Formzwang im Individualarbeitsrecht – de lege lata und de lege ferenda

Alexander Willers*

A. Einleitung

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft sprach von einem „Schlag ins Gesicht“1, der Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen von „Pest und Cholera zusammen“2 und eine Kanzlei bezeichnete das zum 1.8.2022 geänderte Nachweisgesetz (NachwG) als „Bürokratie-Lawine“3. Die scharfe Kritik veranlasste das Bundeskabinett Anfang 2024 zu einer Gesetzesinitiative eines neuen Bürokratieentlastungsgesetzes, das einige Formerfordernisse anpassen soll.4

Im Zuge der Digitalisierung rücken arbeitsrechtliche Formzwänge in den Mittelpunkt rechtspolitischer Debatten. Auf der einen Seite wird auf die bedeutende Rolle elektronischer Kommunikationsmittel im Rechtsverkehr verwiesen.5 Auf der anderen Seite wird der Schutz der Erklärungsempfänger6 durch Formvorschriften betont.7 Vor dem Hintergrund dieses Konflikts stellt sich die Frage, inwiefern die einzelnen Formerfordernisse des Arbeitsrechts noch ihren Zweck erfüllen und Reformbedarf besteht.

B. Formzwang de lege lata

I. Gesetzliche Formen

Das Gesetz regelt mit Schriftform (§ 126), elektronischer Form (§ 126a), Textform (§ 126b), öffentlicher Beglaubigung (§ 129) und notarieller Beurkundung (§ 128) die dem BGB bekannten Formen abschließend.

1. Schriftform

Gem. § 126 I BGB muss der Aussteller zur Wahrung der Schriftform die Urkunde eigenhändig durch Unterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnen. Die Voraussetzungen gelten, wenn das Gesetz die „Schriftform“ oder die „schriftliche Form“ erfordert.8 Fordert das Gesetz eine „schriftliche“ Mitteilung, ist eine eigenhändige Unterschrift nur erforderlich, wenn die Formfunktionen dies verlangen.9

Die Schriftform erleichtert die Beweisführung und schützt den Erklärenden vor übereilten Entscheidungen.10 Abschluss und Inhalt des Rechtsgeschäfts sollen erkennbar sein.11

2. Elektronische Form

Zur Wahrung der elektronischen Form muss der Aussteller gem. § 126a I BGB der Erklärung seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten Signatur versehen.

Dem Dokument muss lediglich der Familienname hinzugefügt sein.12 Die elektronische Form ersetzt gegenüber der Schriftform nur die Unterschrift.13 Über den Wortlaut hinaus ist das Einverständnis des Erklärungsempfängers erforderlich, um die Wiedergabemöglichkeit sicherzustellen.14 Die für die qualifizierte elektronische Signatur maßgebliche Begriffsbestimmung findet man in der sog. eIDAS-VO (VO (EU) Nr. 910/2014).

Die elektronische Form ersetzt die Schriftform gem. §§ 126 III, 126a BGB, wenn sich aus dem Gesetz nicht etwas anderes ergibt. Grundsätzlich sind — unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers15 — elektronische Form und Schriftform gleichwertig.16 Einschränkungen erfährt die elektronische Form als gleichwertiges „Äquivalent“ durch gesetzliche Ausschlüsse (z.B. § 623 Hs. 2 BGB).17

3. Textform

Gem. § 126b S. 1 BGB fordert die Textform die Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, in der die Person des Erklärenden genannt ist.

Die Übermittlung muss so erfolgen, dass die Erklärung dem Empfänger für den erforderlichen Zeitraum unverändert zur Verfügung steht.18 Zulässig ist die Übermittlung mittels E-Mail, SMS oder WhatsApp, und Verkörperungen auf DVD und CD-ROM.19

§ 126b BGB ist die geringste Form, die das BGB kennt.20 Der Gesetzgeber erachtet sie als notwendig für dokumentationsbedürftige Erklärungen.21

II. Arbeitsrechtliche Formvorschriften

Formerfordernisse sind insbesondere bei der Entstehung und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu beachten.

1. Arbeitsvertrag

Der Abschluss des Arbeitsvertrags (§ 611a I BGB) in seiner Gesamtheit unterliegt grundsätzlich keiner Formvorschrift und kann mündlich oder durch stillschweigende Vereinbarung erfolgen.22 Etwas anderes kann durch Formvorschriften in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung gelten.23 Gesetzliche Ausnahmen, die fast ausschließ-


*Der Autor ist Student der Bucerius Law School. Der Beitrag ist eine gekürzte Fassung seiner Examensseminararbeit bei Prof. Dr. Matthias Jacobs.

