Geschäftsleiterhaftung bei Korruptionsverstößen im Ausland

Prof. Dr. Christoph H. Seibt/Dr. Moritz von Hesberg*

Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen! Diese mit Blick auf Wirtschaftsstraftaten in Unternehmen lange diagnostizierte Maxime hat in den letzten Jahren ihre Gültigkeit verloren. Vielmehr steht heute bei der Sanktionierung von Compliance-Verletzungen die Geschäftsleitungsebene im Fokus. Im Rahmen dieser generellen Compliance-Diskussion nimmt die Frage, welche Haftungsrisiken Geschäftsleitern bei Korruptionsverstößen in ausländischen Tochtergesellschaften drohen, einen (praktisch) äußerst wichtigen Platz ein. Das Thema ist, trotz seiner Aktualität und Praxisbedeutung, bislang kaum systematisch aufgearbeitet worden, was wohl einerseits an seiner hohen Komplexität, andererseits am Mangel einschlägiger Rechtsprechung liegt.

Verantwortlich für den allgemeinen Trend, vermehrt die Unternehmen selbst und deren Geschäftsleitung zur Verantwortung zu ziehen, sind weniger die insbesondere im Bereich der Korruptionsbekämpfung erfolgten Gesetzesverschärfungen, als vielmehr ein verändertes Verständnis der Öffentlichkeit und parallel hierzu der Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden, die weltweit mit zunehmender Härte gegen die aus ihrer Sicht Hauptverantwortlichen von Wirtschaftsdelikten vorgehen. Insbesondere deutsche Staatsanwaltschaften machen in (Auslands-)Korruptionsfällen seit einiger Zeit verstärkt von ihrem – schon länger existierenden – gesetzlichen Instrumentenkasten Gebrauch. Dies betrifft einerseits unmittelbar die Unternehmen, welche in der jüngeren Vergangenheit Adressaten empfindlicher Geldbußen (vgl. § 30 OWiG) und Verfallsanordnungen (vgl. § 29a OWiG, §§ 73 ff. StGB) waren. Daneben bekommt aber auch die Geschäftsleitungsebene das neue Haftungsverständnis zu spüren: Die höchstrichterliche Anerkennung einer – dem Grunde nach bestehenden – Geschäftsherrenhaftung für betriebsbezogene Straftaten (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42) sowie eine verstärkte Anwendung des § 130 OWiG haben dazu geführt, dass sich auch Vorstände und Geschäftsführer deutscher Kapitalgesellschaften nicht mehr sicher sein können, bei eigenen Pflichtverletzungen oder Fehlverhalten von Mitarbeitern nicht ebenfalls straf- oder bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.

Verdeutlicht und angetrieben wird diese Entwicklung vor allem durch die Aufarbeitung verschiedener, teilweise in den Medien breit ausgebreiteter Korruptionsfälle. Die in diesem Zusammenhang verhängten Unternehmenssanktionen, aber auch die Strafverfahren gegen prominente Unternehmensleiter haben zu einer Intensivierung der wissenschaftlichen und unternehmenspraktischen Compliance-Diskussion geführt. Eine Katalysator-Funktion wird insoweit immer wieder dem „Siemens-Skandal“ zugesprochen. Grob zusammengefasst ging es in diesem um Schmiergelder, die im Siemens-Konzern durch Mitarbeiter (ausländischer) Tochtergesellschaften bezahlt wurden, um (letztlich vermeintlich) lukrative Aufträge zu gewinnen. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelte und vertrat schnell die Auffassung, dass innerhalb des Konzerns keine ausreichenden Compliance-Maßnahmen etabliert waren, um entsprechende Zahlungen zu verhindern. Mit Blick auf die Siemens AG als Konzernmutter sowie den Gesamtvorstand stellte sich die Staatsanwaltschaft auf den Standpunkt, dass eine konzernweite Pflicht des Gesamtvorstands zur Schaffung ausreichender Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen bestand und erließ wegen der Verletzung dieser Pflicht einen entsprechenden Bußgeldbescheid über 395 Millionen Euro, welchen die Siemens AG akzeptierte. Diese Rechtsauffassung, die lange Zeit nicht gerichtlich überprüft wurde, ermunterte nachfolgend zahlreiche Staatsanwaltschaften zu einem vergleichbaren Vorgehen und stellt daher gewissermaßen den Motor für die Verschärfung der Haftung von Unternehmen und Managern dar.

