitsch, Klumpenrisiken im Gesellschafts- und Konzernrecht vor dem Hintergrund des Aufsichtsrecht, 2019, S. 38 ff.

87 So auch FDP-BT-Fraktion in BT-Drucks. 19/7478 v. 31.1.2019, S. 2; RBC (Fn. 78), S. 6.

88 Lediglich allgemein in diese Richtung Backmann (Fn. 74), S. 221, 229.

89 Gerg (Fn. 50), S. 104.

90 BVerfGE 128, 1; siehe auch Voßkuhle, NVwZ 2013, 1, 4; im europarechtlichen Kontext ist zudem auf Artt. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2, 21 Abs. 2 lit. f) EUV hinzuweisen.

91 Siehe auch HLEG (Fn. 3), S. 79.

92 Bueren, ZGR 2019, 813, 844; vgl. Steuer, JuS 2018, 415, 418.

93 Ebd.

94 Steuer, JuS 2018, 415, 418.

95 Bueren, ZGR 2019, 813, 844.

96 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431.

97 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 2019, S. 7.

98 Andeutend auch COM, Aktionsplan, S. 1.

99 Möslein/Mittwoch, WM 2019, 481, 487.

100 Ebd.

101 Köndgen (Fn. 16), S. 671, 688; Bueren, ZGR 2019, 813, 857.

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung123

Wirtschaft eingesetzt. Folglich wird die Regulierung des Kapitalmarkts erstmals auf eine exogene Schutzrichtung erweitert.102

Auf die Frage, ob es sich dabei um eine begrüßenswerte Entwicklung handelt, wird aufgrund von gewissen Parallelen zur Bankenregulierung an späterer Stelle einzugehen sein.

D. Anreizsetzung durch Bankenregulierung

Banken kommt aufgrund ihrer Funktion als Finanzintermediäre, Risikokapitalgeber und Kapitalsammelstellen eine wichtige Rolle in der realwirtschaftlichen Transformation zu.103 Insbesondere in der EU könnte die Regulierung von Banken in Bezug auf Nachhaltigkeit besonders wirkungsvoll sein. Dies rührt aus der Tatsache, dass Banken die bedeutendsten Kapitalgeber der europäischen Realwirtschaft sind.104 Denn der europäische Kapitalmarkt bleibt bei der Finanzierung von Investments im internationalen Vergleich zurück.105 Die besondere Stellung der EU-Banken bedeutet einmal, dass diese nach wie vor wichtige Kapitalgeber von Unternehmen mit schlechten Nachhaltigkeitsbilanzen sind (beispielsweise im Bereich fossile Energieträger).106 Andererseits führt der hohe Einfluss der Banken auf die Unternehmensfinanzierung aber auch dazu, dass europäische Banken von Nachhaltigkeitsrisiken besonders betroffen sein werden.107 Es drohen beispielsweise ausfallende Kredite oder Reputationsschäden. Infolgedessen könnten europäische Banken als „Brandbeschleuniger“ Klimarisiken weiter erhöhen und verteilen.108 Dieses Risiko wurde von den Verantwortlichen der EU erkannt.109

I. Regulatorische Maßnahmen

Insbesondere zur Privilegierung von grünen Bankgeschäften ist eine Anreizsetzung im Wege bankregulatorischer Maßnahmen denkbar. So setzt etwa der Aktionsplan auch an dieser Stelle an. Vor allem werden Änderungen im Hinblick auf prudenzielle Aufsichtsvorschriften erwogen sowie die vermehrte Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement der Bank vorgesehen.110

1. Einführung eines „Green Supporting Factors“

Ein vieldiskutierter Vorschlag ist die Einführung eines sog. „Green Supporting Factors“.111