1 BVMW e.V, Pressemitteilung v. 12.7.2022, Bürokratiewahnsinn: Mittelstand kritisiert Novelle zum NachwG.

2 Zumkeller, Kol. V. 27.4.2022, Das neue NachwG: Zu viel des Schlechten.

3 Breitenbach, Blog v. 14.6.2022, Novelle des NachwG: Vom zahnlosen Tiger zur Bürokratie-Lawine.

4 BT-Drs. 20/11306.

5 AS-Drs. 20(11)161, S. 9.

6 Es wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet.

7 Vgl. BeckOGK-BGB/Hecht, § 126 Rn. 4.

8 Vgl. BeckOK-BGB/Wendtland, § 126 Rn. 2.

9 Lützen, NJW 2012, 1627, 1628.

10 ErfK-BGB/Preis, §§ 125-127 Rn. 3.

11 NK ArbR-BGB/Mestwerdt/Helm, §§ 125-127 Rn. 4.

12 BeckOGK-BGB/Primaczenko/Frohn, § 126a Rn. 24.

13 Jauernig/Mansel, § 126a Rn. 4.

14 Grüneberg/Ellenberger, § 126a Rn. 6.

15 BT-Drs. 14/4987, S. 15 ff.

16 Funke/Quarch, NJW 2022, 569 Rn. 5.

17 Noack, DStR 2001, 1893, 1895.

18 Vgl. ErfK-BGB/Preis, §§ 125-127 Rn. 30a.

19 NK ArbR-BGB/Mestwerdt/Helm, §§ 125-127 Rn. 35.

20 Leue, Formvorschriften, S. 97.

21 ErfK-BGB/Preis, §§ 125-127 Rn. 30.

22 Schaub/Koch ArbR A-Z, Arbeitsvertrag.

23 Schaub/Koch ArbR A-Z, Arbeitsvertrag.

Willers, Formzwang im Individualarbeitsrecht – de lege lata und de lege ferenda18

lich die Schriftform voraussetzen,24 gelten etwa für das Nachweisrecht (§ 2 I NachwG) und Befristungsabreden (§ 14 IV TzBfG).

a) Nachweisrecht

Nach dem NachwG von 1995 muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich über bestimmte Bedingungen informieren. Das Nachweisrecht wurde auf Grundlage der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU (AB-RL) zum 1.8.2022 geändert. Insbesondere wurde der Anwendungsbereich auf alle Arbeitsverhältnisse erweitert und weitere Pflichtangaben eingeführt.25

aa) Schriftformerfordernis

Gem. § 2 I 1 NachwG hat der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb gestaffelter Fristen schriftlich niederzulegen, zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Erforderlich ist die Schriftform des § 126 I BGB.26 Die Verschriftlichung dient der Information des Arbeitnehmers, der Sicherheit über den Inhalt seines Arbeitsvertrags haben soll.27 Die elektronische Form ist gem. § 2 I 3 NachwG ausgeschlossen.

bb) Ersetzung durch schriftlichen Arbeitsvertrag

Nach § 2 V NachwG entfällt die Nachweispflicht, wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt wurde, der die geforderten Angaben enthält.

Grundsätzlich müssen beide Parteien eines Vertrags auf derselben Urkunde unterzeichnen (§ 126 II 1 BGB). Fraglich ist, ob für die Wahrung der Schriftform nach § 2 V NachwG beide Parteien auf derselben Urkunde unterschreiben müssen oder ob der Zugang des vom Arbeitgeber unterzeichneten Vertrags beim Arbeitnehmer genügt. Nach der Rechtsprechung des BGH zum Schriftformerfordernis für langfristige Mietverträge in § 550 BGB reicht es aus, wenn dem Vertragspartner die vom Antragenden unterzeichnete Urkunde zugeht und er seinerseits auf den Zugang einer formwirksamen Annahmeerklärung gem. § 151 S. 1 BGB verzichtet.28 Das BAG lehnt diese Rechtsprechung für die Wahrung der Schriftform im Befristungsrecht nach § 14 IV TzBfG ab.29 Das Gericht verweist auf die Beweisfunktion, die nur durch den Austausch der gegenseitigen Erklärungen gewährleistet wird. Das NachwG dagegen dient lediglich der Information des Arbeitnehmers. Er erhält auch durch den Nachweis nach § 2 I 1 NachwG nicht mehr als den lediglich vom Arbeitgeber unterzeichneten Nachweis.30 Es ist daher für die Schriftform nach § 2 V NachwG ausreichend, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen von ihm unterzeichneten Arbeitsvertrag mit Bitte um Unterzeichnung zuschickt.31

cc) Ersetzung durch Arbeitsvertrag in elektronischer Form

Unklar ist, ob auch ein Arbeitsvertrag in elektronischer Form die Nachweispflicht gem. § 2 V NachwG ersetzt. Praktische Relevanz erlangt die Frage für den Leiharbeitsvertrag bei der Arbeitnehmerüberlassung: Der Verleiher muss gem. § 11 I 1 und 2 AÜG das NachwG einhalten und darüberhinausgehende Angaben in den Nachweis aufnehmen. Ein Verstoß gegen § 11 I AÜG ist gem. § 16 I Nr. 8 AÜG bußgeldbewehrt und kann zum Widerruf der Überlassungserlaubnis (§§ 3 I Nr. 1, 4, 5 AÜG) führen.32

§ 2 V NachwG enthält — anders als § 2 I 3 NachwG — keinen Ausschluss der elektronischen Form, die mithin nach § 126 III BGB die Schriftform ersetzen könnte. Dadurch könnte jedoch der Wille des Gesetzgebers umgangen werden, mit dem NachwG mehr Transparenz und Rechtssicherheit für den Arbeitnehmer zu schaffen.33 Der Gesetzgeber hat sich nicht zu den Gründen für den fehlenden Ausschluss der elektronischen Form in § 2 V NachwG verhalten und sich gegen eine ausdrückliche Regelung entschieden.34 Somit fehlt schon die für eine analoge Anwendung des § 2 I 3 NachwG erforderliche planwidrige Regelungslücke. Zudem liegt keine vergleichbare Interessenlage vor, weil der einseitige Nachweis durch den Arbeitgeber einem beiderseitigen Vertragsschluss nicht gleichsteht.35 Zudem würde eine analoge Anwendung den Anwendungsbereich des § 126 III BGB entgegen dem generellen Willen des Gesetzgebers, die elektronische Form — sofern nicht ausdrücklich normiert — gleichwertig zur Schriftform zu gestalten, aushöhlen.36 Auch entsteht kein Nachteil für Arbeitnehmer, da die Verwendung der elektronischen Form ohnehin ihrer Zustimmung bedarf.37 Europarechtlich spricht Art. 3 AB-RL mit der ausdrücklichen Erlaubnis der elektronischen Form gegen eine Erstreckung des Ausschlusses auf § 2 V NachwG.38 Daher kann der Nachweis nach hier vertretener Auffassung durch einen Arbeitsvertrag in elektronischer Form ersetzt werden.