Neben der straf- und bußgeldrechtlichen Haftungsverschärfung ist – angesichts der hohen Schadenssummen auf Unternehmensseite nur folgerichtig – auch die zivilrechtliche Haftung der Geschäftsleitung zunehmend ins Blickfeld gerückt. Diese sieht sich einer immer weitergehenderen


* Der Autor Seibt ist Partner bei der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Derin- ger LLP in Hamburg im Bereich Gesellschaftsrecht/MA. Er ist zudem Honorarprofessor an der Bucerius Law School, Hamburg. Der Autor von Hesberg ist Associate bei der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Hamburg im Bereich Gesellschaftsrecht/MA mit Fokus auf Anti- Korruptions Compliance.

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Interpretation der gesellschaftsrechtlichen Organisations-, Aufsichts- und Sorgfaltspflichten auf Geschäftsleiterebene ausgesetzt. Nicht nur in Spezialbereichen, wie bspw. in der Finanzindustrie mit dem KWG oder dem VVG, sondern auch in die allgemeine gesellschaftsrechtliche Dogmatik des Aktien- und GmbH-Rechts hat inzwischen der Gedanke Einzug gehalten, dass Compliance-Pflichten Chefsache sind und vom Vorstand unter Zuhilfenahme erheblicher Mittel im eigenen Unternehmen auf- und durchgesetzt werden müssen. Immer mehr neigt sich das Pendel an dieser Stelle sogar dahin, von den Geschäftsleitern die Etablierung konzernweiter Compliance-Systeme zu fordern. Zwar mag insofern eine Delegation von Compliance-Aufgaben innerhalb des Vorstands oder auf nachgeordnete Hierarchieebenen möglich sein, dennoch soll nach herrschendem Verständnis beim Vorstand stets eine delegationsfeindliche Überwachungspflicht verbleiben. Auch hinsichtlich dieser Entwicklung kommt der Siemens-Korruptionsaffäre eine besondere Bedeutung zu. Im Rahmen der internen Aufarbeitung war das Unternehmen nämlich zu dem Schluss gelangt, dass sich zahlreiche (ehemalige) Organmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 116 AktG schadensersatzpflichtig gemacht hatten, indem sie ihren Compliance-Pflichten nicht gerecht geworden waren. Da die nachfolgenden Vergleichsverhandlungen im Verhältnis zum ehemaligen Vorstandsmitglied Heinz-Joachim Neubürger scheiterten, reichte die Siemens AG eine entsprechende Klage beim Landgericht München I ein. In dem vielbeachteten Neubürger-Urteil (LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HKO 1387/10; letztlich einigten sich die Siemens AG und Neubürger auf einen Vergleich über die Zahlung von 2,5 Millionen Euro) setzte sich das Gericht erstmals detailliert (und leider fehlerhaft; vgl. Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 ff.) mit den Anforderungen an die Compliance-Organisation sowie den diesbezüglichen Vorstandspflichten auseinander und bejahte im Ergebnis einen Schadensersatzanspruch der Siemens AG gegen die Organmitglieder wegen ungenügender Compliance-Vorkehrungen.

Hinsichtlich der Anspruchsdurchsetzung seitens der geschädigten Gesellschaft ist das sog. ARAG/Garmenbek-Urteil des BGH aus dem Jahr 1997 von zentraler Bedeutung (BGH, Urt. v. 21.04.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244): In diesem Urteil stellte der BGH fest, dass der Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft dazu verpflichtet ist, Verdachtsmomenten bzgl. möglicher Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern nachzugehen und, sollten diese sich bestätigen, entsprechende Schadensersatzansprüche gegen die verantwortlichen Vorstandsmitglieder im Namen der Gesellschaft geltend zu machen, wenn nicht überwiegende Gesellschaftsinteressen gegen eine solche Geltendmachung sprechen. Aufsichtsratsmitglieder befinden sich heutzutage also in der Pflicht, jedem Verdacht eines pflichtwidrigen Vorstandshandelns nachzugehen und diesen aufzuklären, um nicht selbst in Gefahr zu geraten, vom Vorstand (!) und den Anteilseignern zur Verantwortung gezogen zu werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Geschäftsleitern deutscher Kapitalgesellschaften sowohl in straf- und bußgeldrechtlicher als auch in zivilrechtlicher Hinsicht ein ernstzunehmendes Risiko droht, bei Compliance-Verstößen allgemein und Korruptionsverstößen von Mitarbeitern im Ausland im Speziellen persönlich haftbar gemacht zu werden.