a) Denkbare Ausgestaltung durch Änderung der CRR

§ 10 KWG i.V.m. Art. 92 CRR statuiert die Eigenmittelanforderungen an Kreditinstitute i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR. Gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 118 CRR wird als Eigenmittel das aufsichtsrechtlich geforderte Eigenkapital von Kreditinstituten bezeichnet, das sich aus Kern- und Ergänzungskapital zusammensetzt („Säule I“ des Baseler Rahmenwerks). Durch die Einführung eines Green Supporting Factors könnte die Mindesthöhe der Eigenmittel bezüglich Kreditrisiken mittels eines prozentualen Abschlags für solche Aktiva reduziert werden, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.112 Diese Idee ist dem Bankaufsichtsrecht nicht fremd. Vielmehr existiert ein solcher Faktor nach Art. 501 CRR bereits für Kredite an kleine oder mittlere Unternehmen (KMU),113 nach dem Risikopositionen mit dem Faktor 0,85 multipliziert werden dürfen.114 Dadurch soll die Kreditvergabe an die mittelständische Realwirtschaft erleichtert werden.115 Mit der VO (EU) 2019/876 zur Änderung der CRR116 wurde unter anderem Art. 501c CRR eingeführt, der die EBA beauftragt, bis 2025 die Implementierung eines eben solchen Faktors zu prüfen. Zudem wurde ein Green Supporting Factor bereits in gewissem Umfang mit Einführung von Art. 501a CRR geschaffen.117 Dieser privilegiert die Eigenmittelanforderungen von Instituten bei der Kreditvergabe für nachhaltige Infrastrukturinvestitionen. Voraussetzung dafür ist, dass das Kreditinstitut prüft und dokumentiert, inwieweit das Investitionsobjekt zur Verfolgung der Umweltschutzzielen nach Art. 501a Abs. 1 lit. o) CRR beiträgt.118 Eine vergleichbare Ausgestaltung wäre auch für einen „universellen” Green Supporting Factor denkbar. Nunmehr könnte allerdings auf die Nachhaltigkeitsdefinition der Taxonomie-VO verwiesen werden.119

b) Bewertung

Die Anreizwirkung eines Green Supporting Factors resultiert daraus, dass die Kapitalkosten der Banken für nachhaltige Kredite sinken. In der Folge könnten solche Kredite mit einem Zinsabschlag vergeben werden, was zur Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität grüner Finanzierung führt.

Diesem Vorschlag steht insbesondere die Stabilität des Finanzsystems entgegen.120 Denn das Telos der angemessenen aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen besteht einerseits in der Risikobegrenzung, andererseits im


102 Köndgen (Fn. 16), S. 671, 688; Stumpp, ZBB 2019, 71, 74, 80; Bueren, ZGR 2019, 813, 856; Möslein/Mittwoch, WM 2019, 481, 487.

103 Bopp/Weber, Sustainable Finance, 2020, S. 15.

104 Möslein/Mittwoch, WM 2019, 481, 486; EFFAS, Non-Bank Financing of European Non-Financial Firms, 2016, S. 5 f.

105 Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 64; vergleichend mit China und USA Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 291.

106 Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 76; Fair Finance Guide, Undermining Our Future, 2015, S. iv.

107 COM, Aktionsplan, S. 11; Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 64; eingehend Dombret (Fn. 2), S. 5, 9 ff.

108 Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 77.

109 European Systemic Risk Board, Too late, too sudden, 2016, S. 2.

110 COM, Aktionsplan, S. 3, 11; Bopp/Weber (Fn. 99), S. 15.

111 COM, Aktionsplan, S. 11; Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 288.

112 Bopp/Weber (Fn. 99), S. 74.

113 Ebd.; Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 82.

114 Zur Fassung vor CRR II Dürselen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kommentar zum KWG und CRR5, 2016, Art. 501 CRR Rn. 1.

115 Blaß, Gabler-Banklexikon: KMU-Faktor, abrufbar unter: https://www.gabler-banklexikon.de/definition/kmu-faktor-122860 (letzter Zugriff: 15.06.2022).

116 Auch CRR II genannt.

117 Bueren, WM 2020, 1659, 1661.

118 Vgl. Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 288.

119 So auch EBA, Action Plan on Sustainable Finance, 2019, S. 10; Bueren, WM 2020, 1659, 1661.

120 Lanfermann, BB 2019, 2219, 2222; Löffler, in: Stapelfeldt et al. (Hrsg.), Greening Finance, 2018, S. 45, 51;Dombret, Kreditwesen 2018, 330, 333 f.; Bueren, ZGR 2019, 813, 872; Holle, BaFin Perspektiven 02/2019, 11, 15; HLEG (Fn. 3), S. 68; FDP-BT-Fraktion in BT-Drucks. 19/7478 v. 31.1.2019, S. 2 f.; aus diesem Grund eher einem „Brown-Penalising-Factor” zugeneigt Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 65; ebenfalls kritisch BReg in BT-Drucks. 19/5240 v. 24.10.2018, S. 6; Schmidt/Schmotz, DB 2018, 1033, 1038.