b) Befristungsabreden

Das Schriftformerfordernis für die Befristung eines Arbeitsvertrags aus § 14 IV TzBfG ist die bedeutendste Ausnahme vom Grundsatz der Formfreiheit des Arbeitsvertrags.39 Es bezieht sich allein auf die Befristungsabrede.40 Da die Befristung ohne weitere Willenserklärungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, kommt der Rechtssicherheit eine hohe Bedeutung zu.41 Dem Arbeitnehmer soll deutlich werden, dass das befristete Arbeitsverhältnis keine dauerhafte Existenzgrundlage bietet.42

aa) Elektronische Form

Die elektronische Form ist nicht ausgeschlossen, sodass die Befristungsabrede auch nach § 126a BGB getroffen werden kann.43 Durch die Einführung des § 14 IV TzBfG zum


24 MHdB ArbR/Benecke, § 36 Rn. 29.

25 Vogel/Sorber, NJW 2022, 3339 Rn. 4.

26 NK ArbR-NachwG/Beckmann, § 2 Rn. 15.

27 ErfK-NachwG/Preis, § 2 Rn. 1.

28 BGH 24.2.2010 — XII ZR 120/06 (juris), Rn. 24 ff.

29 BAG 25.10.2017 — 7 AZR 632/15 (juris), Rn. 54 ff.

30 Bayreuther, NZA 2023, 593, 594.

31 So auch Bayreuther, NZA 2023, 593, 595.

32 Norda/Stoeker/Wilde, NZA 2022, 8, 9.

33 ErfK-NachwG/Preis, § 2 Rn. 2 f.

34 Dazu Falter/Bissels/Meißner, DB 2022, 2217, 2220.

35 Bayreuther, NZA 2023, 593, 594.

36 Funke/Quarch, NJW 2022, 569 Rn. 8.

37 Falter/Bissels/Meißner, DB 2022, 2217, 2220.

38 Norda/Stoeker/Wilde, NZA 2022, 8, 11.

39 SWK-ArbR/Altenburg, Arbeitsvertrag Rn. 14.

40 BeckOK ArbR-TzBfG/Bayreuther, § 14 Rn. 135.

41 Vgl. BT-Drs. 14/626, S. 11.

42 APS-TzBfG/Backhaus, § 14 Rn. 663.

43 ErfK-TzBfG/Müller-Glöge, § 14 Rn. 121c.

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1.1.2001 ist § 2 I 2 Nr. 3 NachwG praktisch bedeutungslos geworden.44 Gem. § 2 I 2 Nr. 3 NachwG ist bei befristeten Arbeitsverhältnissen das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Mindestanforderung des Nachweises. Weil der Nachweis nicht in elektronischer Form erfolgen darf, muss bei einer in elektronischer Form gefassten Befristungsabrede trotzdem der Nachweis nach § 2 I 2 Nr. 3 NachwG in Schriftform erfolgen.

bb) Altersgrenzenregelungen

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses auf das Erreichen der Regelaltersgrenze ist nach dem BAG zulässig.45 Es ist dagegen umstritten, ob die Schriftform des § 14 IV TzBfG auch für Altersbefristungen gilt. Lingemann ist der Ansicht, die Norm sei für Altersgrenzenregelungen teleologisch zu reduzieren, um ein Formerfordernis für fast alle Arbeitsverträge „durch die Hintertür“ zu verhindern.46

Das BAG lehnt die Reduktion mit einem knappen Verweis auf die besondere Bedeutung der Beweisfunktion bei Altersgrenzenregelungen ab.47 Das Gericht argumentiert überzeugend, dass Streitigkeiten über entsprechende Abreden erst Jahre nach Vertragsschluss aufkommen. Die Qualifizierung einer Altersgrenze als Befristung führt zwar zu einer Mehrzahl formbedürftiger Abreden. Die Beweisfunktion wird aber nicht dadurch bedeutungslos, dass sie viele Arbeitsverhältnisse betrifft. Zudem reicht für die sachliche Befristung die Anbindung an die rentenrechtliche Versorgung aus. Die tatsächliche wirtschaftliche Absicherung durch die Rente ist dagegen unbedeutend.48 Unter Berücksichtigung des weiter sinkenden Rentenniveaus kann dem Schriftformerfordernis im Einzelfall deshalb trotzdem eine Warnfunktion zukommen.49 Mithin ist das Schriftformerfordernis auch für Altersgrenzenregelungen einzuhalten.

2. Kündigung und Auflösungsvertrag

Gem. § 623 Hs. 1 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag der Schriftform.