Der Befund ist für Geschäftsleiter umso misslicher, als dieser praktisch äußerst relevante Bereich weiterhin von großer Rechtsunsicherheit geprägt ist. Grund hierfür ist vor allem, dass es hinsichtlich zahlreicher Fragen weiterhin an einschlägiger Rechtsprechung fehlt (vgl. zu der Problematik ausführlich Wiesenack/Klein in: Eisele/Koch/Theile, Der Sanktionsdurchgriff im Unternehmensverbund). In der Praxis werden Unternehmensgeldbußen – nach entsprechenden Verhandlungen – zumeist akzeptiert, strafrechtliche Vorwürfe gegen Leitungspersonen regelmäßig gegen oftmals hohe Geldzahlungen eingestellt (vgl. § 153a StPO) oder zum Gegenstand einer Verständigung gemacht (vgl. § 257c StPO) und zivilrechtliche Haftungsfragen ganz überwiegend auf dem Vergleichsweg erledigt.

Dieser Kurz-Beitrag kann es nicht unternehmen, diese rechtlichen Unsicherheiten aufzulösen und allen Problemen in Bezug auf die Geschäftsleiterhaftung in Auslandskorruptionsfällen nachzugehen. Aber es sollen exemplarisch drei aus Praktikersicht besonders relevante Bereiche, die sämtlich starke gesellschaftsrechtliche Bezüge aufweisen, behandelt werden.

Der erste Punkt betrifft die Möglichkeit einer bußgeldrechtlichen Durchgriffshaftung im Konzern. Da sich Korruptionsverstöße häufig in der Sphäre der (ausländischen) Tochtergesellschaften abspielen, ist die Frage, ob auch die Konzernobergesellschaft und ihre Leitungspersonen für diese Zuwiderhandlungen verantwortlich gemacht werden können, von herausragender praktischer Bedeutung. Wie bereits oben für den Siemens-Fall kursorisch beschrieben, basiert die Argumentation der Staatsanwaltschaft in Auslandskorruptionsfällen darauf, den Gesamtkonzern als einheitliches Unternehmen zu begreifen. Dieses Verständnis entspricht der Einheitsbetrachtung im europäischen Kartellrecht. Losgelöst von gesellschaftsrechtlichen Regelungen geht der EuGH, im Einklang mit der Kommission, bei bestimmendem Einfluss der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft von einer wirtschaftlichen Einheit aus (vgl. ausführlich Bosch, ZHR 177 (2013), 454 ff.).

Gegen diese Rechtsauffassung wird häufig eingewandt, dass sie das dem deutschen Gesellschaftsrecht immanente Trennungsprinzip negiert. Tatsächlich sind bei einer formalen Betrachtungsweise nach dem Rechtsträgerprinzip ausschließlich die rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften als Betriebs- oder Unternehmensinhaber zu qualifizieren und daher auch alleinige Normadressaten des § 130 OWiG. Mit Verweis auf eine autonome, teleologische Auslegung der Begriffe „Inhaber“, „Betrieb“ und „Unternehmen“ plädiert die inzwischen wohl herrschende Meinung in der Literatur (zumindest bei einer (tatsächlichen) Einflussnahme der (Geschäftsleitung der) Muttergesellschaft auf Ebene der Tochtergesellschaft) gleichwohl für eine Erstreckung der Aufsichtspflichten über die eigenen Gesellschaftsgrenzen hinaus (vgl. umfassend von Hesberg, Das Bestehen ordnungswidrigkeitsrechtlicher Aufsichtspflichten im Konzernverbund aus dem Blickwinkel von § 130 OWiG, Diss. 2016; Caracas, CCZ 2015, 167, 168 m.w.N.). Diese Auffassung wurde unlängst erstmals durch ein Oberinstanzgericht bestätigt. Nach einem Beschluss des OLG München können konzernweite


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Aufsichtspflichten der Muttergesellschaft zumindest in Fällen bestehen, in denen eine tatsächliche Einflussnahme der Leitungsorgane der Konzernmutter auf Ebene der Tochtergesellschaft vorliegt (OLG München, Beschl. v. 23.9.2014 – 3 Ws 599/14 und 3 Ws 600/14; ebenso von Hesberg, a.a.O.).