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung124

Gläubigerschutz.121 So waren die Verschärfung der Eigenmittelanforderungen durch die Basel-III-Empfehlungen auch gerade eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Weltfinanzkrise ab 2007.122 Würde man die Eigenmittelanforderungen bei der Vergabe nachhaltiger Kredite merklich privilegieren, ist nicht auszuschließen, dass dies zu Instabilitäten im Finanzsystem führen wird. Denn grüne Anlagen sind nicht automatisch sicherer als herkömmliche.123 Insbesondere sind grüne Anlagen sogar zusätzlich mit Innovationsrisiken verbunden, die infolge überhöhter Bewertung neuer Technologien entstehen.124 Weiterhin weichen die Ausgangsbedingungen des KMU-Faktors von den hiesigen deutlich ab. Dies liegt insbesondere am finanziellen Umfang, der in quantitativer Hinsicht zur Transformation der gesamten Wirtschaft in eine nachhaltigere benötigt wird. Bei Infrastrukturinvestitionen kann häufig immerhin das Investitionsobjekt dem Kreditinstitut als Sicherheit dienen. Letztlich bestehen zudem begründete Zweifel, dass die Einführung eines Green Supporting Factors tatsächlich eine erhebliche Wirkung auf die Transformation der Realwirtschaft entfalten könnte.125

2. Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement

Alternativ könnten Anreize für Grüne Finanzierung auch dadurch geschaffen werden, dass Banken Nachhaltigkeitsrisiken vermehrt im Rahmen ihres Risikomanagements („Säule II“ des Baseler Rahmenwerks) berücksichtigen müssen.126

a) Integrationsbemühungen

Die Anforderungen an das Risikomanagement der Banken werden in der MaRisk geregelt. Dabei handelt es sich um eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift i.S.d. § 25a Abs. 1 KWG.127 Ausgehend von Erwägungsgrund 44 der CRD IV sollen die Aufsichtsbehörden sicherstellen, dass Kreditinstitute über eine ihren aktuellen und etwaigen künftigen Risiken angemessene Eigenmittelausstattung verfügen. Dafür ist das Risikomanagement prinzipienorientiert ausgestaltet worden.128 Durch diese Ausgestaltung könnten auch nachhaltigkeitsbezogene Risiken ohne regulatorischen Anpassungsbedarf im Risikomanagement Berücksichtigung finden. Die BaFin hat begonnen, solche Risiken in ihrer Aufsicht zu berücksichtigen.129 Das Merkblatt mit Empfehlungen zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken stellt im Gegensatz zur MaRisk130 explizit keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift i.S.d. § 25a Abs. 1 KWG dar.131 Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die Praxis dennoch nach diesen Empfehlungen richten wird.132 Im Sinne des Merkblatts handelt es sich bei Nachhaltigkeitsrisiken technisch nicht um eine eigene Risikokategorie.133 Banken müssen die „neuen“ Risikoquellen vielmehr bei der Kreditvergabe entsprechend als Teil des Markt-, Kredit- oder operationellen Risikos einordnen.134 Im Kontext von Nachhaltigkeitsrisiken wird in der Regel zwischen physischen Risiken, Transitions- sowie Reputationsrisiken unterschieden.135 Erstere ergeben sich unmittelbar aus klimatischen Veränderungen, beispielsweise durch Extremwetterereignisse.136 Transitionsrisiken entstehen durch den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft;137 etwa durch Aktiva, die eine Wertminderung erlitten haben, weil das bisherige Geschäftsmodell in Folge politischer Maßnahmen obsolet ist (sog. „Stranded Assets“).138 Reputationsrisiken, die bislang in der Diskussion noch weniger Beachtung gefunden haben, bestehen insbesondere für Unternehmen mit einer schlechten Nachhaltigkeitsbilanz sowie deren Geschäftspartner.139

In neuen Änderungsvorschlägen der Kommission zur Bankenregulierung im Rahmen von CRR III findet sich die aufsichtsrechtliche Berücksichtigung von ESG-Faktoren.140 Nach Artikel 449a im Entwurf der CRR III würden Institute verpflichtet werden, ESG-Risiken offenzulegen. Dies könnte ab 2025 Anwendung finden.

b) Bewertung

Eine Anreizwirkung entfaltet die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen des Risikomanagements durch den Risikoaufschlag, den das Kreditinstitut in der Regel auf den Kunden abwälzt. Folglich werden Kreditnehmer versuchen, die eigenen Nachhaltigkeitsrisiken so weit wie möglich zu reduzieren, damit Kredite besseren Konditionen unterliegen.