Die Kündigung als einseitige Willenserklärung muss in der Form des § 126 I BGB erfolgen.50 Für Auflösungsverträge sind die Anforderungen des § 126 II BGB zu wahren.51 § 623 Hs. 2 BGB schließt die Ersetzung durch die elektronische Form aus. Dass Schriftsätze seit dem 1.1.2022 gem. §§ 130d S. 1 ZPO, 46g S. 1 ArbGG dem Gericht nur noch als elektronische Dokumente zu übermitteln sind, schließt Schriftsatzkündigungen aus.52

Vorrangiges Ziel des Gesetzgebers mit der Einführung des § 623 BGB zum 1.5.2000 war die Stärkung der Rechtssicherheit der zuvor formlos möglichen Kündigung.53 Das Formerfordernis dient insbesondere dem Schutz des Kündigungsempfängers.54 Bei Auflösungsverträgen dient es der Inhaltsklarheit.55

3. Sonstige Formvorschriften

a) Schriftformerfordernisse

Ein weiteres Schriftformerfordernis gilt für das Arbeitszeugnis unter Ausschluss der elektronischen Form (§§ 630 I 1 und 3 BGB, 109 I und III GewO). Für das schriftliche Elternzeitverlangen (§ 16 I 1 BEEG) und das Verlangen nach Pflegezeit- oder Familienpflegezeit (§§ 3 III 1 PflegeZG, 2a I 1 FPfZG) lässt das Gesetz mangels Ausschlusses die elektronische Form zu.

b) Textformerfordernisse

Wenn es nur um die bloße Information des Erklärungsempfängers — also um eine reine Wissensmitteilung — geht, lässt das Gesetz die Textform genügen.56 Beispiele sind die Information über einen Betriebsübergang (§ 613a V BGB) und die Entgeltabrechnung (§ 108 I 1 GewO).

Von Interesse sind die Vorschriften, bei denen die Rechtsprechung anstatt der vorgeschriebenen „schriftlichen“ Erklärung die Textform genügen lässt. Nach dem BAG gilt § 126 BGB unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte und einzelne Willenserklärungen.57 Für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen ist die Vorschrift analog anzuwenden, sofern Normzweck und Interessenlage es erfordern.58 Die Textform reicht nach dem BAG bspw. für die Unterrichtung des zweckbefristetet Beschäftigten über den Zeitpunkt der Zweckerreichung (§ 15 II TzBfG) und die Geltendmachung eines Anspruchs nach dem AGG (§ 15 IV 1 AGG) aus. Für die Ausnahme im AGG verweist das Gericht überzeugend darauf, dass die Geltendmachung ihren Zweck der Schaffung von Rechtsfrieden und -sicherheit auch ohne eigenhändige Unterschrift erfüllt.59

Für das Interesse des Arbeitnehmers, rechtzeitig über das Ende seines zweckbefristeten Arbeitsvertrags informiert zu werden, sei die Beweis- und Warnfunktion von geringerer Bedeutung und die Textform ausreichend.60 Dem ist entgegenzuhalten, dass die schriftliche Unterrichtung nach seiner Entstehungsgeschichte den Schutz der Schriftform für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen61 auf das Ende des zweckbefristeten Arbeitsvertrags übertragen soll.62 Insofern ist die Beweis- und Warnfunktion nicht von geringer Bedeutung und die Schriftform zweckmäßig.

III. Rechtsfolgen von Verstößen

Der Formzwang einer Vorschrift hängt von den Folgen eines Verstoßes ab: Je schärfer die Rechtsfolge, desto intensiver der Zwang zur Form.


44 BAG 25.10.2017 — 7 AZR 632/15 (juris), Rn. 28.

45 BAG 25.10.2017 — 7 AZR 632/15 (juris), Rn. 38 ff.

46 Lingemann, NZA 2018, 889, 891 f.

47 BAG 25.10.2017 — 7 AZR 632/15 (juris), Rn. 58.

48 BAG 25.10.2017 — 7 AZR 632/15 (juris), Rn. 39.

49 MAH ArbR/Melms/Felisiak, § 10 Rn. 16.

50 APS-BGB/Greiner, § 623 Rn. 12.

51 BeckOK ArbR-BGB/Gotthardt, § 623 Rn. 58.

52 Poguntke/von Villiez, NZA 2019, 1097, 1099; a.A. Heukenkamp, ZfDR 2022, 53, 56 ff.

53 ErfK-BGB/Müller-Glöge, § 623 Rn. 1.

54 NK ArbR-BGB/Boecken, § 623 Rn. 2.

55 BeckOK ArbR-BGB/Gotthardt, § 623 Rn. 53.

56 Bayreuther, NZA 2023, 593, 596.

57 BAG 10.5.2016 — 9 AZR 145/15 (juris), Rn. 17.

58 BAG 15.12.2011 — 7 ABR 40/10 (juris), Rn. 33; a.A. MüKo-BGB/Einsele, § 126 Rn. 4.

59 BAG 16.2.2012 — 8 AZR 697/10 (juris), Rn. 27.

60 BAG 20.6.2018 — 7 AZR 689/16 (juris) Rn. 61 ff.

61 Vgl. BT-Drs. 14/4374, S. 20.

62 APS-TzBfG/Backhaus, § 15 Rn. 8.

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1. Konstitutive Vorschriften

Gesetzliche Formerfordernisse sind unabdingbar.63 Verstöße führen gem. § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Ein Verstoß gegen tarifvertraglich vereinbarte Formvorschriften führt nur zur Nichtigkeit gem. § 125 S. 1 BGB, wenn die Partien eine konstitutive Wirkung wollten.64 Bei formwidriger Befristungsabrede entsteht gem. § 16 S. 1 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.65 Eine formwidrige Kündigung löst nicht die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG aus.66

2. Deklaratorische Vorschriften

In Ausnahmefällen sind Formerfordernisse keine Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern haben lediglich Ordnungsfunktion.67 Beispiele sind Verstöße gegen die Bestimmungen zur Niederlegung der wesentlichen Vertragsinhalte nach dem NachwG und dem AÜG.