Obgleich für die Praxis damit weitgehend feststeht, dass bei Fehlverhalten in Tochtergesellschaften, wie insbesondere korruptivem Verhalten von Mitarbeitern von Tochtergesellschaften, eine bußgeldrechtliche Inanspruchnahme der Geschäftsleitung der Konzernobergesellschaft möglich ist, bleiben diesbezüglich dennoch zahlreiche Fragen offen. So ist weiterhin unklar, ab welcher Intensität der tatsächlichen Einflussnahme eine Aufsichtspflicht angenommen werden kann und ob unter Umständen sogar die bloße Möglichkeit einer Einflussnahme ausreichend ist. Fraglich bleibt darüber hinaus auch der Umfang der Aufsichtspflicht der Muttergesellschaft und damit ihrer Geschäftsleiter sowie daraus folgend das Verhältnis zur Aufsichtspflicht der Tochtergesellschaft. Zusätzlich zu diesen Unklarheiten stellen sich bei Korruptionsfällen im Ausland auch komplexe Fragen mit Blick auf die Anwendbarkeit und Schutzbereichseröffnung des deutschen Ordnungswidrigkeitsrechts (vgl. dazu umfassend von Hesberg, a.a.O. sowie Caracas, CCZ 2015, 218 ff.).

Der zweite Aspekt betrifft die Frage, inwieweit sich Geschäftsleiter bei Compliance-Entscheidungen in Bezug auf Auslandskorruptionsverstöße auf die haftungsprivilegierende Business Judgement Rule („BJR“) berufen können, um eine zivilrechtliche Regresshaftung zu vermeiden. Gegen eine Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wird in erster Linie vorgebracht, dass es sich bei der Compliance-Organisation nicht um eine unternehmerische Entscheidung, sondern vielmehr um eine gesetzliche Pflicht handelt. Damit stehe einer Berufung auf den „sicheren Hafen“ der BJR die Legalitätspflicht entgegen, nach welcher die Geschäftsleitung dafür Sorge zu tragen hat, dass im Außenverhältnis sämtliche, die Gesellschaft als Rechtsobjekt betreffende Vorschriften eingehalten werden.

Diese Argumentation mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen, ist im Ergebnis aber durchaus zweifelhaft (to say the least). Zunächst bedarf die Grundlegung und Reichweite der sog. Legalitätspflicht einer weiteren dogmatischen Klärung, des Weiteren ist es keineswegs zwingend, dass jede – auf Handeln der Geschäftsleiter zurückgehende – Verletzung einer die Gesellschaft im Außenverhältnis treffenden Rechtspflicht stets auch eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis begründet (hierzu Seibt, NZG 2015, 1097). Weitgehend unbestritten ist zwar, dass die Legalitätspflicht unter keinem Nützlichkeitsvorbehalt steht und vorsätzliche straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen somit grundsätzlich auch bei wirtschaftlicher Vorteilhaftigkeit pflichtwidrig sind. Hinsichtlich solcher Entscheidungen, die unter rechtlicher Unsicherheit getroffen wurden und sich erst im Nachhinein als rechtswidrig herausstellen, wird demgegenüber – insbesondere bei einer Unternehmenstätigkeit mit Auslandsbezug – von zahlreichen Literaturstimmen ein eigenständiger Entscheidungsspielraum der Geschäftsleitung angenommen bzw. rechtspolitisch gefordert. Die Befürworter einer solchen „Legal Judgement Rule“ können sich nicht zuletzt auch auf aktuelle Rechtsprechung des BGH stützen (vgl. zum Ganzen Hasselbach/Ebbinghaus, AG 2014, 873 ff.; Cichy/Cziupka, BB 2014, 1482 ff.; Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 99).

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten und ist speziell für den Bereich der Auslandskorruption von besonderer Bedeutung. Neben den allgemeinen Unklarheiten bzgl. der Anforderungen an die Compliance-Organisation ist hier nämlich oftmals ebenfalls unsicher, ob die korruptiven Verhaltensweisen überhaupt verboten sind („Was ist Recht im Land X?“). So gibt es weiterhin Rechtsordnungen, in denen die Bestechung im geschäftlichen Verkehr nicht sanktioniert wird und sich in Bezug auf deutsche Straf- oder Bußgeldvorschriften somit die komplizierte Frage einer Fremdrechtsanwendung stellt. In zahlreichen Rechtsordnungen ist darüber hinaus im Einzelnen unklar, welche Fallkonstellationen von den Antikorruptionsvorschriften erfasst werden.

Der dritte Themenkomplex betrifft die Frage einer höhenmäßigen Begrenzung der Binnenregresshaftung sowie der Anspruchsdurchsetzung. Da die im Raum stehenden Schadensersatzforderungen insbesondere in Auslandskorruptionsfällen, bei denen für Unternehmen neben Geldbußen auch gravierende weitere Schäden wie Umsatzeinbrüche sowie Reputationsschäden entstehen, auch für hochbezahlte Manager existenzbedrohende Ausmaße annehmen können, haben diese Bereiche in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und sorgen daher aktuell für rechtspolitische Diskussionen. Selbst wenn die Überlegungen angesichts der vielseitigen Haftungsrisiken natürlich grundsätzlicher Natur sind, wurden sie doch insbesondere auch durch die teils spektakulären Schadensersatzforderungen befeuert, die im Zuge der Aufarbeitung größerer Korruptionsfälle erhoben wurden. So verlangte zwischenzeitlich etwa die MAN AG von ihrem Ex-Vorstandschef, Hakan Samuelsson, Ersatz für den im Rahmen der Korruptionsaffäre entstandenen Schaden in Höhe von 237 Millionen Euro (Handelsblatt v. 17. 1. 2011: „Teures Nachspiel für Ex-MAN-Chef“).