Im Gegensatz zur Einführung eines Green Supporting Factors kann die Würdigung von nachhaltigkeitsbezogenen Risiken im Rahmen des Risikomanagements nur dazu führen, dass Kreditinstitute ihre Eigenmittel erhöhen müs-


121 Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 288; Sustainable Finance Beirat, Shifting the Trillions, 2021, S. 17; vgl. auch Ostendorf, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), Kommentar zum KWG und CRR5, 2016, Art. 92 CRR Rn. 1.

122 18] Fischer/Boegl, in: Schimansky et al. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch5, 2017, § 129 Rn. 5; vgl. COM(2015) 468 final, Abschn. 3.1.

123 Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 68; siehe zum Risiko grüner Anlagen schon C. I. 1. b).

124 Dombret, Kreditwesen 2018, 330, 333.

125 Bueren, ZGR 2019, 813, 873.

126 Köndgen (Fn. 16), S. 671, 683; HLEG (Fn. 3), S. 43, 67.

127 Krimphove, BKR 2018, 1.

128 Dombret (Fn. 2), S. 5, 11.

129 BReg in BT-Drucks. 19/5240 v. 24.10.2018, S. 6; insofern kann auch auf Art. 76 CRD verwiesen werden.

130 Mindestanforderungen an das Risikomanagement (BA).

131 Weiand/Winter/Rojahn. Kreditwesen 2020, 285, 288.

132 Kropf, WM 2020, 1102, 1110; von einem „faktischen Zwang“ zur Umsetzung sprechen Zipperle/Kuthe, DB 2020, 438, 439.

133 Kritisch Caselli/Figueria, in: Migliorelli et al. (Hrsg.), Sustainability and Financial Risks, 2018, S. 31, 44.

134 BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, 2019, S. 15; Kropf, WM 2020, 1102, 1111.; Dombret (Fn. 2), S. 5, 11.

135 BaFin (Fn. 130), S. 14; Dombret (Fn. 2), S. 5, 7; im Sektorvergleich Migliorelli, in: Migliorelli et al. (Hrsg.), Sustainability and Financial Risks, 2018, S. 1, 18.

136 Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 288; Bopp/Weber (Fn. 99), S. 23; im Detail Ezroj, Carbon Risk and Green Finance, 2021, S. 69 ff.

137 Dombret (Fn. 2), S. 5, 7.

138 Bueren, ZGR 2019, 813, 823; Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 3, 53, Dombret, Kreditwesen 2018, 330, 331; Weiand/Winter/Rojahn, Kreditwesen 2020, 285, 288; insofern ist auch auf § 6 Abs. 2 KWG zu verweisen, vgl. Bopp/Weber, WpG 2020, 899, 901.

139 Dombret (Fn. 2), S. 5, 9; eingehend zur Rolle der Reputation im Unternehmensrecht Kumpan, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, 2016, S. 323 ff.

140 COM(2021) 664 final, S. 4 f., 35 f.

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung125

sen.141 Mithin lässt sich die dort formulierte Kritik nicht übertragen. Ein weiterer Vorteil besteht in der Vermeidung einer pauschalierenden Lösung.142 Denn im Rahmen des Risikomanagements wird auf die Risiken des konkreten kreditsuchenden Unternehmens geschaut und diese werden individuell bewertet. Zudem wird sich eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken zumindest langfristig auch wirtschaftlich für die Kreditinstitute auszahlen.143

Jedoch wird auch Kritik am Verweis auf das Risikomanagement der Banken laut. Denn obwohl die Folgen von Nachhaltigkeitsrisiken für Kreditinstitute bereits heute sichtbar sind,144 berücksichtigen Kreditinstitute diese im Risikomanagement bislang nur unzureichend.145 Auf die zugrundliegenden Ursachen wird nachfolgend eingegangen.