C. Formzwang de lege ferenda

Für Überlegungen de lege ferenda sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu beachten. Der Arbeitnehmer ist dem Arbeitgeber nach dem BVerfG beim Vertragsabschluss „strukturell“ unterlegen.68 Sein Schutz fordert daher Formzwang.69 Es wäre dennoch verfehlt, Formerfordernisse allein mit der allgemeinen Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern zu rechtfertigen, weil ansonsten der Grundsatz der Formfreiheit im Arbeitsrecht ausgehebelt würde.70

I. Reformbedarf

1. Arbeitsrecht im Allgemeinen

a) Erforderlichkeit der Schriftform

Ob ein Schriftformerfordernis notwendig ist, richtet sich nach einer umfassenden Abwägung zwischen Verkehrserschwerung und Formzwecken. Dabei kommt es auf Wertungskriterien wie den Schutz vor Erheblichkeit der Rechtswirkung einer Erklärung, die Rechtsverbindlichkeit, die potenzielle Gefährdung der Rechtssicherheit und die Sicherstellung einer ausreichenden Dokumentation an.71

Die Schriftformerfordernisse im Arbeitsrecht erfüllen ihren Zweck. Gemeinsame Vereinbarungen wie die Befristungsabrede bedürfen der Schriftform, um ihre Beweis- und Klarstellungsfunktion zu erfüllen. Solche Vereinbarungen haben regelmäßig existenzielle wirtschaftliche Konsequenzen für die Parteien. Würde man die Textform ausreichen lassen, könnten wichtige Vereinbarungen auf beliebigen Datenträgern geschlossen werden. Die Textform würde zwar eine flexiblere Rechtsgestaltung ermöglichen, zugleich aber die Rechtssicherheit gefährden.

Für Schriftformerfordernisse einseitiger Erklärungen (§§ 623, 630 BGB) ist zu differenzieren. Gegen § 623 BGB wurde anfänglich vereinzelt angeführt, das Schriftformerfordernis erleichtere die Arbeit der Gerichte nicht, weil es in den meisten Streitfällen um die sachliche Berechtigung und nicht um den Nachweis der Kündigungserklärung an sich gehe.72 Zudem führe die Schriftform zu Schwierigkeiten in Kleinstbetrieben ohne professionell organisierte Personalwesen.73 Dagegen ist einzuwenden, dass die Schriftform tatsächlich zu mehr Klarheit in Gerichtsprozessen führt und die Beweisführung erleichtert.74 Es wäre unbillig, die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund weniger professionell organisierter Arbeitgeber zulasten der Arbeitnehmer rechtsunsicherer zu gestalten. Schließlich gilt die Schriftform auch bei arbeitnehmerseitigen Kündigungen. Genauso wäre es vor dem Hintergrund gleicher Rechte der Vertragsparteien unbillig, nur die arbeitgeberseitige Kündigung in Textform zuzulassen.75 Auch insofern überwiegen Übereilungsschutz sowie Beweisfunktion, die bspw. eine Kündigung über Messenger-Dienste kaum gewährleisten könnte.

Um die Echtheit des Arbeitszeugnisses zu verifizieren, sind die Funktionen der Schriftform erforderlich.76 Ein Textformerfordernis würde die Bedeutung von Zeugnissen im Rechtsverkehr dagegen erheblich einschränken. Im Sinne der Rechtssicherheit ist die Schriftform daher beizubehalten.

b) Gleichstellung der elektronischen Form

Die elektronische Form soll der Schriftform gleichstehen. Schon früh wurde angenommen, die elektronische Form werde die Schriftform in weiten Bereichen ablösen.77 Dennoch ist sie in der Praxis bis heute wenig verbreitet.78

aa) Kein beschränkter Anwenderkreis

Die Verwendung der elektronischen Form bedurfte lange eines erheblichen technischen und teils intellektuellen Aufwands, was den Anwenderkreis faktisch beschränkte.79 Das Problem hat sich durch Inkrafttreten der eIDAS-VO gelöst. Nutzern ist es nun möglich, die Signatur ohne eigene Infrastruktur über einen zertifizierten Vertrauensdienstleister zu verwenden.80 Eine elektronische Signatur ist im Alltag ohne Schwierigkeiten möglich.81

bb) Zweckmäßigkeit der Ausschlüsse

(1) Erwägungen des Gesetzgebers

Für den Ausschluss in § 623 Hs. 2 BGB führt die Gesetzesbegründung an, dass die damals erst kürzlich eingeführte Schriftform für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zumindest im subjektiven Bewusstsein der Benutzer noch gewisse Vorteile in der Warnfunktion habe. Weil zudem die Vorlage entsprechender Dokumente bei Behörden (bspw. der Agentur für Arbeit) erforderlich sei, hätte das elektronische Dokument keinen praktischen Nutzen. Schließlich solle sich der Schutz der traditionellen Schriftform erst etablieren, was eine spätere Zulassung der elektronischen Form jedoch nicht ausschließe.82