Nach dem gesetzlichen Modell haften Organmitglieder bei leicht fahrlässigen Pflichtverletzungen in unbeschränkter Höhe (vgl. § 93 Abs. 2 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG). Während es den GmbH-Gesellschaftern freisteht, davon abweichende Vereinbarungen zu treffen, steht möglichen Haftungsbeschränkungen, wie etwa der Vereinbarung von Haftungshöchstgrenzen, bei der AG die Vorschrift des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG entgegen. Gleichwohl gibt es – angelehnt an arbeitsrechtliche bzw. organschaftliche Treuepflichten und den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – de lege lata verstärkt Überlegungen, die Haftung des Vorstands bei fahrlässigen Pflichtverstößen auf einen „angemessenen“ Umfang zu begrenzen, um eine wirtschaftliche Existenzvernichtung zu vermeiden (vgl. dazu Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 106; Bayer, NJW 2014, 2546, 2548 m.w.N.). Bezieht sich die Schadensersatzforderung auf eine gegen das Unternehmen verhängte Geldbuße ist zudem zu beachten, dass Bußgelder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen haben (§ 17 Abs. 3 OWiG). Vor diesem Hintergrund wird – bei kartellrechtlichen Verstößen unlängst auch von der Rechtsprechung (LAG Düsseldorf, Teilurteil v. 20.01.2015 – 16 Sa 459/14) – vertreten, dass eine Regresshaftung für die Unternehmensgeldbuße vollständig ausscheidet oder aber zumindest auf die Höhe eines hypothetischen Bußgeldes gegenüber einer natürlichen Person zu beschränken ist


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195mm(vgl. Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 107; Suchy, NZG 2015, 591 m.w.N.). Darüber hinaus sind auch anstellungsvertragliche Schutzklauseln vorgestellt worden (Seibt, NZG 2016, 361; dagegen Habersack, NZG 2015, 1297). Zusätzlich zu diesen Überlegungen mehren sich die rechtspolitischen Forderungen, es zukünftig den Aktionären zu überlassen, die Haftung der Organmitglieder im Wege der Satzungsregelung abweichend vom gesetzlichen Modell zu gestalten (vgl. nur Vetter, NZG 2014, 921). Dies alles erscheint schon deshalb sinnvoll, weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Organmitglieder einer vollständigen Durchsetzung entsprechender Schadensersatzforderungen regelmäßig ohnehin entgegenstehen wird und durch die derzeitige Rechtslage Anreize für wirtschaftlich inadäquates, riskoaverses Verhalten gesetzt werden.

Regelungsbedarf besteht letztlich auch hinsichtlich der praktischen Rechtsdurchsetzung. Wie bereits dargestellt, werden entsprechende Ersatzansprüche der Gesellschaft nur selten auf dem Klageweg verfolgt. Vielmehr ist es insbesondere bei Schadensersatzforderungen im Zusammenhang mit Korruptionsfällen zum Abschluss zahlreicher Vergleichsvereinbarungen mit Organmitgliedern gekommen, welche aktuell auch die Regulierungspraxis von D&O-Schadensfällen beherrschen (Fleischer, AG 2015, 133). Aktienrechtlich bestehen für derartige Vergleiche jedoch hohe Hürden. Nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG kommen sie erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs in Betracht und erfordern neben der Zustimmung der Hauptversammlung, dass kein Widerspruch einer qualifizierten Minderheit erfolgt. Diese hohen Anforderungen und insbesondere die dreijährige Sperrfrist werden rechtspolitisch zurecht kritisiert, da sie eine abschließende Aufarbeitung im Unternehmen unnötig in die Länge ziehen. Auch der 70. Deutsche Juristentag hat sich daher für eine Abschaffung der Dreijahresfrist ausgesprochen.

Insgesamt: Was früher zu wenig an Geschäftsleiterhaftung für Auslandskorruption bestand, besteht heute zu viel und vor allem: zu unklar. Eine Readjustierung und Präzisierung der Haftungsregeln tut Not.