II. Kritische Würdigung

Die Umwelt unterliegt als common good der tragedy of the commons.146 Nach der ökonomischen Theorie bedarf es in diesen Fällen Ausgleichsmechanismen, da andernfalls die Maximierung des gesellschaftlichen Gesamtnutzens nicht erreicht werden kann.147 Die Externalitäten148 müssen folglich internalisiert oder, mit anderen Worten, eingepreist werden.149 Zur Internalisierung von klimaschädlichem Verhalten könnte die Regulierung der Finanzmärkte mit den vorgestellten Maßnahmen ein denkbarer Weg sein.150

Generell erscheint die Bankenregulierung zur Anreizsetzung aber nur bedingt geeignet. Denn damit der Marktmechanismus funktioniert, müssten solche Risiken verlässlich eingepreist sein. Beim Klimawandel treffen allerdings einige Faktoren zusammen, die die Einpreisung im Rahmen eines zuverlässigen Ausgleichsmechanismus erschweren. Zunächst haben die Auswirkungen des Klimawandels eine globale Dimension und lassen sich folglich nur schwierig abgrenzen.151 Es bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Wahrscheinlichkeit, dem zeitlichen Eintritt und der Höhe von klimabedingten Schäden.152 Durch das Fehlen solcher verlässlicher Risikokalkulationen fehlt es an einer Datengrundlage für Banken, ihr Kapital aus klimaschädlichen Investitionen abzuziehen.153 Insofern liegt ein Marktversagen vor, das sich auf diesem Weg nur schwierig lösen lässt.154

Vielmehr ist zudem davor zu warnen, das aufsichtsrechtliche Mandat i.S.d. §§ 6–6b KWG leichtfertig durch die Einbeziehung unpräziser Faktoren zu verwässern.155 Die Finanzmarktregulierung muss sich an messbaren Risiken orientieren, andernfalls drohen Zielkonflikte sowie unerwünschte Nebenwirkungen bezüglich der Finanzmarktstabilität.156 Dieser Gedankengang gilt ebenso für Maßnahmen im Rahmen der Kapitalmarktregulierung. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass es bislang in den Aufsichtsbehörden ohnehin an der nötigen Expertise zur Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen von Green Finance mangelt.157 Der regulatorische Ansatz, den Finanzmarkt für die nachhaltige Transformation in die Pflicht zu nehmen, scheint vor diesem Hintergrund insbesondere von politischen Opportunitäten geprägt.158 Deshalb ist nach alternativen (rechts-)politischen Möglichkeiten zur Anreizsetzung zu suchen. So können physische Risiken durch konsequente politische Maßnahmen und transitorische Risiken durch Transparenz in der klimapolitischen Planung reduziert werden.159 Die Förderung grüner Anlagen ist durch staatliche Subventionen oder steuerlichen Begünstigung denkbar.160 Wollte man Nachhaltigkeit im gesamten Wirtschaftssystem konsequent integrieren, sind zudem bilanzrechtliche Anpassungen denkbar. Solche könnten über die bisherigen Pflichten zur nicht-finanziellen CSR161 -Berichterstattung nach §§ 289b ff., 315b ff. HGB hinausgehen162 und sich auch in der finanziellen Berichterstattung niederschlagen.163 Dabei muss jedoch immer im Auge behalten werden, dass der Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft nicht mit zu hoher Geschwindigkeit verfolgt werden darf. Andernfalls drohen transitorische Effekte, die das Finanzsystem und die gesamte Wirtschaft destabilisieren können.164

E. Ergebnis in Thesen

I. Um die Klimaziele zu erreichen, bedarf es privater Investitionen in nachhaltige Anlagen. Zur Anreizsetzung für Green Finance nimmt die Europäische Kommission daher insbesondere Maßnahmen in den Blick, die auf die Regulierung des Finanzmarkts zielen.


141 BReg in BT-Drucks. 19/5240 v. 24.10.2018, S. 6.

142 Bueren, ZGR 2019, 813, 873.

143 Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 363.