63 Staudinger/Hertel, § 125 Rn. 99.

64 BAG 7.7.1955 — 2 AZR 27/53 (juris), Rn. 14.

65 Vgl. ErfK-TzBfG/Müller-Glöge, § 14 Rn. 123.

66 BAG 6.9.2012 — 2 AZR 858/11 (juris), Rn. 11.

67 BAG 11.7.1991 — 2 AZR 107/91 (juris), Rn. 38.

68 BVerfG 26.6.1991 — 1 BvR 779/85 (juris), Rn. 48.

69 Vgl. Richardi, NZA 2001, 57, 58.

70 Binding, Elektronische Form, S. 53.

71 Gotthardt/Beck, NZA 2002, 876, 879.

72 BT-Drs. 14/626, S. 14.

73 Böhm, NZA 2000, 561 f.

74 Vgl. Binding, Elektronische Form, S. 51 f.

75 So aber Vielmeier, DB 2018, 3051, 3052 ff.

76 Vgl. BT-Drs. 14/4987, S. 22.

77 Bieser, DStR 2001, 27, 35; Binding, Elektronische Form, S. 118.

78 Vogel/Sorber, NJW 2022, 3339 Rn. 10.

79 Jauernig/Mansel, § 126a Rn. 1 f.

80 Voigt/Herrmann/Danz, NJW 2020, 2991 Rn. 12.

81 BeckOGK-BGB/Primaczenko/Frohn, § 126a Rn. 14.

82 BT-Drs. 14/4987, S. 22.

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Den Ausschluss der elektronischen Form in § 630 S. 3 BGB begründet der Gesetzgeber mit der hohen praktischen Bedeutung des Arbeitszeugnisses. Die Vorlage von Zeugnissen in elektronischer Form sei in kleineren Betrieben noch nicht üblich. Weil das Erscheinungsbild des Zeugnisses ebenso eine Rolle spiele, sei der Ausschluss notwendig, bis sich die elektronische Form in gleicher Weise wie das herkömmliche Zeugnis im Rechtsverkehr etabliert habe und sich elektronische Bewerbungen verbreiteten.83

(2) Zweckverfehlung

Die Digitalisierung spielt im Arbeitsrecht eine erhebliche Rolle.84 Zwar sind viele relevante Unterlagen noch immer in Papierform vorhanden.85 Mit einer digitalen Personalaktenführung sind jedoch maßgebliche Vorteile wie die effizientere Bearbeitung von Vorgängen und dezentrale Zugriffsmöglichkeiten verbunden.86 Moderne Unternehmen führen keine Personalakten in Papierform mehr und auch die große Mehrheit der Arbeitnehmer ist mit Möglichkeiten der E-Mail- und Internetnutzung vertraut.87 Zudem gelangt die wohl überwiegende Anzahl von Bewerbungen (inkl. angehängter Arbeitszeugnisse) auf elektronischem Wege zum Arbeitgeber.88 Der Ausschluss der elektronischen Form für das Arbeitszeugnis erschwert dem Arbeitnehmer insofern sein berufliches Fortkommen.89 Auch weniger technisch veranlagte Arbeitgeber und Arbeitnehmer wären nicht benachteiligt. Die elektronische Form wird dem Erklärungsempfänger nicht aufgedrängt, weil immer noch das Einverständnis des anderen Teils erforderlich ist. Es sei zudem erwähnt, dass sich die elektronische Form — anders als vom Gesetzgeber gewollt — nicht umfassend verbreiten kann, solange sie teilweise ausgeschlossen ist. Im Rahmen der Corona-Pandemie wurden weitere praktische Schwierigkeiten der Schriftform deutlich.90 Wenn die kündigungsberechtigte Person im Home-Office oder gar in Quarantäne war und die eigenhändige Unterschrift nicht vor Ort leistete, konnte die Kündigung nur umständlich ausgefertigt werden.

Die vom Gesetzgeber ursprünglich intendierten Zwecke der Ausschlüsse greifen nicht mehr. Aus heutiger Sicht hat die elektronische Form einen praktischen Nutzen.

c) Bedenken zur Textform

Schon bei Einführung der Textform wurde kritisiert, sie sei „überflüssig“ und eine vollständige Aufhebung der Formerfordernisse hätte die gleiche Wirkung.91 Der Bundesrat bezeichnete sie als „qualifizierte Formlosigkeit“, durch die das Recht künstlich kompliziert werde.92 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Textform einen sinnvollen Anwendungsbereich hat: Erklärungen, bei denen die Dokumentationsfunktion zwar ausreichend, aber geboten ist.93

Bayreuther ist der Auffassung, die Textform sei für das Arbeitsrecht „überschätzt“ und eine eigenständige arbeitsrechtliche Formdefinition „unterhalb“ der Schriftform notwendig.94 Er verweist auf die Vielzahl elektronischer Datenträger, die zur Wahrung der Textform ausreichen. Viele davon seien für den Arbeitsrechtsverkehr ungeeignet. Auch wenn die Vielzahl an Übermittlungsmedien kein Hindernis ist, sind manche Medien tatsächlich geeigneter als andere. Informiert der Arbeitgeber über einen Betriebsübergang gem. § 613a V BGB mittels einer DVD, werden nicht alle Empfänger über ein entsprechendes Laufwerk verfügen. Dabei handelt es sich aber um ein theoretisches Szenario. In der Praxis werden vor allem E-Mails oder Ausdrucke genutzt. Solange das gewählte Medium sicherstellt, dass der Empfänger die Information zur dauerhaften Verfügung erhält, erfüllt es seinen Zweck. Für reine Informations- und Dokumentationsvorschriften ist die Textform entsprechend ihrer Funktion ausreichend. Einer neuen Form für das Arbeitsrecht bedarf es deshalb nicht.

d) Gesetzliche Unklarheiten

Für einzelne Vorschriften lässt das BAG mit guten Gründen die Textform ausreichen, obwohl das Gesetz eine „schriftliche“ Erklärung voraussetzt.95 Mangels klarer gesetzlicher Regelung ist jedoch die Rechtsicherheit gefährdet.

2. Nachweisrecht

a) Ungeeignetheit der Schriftform

Kritiker des § 2 I 3 NachwG führen an, die Vorschrift führe zu einer „faktischen Schriftformpflicht“ für Arbeitsverträge.96 Der Zwang ergebe sich daraus, dass die Trennung von Arbeitsvertrag und Nachweis keine Vereinfachung sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein Verstoß lediglich zu einem Bußgeld führt.97

Die Kritik an dem hohen Aufwand, den die Einhaltung des NachwG bringt, ist dennoch berechtigt. Die Rechtswirkung ist gering, weil der Vertrag regelmäßig vorher geschlossen wurde und der Nachweis rein deklaratorisch ist. Die Warnfunktion ist begrenzt, weil sie primär für den Erklärenden und nicht für den Erklärungsempfänger (den Arbeitnehmer) gilt.98 Die Schriftform hat zudem eine geringere Beweiskraft, weil der Arbeitgeber beliebige Personen ohne Personalgestaltungskompetenz mit der Unterzeichnung des Nachweises beauftragen kann.99 Für Dokumentation und Information ist die Textform auch an anderen Stellen des Arbeitsrechts ausreichend. Nach dem Erwägungsgrund 24 AB-RL können Informationen, die nach der AB-RL schriftlich zur Verfügung zu stellen sind, auf elektronischem Wege übermittelt werden. Das erklärte Ziel der AB-RL einer Modernisierung bleibt im NachwG unberücksichtigt.100 Im Ergebnis ist das Schriftformerfordernis im NachwG nicht zweckgemäß und es besteht Reformbedarf.

b) Gleichstellung der elektronischen Form

Für den Ausschluss der elektronischen Form im NachwG (§ 2 I 3 NachwG) verweist die Gesetzesbegründung auf die Einhaltung der damals geltenden Richtlinie 91/533/EWG.101


83 BT-Drs. 14/4987, S. 22.

84 Müller, NZA 2019, 11.

85 Vgl. Mengel, Compliance, § 4 Rn. 10.

86 Herfs-Röttgen, NZA 2013, 478, 481.

87 Horcher, AS-Drs. 20(11)142, S. 4.

88 König, Beschäftigtendatenschutz, § 4 Rn. 16.

89 Hartmann, Kommunikationsmittel, S. 152 f.

90 Vgl. Hohenstatt/Sittard, Arbeitsrecht in Zeiten von Corona, XII. 1. a) aa).

91 Hähnchen, NJW 2001, 2831, 2833.

92 BT-Drs. 14/4987, S. 33.

93 MüKo-BGB/Einsele, § 126b Rn. 9.

94 Bayreuther, NZA 2023, 593, 597 f.

95 Siehe B.II.3.b).

96 Möller, ArbRAktuell 2022, 299, 301.

97 Kolbe, EuZA 2023, 3, 16.

98 Bayreuther, NZA 2023, 593, 597.

99 Bayreuther, NZA 2023, 593, 597.

100 Gaul/Pitzer/Pionteck, DB 2022, 1833, 1834.

101 BT-Drs. 14/4987, S. 31 f.

Willers, Formzwang im Individualarbeitsrecht – de lege lata und de lege ferenda22

Die Richtlinie wurde gem. Art. 24 AB-RL aufgehoben und durch die AB-RL ersetzt. Art. 3 AB-RL lässt elektronische Formen ausdrücklich zu. Die Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz des NachwG enthält keinen Grund für die Beibehaltung der schriftlichen Form.102 Mit dem Ende der Wirksamkeit der ursprünglichen Richtlinie hat § 2 I 3 NachwG somit seinen Zweck verloren.

Ausschlüsse der elektronischen Form sind aufgrund der Digitalisierung nicht mehr zeitgemäß.103 Für § 2 V NachwG ist darüber hinaus ungeklärt, ob die Ersetzung des Nachweises auch durch einen Arbeitsvertrag in elektronischer Form erfolgen kann.104 Es besteht Reformbedarf.

c) Schwächen der Textform

In der Literatur wird argumentiert, die Textform sei keine geeignete Alternative zur Schriftform im Nachweisrecht.105 Die Erwägung überzeugt zumindest grundsätzlich. Zum einen kontrollieren die Aufsichtsbehörden die Einhaltung des NachwG. Eine effiziente Verfolgung der Verstöße wäre durch die beliebige Wahl des Übertragungsmittels erschwert, zumal auch vermeintlich überprüfbare Übertragungsmittel wie E-Mails gelöscht werden können. Bedenken bestehen darüber hinaus für die Erteilung des Nachweises auf mobile Endgeräte des Arbeitnehmers (bspw. über Messenger-Dienste), der die Nachrichten selten aufmerksam durchlesen oder überhaupt zur Kenntnis nehmen wird.106 Insofern wäre der Zweck des Nachweises in Gefahr, den Arbeitnehmer effektiv zu informieren. Die Textform ist im Nachweisrecht deshalb ohne Modifikationen keine Alternative zur Schriftform.