144 COM, Strategie, S. 14.

145 BlackRock/FMA, Interim Study, 2020, S. 130 ff.

146 Charakteristisch für common goods ist, dass die Nutzung eines Gutes nicht mit persönlichen Kosten verbunden ist, sondern Kosten von anderen bzw. der Gemeinschaft getragen werden, nach Hardin, 162 Science (1968), 1244.

147 Dombret (Fn. 2), S. 5, 6.

148 Externalitäten oder externe Effekte beeinflussen Dritte, ohne dass dieser Einfluss sich im Marktpreis widerspiegelt, nach Pigou, The Economic of Welfare, 1929.

149 Dombret (Fn. 2), S. 5, 6; Goulard, ifo Schnelldienst 10/2020, 15, 15.

150 Müller-Debus/Barrett, in: Stapelfeldt et al. (Hrsg.), Greening Finance, 2018, S. 31, 39.

151 Dombret (Fn. 2), S. 5, 6.

152 Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 63; Bopp/Weber (Fn. 99), S. 18; Caselli/Figueria, (Fn. 129), S. 31, 43 ff.

153 Cullen, 20 Came. Yearbook Europ. L. Stud. (2018), 61, 63.

154 Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 40; Migliorelli (Fn. 131), S. 1, 27; kritisch Caselli/Figueria (Fn. 129), S. 31, 53.

155 Dombret (Fn. 2), S. 5, 13 f., ders., Kreditwesen 2018, 330, 333, vgl. Böcking/Bundle, in: Hopt et al. (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance von Banken und Versicherungen2, 2020, § 2 Rn. 50.

156 Dombret, Kreditwesen 2018, 330, 333; Nachhaltigkeitsrisiken haben aber auch unmittelbar einen Einfluss auf die Finanzsystemstabilität Migliorelli/Ciampoli/Dessertine, in: Migliorelli et al. (Hrsg.), Sustainability and Financial Risks, 2018, S. 119, 137.

157 Köndgen (Fn. 16), S. 671, 697; in diese Richtung auch ESMA, Strategy on Sustainable Finance, 2020, Abschn. 6 Ziff. 19; ähnlich Dornseifer, RdF 2021, 161.

158 Schäfer, FAZ v. 20.04.2019, S. 27.

159 Dombret (Fn. 2), S. 5, 8.

160 HLEG (Fn. 3), S. 11; offen gegenüber letzteren Dombret, Kreditwesen 2018, 330, 334.

161 „Corporate Social Responsibility“.

162 Eingehend Hommelhoff, in: FS Kübler, S. 291, 294 ff.; kritisch dazu Hennrichs, ZGR 2018, 206, 228 ff.

163 Argumente dafür liefern Böhm, EuZW 2018, 307; Sustainable Finance Beirat (Fn. 117), S. 17; HLEG, (Fn. 3), S. 56 ff.; offen gegenüber Änderungen auch COM, Strategie, S. 14; denkbare Konzepte werden vorgestellt von Rambaud/Chenet, How to Re-Conceptualize and Re-Integrate Climate Finance Into Society Through Ecological Accounting?, 2020; Schoenmaker/Schramade (Fn. 5), S. 157 ff.

164 Dombret (Fn. 2), S. 5, 7; ders., Kreditwesen 2018, 330, 331 f.

Sack, Green Finance – Rechtliche Möglichkeiten zur Anreizsetzung126

II. Die Berücksichtigung eines exogenen Faktors in der Kapitalmarktregulierung weicht vom bisherigen Verständnis des Kapitalmarktrechts ab. Die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz eines Anlegers bei der Anlageberatung nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 lit. a) VO (EU) 2017/565 zukünftige Fassung ist im Hinblick auf den Eingriff in die Privatautonomie des Anlegers durch das gezielte Nudging eher kritisch zu beurteilen. Eine interessante Möglichkeit zur Anreizsetzung stellt die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in börsenrechtliche Anforderungen dar.

III. Werden nachhaltigkeitsbezogene Kriterien in die Bankenregulierung einbezogen, darf dies nicht zulasten der Finanzsystemstabilität gehen. Die Einführung eines Green Supporting Factors ist aus diesem Grund abzulehnen. Hingegen ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement der Banken erforderlich, um Risikopositionen angemessen zu bewerten. Vor dem Hintergrund, dass hierfür präzise Risikokalkulationen erforderlich sind, ist die Implementierung im Risikomanagement jedoch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.