II. Reformvorschläge

1. Arbeitsrecht im Allgemeinen

a) Abschaffung der Ausschlüsse der elektronischen Form

Die Ausschlüsse der elektronischen Form verfehlen ihren Zweck und verhindern die weitere Digitalisierung. Ausgehend von der Funktionsäquivalenz ist eine umfassende Gleichstellung der elektronischen Form mit der Schriftform wünschenswert.107 Die Gleichstellung sollte durch eine Streichung des Wortlauts „die elektronische Form ist ausgeschlossen“ in § 623 BGB und von § 630 S. 3 BGB erfolgen.108

b) Klarstellungen des Gesetzgebers

Für eine höhere Rechtssicherheit sollte der Gesetzgeber klarstellen, wenn er im Einklang mit der Rechtsprechung entgegen dem Wortlaut die Verwendung der Textform billigt,109 so etwa in §§ 15 II TzBfG, 15 IV 1 AGG und 17 II 1 KSchG. Der Wortlaut „schriftlich“ sollte zu „in Textform“ umformuliert werden.

2. Nachweisrecht

Für Reformen im Nachweisrecht ist die AB-RL zu berücksichtigen. Art. 3 S. 2 AB-RL sieht vor, dass die Informationen in Papierform oder — wenn die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungsnachweis erhält — in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden müssen.

a) Streichung von § 2 I 3 NachwG

Die Vorteile einer Gleichstellung der elektronischen Form gelten auch im Nachweisrecht. Schon im Gesetzgebungsverfahren sprach sich der Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit für eine Zulassung der elektronischen Form aus.110 Mittlerweile hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der zumindest die wünschenswerte Ersetzung des Nachweises durch einen Arbeitsvertrag in elektronischer Form zulässt.111 Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber auch den Ausschluss der elektronischen Form in § 2 I 3 NachwG streichen.

b) Streichung des Schriftformerfordernisses

Weil das Schriftformerfordernis im Nachweisrecht seinen Zweck verfehlt, wäre die Streichung des Wortlauts „schriftlich“ in § 2 I 1 NachwG zu begrüßen. In seiner Stellungnahme zum geplanten Bürokratieentlastungsgesetz schlägt der Bundesrat vor, den Nachweis zumindest auch in Textform in Verbindung mit einem Übermittlungsnachweis zuzulassen.112 Vereinzelt wird dagegen eine eigene Form für das Nachweisrecht gefordert, die eine Eingrenzung der Übermittlungsmedien — bspw. auf Papier und E-Mail — vornimmt.113

Die Textform an sich ist für das Nachweisrecht wegen der Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden und der Bedeutung des Erklärungsinhalts keine geeignete Form. Wird die Textform für das Nachweisrecht dagegen um ein Übermittlungsnachweiserfordernis ergänzt, können die Bedenken ausgeräumt werden. Zum einen könnten die Behörden den Übermittlungsnachweis als Beweis für die Einhaltung der Pflichten verwenden. Zum anderen würde ein solches Erfordernis dem Unionsrecht genügen und dem Dokumentationszweck gerecht werden. Jeder der Textform genügende elektronische Datenträger — auch ein Messenger-Dienst — lässt das Ausdrucken der Information zu.114 Zudem ist wie bei der elektronischen Form das Einverständnis des Empfängers zur Verwendung eines elektronischen Mediums notwendig.115 Eine Eingrenzung der Übermittlungsmedien ist folglich nicht erforderlich, die Textform mit Übermittlungsnachweiserfordernis dagegen wünschenswert.

D. Fazit

Es lässt sich festhalten, dass ein dringender Reformbedarf der arbeitsrechtlichen Formvorschriften besteht und folgende Maßnahmen angebracht sind:


102 Vgl. BT-Drs. 20/1636, S. 25 ff.

103 Siehe C.I.1.b)bb)(2).

104 Vgl. B.II.1.a)cc).

105 Bayreuther, NZA 2023, 593, 597.

106 Bayreuther, NZA 2023, 593, 597.

107 So auch Funke/Quarch, NJW 2022, 569 Rn. 6.

108 Für § 630 S. 3 BGB von der BReg vorgeschlagen, BT-Drs. 20/11306, S. 16.

109 So auch Poguntke/von Villiez, NZA 2019, 1097, 1104.

110 Horcher, AS-Drs. 20(11)142, S. 4.

111 BT-Drs. 20/11306, S. 27.

112 BT-Drs. 20/11306, S. 156.

113 Bayreuther, NZA 2023, 593, 599.

114 Vgl. Grüneberg/Ellenberger, § 126b Rn. 3.

115 Jauernig/Mansel, § 126b Rn. 3.

Willers, Formzwang im Individualarbeitsrecht – de lege lata und de lege ferenda23

1. Das Gesetz lässt nur ausnahmsweise die elektronische Form zu. Die Digitalisierung schreitet jedoch weiter voran. Wünschenswert wäre es, alle Ausschlüsse der elektronischen Form für eine Gleichstellung mit der Schriftform abzuschaffen.

2. Liegt der Zweck der Vorschrift in der reinen Information oder Dokumentation, lassen Gesetz und Rechtsprechung die Textform ausreichen. Genügt die Textform trotz des Wortlauts „schriftlich“, sollte der Gesetzgeber es klarstellen.

3. Weil das Schriftformerfordernis im Nachweisrecht praktisch aufwendig und rechtsdogmatisch zweckverfehlt ist, ist eine Streichung zu begrüßen. Als unionsrechtskonforme Lösung genügt die Textform modifiziert durch das Erfordernis eines Übermittlungsnachweises.

Die geplanten Änderungen durch das Bürokratieentlastungsgesetz sind erfreulich. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz mit den Vorschlägen des Bundesrats zustande kommt.